Eigenschaften/WirkungenATC-Code: L02AE04
Wirkungsmechanismus
Durch Austausch der Aminosäure Glycin mit D-Tryptophan an Position 6 von Gonadorelin entsteht ein in seiner biologischen Aktivität stärker wirkender Agonist des natürlich vorkommenden Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH, LHRH). Diese Wirkungssteigerung kann auf eine verstärkte Affinität zu den hypophysären Rezeptoren und auf eine langsamere Inaktivierung im Zielgewebe zurückgeführt werden.
Bei einmaliger und intermittierender Verabreichung von LHRH wird die Freisetzung von LH und FSH aus der Hypophyse stimuliert. Bei kontinuierlicher Dosierung hingegen, wie dies nach einmal monatlicher Injektion von Decapeptyl Retard durch die verzögerte Wirkstofffreisetzung (resp. bei täglicher s.c. Injektion von Decapeptyl 0,1 mg) der Fall ist, wird ein «paradoxer» Effekt beobachtet: die Plasmaspiegel von LH, FSH, Testosteron und Östrogen/Progesteron sinken, nach einem vorübergehenden Anstieg zu Behandlungsbeginn, innert etwa zwei Wochen auf Kastrationsniveau ab.
Pharmakodynamik/Klinische Wirksamkeit
Prostata-Karzinom
Etwa 80% der Prostatakarzinome sind androgenabhängig. Aus diesem Grund kann durch Hemmung der Testosteronwirkung oft eine Teilremission oder eine Verzögerung der Tumorprogression und damit eine symptomatische Besserung (Harnverhalten, Karzinomschmerzen) erzielt werden. Diese Hemmung kann einerseits operativ (Orchiektomie, Adrenalektomie, Hypophysektomie), andererseits durch chemische Kastration (Behandlung mit Östrogenen und Anti-Androgenen), oder wie beschrieben durch kontinuierliche Verabreichung von LH-RH in Form von Decapeptyl Retard erreicht werden.
Endometriose
Das Therapiekonzept der Endometriose mit Decapeptyl Retard besteht in einer zeitlich begrenzten und reversiblen Hemmung der Ausschüttung von hypophysären Gonadotropinen. Damit wird erreicht, dass die Östrogene und Progesteron auf Kastrationsniveau gesenkt werden. In der Folge kommt es zu einer Besserung der Symptome wie Dysmenorrhö, Tenesmen, Dysurie, Dyspareunie, Abdominal- und Sakralschmerzen, sowie zur Auflösung von ektopen Endometriumherden.
Downregulation im Rahmen der Reproduktionsmedizin
Bei der Vorbehandlung mit Decapeptyl im Rahmen der Therapie des sterilen Paares führt die selektive Hypophysensuppression zur Verbesserung der Erfolgsrate der simultanen bzw. nachträglichen Stimulierung durch exogene Zufuhr von Gonadotropinen.
Während der Stimulation mit Gonadotropinen kommt es öfters aufgrund der Überschreitung der Plasma-Östradiol-Konzentration zur Auslösung eines verfrühten LH-Gipfels mit einhergehender Luteinisierung des oder der unreifen Follikel, wobei dann der Behandlungszyklus abgebrochen werden muss. Dies tritt bei nicht vorbehandelten Patientinnen innerhalb eines IVF-Programms in ca. 30%, beim polyzystischen Ovarsyndrom bei 30–50% der Zyklen ein. Die Vorbehandlung mit Decapeptyl führt zu einer vollständigen hypophysären Suppression (Downregulation) mit einhergehender Blockierung der LH-Ausschüttung und zu einer kontrollierten Stimulation des Ovars alleine durch die exogene Gonadotropinzufuhr. Dadurch lässt sich eine Verbesserung der Follikelreifung, der Oocytenausbeute und der Schwangerschaftsrate sowie eine Reduktion der Häufigkeit des Hyperstimulationssyndroms und der Therapieabbrüche erzielen.
Zentrale vorzeitige Pubertät
Die klinische Diagnose der Pubertas praecox beinhaltet das Auftreten der ersten sekundären Geschlechtsmerkmale vor dem 8. Lebensjahr bei Mädchen und dem 9. Lebensjahr bei Knaben.
Die zentrale Pubertas praecox resultiert aus einer frühzeitigen Aktivierung des hypothalamischen Pulsgenerators und damit der Hypothalamus-Hypophysen-Gonadenachse. Durch die Therapie mit Decapeptyl Retard wird die Ausschüttung der Gonadotropine und der Sexsteroide auf das vorpubertäre Niveau gesenkt. Als Folge wird die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale verlangsamt, aufgehalten oder rückgängig gemacht. Die fortschreitende Skelettreifung kann gebremst und die beschleunigte Wachstumsgeschwindigkeit normalisiert werden, sodass eine verbesserte Erwachsenengrösse erreicht wird. Die natürliche Reifung setzt ein, wenn die Therapie mit Decapeptyl Retard abgesetzt wird.
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