Eigenschaften/WirkungenATC-Code: J05AE01
Die HIV-Protease ist ein essentielles virales Enzym, das zur spezifischen Spaltung von viralen gag - und gag-pol -Polyproteinen benötigt wird. Diese viralen Polyproteine weisen einen Spaltstellentyp auf, der nur von HIV und nah verwandten viralen Proteasen erkannt wird. Saquinavir wurde als peptidähnliches Struktur-Mimetikum der viralen Spaltstelle entwickelt. Saquinavir ist ein selektiver und reversibler Inhibitor der HIV-Protease, welcher die Bildung von reifen infektiösen Viruspartikeln verhindert.
Antivirale in-vitro-Aktivität: Saquinavir zeigt in akut infizierten T-Zelllinien oder primären humanen Lymphozyten/Monozyten gegen Laborstämme und klinische Isolate eine antivirale Aktivität mit typischen EC50- und EC90-Werten im Bereich von 1–10 nM beziehungsweise 5–50 nM. Eine antivirale in-vitro Aktivität mit EC50-Werten zwischen 0,3–2,5 nM wurde gegen eine Anzahl HIV-1 Gruppe M non-clade B Isolate (A, AE, C, D, F, G und H) und HIV-2 beobachtet. In der Anwesenheit von 50% humanem Serum oder alpha-1-saurem Glykoprotein (1 mg/ml) nimmt die antivirale Aktivität von Saquinavir um einen mittleren Faktor von 25 beziehungsweise 14 ab.
In einer Studie bei 139 Patienten mit virologischem Versagen nach vorausgegangener Behandlung mit Proteaseinhibitoren hing die anschliessende virologische Antwort auf eine Behandlung mit Saquinavir Weichgelatinekapseln/Ritonavir 1000/100 mg zweimal täglich von einer Schwelle von fünf Proteaseinhibitor-Resistenzmutationen (IAS-Leitlinien 2003) bei Studienbeginn ab (≤5 Proteaseinhibitor-Mutationen: 80% Antwort in Woche 24 gegenüber 29% Antwort bei Patienten mit >5 Mutationen).
Eine intensive Behandlung von Patienten mit Proteasehemmern nach Therapieversagen kann jedoch über einen komplexen, dynamischen Prozess zu einer breiten Kreuzresistenz führen.
Resistenz
In-vitro-Resistenzselektion von HIV-1-Wildtypviren: Es wurde beobachtet, dass die bekanntesten Mutationen G48V und L90M während der in-vitro -Passage des HIV-1-Wildtypvirus in der Anwesenheit von steigenden Konzentrationen von Saquinavir auftraten. Rekombinante Viren mit den G48V- und L90M-Mutationen zeigten eine 7,9-fache beziehungsweise 3,3-fache Verminderung der viralen Empfindlichkeit gegenüber Saquinavir. In klinischen
Isolaten können bei Vorliegen von G48V und L90M aufgrund des Bestehens von Sekundärmutationen (z.B. L10I/V, K20R, M36I/L, A71T und V82X) stärkere Verminderungen der Empfindlichkeit gegenüber Saquinavir beobachtet werden. In Vitro Proteasemutationen wie M36I, I54V, K57R und L63V traten in der Anwesenheit von Saquinavir weniger häufig auf.
In vivo Resistenz
Behandlungsnaive Patienten: Vier Studien haben die Auswirkungen von Saquinavirbehandlungen geboostet mit Ritonavir bei ART-naiven Patienten untersucht (Saquinavir/Ritonavir 1600 mg/100 mg einmal täglich [n= 349]; 1000 mg/100 mg zweimal täglich [n= 92]). Resistenzbestimmungen wurden bei 26 Patienten mit virologischem Rebound vor Behandlungsbeginn durchgeführt. Die Daten von zwei Patienten wurden ausgeschlossen, weil entweder PI-Mutationen vor Behandlungsbeginn vorhanden waren oder im Verlauf eine Signatur-Proteasemutation (D30N) verbunden mit einer anderen PI auftrat. Viren von zwei Patienten (2/24) entwickelten Proteasemutationen (M36I beziehungsweise M46i/m). Diese Mutationen sind nicht typischerweise mit einer Saquinavir-Resistenz assoziiert. Nach virologischem Versagen wurde kein Auftreten von spezifischen Saquinavir-assoziierten Proteasemutationen beobachtet.
Vorbehandelte Patienten: Bei 22 Patienten, die eine vorausgegangene Behandlung mit einem Proteasehemmer hatten und die nach einer mit Ritonavir geboosteten Saquinavirbehandlung ein virologisches Versagen zeigten, wurde der Genotyp vor Behandlungsbeginn und unter Therapie untersucht (MaxCmin 1 und 2 Studien; 1000/100 mg zweimal täglich , n= 171). Viren von acht Patienten (8/22, 36%) entwickelten nach virologischem Versagen eine zusätzliche Proteasemutation. Die relativen Inzidenzen der einzelnen Mutationen betrugen: I84V (n= 4, 18%): F53L, A71V oder G73S (n= 2, 9%); L10V, M46I, I54V, V82A oder L90M (n= 1, 4,5%).
Antivirale Aktivität entsprechend Genotyp und Phänotyp vor Behandlungsbeginn: Genotypische und phänotypische klinische Grenzwerte, welche die klinische Wirksamkeit von Saquinavir geboostet mit Ritonavir voraussagen, wurden von den retrospektiven Analysen der klinischen Studien RESIST 1 und 2 und der Analyse einer grossen Spitalkohorte abgeleitet.
Es wurde gezeigt, dass der Phänotyp vor Behandlungsbeginn (Shift der Empfindlichkeit im Vergleich zur Referenz, PhenoSense Assay) ein prädiktiver Faktor des virologischen Outcomes ist. Eine Abnahme der virologischen Antwort wurde beobachtet, sobald der Shift das 2,3-fache überschritt, wobei bei einer 12-fachen Überschreitung des Shifts kein virologischer Nutzen gesehen wurde.
In einer klinischen Kohortenstudie (Marcelin et al., 2007) wurden bei 138 Saquinavir-naiven Patienten neun Protease-Codons (L10F/I/M/R/V, I15A/V, K20I/M/R/T, L24I, I62V, G73S/T, V82A/F/S/T, I84V, L90M) identifiziert, die mit einer Abnahme der virologischen Antwort auf Saquinavir/Ritonavir (1000/100 mg zweimal täglich) assoziiert waren. Das Vorhandensein von 3 oder mehr Mutationen war mit einer verminderten Antwort auf Saquinavir/Ritonavir verbunden.
Um die Assoziation der Anzahl dieser Saquinavir-assoziierten Resistenzmutationen mit der virologischen Antwort in einem unabhängigen Datensatz zu bestätigen, wurde sie mit den Daten der Patienten, welche mit durch Ritonavir geboostetem Saquinavir behandelt wurden, aus den klinischen RESIST 1 und 2 Studien überprüft. Die RESIST 1 und 2 Studien schlossen eine Patientenpopulation mit ausgeprägter Vorbehandlung ein, einschliesslich 54% mit vorausgegangener Saquinavirbehandlung. Diese Analyse bestätigte die Assoziation mit der Anzahl Saquinavir-assoziierter Mutationen (p= 0,0133, siehe Tabelle 4). Zusätzlich war die G48V-Mutation, die vorgängig in vitro als Saquinavir-Signatur-Mutation nachgewiesen worden war, zu Behandlungsbeginn im Virus von drei Patienten vorhanden, von welcher keiner auf die Therapie ansprach.
Die virologische Antwort auf HAART beruht auf der Aktivität der einzelnen antiretroviralen Komponenten. Die Assoziation zwischen der Anzahl Saquinavir-Mutationen vor Behandlungsbeginn und der Aktivität der begleitenden antiretroviralen Behandlungskomponenten wurde mittels phänotypischer Empfindlichkeitsdaten vor Behandlungsbeginn beurteilt. Die Assoziation zwischen der Anzahl Resistenz-assoziierter Saquinavir-Mutation vor Behandlungsbeginn und der Antwort war hoch signifikant, wenn die Aktivität des optimierten Hintergrundregimens mitberücksichtigt wurde (p= 0,0011, siehe Tabelle 5). Patienten, die Saquinavir zusammen mit einer aktiven antiretroviralen Therapie erhielten und die weniger Saquinavir-assoziierte Mutationen hatten, zeigten eine verbesserte Antwort im Vergleich zu Patienten, die weniger aktive Begleitmedikamente und eine höhere Anzahl Saquinavir-assoziierter Mutationen hatten.
Tabelle 4
Anzahl Saquinavir- Marcelin et al (2007)
assoziierter SQV-naïve Population**
Resistenzmutationen Log10 Änderung der
vor Behandlungs- Plasma-HIV-1-RNA
beginn von Behandlungs-
beginn bis Woche
n= 138 12–20
------------------------------------------------------
0 35 –2,24
1 29 –1,88
2 24 –1,43
3 30 –0,52
4 9 –0,18
5 6 –0,11
6 5 –0,30
7 0 –
Anzahl Saquinavir- RESIST 1 & 2
assoziierter SQV-naïve/vorbehandelte
Resistenzmutationen Population**
vor Behandlungs- Log10 Änderung der
beginn Plasma-HIV-1-RNA
von Behandlungs-
beginn bis Woche
n= 114 4
-----------------------------------------------------
0 2 –2,04
1 3 –1,69
2 14 –1,57
3 28 –1,41
4 40 –0,75
5 17 –0,44
6 9 0,08
7 1 0,24
* Saquinavir Mutation Score Mutationen: L10F/I/M/R/V, I15A/V, K20I/M/R/T, L24I, I62V, G73S/T, V82A/F/S/T, I84V, L90M.
** Ein Patient ist Saquinavir naïv, wenn er noch nie eine Saquinavir-basierte Behandlung erhalten hat. Saquinavir-vorbehandelte Patienten haben eine frühere Saquinavir-basierte Behandlung erhalten (geboostet mit oder ohne Ritonavir). In der Folge erhielten Saquinavir-vorbehandelte Patienten erneut eine Saquinavir-basierte Behandlung. Hervorzuheben ist, dass Patienten unter Saquinavir-basierter Behandlung bei Studieneintritt (d.h. solche, die eine nicht wirksame Saquinavir-basierte Behandlung weiterführten) von der Analyse ausgeschlossen wurden.
Tabelle 5
PSS der Anzahl Saquinavir-assoziierter
OBT Resistenzmutationen vor Behandlungs-
beginn (n= 114)
0 1 2 3 4
----------------------------------------------------
0 – – –2,62 –0,32 –0,38
1 – – –1,44 –1,09 –0,32
2 –1,45 –0,92 –1,44 –1,58 –0,92
>2 –2,64 –1,78 – –1,97 –2,05
----------------------------------------------------
Total –2,04 –1,69 –1,57 –1,41 –0,75
PSS der Anzahl Saquinavir-assoziierter
OBT Resistenzmutationen vor Behandlungs-
beginn (n= 114)
5 6 7 Total
----------------------------------------------------
0 0,06 –0,51 0,24 –0,32
1 –0,38 0,12 – –0,44
2 –0,79 0,16 – –1,34
>2 –2,21 –0,94 – –2,01
----------------------------------------------------
Total –0,44 0,08 0,24 –1,17
p-Wert = 0,0011 (das Modell schliesst PSS und Saquinavir-assoziierte Resistenzmutationen ein).
PSS = Phänotypischer Empfindlichkeitsscore (Phenotypic sensitivity score) (null= keine aktive antiretrovirale Hintergrundsbegleitmedikation).
OBT = optimierte Hintergrundsregimen (Optimised background treatment).
Klinische Wirksamkeit
In klinischen Studien sind Veränderungen der viralen Empfindlichkeit für die Testsubstanz in Kultur (= «phänotypische Resistenz») oder der Aminosäuresequenz der Protease (= «genotypische Resistenz») untersucht worden. Bei mit Saquinavir behandelten Patienten, die resistente Isolate aufwiesen, wurden vorwiegend die beiden Primärmutationen der viralen Protease (bei Aminosäure-Rest 48 und 90) gefunden. Sekundärmutationen traten nur mit einer sehr geringen Häufigkeit auf. Die Gesamtinzidenz der genotypischen Resistenz betrug nach ca. einem Jahr bei einer Gruppe von Patienten aus Phase I/II-Studien, die mit einer Kombination aus Saquinavir (Invirase Hartgelatinekapseln) und Reverse-Transkriptase-Hemmern behandelt wurden, 38%. Die klinische Signifikanz von phänotypischen und genotypischen Veränderungen im Zusammenhang mit einer Saquinavir Therapie ist noch nicht bekannt.
In der MaxCmin 1 Studie wurde die Sicherheit und Wirksamkeit von Saquinavir Weichgelatinekapseln/Ritonavir (1000/100 mg zweimal täglich) plus zwei nukleosidischen bzw. nichtnukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTIs/NNRTIs) mit derjenigen von Indinavir/Ritonavir (800/100 mg zweimal täglich) plus 2 NRTIs/NNRTIs bei über 300 Patienten verglichen. Die Ausgangswerte im Saquinavir/Ritonavir Arm betrugen 272 CD4 Zellen/mm³ und 4,0 logHIV-RNA-Kopien/ml Plasma und im Indinavir/Ritonavir Arm 280 CD4 Zellen/mm³ und 3,9 logHIV-RNA-Kopien/ml Plasma. Nach 48 Wochen betrug die Zunahme der medianen CD4-Zellzahl 85 Zellen/mm³ bzw. 73 Zellen. Bei der Intent-to-Treat-Analyse (wobei ein Wechsel der Medikation als Therapieversagen gewertet wurde) betrug der Anteil der Patienten mit einer Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze (<400 Kopien/ml) nach 48 Wochen 69% (n= 102) bzw. 53% (n= 84). Die Saquinavir/Ritonavir-Kombination zeigte eine höhere virologische Aktivität im Vergleich zu Indinavir/Ritonavir, wenn ein Wechsel der vorgesehenen Medikation als virologisches Versagen gewertet wurde. Ein höherer Anteil an Patienten aus dem Indinavir/Ritonavir Arm als aus dem Saquinavir/Ritonavir Arm wechselte die Behandlung nach randomisierter Zuteilung (40% gegenüber 27%; p= 0,01). Darüber hinaus hatten die Patienten, die randomisiert dem Indinavir/Ritonavir Arm zugeteilt waren, ein erhöhtes Risiko für behandlungsbegrenzende unerwünschte Ereignisse und unerwünschte Ereignisse von Grad 3 und/oder 4 (41% im Indinavir/Ritonavir Arm gegenüber 24% im Saquinavir/Ritonavir Arm; p= 0,002).
In der Studie MaxCmin 2 wurde die Sicherheit und Wirksamkeit von Saquinavir Weichgelatinekapseln/Ritonavir (1000/100 mg zweimal täglich) plus zwei NRTIs/NNRTIs mit derjenigen von Lopinavir/Ritonavir (400/100 mg zweimal täglich) plus 2 NRTIs/NNRTIs bei 324 Patienten (sowohl unbehandelte als auch mit Protease-Inhibitoren vorbehandelte) verglichen. Die Ausgangswerte (Mediane) für CD4-Zellzahl und Plasma-HIV-RNA betrugen 241 Zellen/mm³ und 4,4 logKopien/ml im Saquinavir/Ritonavir-Studienarm bzw. 239 Zellen/mm³ und 4,6 logKopien/ml im Lopinavir/Ritonavir-Studienarm. Im Lopinavir/Ritonavir-Studienarm war vor der Randomisierung kein Patient mit Lopinavir vorbehandelt worden, wohingegen im Saquinavir/Ritonavir-Studienarm 16 Patienten zuvor Saquinavir erhalten hatten.
In der Auswertung des primären Wirksamkeitsparameters: Inzidenz des virologischen Therapieversagens, die alle Patienten umfasste, welche wenigstens eine Dosis der Studienmedikation eingenommen hatten (ITT-Population), wurden 29 Therapieversager im Lopinavir/Ritonavir-Studienarm und 53 Therapieversager im Saquinavir/Ritonavir-Studienarm beobachtet (Hazard Ratio: 0,5; 95%-K.I. 0,3-0,8). Nach 48 Wochen betrug der Anteil an Patienten mit HIV-RNA unterhalb der Nachweisgrenze (<50 Kopien/ml) 53% (n= 161) im Saquinavir-Studienarm gegenüber 60% (n= 163) im Lopinavir-Studienarm in der Intent-to-Treat -Analyse (Wechsel der Medikation gleich Therapieversagen) bzw. 74% (n= 114) im Saquinavir-Studienarm gegenüber 70% (n= 141) im Lopinavir-Studienarm in der On-Treatment -Analyse (p = n.s. für beide Vergleiche). Die Saquinavir/Ritonavir-Kombination zeigte eine zur Lopinavir/Ritonavir-Kombination vergleichbare virologische Aktivität, wenn ein Wechsel von der zugewiesenen Behandlung als virologisches Versagen gewertet wurde. Über 48 Wochen wurde in beiden Studienarmen eine vergleichbare Immunantwort beobachtet, mit einer medianen Zunahme der CD4-Zellzahl von 106 Zellen/mm³ im Lopinavir/Ritonavir-Studienarm und 110 Zellen/mm³ im Saquinavir/Ritonavir-Studienarm. Im Saquinavir/Ritonavir-Studienarm brachen mehr Patienten (30%) die Behandlung vorzeitig ab als im Lopinavir/Ritonavir-Studienarm (14%) (p= 0,001). Die Hauptgründe für den vorzeitigen Abbruch waren nicht-tödliche unerwünschte Ereignisse und persönliche Gründe der Patienten. Zwischen den beiden Studienarmen wurden keine Unterschiede hinsichtlich des Auftretens von unerwünschten Ereignissen vom Grad 3 und/oder 4 festgestellt. Während der Studie verstarben 6 Patienten in der Saquinavir/Ritonavir-Gruppe, keiner in der Lopinavir/Ritonavir-Gruppe. Ein Zusammenhang mit der Saquinavir/Ritonavir Behandlung konnte bei 5 Patienten ausgeschlossen werden (2 Unfälle, 3 vorbestehende maligne Erkrankungen). Nur ein Fall konnte mit der HAART-Therapie in Zusammenhang gebracht werden (Herzstillstand als Folge einer schweren Laktatazidose).
Wirkung auf das Elektrokardiogramm
Die Wirkung von 1000/100 mg zweimal täglich (therapeutische Dosis) und 1500/100 mg zweimal täglich (supratherapeutische Dosis) von Invirase/Ritonavir auf das QT-Intervall wurde über 20 Stunden am Tag 3 der Dosierung in einer 4-armigen doppelblinden placebo- und aktiv kontrollierten (Moxifloxacin 400 mg einmal täglich) Crossover-Studie bei gesunden männlichen und weiblichen Probanden im Alter von 18 bis 55 Jahren (n= 59) untersucht. Der Zeitpunkt Tag 3 wurde gewählt, weil in einer vorausgegangenen 14-tägigen pharmakokinetischen Multiple-Dose-Studie die pharmakokinetische Exposition an diesem Tag maximal war. In dieser Studie resultierten diese Dosen von Invirase/Ritonavir am Tag 3 in einer mittleren C, die annähernd 3- bzw. 4-fach höher lag als die mittlere Cbei HIV-Patienten unter Invirase/Ritonavir 1000/100 mg zweimal täglich im Steady-State. Am Tag 3 lag das obere einseitige 95%-Konfidenzintervall der maximalen mittleren Differenz des in Bezug auf den Pre-Dose-Baseline-Wert korrigierten QTcS (studienspezifisch hinsichtlich der Herzfrequenz korrigiertes QT) zwischen den Behandlungsarmen mit dem aktiven Medikament und dem Placebo bei >10 ms für beide Behandlungsgruppen mit Invirase geboostet mit Ritonavir (siehe Ergebnisse in Tabelle 6). Die supratherapeutische Dosis von Invirase/Ritonavir scheint dabei eine stärkere Wirkung auf das QT-Intervall als die therapeutische Dosis von Invirase/Ritonavir zu haben. Die Mehrzahl (89% und 80% unter therapeutischer bzw. subtherapeutischer Dosis) der Probanden hatten ein QTcS von <450 ms, und bei keinem betrug das QTc-Intervall >500 ms (siehe «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen, Kardiale Reizleitungsstörungen»)
Tabelle 6
Behandlung Zeitpunkt Maximales Standard- Oberes
nach Ver- mittleres fehler 95%-KI
abreichung ddQTcS des
ddQTcS
----------------------------------------------------
Invirase/ 12 Stunden 18,86 1,91 22,01
Ritonavir
1000/100 mg
zweimal
täglich
----------------------------------------------------
Invirase/ 20 Stunden 30,22 1,91 33,36
Ritonavir
1500/100 mg
zweimal
täglich
----------------------------------------------------
Moxi- 4 Stunden 12,18 1,93 15,36
floxacin²
¹ Abgeleitete («derived») Differenz des in Bezug auf den Pre-Dose-Baseline-Wert korrigierten QTcS zwischen den Behandlungsarmen mit aktivem Medikament bzw. Placebo.
² 400 mg wurde nur an Tag 3 verabreicht.
Anmerkung: QTcS war in dieser Studie definiert als QT/RRbei Männern und QT/RRbei Frauen; dies ist vergleichbar mit der Korrektur nach Fridericia (QTcF=QT/RR).
In dieser Studie wurde auch eine Verlängerung des PR-Intervalls auf >200 ms bei 40% und 47% der Probanden unter Invirase/Ritonavir 1000/100 mg zweimal täglich bzw. 1500/100 mg zweimal täglich am Tag 3 beobachtet. Bei drei (3)% der Probanden des Behandlungsarmes mit dem aktiven Kontrollmedikament Moxifloxacin und bei 5 % des Placeboarmes trat eine PR-Verlängerung auf >200 ms auf. Die maximalen mittleren Veränderungen des PR-Intervalls gegenüber den Pre-Dose-Baseline-Werten betrugen 25 ms und 34 ms in den beiden Invirase-Behandlungsgruppen geboostet mit Ritonavir (1000/100 mg zweimal täglich bzw. 1500/100 mg zweimal täglich) (siehe «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen, Kardiale Reizleitungsstörungen»).
Synkopen und Präsynkopen wurden in dieser Studie häufiger als erwartet beobachtet. Nach Ausschluss von eindeutig situativ bedingten Ereignissen (z.B. während Legen einer venösen Leitung oder Blutabnahme) betrug die Anzahl der Ereignisse mit dokumentierter oder vermuteter Bewusstlosigkeit insgesamt vier bei vier verschiedenen Probanden. Von diesen vier Ereignissen traten drei unter der Behandlung mit SQV/rtv 1500/100 mg zweimal täglich (Inzidenz von 5%) und eines unter der Behandlung mit SQV/rtv 1000/100 mg zweimal täglich (Inzidenz von 2%) auf.
In der Studie trat keine Torsade de Pointes und keine QT-Verlängerung >500 msec auf. Bei einigen Probanden konnte ein Zusammenhang zwischen einer Synkope bzw. einer Präsynkope und einer PR-Verlängerung nicht ausgeschlossen werden. Die klinische Bedeutung dieser Beobachtungen aus dieser Studie bei gesunden Probanden für die Anwendung von Invirase/Ritonavir bei HIV-infizierten Patienten ist unklar, jedoch sollten Dosen von Invirase/Ritonavir, die 1000/100 mg zweimal täglich überschreiten, vermieden werden.
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