PharmakokinetikAbsorption
Viramune Tabletten:
Nevirapin wird nach oraler Verabreichung an gesunde Probanden und an HIV-infizierte Erwachsene gut resorbiert (> 90%). Die absolute Bioverfügbarkeit betrug bei 12 gesunden Erwachsenen nach einmaliger Verabreichung einer 50 mg-Tablette 93 ± 9% (Mittelwert ± SD) und nach einmaliger Verabreichung einer oralen Lösung 91 ± 8%. Die maximalen Nevirapin-Konzentrationen im Plasma von 2 ± 0,4 µg/ml (7,5 µM) wurden innerhalb von 4 Stunden nach einmaliger Verabreichung einer 200 mg-Dosis erreicht. Die maximalen Nevirapin-Konzentrationen scheinen nach Mehrfachverabreichung in einem Dosisbereich zwischen 200 und 400 mg/Tag linear anzusteigen. Bei Gabe von 400 mg Nevirapin pro Tag (n = 242) wurden unter Steady-state-Bedingungen stabile minimale Nevirapin-Konzentrationen von 4,5 ± 1,9 µg/ml (17 ± 7 µM) erreicht.
Einfluss der Nahrung und von Antazida auf die Absorption:
Bei Verabreichung von Viramune (200 mg) an 24 gesunde Erwachsene (12 Frauen, 12 Männer), entweder mit einem fettreichen Frühstück (857 kcal, 50 g Fett, 53% der Kalorien aus Fett stammend) oder mit einem Antazidum (Magnesiumhydroxid und Kalziumkarbonat), war das Ausmass der Nevirapin-Resorption (AUC) bei verlängerter tmax mit dem unter Nüchternbedingungen vergleichbar. Bei HIV-1-infizierten Patienten (n = 6) wurde die Steady-state-Konzentration (AUC) von Nevirapin durch gleichzeitige Gabe von Didanosin, in einer Formulierung mit einem alkalischen Puffer, nicht signifikant verändert. Nevirapin kann mit und ohne Nahrung, Antazidum oder Didanosin ddI verabreicht werden.
Viramune Retardtabletten:
Die Pharmakokinetik der Viramune Retardtabletten wurde in einer pharmakokinetischen Studie mit Mehrfachdosierung (Studie 1100.1489) an 24 HIV-1-infizierten Patienten untersucht, die von einer Langzeitbehandlung mit Viramune Tabletten auf Viramune Retardtabletten umgestellt wurden. Die AUC0-24,ss und Cmin,ss von Nevirapin, gemessen nach 19 Tagen Nüchternverabreichung von Viramune Retardtabletten zu 400 mg einmal täglich, betrugen etwa 80% bzw. 90% der AUC0-24,ss- und Cmin,ss-Werte, die bei zweimal täglicher Gabe von Viramune Tabletten zu 200 mg gemessen wurden. Das geometrische Mittel der Cmin,ss von Nevirapin war 2770 ng/ml.
Wenn Viramune Retardtabletten zusammen mit einer fettreichen Mahlzeit eingenommen wurden, betrugen AUC0-24,ss und Cmin,ss von Nevirapin etwa 94% bzw. 98% der AUC0-24,ss- und Cmin,ss-Werte, die nach Gabe von Viramune Tabletten gemessen wurden. Die Unterschiede in der Pharmakokinetik von Nevirapin, die nach Verabreichung der Viramune Retardtabletten in nüchternem bzw. nicht nüchternem Zustand beobachtet wurden, sind nicht als klinisch relevant anzusehen. Viramune Retardtabletten können mit oder ohne Nahrung eingenommen werden.
Distribution
Viramune Tabletten:
Nevirapin ist lipophil und liegt bei physiologischem pH hauptsächlich in nichtionisierter Form vor. Nach der intravenösen Verabreichung an gesunde Erwachsene betrug das scheinbare Verteilungsvolumen (Vdss) von Nevirapin 1,21 ± 0,09 l/kg. Dies deutet auf eine umfangreiche Gewebeverteilung von Nevirapin beim Menschen hin. Nevirapin passiert die Plazentaschranke und tritt in die Muttermilch über.
Es wird in einem Konzentrationsbereich von 1 bis 10 µg/ml zu 60% an Plasmaproteine gebunden. Die Nevirapin-Konzentration in humanem Liquor cerebrospinalis (n = 6) betrug 45% (± 5%) der Plasmakonzentration. Dieses Verhältnis entspricht ungefähr der nicht an Plasmaproteine gebundenen Fraktion.
Metabolismus
Viramune Tabletten:
In-vivo-Studien bei Menschen und in-vitro-Studien mit humanen Lebermikrosomen haben gezeigt, dass Nevirapin vorwiegend über das Cytochrom-P450-System (CYP3A>CYP2B6) in der Leber verstoffwechselt wird (oxidative Metabolisierung). Dabei entstehen mehrere hydroxylierte Metaboliten. Diese werden weiter glucuronidiert.
Elimination
Viramune Tabletten:
Nach einmaliger Verabreichung von 50 mg 14C-Nevirapin wurden ungefähr 91,4 ± 10,5% der radioaktiv markierten Dosis wiedergefunden. Die Ausscheidung erfolgte vorwiegend renal (Wiederfindungsrate im Urin 81,3 ± 11,1%, in den Faeces 10,1 ± 1,5%) als Glucuronidkonjugate. Die renale Ausscheidung bei der Elimination der Muttersubstanz spielt nur eine untergeordnete Rolle (<3%).
Nevirapin induziert CYP3A. Diese Autoinduktion führt auch zu einer Abnahme der terminalen Halbwertszeit von Nevirapin im Plasma von ungefähr 45 Stunden (einmalige Gabe) auf ungefähr 25 bis 30 Stunden nach Mehrfachverabreichung (200 bis 400 mg/Tag).
Viramune Retardtablette:
Gelegentlich werden die Hilfsstoffe der Viramune Retardtabletten als weiche, aufgequollene Reste über den Stuhl ausgeschieden, welche einer intakten Tablette ähnlich sein können. Diese ausgeschiedenen Tablettenhüllen haben keinen Einfluss auf den Blutspiegel noch die Wirkung des Präparats.
Kinetik spezieller Patientengruppen
Viramune Tabletten:
Ältere Patienten: Die Nevirapin-Pharmakokinetik bei HIV-infizierten Erwachsenen scheint nicht altersabhängig zu sein (Bereich 18 – 68 Jahre). Es gibt jedoch keine eingehenden Untersuchungen bei Patienten über 55 Jahre.
Kinder: Bei Kindern wird Nevirapin schneller verstoffwechselt als bei Erwachsenen.
Geschlecht: Im Rahmen der multinationalen 2NN-Studie wurde eine pharmakokinetische Substudie an 1077 Patienten durchgeführt, die 391 Frauen einschloss. Weibliche Patientinnen zeigten eine gegenüber männlichen Patienten um 13,8% tiefere Clearance von Nevirapin. Dieser Unterschied ist jedoch klinisch nicht relevant. Da weder das Körpergewicht noch der Body-Mass-Index (BMI) die Clearance von Nevirapin beeinflussen, kann der Geschlechtsunterschied nicht mit der Körpergrösse erklärt werden.
Niereninsuffizienz: Die Pharmakokinetik der Einzeldosen von Viramune wurde bei 23 Patienten mit leichter (50 ≤ CLcreat < 80 ml/Min.), mässiger (30 ≤ CLcreat < 50 ml/Min.) oder schwerer (CLcreat < 30 ml/Min.) Niereninsuffizienz, Nierenschädigung oder Nierenerkrankung im Endstadium, welche eine Dialyse benötigen, verglichen mit 8 Patienten mit normaler Nierenfunktion (CLcreat > 80 ml/Min.). Bei Nierenschädigung (leichte, mässige und schwere) zeigte sich keine signifikante Veränderung der Pharmakokinetik von Viramune. Hingegen wiesen Patienten mit einer Nierenerkrankung im Endstadium, welche eine Dialyse benötigt haben, eine 43,5%ige Reduktion der AUC von Viramune während einer einwöchigen Behandlungsperiode auf. Auch eine Anhäufung von Nevirapin-hydroxy-Metaboliten im Plasma wurde beobachtet. Die Resultate lassen vermuten, dass eine Viramune-Therapie mit einer zusätzlichen Dosis Viramune von 200 mg nach jeder Dialysebehandlung zu einem Ausgleich des Dialyseeffektes auf die Clearance des Viramune verhilft. Patienten mit einer CLcreat ≥20 ml/Min. benötigen hingegen keine Anpassung der Viramune-Dosis.
Leberinsuffizienz: Eine Steady-State-Studie wurde durchgeführt, die 46 Patienten mit milder (n = 17; Ishak-Score 1-2), mittelschwerer (n = 20; Ishak-Score 3-4) oder schwerer (n = 9; Ishak-Score 5-6, Child-Pugh A bei 8 Patienten, bei einem Patienten Child-Pugh-Score nicht anwendbar) Leberfibrose als Zeichen einer eingeschränkten Leberfunktion untersuchte. Die untersuchten Patienten hatten eine mittlere Therapiedauer von 3,4 Jahren und erhielten vor der pharmakokinetischen Blutentnahme eine antivirale Therapie mit 200 mg Nevirapin 2x täglich für mindestens 6 Wochen. In dieser Studie erwiesen sich die pharmakokinetischen Eigenschaften bei Mehrfachdosierung von Nevirapin und die fünf oxidativen Metabolite als unverändert. Allerdings zeigten etwa 15% dieser Patienten mit Leberfibrose eine Nevirapin-Talkonzentration von über 9000 ng/ml (2faches des üblichen mittleren Tal-Wertes). Patienten mit Leberfunktionsstörungen sollten sorgfältig betreffend Auftreten von medikamentös bedingter Toxizität beobachtet werden.
In einer pharmakokinetischen Einzeldosisstudie mit 200 mg Nevirapine bei HIV-negativen Patienten mit milder oder mittelschwerer Leberinsuffizienz (Child-Pugh A, n = 6; Child-Pugh B, n = 4) wurde bei einem Child-Pugh-B-Patienten mit Ascites ein signifikanter Anstieg der AUC von Nevirapin beobachtet. Dies lässt vermuten, dass Patienten mit sich verschlechternder Leberfunktion und Ascites ein erhöhtes Risiko haben, Nevirapin im systemischen Kreislauf zu akkumulieren. Da Nevirapin seinen eigenen Metabolismus induziert, zeigt diese Einzeldosisstudie möglicherweise die Auswirkungen der Leberfunktionsverschlechterung bei Mehrfachdosierung nicht (siehe «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»).
Viramune Retardtablette:
Geschlecht
In Studie 1100.1486 wurden geschlechtsspezifische Auswirkungen auf die Pharmakokinetik von Viramune Retardtabletten untersucht. In beiden Behandlungsgruppen (Viramune Retardtabletten und Viramune Tabletten) tendierten weibliche Patienten zu höheren Talkonzentrationen (etwa 20 bis 30%).
Ethnische Herkunft:
Die Talkonzentrationen von Patienten mit schwarzer Hautfarbe (n=80/Gruppe) waren in Studie 1100.1486 in beiden Behandlungsgruppen (Viramune Tabletten bzw. Viramune Retardtabletten in einer Dosierung von jeweils 400 mg/Tag, Behandlungsdauer 48 Wochen) um etwa 30% höher als bei kaukasischen Patienten (250 bis 325 Patienten/Gruppe).
Zur Anwendung von Viramune Retardtabletten bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen oder Leberinsuffizienz liegen keine Daten vor.
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