Warnhinweise und VorsichtsmassnahmenWie die anderen neuromuskulären Blocker lähmt Mivacron die Muskeln des Respirationstraktes wie auch des Skelettes, hat aber keine Wirkung auf das Bewusstsein. Deshalb sollte Mivacurium nur verwendet werden unter Aufsicht eines erfahrenen Anästhesisten und mit der entsprechenden Möglichkeit der endotrachealen Intubation und künstlichen Beatmung.
Die durch Mivacurium hervorgerufene neuromuskuläre Blockade kann wegen reduzierter Plasmacholinesterase-Aktivität unter folgenden Situationen oder pathologischen Zuständen verlängert oder verstärkt werden:
·physiologische Variationen wie während der Schwangerschaft und Puerperium (vgl. «Schwangerschaft/Stillzeit»);
·genetische Plasmacholinesterase-Anomalien (vgl. unten und «Kontraindikationen»);
·schwerer generalisierter Tetanus, Tuberkulose und andere schwere oder chronische Infektionen;
·chronisch schwächende Krankheiten, Malignomen, chronische Anämie und Unterernährung;
·Myxödem und Kollagenosen;
·dekompensierte Herzerkrankung;
·Magendarmgeschwür;
·Verbrennungen (siehe unten);
·terminales Leberversagen (vgl. «Dosierung/Anwendung»);
·akute, chronische oder terminale Niereninsuffizienz (vgl. «Dosierung/Anwendung»);
·Iatrogen herabgesetzte Aktivität der Plasmacholinesterase: nach Plasmaaustausch, Plasmapherese, kardiopulmonalem Bypass sowie aufgrund einer Interaktion mit Pharmaka (vgl. «Interaktionen»).
Wie mit Suxamethonium/Succinylcholin gilt für Patienten, die für das atypische Plasmacholinesterase-Gen (1 von 2'500 Patienten) homozygot sind, dass sie sehr empfindlich auf die neuromuskuläre Wirkung von Mivacron sind. Bei 3 solcher Patienten bewirkte eine kleine Mivacurium-Dosis von 0,03 mg/kg (etwa die ED10–20 bei genotypisch normalen Patienten) einen vollständigen Block von 26–128 Minuten. Bei Patienten, die für das atypische Plasmacholinesterase-Gen heterozygot sind, ist die klinisch wirksame Dauer der neuromuskulären Blockade durch 0,15 mg Mivacurium/kg gegenüber Kontrollpatienten um etwa 10 Minuten verlängert.
Nach Beginn der Spontanerholung wurde die neuromuskuläre Blockade bei diesen Patienten mit üblichen Dosen von Neostigmin aufgehoben.
Patienten mit Verbrennungen können Resistenzen gegenüber nicht depolarisierenden neuromuskulären Blockern entwickeln und erhöhte Dosen benötigen. Solche Patienten können jedoch auch eine herabgesetzte Plasmacholinesterase-Aktivität aufweisen, die eine Dosissenkung erforderlich macht. Patienten mit Verbrennungen sollte deshalb eine Testdosis von 0,015 bis 0,020 mg Mivacurium/kg verabreicht werden. Die sich daran anschliessenden Dosen sollten unter neuromuskulärem Monitoring mit einem Nervenstimulator ermittelt werden.
Die Mivacurium-Anwendung sollte vor allem vorsichtig geschehen bei Patienten, die eine besondere Empfindlichkeit auf die Histaminwirkung vermuten lassen, z.B. bei Asthma. Die Verabreichung von Mivacron sollte bei diesen und bei Patienten, bei denen eine Blutdrucksenkung zu befürchten ist, z.B. bei Hypovolämie, über 60 Sekunden geschehen.
Vorsicht sollte auch bei der Verabreichung von Mivacurium bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegenüber anderen neuromuskulären Blockern walten, da über einen hohen Prozentsatz (mehr als 50%) von Kreuz-Empfindlichkeit zwischen neuromuskulären Blockern berichtet wurde.
Bei rascher Bolusinjektion kam bei Erwachsenen Histaminfreisetzung vor, wenn die Mivacron-Dosis >0,2 mg/kg (>3× ED95) betrug. Bei langsamerer Applikation von 0,2 mg/kg Mivacron hingegen und bei geteilten Dosen von 0,25 mg/kg (siehe «Dosierung/Anwendung») wird die kardiovaskuläre Wirkung minimiert. Ein rasch applizierter Bolus von 0,2 mg/kg schien bei Kindern in klinischen Studien die kardiovaskuläre Sicherheit nicht zu gefährden.
Mivacron besitzt keine bedeutenden vagalen oder ganglienblockierenden Eigenschaften in der empfohlenen Dosierung. Folglich hat Mivacron auch keine klinisch signifikante Wirkung auf die Herzfrequenz und beeinflusst die durch die Anästhetika oder durch vagale Stimulation bei der Operation bedingte Bradykardie nicht.
Wie bei den anderen nicht depolarisierenden neuromuskulären Blockern ist eine gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber Mivacron bei Patienten mit Myasthenia gravis, anderen neuromuskulären Erkrankungen und Kachexie zu erwarten.
Schwere Säuren/Basen- oder Elektrolytveränderungen können die Sensitivität gegenüber Mivacron erhöhen oder vermindern.
Die Mivacron-Lösung ist sauer (pH ungefähr 4,5) und sollte daher nicht in einer Spritze mit einer stark alkalischen Lösung, z.B. Barbituraten, appliziert werden. Es hat sich gezeigt, dass es verträglich ist mit einigen gebräuchlichen Mitteln in sauren Lösungen, z.B. Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil, Droperidol und Midazolam. Werden andere Anästhetika und Mivacron, deren Verträglichkeit nicht nachgewiesen wurde, durch die gleiche Nadel oder Kanüle appliziert, muss man die Nadel nach jeder Substanz mit physiologischer Kochsalzlösung spülen.
In Studien beim Schwein konnte mit Mivacron keine maligne Hyperthermie ausgelöst werden. Beim Menschen wurden keine entsprechenden Studien durchgeführt.
Aufhebung des neuromuskulären Blocks: Wie auch bei anderen Muskelrelaxantien sollten die Zeichen der Spontanerholung abgewartet werden, bevor eine antagonisierende Substanz (z.B. Neostigmin) verabreicht wird. Es wird dringend empfohlen, zur Beurteilung der Erholung vor und nach Aufhebung des neuromuskulären Blocks einen peripheren Nervenstimulator zu verwenden.
Daten über die Langzeitanwendung bei Patienten, die eine mechanische Ventilation in der Intensivstation benötigen, liegen noch nicht vor.
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