ZusammensetzungWirkstoff: Mechlorethamin HCl, MSD = 2-Chloro-N-(2-Chloräthyl)-N-Methyläthanamin-HCl. Das Molekulargewicht ist 192,52 und der Schmelzpunkt liegt bei 109-110 °C.
Ampullen zu 10 mg, verrieben mit Natriumchlorid q.s. ad 100 mg.
Eigenschaften/WirkungenMechlorethamin, ein biologischer alkylierender Wirkstoff, hat eine zytotoxische Wirkung, die rasch proliferierende Zellen hemmt.
PharmakokinetikMechlorethamin wird von serösen Oberflächen nur teilweise resorbiert. Nach intravenöser Applikation wird es rasch in ein reaktives Äthylenimmonium-Ion umgewandelt. Der Nachweis im Blut ist gewöhnlich innerhalb von wenigen Minuten nicht mehr möglich. Die Ausscheidung erfolgt offensichtlich renal (weniger als 0,01% unveränderte Substanz).
Indikationen/AnwendungsmöglichkeitenIntravenös appliziert ist Mustargen angezeigt zur palliativen Therapie von generalisiertem Morbus Hodgkin. Das Ansprechen auf eine Behandlung von Patienten mit M. Hodgkin konnte durch Einfügen von Mustargen in ein Behandlungsprogramm mit mehreren Chemotherapeutika verbessert werden.
Mustargen hat sich auch bei der Behandlung von Patienten mit generalisiertem Lymphosarkom und Mycosis fungoides als nützlich erwiesen. Mustargen kann auch bei gewissen Fällen von Bronchialkarzinom von Nutzen sein. In kontrollierten Studien hat es sich gegenüber Placebo und anderen Alkylantien beim Plattenepithel-Karzinom der Lunge betreffs Lebenserwartung als überlegen erwiesen. Beim anaplastischen und kleinzelligen Karzinom der Lunge war es aber unwirksam. Der Einsatz beim Bronchialkarzinom ist jedoch nur vorübergehend von Nutzen und die möglichen Vorteile sollen in jedem Falle vor Beginn eines Behandlungsprogramms sorgfältig erwogen werden.
Obwohl Mustargen bei chronischer myeloischer und lymphatischer Leukämie und bei akuten Leukämien eine rasche Wirkung zeigt, welche sich im raschen Abfall der Leukozytenzahl manifestiert, ist dies nicht die Therapie der Wahl. Die Anwendung von Mustargen sollte auf Notfallsituationen beschränkt bleiben, wo eine rasche Verminderung einer bedrohlich hohen Leukozytenzahl erforderlich ist.
In Körperhöhlen appliziert kann Mustargen zur Behandlung von pleuralen, peritonealen oder perikardialen Ergüssen im Zusammenhang mit verschiedenen Karzinommetastasen nützlich sein.
Dosierung/AnwendungIntravenöse Verabreichung
Die Dosierung von Mustargen richtet sich nach der klinischen Situation, dem therapeutischen Ansprechen und dem Ausmass der hämatologischen Depression. Die Gesamtdosis von 0,4 mg/kg Körpergewicht für jeden Behandlungszyklus wird gewöhnlich als einmalige Gabe oder in Teildosen zu 0,1 oder 0,2 mg/kg/Tag verabreicht. Die Dosierung wird nach dem idealen Trockenkörpergewicht berechnet. Ödeme oder Aszites müssen berücksichtigt werden, so dass die Dosierung auf dem tatsächlichen Gewicht beruht und nicht durch diese Umstände erhöht wird.
Innerhalb weniger Minuten nach der intravenösen Injektion wird Mustargen chemisch umgewandelt und reagiert mit reaktionsfähigen Substanzen, so dass es nicht mehr in aktiver Form in der Blutbahn vorhanden ist. Weitere Behandlungen sollten nicht vorgenommen werden, bevor sich der Patient hämatologisch vom vorausgehenden Behandlungszyklus erholt hat. Dieses Stadium wird am besten durch wiederholte Untersuchung der peripheren Blutelemente bestimmt, deren Rückkehr zu normalen Werten abgewartet werden muss. Oft ist es möglich, die Behandlung mit Mustargen schon nach drei Wochen zu wiederholen.
Der Sicherheitsbereich der Therapie mit Mustargen ist eng; deshalb erfordert die Dosierung grosse Sorgfalt. Wiederholte Blutuntersuchungen sind unerlässlich als Richtlinie für die Fortsetzung der Therapie.
Herstellung der Lösung und intravenöse Verabreichung
Jede Ampulle Mustargen enthält 10 mg Mechlorethamin HCl in einer Verreibung mit Natriumchlorid ad 100 mg. In neutraler oder alkalischer, wässeriger Lösung wird das Präparat rasch chemisch umgesetzt und ist sehr unbeständig. Obgleich die vorschriftsmässig hergestellten Lösungen sauer sind und sich nicht so schnell zersetzen, sollten sie erst unmittelbar vor der Injektion hergestellt werden, da sie sich beim Stehenlassen zersetzen.
Man benützt eine sterile 10 ml Spritze und injiziert 10 ml steriles Wasser ad inject. oder Natriumchlorid Injektionslösung in eine Mustargen-Ampulle. Während die Nadel noch im Gummistopfen steckt, wird das Fläschchen mehrere Male geschüttelt, um das Präparat vollständig aufzulösen. Die so erhaltene Lösung enthält 1 mg Mechlorethamin HCl/ml.
Die für eine Einzelinjektion berechnete Menge der Lösung wird in die Spritze aufgezogen. Jede übrigbleibende Lösung wird neutralisiert und weggeworfen (siehe unten). Obwohl das Präparat in jede geeignete Vene direkt injiziert werden kann, wird es vorzugsweise in den Gummi- oder Plastikschlauch einer laufenden intravenösen Infusion gegeben. Dies vermindert das Risiko durch Extravasate oder hohe Konzentration des Präparates bedingter schwerer Lokalreaktionen. Wenn man das Medikament in den Schlauch spritzt, anstatt es dem gesamten Volumen der Infusion zuzufügen, wird die chemische Reaktion zwischen Präparat und Lösung auf ein Minimum reduziert. Die Injektionsgeschwindigkeit scheint keine entscheidende Bedeutung zu haben, vorausgesetzt, dass die Injektion innerhalb einiger Minuten beendet wird.
Intrakavitäre Verabreichung
Stickstoff-Lost ist mit unterschiedlichem Erfolg bei gewissen malignen Krankheiten intrakavitär zur Beherrschung von durch maligne Zellen verursachten Pleura-, Peritoneal- und Perikardergüssen angewendet worden.
Technik und Dosierung der einzelnen Verabreichungsarten sind unterschiedlich. Daher sollen bei intrakavitärer Applikation von Mustargen die einschlägigen Publikationen eingesehen werden.
Im Hinblick auf das inhärente Risiko dieser Behandlung sollte der Arzt Erfahrung in den geeigneten Injektionstechniken besitzen und mit den in der Literatur beschriebenen Indikationen, Dosierungen, Risiken und Vorsichtsmassnahmen gründlich vertraut sein. Wenn Mustargen intrakavitär appliziert wird, sollten auch die dieses Präparat betreffenden allgemeinen Vorsichtsmassnahmen beachtet werden.
Als allgemeine Richtlinie verweisen wir besonders auf die Techniken von Weisberger et al. Die intrakavitäre Verabreichung ist bei Pleura-, Peritoneal- und Perikardergüssen infolge metastatischer Tumoren indiziert. Die Lokaltherapie mit Stickstoff-Lost wird nur angewendet, wenn maligne Zellen im Exsudat nachweisbar sind. Sie wird nicht empfohlen, wenn die angesammelte Flüssigkeit chylusartig ist, da die Ergebnisse wahrscheinlich unbefriedigend ausfallen.
Zuerst wird die Pleura- oder Peritonealhöhle punktiert, um den grössten Teil der Flüssigkeit zu entleeren. Bei intrakavitärer Verabreichung von Mustargen kommt wenigstens ein Teil der Wirkung durch chemische Poudrage zustande. Deshalb ermöglicht die Entfernung der überschüssigen Flüssigkeit dem Medikament einen leichteren Kontakt mit den pleuralen und peritonealen Oberflächen. Zur intrapleuralen oder intraperikardialen Injektion wird Stickstoff-Lost direkt durch die Thoraxpunktionsnadel verabreicht. Zur intraperitonealen Injektion wird das Präparat durch den Gummikatheter gegeben, der in den zur Punktion benutzten Trokar eingesetzt wird, oder durch eine an einer anderen Stelle eingeführte Nadel Kaliber 18. Das Präparat soll langsam mit häufiger Aspiration injiziert werden, um sicherzustellen, dass die Flüssigkeit unbehindert fliesst. Wenn sich keine Flüssigkeit aspirieren lässt, können infolge Injektion der Lösung ausserhalb der Kavität Schmerzen und Nekrose auftreten. Ein freies Fliessen der Flüssigkeit ist auch erforderlich, um die Injektion in eine fächerige Tasche zu vermeiden und eine ausreichende Verteilung des Stickstoff-Losts zu gewährleisten.
Die übliche Dosierung von Stickstoff-Lost zur intrakavitären Injektion beträgt 0,4 mg/kg Körpergewicht, intraperikardial wurden jedoch 0,2 mg/kg (oder 10-20 mg) verabreicht. Die Lösung wird, wie bei der intravenösen Injektion bereits beschrieben, durch Zugabe von 10 ml sterilem Wasser ad inject. oder 10 ml Natriumchlorid Injektionslösung zum Inhalt der 10 mg Mechlorethamin HCl enthaltenden Stechampulle hergestellt. (Zur Verdünnung sind auch 50-100 ml physiologische Kochsalzlösung benützt worden.) Die Lage des Patienten sollte während einer Stunde nach der Injektion alle 5-10 Minuten gewechselt werden, um eine einheitlichere Verteilung des Medikamentes in der serösen Kavität zu erreichen. Die restliche Flüssigkeit kann 24-36 Stunden später durch Punktion aus der Pleura- oder Peritonealkavität entfernt werden. Der Patient muss mittels klinischer Untersuchung und Röntgenkontrolle sorgfältig weiterbeobachtet werden, um erneute Flüssigkeitsansammlungen zu entdecken.
Bei intrapleuraler Anwendung treten nur selten Schmerzen auf; dagegen ist die intraperitoneale Applikation im allgemeinen schmerzhaft und oft mit 2-3 Tage andauernder Übelkeit, Emesis und Diarrhoe verbunden. Bei der intraperikardialen Injektion kann es vorübergehend zu Unregelmässigkeiten der Herztätigkeit kommen. Nach intrakavitärer Applikation des Präparates wurden möglicherweise Stickstoff-Lost-bedingte, beschleunigte Todesfälle beobachtet. Obgleich die Resorption von Mustargen intrakavitär verabreicht, infolge der raschen Inaktivierung durch die Körperflüssigkeiten, wahrscheinlich unvollständig ist, kann die systemische Wirkung nicht vorausgesehen werden. Die akuten Nebenwirkungen, wie Übelkeit und Erbrechen, sind im allgemeinen leicht. Die Knochenmarksdepression ist meist weniger schwer, wenn das Medikament intravenös gegeben wird. Die intrakavitäre Anwendung sollte vermieden werden, wenn andere, evtl. die Knochenmarksfunktion hemmende Mittel systemisch verabreicht werden.
AnwendungseinschränkungenKontraindikationen
Infolge der Toxizität von Mustargen und der Nebenwirkungen im Anschluss an die Verabreichung müssen das potentielle Risiko und die Beschwerden der Patienten mit inoperablem Karzinom oder Patienten in der Endphase der Erkrankung gegen die begrenzten erzielbaren Vorteile der Behandlung abgewogen werden. Diese Vorteile hängen von Art und Status der behandelten Krankheit ab. Die routinemässige Applikation von Mustargen in allen Fällen mit stark disseminierten Neubildungen ist abzulehnen.
Die Anwendung von Mustargen bei Patienten mit Leukopenie, Thrombozytopenie und Anämie infolge invasiven Knochenmarkbefalls bedeutet ein grösseres Risiko. Bei solchen Patienten kann ein gutes Ansprechen auf die Behandlung mit Verschwinden des Tumors aus dem Knochenmark von einer Besserung der Knochenmarkfunktion begleitet sein. Falls jedoch kein gutes Ansprechen erzielt wird oder bei Patienten, welche schon vorher chemotherapeutisch behandelt wurden, kann die Blutbildung noch stärker gefährdet werden; Leukopenie,Thrombozytopenie und Anämie können sich weiter verschlimmern und zum Exitus führen.
Knochentumoren und Nervengewebsgeschwülste haben nur unbefriedigend auf die Therapie angesprochen. Falls Infektionskrankheiten vorliegen, ist die Anwendung kontraindiziert. Bei disseminierten und malignen Tumoren verschiedener Typen ist das Behandlungsergebnis nicht vorauszusehen.
Vorsichtsmassnahmen
Das Medikament ist hochgradig toxisch. Sowohl Pulver als Lösung müssen vorsichtig gehandhabt und verabreicht werden. Da Mustargen stark blasenziehend wirkt, eignet es sich in erster Linie zur intravenösen Applikation und wird meistens in dieser Form angewendet. Das Inhalieren von Pulverstaub oder -dämpfen und der Kontakt mit der Haut oder den Schleimhäuten, speziell der Augen, sind zu vermeiden. Wenn versehentlich ein Kontakt mit den Augen stattfindet, muss sofort reichlich mit isotonischer Kochsalzlösung oder mit einer ausgewogenen salinen Augenlösung gespült werden und anschliessend rasch ein Ophthalmologe zugezogen werden. Sollte ein versehentlicher Hautkontakt eintreten, muss die betroffene Stelle sofort während mindestens 15 Minuten mit viel Wasser und anschliessend mit 2%iger Natriumthiosulfatlösung gespült werden. (Siehe auch Warnhinweise.)
Verfärbte Lösungen, oder Fläschchen, in denen Wassertröpfchen sichtbar sind, dürfen nicht gebraucht werden. Man stellt eine frische Injektionslösung her und wirft den ungebrauchten Rest, nachdem man ihn neutralisiert hat, weg. (Siehe Dosierung/Anwendung.)
Bei Anwendung von Mustargen und Röntgentherapie oder anderen Chemotherapeutika in abwechselnden Behandlungszyklen ist Vorsicht geboten. Jede Therapie bewirkt eine charakteristische Depression des blutbildenden Systems; daher dürfen Mustargen nach Röntgenbestrahlung oder Röntgenbestrahlung nach diesem Präparat nicht zur Anwendung kommen, bevor sich die Knochenmarksfunktion erholt hat. Speziell die Bestrahlung von Regionen wie Sternum, Rippen und Wirbel kurz nach einem Behandlungszyklus mit N-Lost kann zu hämatologischen Komplikationen führen.
Die Behandlung mit Alkylantien vom Typ des Mustargen kann mit häufigerem Auftreten eines sekundären malignen Tumors verbunden sein, besonders bei Kombination mit anderen antineoplastischen Präparaten oder Strahlenbehandlung.
Während der Therapie mit Mustargen kann sich eine Hyperurikämie entwickeln. Das Problem der Uratausfällung muss besonders bei der Behandlung von Lymphomen vorausgesehen und durch geeignete Methoden zur Beherrschung der Hyperurikämie und sorgfältige Beachtung einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme vor der Behandlung eingedämmt werden.
Gleichzeitige Anwendung von Mustargen mit Allopurinol, Colchicine, Probenecid, Sulfinpyrazon: Mustargen kann den Harnsäureblutspiegel erhöhen. Eine Dosierungsanpassung der Gichtmittel kann erforderlich sein, um Hyperurikämie und Gicht zu kontrollieren. Der Einsatz von Allopurinol dürfte wegen des Risikos einer Harnsäure-Nephropathie unter urikosurisch wirkenden Gichtmitteln zu bevorzugen sein.
Da die Toxizität des Medikamentes, speziell die Möglichkeit, dass eine Knochenmarksinsuffizienz auftritt, bei chronisch lymphatischer Leukämie häufiger zu sein scheint als bei anderen Erkrankungen, sollte das Präparat in diesen Fällen, wenn überhaupt, nur mit grosser Vorsicht gegeben werden.
Schwangerschaft/Stillzeit
Anwendung während der Schwangerschaft
Schwangerschafts-Kategorie D.
Es ist erwiesen, dass Stickstoff-Lost-Präparate fetale Missbildungen verursacht haben, besonders wenn diese in der Frühschwangerschaft eingesetzt wurden. Die möglichen Vorteile der Verabreichung von Mustargen an gebärfähige Frauen müssen gegen die voraussichtlichen Risiken abgewogen werden. Die Patientinnen sollten über die mit der Behandlung verbundenen Risiken unterrichtet werden. Bei schwangeren Patientinnen, welche wegen eines lebensbedrohlichen progredienten Tumors behandelt werden müssen, sollte die Anwendung von Mustargen wenigstens bis zum dritten Trimenon vermieden werden.
Stillende Mütter
Obwohl nur wenig Angaben über das Ausscheiden neoplastisch wirkender Substanzen mit der Muttermilch verfügbar sind, wird empfohlen, während einer Mechlorethamin-Therapie nicht zu stillen bzw. abzustillen wegen der potentiellen Gefahren für den Säugling (unerwünschte Wirkungen, Mutagenität, Karzinogenität).
Warnhinweise
Eine Extravasation des Medikamentes in subkutanes Gewebe führt zu schmerzhaften Entzündungen. Für gewöhnlich verhärtet sich der betroffene Bereich, und es kann Verschorfung auftreten. Wenn ein Durchsickern des Präparates offensichtlich ist, kann die örtliche Reaktion durch sofortige Infiltration des Gebietes mit sterilem (0,16 M) Natriumthiosulfat und durch 6-12stündige Anwendung einer Eiskompresse verringert werden. Zur Herstellung einer 0,16 M Lösung werden 4,14 g Natriumthiosulfat in 100 ml sterilem Wasser ad inject. oder 2,64 g wasserfreies Natriumthiosulfat in 100 ml gelöst oder 4 ml Natriumthiosulfat Injektionslösung (10%) mit 6 ml sterilem Wasser ad inject. verdünnt.
Vor der Anwendung von Mustargen sind eine genaue histologische Diagnose, den natürlichen Verlauf der Krankheit betreffende Kenntnis und eine sorgfältige Anamnese wichtig. Zuerst muss der hämatologische Status des Patienten bestimmt werden. Eine korrekte Analyse der zu erwartenden Risiken und therapeutischen Wirkungen ist von entscheidender Bedeutung. Die Auswahl der Patienten muss aufgrund sorgfältiger klinischer Beurteilung erfolgen. Bei fraglicher Indikation zur Anwendung des Präparates ist auf die Therapie zu verzichten.
Da die N-Lost-Behandlung zur raschen Entwicklung einer ausgedehnten Amyloidose beitragen kann, sollte sie nur angewendet werden, wenn keine akuten oder chronischen eitrigen Entzündungsherde vorhanden sind.
Unerwünschte WirkungenBei klinischer Anwendung von Mustargen treten gewöhnlich Zeichen einer Toxizität auf.
Lokale Toxizität
Der direkte Kontakt des Präparates mit der Intima der injizierten Vene kann zu Thrombose und Thrombophlebitis führen. Hohe Konzentrationen und ein zu langer Kontakt, wie sie besonders in Fällen von erhöhtem Druck der Vorderarmvene vorkommen (z.B. bei Kompression durch mediastinale Tumoren infolge eines schweren Vena cava-Syndroms), sollten vermieden werden.
Allgemeine Toxizität
Übelkeit, Erbrechen und Depression der peripheren Blutzellen sind die unerwünschten Wirkungen, welche zur Dosislimitierung zwingen und gewöhnlich bei Verabreichung einer vollen Mustargen-Dosis auftreten. Seltener können Gelbsucht, Alopezie, Schwindel, Ohrensausen und Abnahme der Hörfunktion vorkommen. Selten kann eine hämolytische Anämie, die mit Krankheiten wie Lymphom und chronischer lymphatischer Leukämie verbunden sind, durch die Behandlung mit Alkylantien, einschliesslich Mustargen, ausgelöst werden. Im Zusammenhang mit Stickstoff-Lost-Behandlung wurde auch über verschiedene Chromosomenaberrationen berichtet.
Mustargen wird vorzugsweise nachts gegeben, falls eine Sedierung zur Minderung der Nebenwirkungen nötig ist. Übelkeit und Erbrechen treten gewöhnlich 1-3 Stunden nach Verabreichung des Präparates auf. Das Erbrechen kann in den ersten 8 Stunden abklingen, aber die Übelkeit kann bis zu 24 Stunden anhalten. Übelkeit und Erbrechen können so schwer sein, dass bei Patienten mit Blutungsneigung Gefässzwischenfälle ausgelöst werden. Zur Behandlung von starker Übelkeit und Erbrechen kann eine Prämedikation mit Antiemetika zusammen mit Sedativa beitragen. Auch Appetitlosigkeit, Schwäche und Diarrhoe können auftreten.
Der übliche Mustargen-Behandlungszyklus (die Gesamtdosis von 0,4 mg/kg wird entweder in einer einzigen intravenösen Injektion verabreicht oder auf 2-4 Einzeldosen von 0,2 bzw. 0,1 mg/kg/Tag verteilt) verursacht im allgemeinen innerhalb 24 Stunden nach der ersten Injektion eine Lymphozytopenie; innerhalb 6-8 Tagen tritt eine beträchtliche Granulozytopenie auf, die 10 Tage bis 3 Wochen anhält. Eine Agranulozytose scheint relativ selten zu sein, und innerhalb von 2 Wochen nach der stärksten Reduktion hat sich die Leukozytenzahl in den meisten Fällen wieder normalisiert. Verschiedenartig ist das Auftreten einer Thrombozytopenie, aber der zeitliche Ablauf und die Überwindung einer verminderten Blutplättchenzahl entspricht im allgemeinen dem Verlauf der Granulozytenwerte. In einigen Fällen kann eine schwere Thrombozytopenie zu Zahnfleisch- und Magendarmblutungen, Petechien und kleinen subkutanen Hämorrhagien führen; diese Symptome scheinen vorübergehend zu sein und sistieren in den meisten Fällen, sobald sich die Blutplättchenzahl normalisiert. Jedoch kann nach einer üblichen Mustargen-Dosis, besonders bei geschwächten Patienten mit sehr ausgedehnter Erkrankung und in Fällen, die vorher mit anderen antineoplastischen Präparaten oder Röntgenstrahlen behandelt wurden, gelegentlich eine schwere und sogar unbeherrschbare Depression des blutbildenden Systems folgen. Es wurde über eine anhaltende Panzytopenie berichtet. In seltenen Fällen können Blutungskomplikationen auch auf eine Hyperheparinämie zurückgehen. In den ersten 2 Wochen nach der Therapie können Erythrozytenzahl und Hämoglobinspiegel absinken, obwohl nur selten in signifikantem Mass. Die Depression des blutbildenden Systems kann bis zu 50 oder mehr Tagen nach Therapiebeginn beobachtet werden.
Es gibt Publikationen über eine immunsuppressive Wirkung von Mustargen. Deshalb sollte in Betracht gezogen werden, dass der Einsatz des Präparates gewisse Patienten für bakterielle, virale oder Pilzinfekte prädisponieren kann. Dies ist noch wahrscheinlicher, wenn gleichzeitig Kortikosteroidpräparate verwendet werden.
Gelegentlich kommt es zu einem makulopapulösen Ausschlag, der aber auf Idiosynkrasie beruhen kann und nicht zwangsläufig bei weiteren Kuren wieder auftritt. In einem Fall wurde ein Erythema multiforme festgestellt. Herpes zoster, eine häufige infektiöse Komplikation der Lymphompatienten, kann erstmals nach Beginn der Therapie erscheinen oder hin und wieder durch die Behandlung beschleunigt werden. Während der akuten Phase dieser Erkrankung sollte man die Behandlung absetzen, um die Entwicklung eines generalisierten Herpes zoster zu vermeiden.
Da die Gonaden auf Mustargen empfindlich sind, kann die Behandlung eine Verzögerung der Menstruation, eine Oligomenorrhoe oder eine vorübergehende oder dauernde Amenorrhoe zur Folge haben. Bei männlichen Patienten, besonders bei jenen, welche mit Alkylantien in Kombination mit anderen Präparaten behandelt wurden, wurde über eine Beeinträchtigung der Spermatogenese, Azoospermie und über eine totale Aplasie der Keimdrüsen berichtet. Bei Patienten in Remission kann in gewissen Fällen die Spermatogenese wieder einsetzen, dies kann aber unter Umständen erst mehrere Jahre nach Absetzen einer intensiven Chemotherapie eintreten. Die Patienten sollten auf das mögliche Risiko bezüglich ihrer Fortpflanzungsfähigkeit hingewiesen werden.
InteraktionenMyelotoxische Medikamente und Strahlentherapie: Sowohl die gleichzeitige als auch die intermittierende Verabreichung von Mustargen kann die Wirkung dieser Medikamente bzw. der Strahlentherapie erhöhen. Eine Dosisreduktion wird empfohlen.
Lebendvirus-Impfstoffe: Da normale Abwehrmechanismen unter Mustargen supprimiert sind, kann gleichzeitige Verabreichung die Replikation des Vakzin-Virus potenzieren, die Nebenwirkungen des Impfstoffes erhöhen und/oder die Antikörperantwort auf die Impfung herabsetzen. Eine Impfung bei solchen Patienten sollte nur mit allergrösster Vorsicht und nach eingehender Abklärung des hämatologischen Status des Patienten sowie unter Einbezug des Arztes, der die Mustargen-Therapie durchführt, erfolgen. Die Zeitspanne zwischen dem Absetzen immunsuppressiver Medikamente und dem Wiedererlangen einer Impfantwort hängt sowohl von der Intensität und Art der immunsuppressiven Medikation, als auch von der behandelten Krankheit und anderen Faktoren ab. Schätzungen schwanken zwischen drei Monaten und einem Jahr, Leukämie-Patienten in Remission sollten bis mindestens 3 Monate nach ihrer letzten Chemotherapie keine Lebendvirus-Impfstoffe erhalten. Immunisierung mit oralen Poliovirus-Impfstoffen sollten auch bei Personen hinausgezögert werden, welche in engem Kontakt mit dem Patienten stehen.
ÜberdosierungMit Gesamtdosen über 0,4 mg/kg Körpergewicht während eines einzelnen Behandlungszyklus können sich schwere Leukopenie, Anämie, Thrombozytopenie und eine hämorrhagische Diathese mit späteren, unter Umständen zum Tode führenden Blutungen entwickeln. Im Fall einer Überdosierung scheint die einzige Behandlungsmöglichkeit in wiederholtem Blutersatz, antibiotischer Therapie komplizierender Infektionen und allgemeinen unterstützenden Massnahmen zu bestehen. Bei Überschreitung der empfohlenen Durchschnittsdosen ist äusserste Vorsicht geboten.
Die intravenöse LD50 von Mustargen beträgt 2 mg/kg in Mäusen und 1,6 mg/kg in Ratten.
Sonstige HinweiseNeutralisieren der Gegenstände und ungebrauchter Lösungen
Um Gummihandschuhe, Schläuche, Glasgeräte u. a. nach der Verabreichung von Mustargen zu reinigen, sollen alle diese Gegenstände während 45 Minuten in eine wässrige Lösung mit gleichen Volumina Natriumthiosulfat (5%) und Natriumbikarbonat (5%) eingelegt werden. Überschüssige Reagenzien und Reaktionsprodukte lassen sich leicht mit Wasser abwaschen. Alle unverbrauchten Lösungsreste müssen durch Mischen mit gleichen Teilen einer Natriumthiosulfat/Natriumbikarbonat-Lösung neutralisiert werden. Die Mischung soll 45 Minuten lang stehen bleiben. Stechampullen, in denen Mustargen enthalten war, werden vor dem Wegwerfen ebenso mit Thiosulfat/Bikarbonat-Lösung behandelt.
Beeinflussung diagnostischer Methoden
Isocitratdehydrogenase-Konzentration und Harnsäurekonzentration in Blut und Urin können erhöht werden.
Plasma-Cholinesterase-Konzentrationen können erniedrigt werden.
Haltbarkeit
Das Präparat darf nur bis zu dem auf der Packung mit «EXP» bezeichneten Datum verwendet werden.
Stand der InformationJuni 1993.
IPC-MTG-0491/OMD-CH-7420/RL88
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