Dosierung/AnwendungIntravenöse Verabreichung
Die Dosierung von Mustargen richtet sich nach der klinischen Situation, dem therapeutischen Ansprechen und dem Ausmass der hämatologischen Depression. Die Gesamtdosis von 0,4 mg/kg Körpergewicht für jeden Behandlungszyklus wird gewöhnlich als einmalige Gabe oder in Teildosen zu 0,1 oder 0,2 mg/kg/Tag verabreicht. Die Dosierung wird nach dem idealen Trockenkörpergewicht berechnet. Ödeme oder Aszites müssen berücksichtigt werden, so dass die Dosierung auf dem tatsächlichen Gewicht beruht und nicht durch diese Umstände erhöht wird.
Innerhalb weniger Minuten nach der intravenösen Injektion wird Mustargen chemisch umgewandelt und reagiert mit reaktionsfähigen Substanzen, so dass es nicht mehr in aktiver Form in der Blutbahn vorhanden ist. Weitere Behandlungen sollten nicht vorgenommen werden, bevor sich der Patient hämatologisch vom vorausgehenden Behandlungszyklus erholt hat. Dieses Stadium wird am besten durch wiederholte Untersuchung der peripheren Blutelemente bestimmt, deren Rückkehr zu normalen Werten abgewartet werden muss. Oft ist es möglich, die Behandlung mit Mustargen schon nach drei Wochen zu wiederholen.
Der Sicherheitsbereich der Therapie mit Mustargen ist eng; deshalb erfordert die Dosierung grosse Sorgfalt. Wiederholte Blutuntersuchungen sind unerlässlich als Richtlinie für die Fortsetzung der Therapie.
Herstellung der Lösung und intravenöse Verabreichung
Jede Ampulle Mustargen enthält 10 mg Mechlorethamin HCl in einer Verreibung mit Natriumchlorid ad 100 mg. In neutraler oder alkalischer, wässeriger Lösung wird das Präparat rasch chemisch umgesetzt und ist sehr unbeständig. Obgleich die vorschriftsmässig hergestellten Lösungen sauer sind und sich nicht so schnell zersetzen, sollten sie erst unmittelbar vor der Injektion hergestellt werden, da sie sich beim Stehenlassen zersetzen.
Man benützt eine sterile 10 ml Spritze und injiziert 10 ml steriles Wasser ad inject. oder Natriumchlorid Injektionslösung in eine Mustargen-Ampulle. Während die Nadel noch im Gummistopfen steckt, wird das Fläschchen mehrere Male geschüttelt, um das Präparat vollständig aufzulösen. Die so erhaltene Lösung enthält 1 mg Mechlorethamin HCl/ml.
Die für eine Einzelinjektion berechnete Menge der Lösung wird in die Spritze aufgezogen. Jede übrigbleibende Lösung wird neutralisiert und weggeworfen (siehe unten). Obwohl das Präparat in jede geeignete Vene direkt injiziert werden kann, wird es vorzugsweise in den Gummi- oder Plastikschlauch einer laufenden intravenösen Infusion gegeben. Dies vermindert das Risiko durch Extravasate oder hohe Konzentration des Präparates bedingter schwerer Lokalreaktionen. Wenn man das Medikament in den Schlauch spritzt, anstatt es dem gesamten Volumen der Infusion zuzufügen, wird die chemische Reaktion zwischen Präparat und Lösung auf ein Minimum reduziert. Die Injektionsgeschwindigkeit scheint keine entscheidende Bedeutung zu haben, vorausgesetzt, dass die Injektion innerhalb einiger Minuten beendet wird.
Intrakavitäre Verabreichung
Stickstoff-Lost ist mit unterschiedlichem Erfolg bei gewissen malignen Krankheiten intrakavitär zur Beherrschung von durch maligne Zellen verursachten Pleura-, Peritoneal- und Perikardergüssen angewendet worden.
Technik und Dosierung der einzelnen Verabreichungsarten sind unterschiedlich. Daher sollen bei intrakavitärer Applikation von Mustargen die einschlägigen Publikationen eingesehen werden.
Im Hinblick auf das inhärente Risiko dieser Behandlung sollte der Arzt Erfahrung in den geeigneten Injektionstechniken besitzen und mit den in der Literatur beschriebenen Indikationen, Dosierungen, Risiken und Vorsichtsmassnahmen gründlich vertraut sein. Wenn Mustargen intrakavitär appliziert wird, sollten auch die dieses Präparat betreffenden allgemeinen Vorsichtsmassnahmen beachtet werden.
Als allgemeine Richtlinie verweisen wir besonders auf die Techniken von Weisberger et al. Die intrakavitäre Verabreichung ist bei Pleura-, Peritoneal- und Perikardergüssen infolge metastatischer Tumoren indiziert. Die Lokaltherapie mit Stickstoff-Lost wird nur angewendet, wenn maligne Zellen im Exsudat nachweisbar sind. Sie wird nicht empfohlen, wenn die angesammelte Flüssigkeit chylusartig ist, da die Ergebnisse wahrscheinlich unbefriedigend ausfallen.
Zuerst wird die Pleura- oder Peritonealhöhle punktiert, um den grössten Teil der Flüssigkeit zu entleeren. Bei intrakavitärer Verabreichung von Mustargen kommt wenigstens ein Teil der Wirkung durch chemische Poudrage zustande. Deshalb ermöglicht die Entfernung der überschüssigen Flüssigkeit dem Medikament einen leichteren Kontakt mit den pleuralen und peritonealen Oberflächen. Zur intrapleuralen oder intraperikardialen Injektion wird Stickstoff-Lost direkt durch die Thoraxpunktionsnadel verabreicht. Zur intraperitonealen Injektion wird das Präparat durch den Gummikatheter gegeben, der in den zur Punktion benutzten Trokar eingesetzt wird, oder durch eine an einer anderen Stelle eingeführte Nadel Kaliber 18. Das Präparat soll langsam mit häufiger Aspiration injiziert werden, um sicherzustellen, dass die Flüssigkeit unbehindert fliesst. Wenn sich keine Flüssigkeit aspirieren lässt, können infolge Injektion der Lösung ausserhalb der Kavität Schmerzen und Nekrose auftreten. Ein freies Fliessen der Flüssigkeit ist auch erforderlich, um die Injektion in eine fächerige Tasche zu vermeiden und eine ausreichende Verteilung des Stickstoff-Losts zu gewährleisten.
Die übliche Dosierung von Stickstoff-Lost zur intrakavitären Injektion beträgt 0,4 mg/kg Körpergewicht, intraperikardial wurden jedoch 0,2 mg/kg (oder 10-20 mg) verabreicht. Die Lösung wird, wie bei der intravenösen Injektion bereits beschrieben, durch Zugabe von 10 ml sterilem Wasser ad inject. oder 10 ml Natriumchlorid Injektionslösung zum Inhalt der 10 mg Mechlorethamin HCl enthaltenden Stechampulle hergestellt. (Zur Verdünnung sind auch 50-100 ml physiologische Kochsalzlösung benützt worden.) Die Lage des Patienten sollte während einer Stunde nach der Injektion alle 5-10 Minuten gewechselt werden, um eine einheitlichere Verteilung des Medikamentes in der serösen Kavität zu erreichen. Die restliche Flüssigkeit kann 24-36 Stunden später durch Punktion aus der Pleura- oder Peritonealkavität entfernt werden. Der Patient muss mittels klinischer Untersuchung und Röntgenkontrolle sorgfältig weiterbeobachtet werden, um erneute Flüssigkeitsansammlungen zu entdecken.
Bei intrapleuraler Anwendung treten nur selten Schmerzen auf; dagegen ist die intraperitoneale Applikation im allgemeinen schmerzhaft und oft mit 2-3 Tage andauernder Übelkeit, Emesis und Diarrhoe verbunden. Bei der intraperikardialen Injektion kann es vorübergehend zu Unregelmässigkeiten der Herztätigkeit kommen. Nach intrakavitärer Applikation des Präparates wurden möglicherweise Stickstoff-Lost-bedingte, beschleunigte Todesfälle beobachtet. Obgleich die Resorption von Mustargen intrakavitär verabreicht, infolge der raschen Inaktivierung durch die Körperflüssigkeiten, wahrscheinlich unvollständig ist, kann die systemische Wirkung nicht vorausgesehen werden. Die akuten Nebenwirkungen, wie Übelkeit und Erbrechen, sind im allgemeinen leicht. Die Knochenmarksdepression ist meist weniger schwer, wenn das Medikament intravenös gegeben wird. Die intrakavitäre Anwendung sollte vermieden werden, wenn andere, evtl. die Knochenmarksfunktion hemmende Mittel systemisch verabreicht werden.
|