Eigenschaften/WirkungenATC-Code
B02BD02
Wirkungsmechanismus/Pharmakodynamik
Jivi ist ein PEGyliertes, B-Domänen-deletiertes (BDD), konjugiertes, rekombinantes Blutgerinnungsfaktor-VIII (rFVIII)-Protein. Das Molekulargewicht des Proteins ist ca. 230 kDa. Jivi ersetzt temporär den fehlenden Gerinnungsfaktor-VIII, der bei Patienten mit angeborener Hämophilie A zur Hämostase benötigt wird. Jivi besitzt aufgrund der PEGylierung eine verlängerte terminale Halbwertszeit (t1/2) und eine vergrösserte Fläche unter der Kurve (AUC),. Die PEGylierung in der A3-Domäne mit einem 60 kDa verzweigten PEG (2 Ketten à 30 kDa) verringert die Bindung an physiologische Faktor-VIII-Clearancerezeptoren bei Aufrechterhaltung der normalen Funktionen des Faktor-VIII-Moleküls.
Die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) ist bei Hämophilie verlängert. Die Bestimmung der aPTT ist ein konventioneller in-vitro-Test für die biologische Faktor-VIII-Aktivität.
Die Behandlung mit rekombinantem Faktor-VIII bewirkt eine Normalisierung der aPTT, die vergleichbar ist mit der aPTT, die mit aus Plasma gewonnenem Faktor-VIII erzielt wird. Durch die Gabe von Jivi werden die Faktor-VIII-Plasmaspiegel erhöht, wodurch eine vorübergehende Korrektur des Faktor-VIII-Mangels und der Blutungsneigung erreicht wird.
Klinische Wirksamkeit
Klinische Studien
Insgesamt wurden 232 vorbehandelte Patienten mit schwerer Hämophilie A im klinischen Studienprogramm, das aus einer Phase-I-Studie und zwei Phase-II/III-Studien bestand, behandelt. 159 Patienten waren mindestens 12 Jahre alt.
Phase II/III: Die Pharmakokinetik, Sicherheit und Wirksamkeit von Jivi bei der Bedarfsbehandlung, Prophylaxe mit drei Behandlungsschemata (zweimal pro Woche 30-40 IE/kg, alle 5 Tage 45-60 IE/kg und alle 7 Tage 60 IE/kg) und Hämostase bei grösseren chirurgischen Eingriffen wurden in einer multinationalen, offenen, nicht kontrollierten, teilrandomisierten Studie untersucht. In einer Verlängerungsstudie wurden Patienten eingeschlossen, die die Hauptstudie abgeschlossen hatten. Primärer Wirksamkeitsparameter war die jährliche Blutungsrate (ABR).134 männliche vorbehandelte Patienten (einschliesslich 13 Patienten im Alter von 12 bis 17 Jahren) erhielten über einen Zeitraum von 36 Wochen mindestens eine Injektion von Jivi zur Prophylaxe (n = 114) oder als Bedarfsbehandlung (n = 20). Insgesamt 121 Patienten wurden während der Verlängerung der Studie behandelt, wobei die mediane Dauer 3.2 Jahre (Bereich von 0.1 bis 6.3 Jahre) betrug. 36 Patienten wurden mindestens 5 Jahren lang behandelt, 110 Patienten für mindestens 100 Expositionstage. Im chirurgischen Teil wurde die Hämostase bei 20 grösseren chirurgischen Eingriffen an 17 Patienten untersucht.
Phase III (Kinder und Jugendliche): Die Pharmakokinetik, Sicherheit und Wirksamkeit von Jivi bei drei prophylaktischen Behandlungsschemata (zweimal wöchentlich, alle 5 und alle 7 Tage) sowie die Behandlung von Durchbruchblutungen wurden in einer multinationalen, nicht kontrollierten, offenen Studie mit 73 vorbehandelten pädiatrischen Patienten (unter 12 Jahren) über einen Zeitraum von 50 Expositionstagen und mindestens 6 Monaten untersucht. 61 (83.6%) Patienten schlossen die Hauptstudie ab und 59 Patienten nahmen an der optionalen Verlängerungsstudie teil.
Prophylaktische Behandlung von Patienten ab 12 Jahren
Während der Hauptstudie erhielten Patienten Jivi entweder prophylaktisch zweimal wöchentlich (n = 24) oder nach Randomisierung alle 5 Tage (n = 43) oder alle 7 Tage (n = 43) oder im Rahmen einer Bedarfsbehandlung (n = 20). 99 von 110 Patienten (90%) verblieben in dem ihnen zugewiesenen Behandlungsschema. Elf Patienten in dem Arm mit einer Jivi-Gabe alle 7 Tage, steigerten die Injektionshäufigkeit. Die bei allen prophylaktischen Behandlungsschemata verabreichte mediane Dosis betrug 46,9 IE/kg/Injektion. Die mediane (Q1; Q3) jährliche Blutungsrate im Prophylaxe-Arm betrug 2.09 (0.0; 6.1) für alle Blutungen und 0.0 (0.0; 4.2) für spontane Blutungen im Vergleich zu 23.4 (18; 37) für die Gesamtzahl an Blutungen in der Bedarfsbehandlungsgruppe. Bei 42 der 110 Patienten im Arm mit prophylaktischer Behandlung (38.2%) kam es zu keiner Blutungsepisode.
Während der Verlängerungsstudie wurden 23 Patienten zweimal wöchentlich, 33 Patienten alle 5 Tage und 23 Patienten alle 7 Tage behandelt, wobei 28 Patienten das Behandlungsschema wechselten. Die mediane Dosis im Prophylaxe-Arm betrug 47.8 IE/kg/Injektion. Insgesamt betrug die mediane (Q1; Q3) jährliche Gesamtblutungsrate 1.49 (0.4; 4.8) bzw. 0.75 (0.0; 2.9) für spontane Blutungen in den kombinierten Prophylaxe-Gruppen, während die jährliche Gesamtblutungsrate in der Bedarfsbehandlungsgruppe 34.1 betrug.
Es ist zu beachten, dass die jährliche Blutungsrate zwischen verschiedenen Faktor-Konzentraten und verschiedenen klinischen Studien nicht vergleichbar ist.
Behandlung von Blutungen
Von den während der Hauptstudie mit Jivi behandelten 702 Blutungsereignissen wurden 636 (90.6%) mit 1 oder 2 Injektionen behandelt, wobei bei 81.1% 1 Injektion benötigt wurde. Die mediane (Bereich) Dosis pro Injektion betrug 31.7 (14; 62) IE/kg. Von den während der Verlängerungsstudie mit Jivi behandelten 1902 Blutungen konnten 94.0% mit 1 oder 2 Injektionen kontrolliert werden, wobei bei 84.9% nur 1 Injektion benötigt wurde. Die mediane (Bereich) Dosis pro Injektion betrug 37.9 (15; 64) IE/kg.
Perioperative Behandlung
Insgesamt 20 grössere chirurgische Eingriffe wurden an 17 Patienten durchgeführt und beurteilt. Die mediane Gesamtdosis bei den grösseren Eingriffen betrug 219 IE/kg (Bereich: 50-1500 IE/kg, einschliesslich der postoperativen Phase von bis zu 3 Wochen). Die perioperative hämostatische Wirksamkeit wurde bei allen grösseren Eingriffen als gut oder ausgezeichnet beurteilt.
Ausserdem wurden bei 19 Patienten 34 kleinere Eingriffe vorgenommen. Die Hämostase wurde in allen vorliegenden Fällen als gut oder ausgezeichnet beurteilt.
Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren
Jivi darf bei Kindern unter 12 Jahren nicht angewendet werden (siehe Rubrik «Dosierung bei speziellen Patientengruppen/Kinder und Jugendliche»).
In der pädiatrischen Studie mit 73 vorbehandelten pädiatrischen Patienten <12 Jahren (44 PTPs <6 Jahre, 29 PTPs 6 bis <12 Jahre) wurden unerwünschte Reaktionen aufgrund einer Immunantwort gegen PEG in Kindern <6 Jahren beobachtet. In 23% der Patienten in der Altersgruppe <6 Jahre wurde ein Wirksamkeitsverlust aufgrund neutralisierender anti-PEG IgM-Antikörper während der ersten 4 Expositionstage beobachtet. In 7% der Patienten war der Wirksamkeitsverlust kombiniert mit Überempfindlichkeitsreaktionen. Die Immunantwort war vorübergehend. Es konnten keine Auslöser oder Prädiktoren für die Immunantwort gegen PEG identifiziert werden.
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