PharmakokinetikAbsorption
Oseltamivir wird nach oraler Verabreichung von Oseltamivirphosphat rasch aus dem Magen-Darm-Trakt absorbiert und durch Esterasen in Leber und/oder Darmwand rasch in den aktiven Metaboliten (Oseltamivircarboxylat) umgewandelt. Mindestens 75 % einer oralen Dosis gelangen in Form des aktiven Metaboliten in den Körperkreislauf. Die Exposition gegenüber dem Prodrug beträgt im Vergleich zum aktiven Metaboliten weniger als 5 %. Die Plasmakonzentrationen des aktiven Metaboliten verhalten sich proportional zur Dosis und werden durch die Verabreichung des Arzneimittels mit Nahrung nicht wesentlich beeinflusst (siehe «Dosierung/Anwendung»).
Distribution
Das durchschnittliche Verteilungsvolumen (Vss) des aktiven Metaboliten (Oseltamivircarboxylat) beträgt beim Menschen zirka 23 Liter.
Der aktive Metabolit gelangt an alle wichtigen Lokalisationen der Influenza-Infektion, wie anhand von Studien bei Frettchen, Ratten und Kaninchen nachgewiesen wurde. In diesen Studien wurden im Anschluss an die orale Verabreichung von Oseltamivirphosphat antivirale Konzentrationen des aktiven Metaboliten in Lunge, broncho-alveolärer Lavageflüssigkeit, Nasenschleimhaut, Mittelohr und Luftröhre gemessen.
Die Bindung des aktiven Metaboliten an Human-Plasmaproteine ist vernachlässigbar (zirka 3 %).
Metabolismus
Oseltamivir wird durch Esterasen, die vorwiegend in der Leber und in der Darmwand lokalisiert sind, nahezu vollständig in den aktiven Metaboliten (Oseltamivircarboxylat) umgewandelt. Weder Oseltamivir noch der aktive Metabolit ist ein Substrat - oder ein Hemmer - der wichtigsten Cytochrom-P450-Isoformen. Daher ist es nicht wahrscheinlich, dass Wechselwirkungen auftreten, die durch eine Konkurrenz um diese Enzyme vermittelt werden.
Elimination
Das absorbierte Oseltamivir wird hauptsächlich (zu über 90 %) durch Umwandlung in den aktiven Metaboliten (Oseltamivircarboxylat) eliminiert. Der aktive Metabolit wird nicht weiter metabolisiert und seine Elimination erfolgt mit dem Urin. Nach Erreichen der Spitzenkonzentration nimmt der aktive Metabolit mit einer Halbwertzeit von 6 bis 10 Stunden ab.
Der aktive Metabolit wird vollständig (zu über 99 %) über die Nieren ausgeschieden. Die renale Clearance (18,8 l/h) übertrifft die glomeruläre Filtrationsrate (7,5 l/h), was darauf hinweist, dass zusätzlich zur glomerulären Filtration eine tubuläre Sekretion stattfindet. Weniger als 20 % einer oral verabreichten, radioaktiv markierten Dosis wird mit den Fäzes ausgeschieden.
Kinetik spezieller Patientengruppen
Leberfunktionsstörungen
Basierend auf in-vitro-Studien und Studien mit Tieren sind keine signifikanten Zunahmen der Exposition gegenüber Oseltamivir oder den aktiven Metaboliten zu erwarten, und dies wurde in klinischen Studien bei Patienten mit leichten oder mittelschweren Leberfunktionsstörungen bestätigt (siehe «Kinetik spezieller Patientengruppen»). Die Sicherheit und Pharmakokinetik bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen wurden nicht untersucht.
Nierenfunktionsstörungen
Die Verabreichung von 2 x täglich 100 mg Tamiflu während fünf Tagen an Patienten mit Niereninsuffizienz unterschiedlichen Schweregrades zeigte, dass sich die systemische Verfügbarkeit des aktiven Metaboliten (Oseltamivircarboxylat) umgekehrt proportional zur Verminderung der Nierenfunktion verhält. Zu Dosierungsangaben siehe «Dosierung/Anwendung, spezielle Dosierungsanweisungen».
Ein populationspharmakokinetisches Modell, welches die Auswirkung der Kreatinin-Clearance auf die Pharmakokinetik von Oseltamivir und Oseltamivircarboxylat beschreibt, wurde zur Simulation bei achtzig Probanden mit und ohne Niereninsuffizienz unterschiedlichen Schweregrads entwickelt und qualifiziert. Die Probanden hatten engmaschige pharmakokinetische Profile und wurden aus drei klinischen Studien ermittelt; einer Studie bei Patienten mit normaler Nierenfunktion oder leichter, mässiger oder schwerer Nierenfunktionsstörung (WP15648) und zwei Studien bei gesunden Probanden, die einen Bereich an Einzeldosen (WP15517) oder wiederholten Dosen (WP15525) von Oseltamivir erhielten. Es wurden Simulationen durchgeführt und geeignete Dosierungsschemata unter Verwendung erhältlicher Kapselzubereitungen mit der Massgabe ausgewählt, Expositionen gegenüber Oseltamivircarboxylat zu gewährleisten, die in Phase 3-Studien als sicher und wirksam erachtet wurden (siehe Tabellen 3 und 4). Bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance 10-30 ml/min) wird zur Behandlung der Influenza eine Dosierung von 30 mg einmal täglich und zur Prophylaxe der Influenza eine Dosierung von 30 mg jeden zweiten Tag empfohlen. Bei Patienten mit mässiger Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance 30-60 ml/min) wird zur Behandlung der Influenza eine Dosierung von 30 mg zweimal täglich und zur Prophylaxe der Influenza eine Dosierung von 30 mg einmal täglich empfohlen. Bei Patienten mit leichter Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance > 60 ml/min) ist keine Dosisanpassung erforderlich.
Tabelle 3: Simulierte mediane (5. und 95. Perzentil) Messwerte der therapeutischen Exposition gegenüber Oseltamivircarboxylat bei Probanden mit normaler Nierenfunktion und mit Nierenfunktionsstörung (N = 100)
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Normale Nierenfunktion
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Kreatinin-Clearance > 60-90 ml/min
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Kreatinin-Clearance > 30-60 ml/min
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Kreatinin-Clearance > 10-30 ml/min
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Pharmakokinetischer Expositionsparameter
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75 mg zweimal täglich
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150 mg zweimal täglich
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450 mg zweimal täglich
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75 mg zweimal täglich
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30 mg zweimal täglich
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30 mg einmal täglich
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AUC0-48 (ng*h/ml)
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11760 (6560-18760)
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22680 (11920-37360)
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62160 (36640-136520)
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18968 (9996-31752)
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14838 (7206-29146)
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20900 (9140-101440)
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Cmin (ng/ml)
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160 (74-261)
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298 (123-576)
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810 (450-1903)
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266 (127-474)
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229 (110-500)
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280 (105-1429)
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Cmax (ng/ml)
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320 (184-503)
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629 (329-1042)
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1770 (926-3732)
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499 (261-852)
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354 (183-675)
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553 (280-1953)
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Tabelle 4: Simulierte mediane (5. und 95. Perzentil) Messwerte der prophylaktischen Exposition gegenüber Oseltamivircarboxylat bei Probanden mit normaler Nierenfunktion und mit Nierenfunktionsstörung (N=100)
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Normale Nierenfunktion
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Kreatinin-Clearance > 60-90 ml/min
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Kreatinin-Clearance > 30-60 ml/min
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Kreatinin-Clearance > 10-30 ml/min
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Pharmakokinetischer Expositionsparameter
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75 mg einmal täglich
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75 mg einmal täglich
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30 mg einmal täglich
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30 mg jeden zweiten Tag
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AUC0-48 (ng*h/ml)
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5780 (3200-10640)
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9000 (5020-15440)
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7280 (3660-14980)
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10830 (4090-49060)
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Cmin (ng/ml)
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40 (14-75)
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69 (20-133)
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68 (25-179)
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88 (19-698)
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Cmax (ng/ml)
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231 (132-436)
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342 (193-608)
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244 (124-476)
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446 (209-1280)
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Hämodialyse und kontinuierliche Peritonealdialyse
Zur Beurteilung der Pharmakokinetik, Sicherheit und Verträglichkeit von Oseltamivir und Oseltamivircarboxylat bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz unter Hämodialyse (HD) und kontinuierlicher ambulanter Peritonealdialyse (CAPD) wurden zwei klinische Studien durchgeführt. In Studie PP15974 erhielten Patienten unter CAPD oder HD eine einzelne Kapsel mit 75 mg Oseltamivir; in Studie NP16472 erhielten die Patienten dagegen 30 mg als orale Suspension während 6,5 Wochen, wobei Patienten unter CAPD eine Einzeldosis pro Woche und Patienten unter HD eine Dosis nach jeder zweiten Dialysesitzung erhielten. Zur Unterstützung der Festlegung geeigneter Dosierungsempfehlungen bei HD wurde ein populationspharmakokinetisches Modell zur Simulation bei HD erstellt und qualifiziert. Geeignete Dosierungsschemata unter Verwendung erhältlicher Kapselzubereitungen wurden mit der Massgabe ausgewählt, Plasma-Talspiegel von Oseltamivircarboxylat von Personen mit normaler Nierenfunktion bei Gabe von 75 mg Oseltamivir zweimal täglich zur Behandlung der Influenza oder 75 mg Oseltamivir einmal täglich oral zur Prophylaxe der Influenza zu erreichen. Bei HD wird zur Behandlung der Influenza eine Dosierung von 30 mg nach jeder Dialysesitzung und zur Prophylaxe der Influenza eine Dosierung von 30 mg nach jeder zweiten Dialysesitzung empfohlen. Bei CAPD wird zur Behandlung der Influenza eine einzelne Dosis von 30 mg verabreicht vor Beginn der Dialyse und gefolgt von weiteren Dosen von 30 mg alle 5 Tage empfohlen und zur Prophylaxe der Influenza 30 mg verabreicht vor Beginn der Dialyse und gefolgt von weiteren Dosen von 30 mg alle 7 Tage empfohlen.
Ältere Patienten
Die systemische Verfügbarkeit des aktiven Metaboliten (Oseltamivircarboxylat) im steady state war bei älteren Patienten (Altersbereich 65 bis 78 Jahre) um 25 bis 35 % höher als bei jungen Erwachsenen, denen vergleichbare Dosen von Tamiflu verabreicht worden waren. Die bei den betagten Patienten gemessenen Halbwertzeiten waren vergleichbar mit jenen bei jungen Erwachsenen. Aufgrund der systemischen Verfügbarkeit und Verträglichkeit ist bei älteren Patienten keine Dosisanpassung erforderlich (siehe «Dosierung/Anwendung»).
Schwangere Frauen
Eine gepoolte populationspharmakokinetische Analyse hat gezeigt, dass das in der Rubrik «Dosierung/Anwendung» beschriebene Dosierungsschema von Tamiflu bei schwangeren Frauen niedrigere Expositionen (um 36 %, 34 % und 15 % im ersten, zweiten und dritten Trimenon) gegenüber dem aktiven Metaboliten bewirkt als bei nicht schwangeren Frauen. Die in der populationspharmakokinetischen Analyse gefundenen Veränderungen der Clearance von Oseltamivircarboxylat korrelieren nicht mit bekannten physiologischen Veränderungen der Nierenfunktion (glomeruläre Filtration und renaler Plasmafluss) während der Schwangerschaft. Die Ursache der Veränderung in der Clearance von Oseltamivircarboxylat ist nicht bekannt.
Die niedrigere vorhergesagte Exposition bleibt jedoch oberhalb des therapeutisch wirksamen Niveaus für eine Reihe von Influenzavirusstämmen.
Kinder und Jugendliche
Kinder ≥1 Jahr
Die Pharmakokinetik von Tamiflu ist anhand pharmakokinetischer Einzeldosisstudien bei Kindern im Alter von 1 bis 16 Jahren untersucht worden.
Die Mehrdosenkinetik wurde bei einer kleinen Anzahl von Kindern im Alter zwischen 3 und 12 Jahren untersucht, die an einer klinischen Studie teilnahmen.
Die bezüglich des Körpergewichtes korrigierte Clearance-Rate des aktiven Metaboliten Oseltamivircarboxylat war bei jüngeren Kindern höher als bei Erwachsenen und somit die Exposition bei gleicher Dosis niedriger.
Einheitsdosen von 30 und 45 mg und Dosen von 2 mg/kg, die Kindern in den entsprechenden Kategorien gemäss den Empfehlungen unter «Dosierung/Anwendung» verabreicht wurden, ergaben eine Oseltamivircarboxylat-Exposition, die vergleichbar ist mit derjenigen von Erwachsenen, die eine einzelne 75 mg Kapseldosis (ungefähr 1 mg/kg) erhalten.
Die Pharmakokinetik von Oseltamivir bei Kindern über 12 Jahre ist ähnlich derjenigen bei erwachsenen Patienten.
Es gibt keine Daten zu Kindern mit Niereninsuffizienz.
Kinder < 1 Jahr
Die Pharmakokinetik, Pharmakodynamik und die Sicherheit von Tamiflu wurde in zwei offenen Studien bei Influenza-infizierten Kindern im Alter von weniger als 1 Jahr ( n= 124) evaluiert. Die nach Körpergewicht korrigierte Clearance-Rate des aktiven Metaboliten nimmt im Alter < 1 Jahr ab. Die Metabolitenexpositionen sind bei den jüngsten Kindern ebenfalls unterschiedlich. Die verfügbaren Daten weisen darauf hin, dass die Exposition nach Verabreichung einer Dosis von 3 mg/kg bei Kindern im Alter von 0-12 Monaten zu einer Prodrug- und Metaboliten-Exposition führt, bei denen erwartet wird, dass sie klinisch wirksam sind bei einem Sicherheitsprofil vergleichbar mit demjenigen von älteren Kindern und Erwachsenen bei Anwendung der zugelassenen Dosierung. Die berichteten Nebenwirkungen waren übereinstimmend mit dem bekannten Sicherheitsprofil bei älteren Kindern.
Immunsupprimierte Patienten
Eine populationspharmakokinetische Analyse deutet darauf hin, dass die Behandlung erwachsener immunsupprimierter Patienten mit Oseltamivir, unter Berücksichtigung der Nierenfunktion, eine höhere Exposition von bis zu 50% gegenüber dem aktiven Metaboliten bewirkt als bei erwachsenen nicht- immunsupprimierten Patienten. Aufgrund der grossen therapeutischen Breite des aktiven Metaboliten ist jedoch bei erwachsenen immunsupprimierten Patienten mit normaler Kreatinin Clearance keine Dosisanpassung erforderlich. Bei erwachsenen immunsupprimierten Patienten mit einer Nierenfunktionsstörung sollte die Dosis angepasst werden, wie im Abschnitt «Besondere Dosierungsanweisungen» dargelegt ist.
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