3,5%ige kolloidale Infusionslösung zurVolumensubstitution Zusammensetzung1000 ml Lösung enthalten:
Wirkstoff: Polygeline (über Harnstoffbrücken vernetzte Polypeptide aus abgebauter Gelatine, entsprechend 6,3 g Stickstoff) 35 g. Zur Herstellung der Gelatine werden Knochen vom Rind verwendet.
Sonstige wirksame Bestandteile:
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mmol g
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Natrium-Ionen 145 3,33
Kalium-Ionen 5,1 0,20
Kalzium-Ionen 6,25 0,25
Chlorid-Ionen 145 5,14
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In Spuren Phosphat- und Sulfat-Ionen. Ferner anionische Polypeptide bis zur Isoionie.
Wasser für Injektionszwecke ad 1000 ml.
Eigenschaften/WirkungenPhysikalisch-chemische Daten:
Mittleres Molekulargewicht Dalton 30 000.
Relative Viskosität (35 °C) cP 1,7-1,8.
Isoelektrischer Punkt pH 4,7 ± 0,3.
pH-Wert der Infusionslösung 7,3 ± 0,3.
Gelierungspunkt < + 3 °C.
Osmolalität mosm/kg 293.
Osmolarität mosm/l 301.
Pufferkapazität mval/l 0,47.
onkotischer Druck (37 °C) kPa 3,4-3,8.
Eigenschaften
Haemaccel ist ein Plasmasubstitut zum Volumenersatz zur Behebung oder Vermeidung einer Kreislaufinsuffizienz durch absoluten (z.B. durch Blutung) oder relativen (z.B. durch Plasmavolumenverschiebung zwischen den Kreislaufkompartimenten) Plasma-/Blutvolumenmangel.
Haemaccel ist steril, pyrogenfrei und enthält kein Konservierungsmittel. Gefrieren und Auftauen führen, wie Viskositätsmessungen bewiesen haben, nicht zu einer Veränderung der physikalisch-chemischen Eigenschaften. Ein Teil der Kolloide und der Flüssigkeit von Haemaccel tritt in den extravaskulären Raum über und trägt zur Rehydratation des Interstitiums bei. Ähnlich wie 5%ige Albuminlösung ist Haemaccel kein Plasmaexpander, sondern ein Volumensubstitut. Der Auffülleffekt von Haemaccel erstreckt sich also nicht nur auf den Intravasalraum. Er hängt von der Menge und Geschwindigkeit der Infusion, vom bestehenden Volumendefizit, von der Permeabilität der Kapillarwände sowie von der renalen Ausscheidung ab. Störungen der Organfunktionen wurden auch bei hoher Dosierung nicht festgestellt.
Wirkungen
Förderung der Mikrozirkulation, isoonkotisch, strömungsdynamisch, desaggregierend, niedrig viskos, partiell anionisch, d.h. kein Coating-Effekt.
Gesicherte Diurese; zur Förderung von Nierendurchblutung, Filtrationsleistung, osmolarer Clearance, tubulärer Elimination, Schutz vor Schockniere.
Haemaccel ist nicht immunogen und löst keine Antikörperbildung aus.
PharmakokinetikDie infundierte kolloidale Polypeptidlösung verdrängt kein Albumin. Die Polypeptide verteilen sich ähnlich Albumin im Intravasalraum und Interstitium und fliessen über die Lymphe zurück ins Blutplasma.
Die Halbwertszeit der kolloidalen Lösung beträgt im Serum am Ende einer 60minütigen Infusion bei gesunden Probanden mit normaler Nierenfunktion im Mittel 8,4 Stunden. Sie verdoppelt sich bei Hämodialyse-Patienten (GFR < 0,5 ml/min) auf 16,4 Stunden.
Bei intakter Nierenfunktion ist die Ausscheidung von Polygeline 48 Stunden nach Ende der Infusion in der Regel abgeschlossen.
Die Polypeptide werden über die Niere (ca. 80%) und Darm (ca. 10%) ausgeschieden. Eine Retention bzw. Kumulation findet nicht statt, da auch ein Abbau über körpereigene Proteasen erfolgt. Ausserdem kann Polygeline über den Darm ausgeschieden werden. Wie aus histochemischen, radiochemischen und histologischen Untersuchungen hervorgeht, werden die Polypeptide nicht im RES gespeichert.
Die Placentagängigkeit ist direkt vor der Geburt gering.
Die Organfunktion des Neugeborenen wird nicht beeinflusst.
Die Ausscheidung kleinerer Moleküle trägt zur diuresefördernden Wirkung wesentlich bei.
Indikationen/AnwendungsmöglichkeitenVolumenmangelschock, Blutverlust, Plasmaverlust, Exsikkosen, Volumenverluste während und nach Operationen, Anwendung in der Herz-Lungen-Maschine und während der Hämodialyse.
Ausserdem kann Haemaccel als Trägerlösung für verschiedene Medikamente Verwendung finden.
Dosierung/AnwendungDosierung
Dosierung und Infusionsgeschwindigkeit sind der individuellen Situation anzupassen und richten sich nach den Erfordernissen (Herz-Kreislauf-Parameter, Blutdruck, Atmung, Nierenfunktion usw.).
Für gesunde Erwachsene gelten die folgenden Richtwerte:
Bei Blut- oder Plasmaverlust:
Schockprophylaxe: 500-1500 ml.
Volumenmangelschock: bis zu 2000 ml.
Im Notfall Volumen nach Bedarf.
Als Orientierungswert gilt der Blutdruck.
Werden durch entsprechende Substitution die wesentlichen Blutbestandteile oberhalb ihres kritischen Verdünnungslimits gehalten und wird eine Hypervolämie oder Hyperhydratation vermieden, so kann Haemaccel ohne Dosislimit gegeben werden. Spätestens bei Unterschreiten eines Hämatokrits von 25 Vol.% muss eine Erythrozytensubstitution oder die Gabe von Gerinnungsfaktoren erwogen werden.
Bei Säuglingen, Kleinkindern und alten Patienten ist zu beachten, dass unzureichende Proteinreserven bestehen.
Anwendung
Haemaccel ist gebrauchsfertig und wird intravenös infundiert. Die Tropfenzahl kann nach folgender Formel berechnet werden:
Vorgesehene Infusionsmenge in ml : 4 × vorgesehene Infusionszeit (h) = Tropfenzahl/min
z.B. 500 ml sollen in 1 Stunde infundiert werden:
500: 4×1 = 125 Tropfen/min.
In Notfallsituationen, bei denen ein sofortiger Volumenersatz indiziert ist, darf Haemaccel auch schnell (z.B. 500 ml in 5 bis 15 min.) infundiert werden.
Aus technischen Gründen beinhalten die Haemaccel-Flaschen eine Restluftmenge. Druckinfusionen müssen unter strikt kontrollierten Bedingungen vorgenommen werden, da sonst das Risiko einer Luftembolie besteht.
Unter Einhaltung der obenerwähnten Orientierungswerte kann Haemaccel bei Bedarf nachinfundiert oder an aufeinanderfolgenden Tagen wiederholt infundiert werden (z.B. zur präoperativen Hämodilution).
Nur klare Lösungen infundieren!
Der Inhalt angebrochener Infusionsflaschen ist sofort zu verbrauchen.
AnwendungseinschränkungenKontraindikationen:
Schwere Herzinsuffizienz, frischer Herzinfarkt, schwere Niereninsuffizienz.
Bekannte Überempfindlichkeiten gegen die Bestandteile des Präparates.
Bestehende anaphylaktisch/anaphylaktoide Reaktionen.
Vorsichtsmassnahmen
Anwendungsbeschränkungen bzw. Anwendung unter Einhaltung von besonderen Vorsichtsmassnahmen ergeben sich für die Infusion von Haemaccel:
Bei allen Zuständen, in denen eine Vermehrung des intravasalen Volumens sowie deren Folgen (Schlagvolumenzunahme, Blutdruckanstieg), eine Vermehrung des interstitiellen Flüssigkeitsvolumens oder eine Verdünnung der Blutbestandteile eine besondere Gefährdung des Patienten bedeuten können, wie z.B. bei dekompensierter Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, Ösophagusvarizen, Lungenödem, hämorrhagischer Diathese, fehlender Harnausscheidung.
Bei allen Patienten mit erhöhtem Risiko einer Histaminfreisetzung (z.B. Patienten mit allergischen/allergoiden Reaktionen und Patienten mit bekannter Histaminreaktion).
Durch Histaminfreisetzung ausgelöste Reaktionen können durch den vorbeugenden Einsatz von H 1 - und H 2 -Rezeptor-Antagonisten vermieden werden (z.B. Dimetinden 0,1 mg/kg KG i.v. und Cimetidin 5 mg/kg KG i.v.)
Bei Gabe grosser Volumina von Haemaccel sind Kontrollen des Serumionogramms erforderlich. Dabei muss insbesondere auf Symptome einer Hyperkalzämie (Polyurie, Polydipsie, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation) geachtet und entsprechend reagiert werden.
Haemaccel führt zu keiner substanzspezifischen Verschlechterung der Blutgerinnung. Bei grösseren Volumengaben muss der verdünnungsbedingte Effekt auf die Gerinnung beachtet werden. Die Thrombozytenfunktion bleibt erhalten.
Bei Applikation mit einem Druckgeber besteht das Risiko einer Luftembolie (s.a. «Dosierung»).
Schwangerschaft/Stillzeit
Schwangerschafts-Kategorie C. Es sind weder kontrollierte Studien mit Tieren noch bei schwangeren Frauen verfügbar. Unter diesen Umständen soll das Medikament nur verabreicht werden, wenn der potentielle Nutzen das fötale Risiko übersteigt.
Während der Schwangerschaft ist die Indikation für Volumenersatz besonders streng zu stellen, da ein vergrössertes Blutvolumen und erhöhte Permeabilität bereits physiologisch vorhanden sind. Die Anwendung setzt grössere Blut- oder Plasmaverluste voraus (zum Beispiel Tuben- oder Uterusruptur, unvollständiger Abort, septischer Schock). In der Geburtshilfe bestehen dagegen vielfältige Einsatzgebiete bei Blutungen, einschliesslich Defibrinierungssyndrom und bei Präschock bis Schock.
Negative Erfahrungen über die Anwendung während der Stillzeit liegen nicht vor.
Unerwünschte WirkungenUnter oder nach Infusion von Plasmaersatzmitteln können gelegentlich flüchtige urtikarielle Hautreaktionen (Nesselsucht/Quaddeln), Hypotension, Tachykardie, Bradykardie, Übelkeit/Erbrechen, Dyspnoe, Temperaturanstieg und/oder Schüttelfrost auftreten.
In seltenen Fällen werden schwere Überempfindlichkeitsreaktionen bis zum Schock beobachtet. Therapeutische Massnahmen richten sich nach Art und Schweregrad der unerwünschten Wirkung.
Beim Auftreten von unerwünschten Wirkungen sollte die Infusion sofort unterbrochen werden.
Eventuell zusätzlich:
Bei leichten Reaktionen: Antihistaminika.
Bei schweren Reaktionen ggf.: sofort Adrenalin langsam i.v. injizieren, zusätzlich Kortikosteroide hochdosiert langsam i.v., Volumenauffüllung (z.B. Human-Albumin, Ringer-Laktat), Sauerstoff. Bei Herz-/Atemstillstand: Reanimation.
Als Ursache anaphylaktoider unerwünschter Wirkungen von Haemaccel konnte eine Histaminfreisetzung nachgewiesen werden. Histaminbedingte Reaktionen können durch schnelle Infusion begünstigt werden.
Ausserdem können die oben beschriebenen Reaktionen als Summationseffekte mehrerer histaminfreisetzender Pharmaka (z.B. Anästhetika, Muskelrelaxantien, Analgetika, Ganglienblocker und Anticholinergika) auftreten.
Alle zur Reanimation erforderlichen allgemeinen und medikamentösen Massnahmen müssen bei der Anwendung von volumenwirksamen kolloidalen Lösungen (oder volumenwirksamen nicht-plasmatischen kolloidalen Lösungen) verfügbar sein. Es ist nicht voraussagbar, bei welchen Patienten Unverträglichkeitserscheinungen auftreten.
Infolge des erhöhten Kalzium-Gehaltes von Haemaccel kann es - insbesondere bei schneller Infusion grosser Mengen - zu einem vorübergehenden und leichten Anstieg der Serum-Kalzium-Konzentration kommen. Fälle mit klinischen Zeichen einer Hyperkalzämie durch Infusion von Haemaccel sind uns bislang nicht bekannt geworden.
Die Infusion von Haemaccel kann eine vorübergehende Zunahme der Blutsenkungsgeschwindigkeit bewirken.
InteraktionenBei gleichzeitiger Anwendung von Herzglykosiden ist der synergistische Effekt des Kalziums zu beachten.
ÜberdosierungBei Überdosierung, Beginn einer Kreislaufüberlastung (Kopfschmerzen, Dyspnoe, Halsvenenstauung) ist die Infusion sofort zu unterbrechen.
Ein passageres Überangebot von Polypeptiden wird durch extravasalen Abstrom, verstärkte Elimination über Niere und Darm und Abbau durch Peptidasen vermindert, so dass ein Aderlass entfallen kann. Eine Intoxikationsgefahr besteht nicht.
Sonstige HinweiseDie gleichzeitige Gabe von Haemaccel und von durch Zitrat antikoaguliertem Blut über getrennte Zugänge ist möglich. Eine Rekalzifizierung infolge des Kalzium-Ionengehaltes von Haemaccel kann nur bei Mischung oder nacheinander folgenden Infusionen über denselben Zugang auftreten. Gegen eine Mischung von heparinisiertem Blut mit Haemaccel bestehen keine Bedenken.
Haemaccel ist - bei Beachtung steriler Kautelen - mit den üblichen Infusionslösungen (Kochsalz-, Glukose-, Ringerlösung usw.) sowie mit kreislaufaktiven Substanzen, Kortikosteroiden, Muskelrelaxantien, Barbituraten, Vitaminen, Streptokinase, Urokinase, Antibiotika der Penicillin-Reihe und Cefotaxim mischbar, soweit diese wasserlöslich sind.
Haemaccel sollte wie alle Infusionslösungen aus physiologischen Gründen nicht kalt infundiert werden.
Einmalinfusionsgeräte benutzen, um Übertragung pyrogener Substanzen zu vermeiden.
Blutgruppenteste werden durch Polygeline nicht gestört.
Haltbarkeit
Haemaccel ist bei +2 bis +25 °C aufzubewahren. Das Präparat darf nach Ablauf des auf der Packung und Behälter angegebenen Verfalldatums nicht mehr angewendet werden. Bei Lagerung über +25 °C verkürzt sich die angegebene Verwendbarkeitsdauer um 2 Jahre.
Stand der InformationApril 1996.
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