Eigenschaften/WirkungenATC-Code: J05AE06
Pharmakotherapeutische Gruppe: Antivirale Substanz zur systemischen Anwendung.
Wirkungsmechanismus
Lopinavir ist der antivirale Wirkstoff von Kaletra. Lopinavir ist ein Hemmer der HIV-1 und HIV-2 Proteasen. Die Hemmung der HIV-Protease verhindert die Spaltung des gag-pol-Polyproteins und führt somit zur Bildung unreifer, nicht infektiöser Viren.
Antivirale Aktivität in vitro
Die antivirale Aktivität von Lopinavir in vitro gegen Labor- und klinische HIV-Stämme wurde an akut infizierten lymphoblastischen Zelllinien und peripheren Blutlymphozyten untersucht. Ohne humanes Blutserum war die durchschnittliche EC50 von Lopinavir gegen 5 verschiedene Labor-HIV-Stämme 19 nM. In Abwesenheit und Anwesenheit von 50% Humanserum betrug die durchschnittliche EC50 von Lopinavir gegen HIV-1 IIIB in MT4 Zellen 17 nM bzw. 102 nM. In Abwesenheit von Humanserum war die durchschnittliche EC50 von Lopinavir gegen verschiedene klinische HIV-1 Isolate 6,5 nM.
Resistenz In vitro wurden HIV-1 Isolate mit reduzierter Empfindlichkeit gegenüber Lopinavir selektiert. In vitro wurden HIV-1 Stämme Lopinavir allein sowie Lopinavir und Ritonavir in Bereichen, die den Konzentrationsverhältnissen im Serum bei einer Kaletra-Therapie entsprechen, ausgesetzt. Genotypische und phänotypische Analysen von durch diese Passagen selektierten Viren weisen darauf hin, dass Ritonavir bei diesen Konzentrationen keinen messbaren Einfluss auf die Selektion von Lopinavir-resistenten Viren hat.
Insgesamt legt die in vitro Charakterisierung der phänotypischen Kreuzresistenz von Lopinavir mit anderen Proteasehemmern nahe, dass eine verminderte Empfindlichkeit gegenüber Lopinavir mit einer verringerten Empfindlichkeit gegenüber Ritonavir und Indinavir korreliert, weniger eng aber mit einer verringerten Empfindlichkeit gegenüber Amprenavir, Saquinavir und Nelfinavir. Genotypische Korrelate mit verringerter phänotypischer Lopinavir-Empfindlichkeit in Viren selektiert durch andere Proteasehemmer: Untersucht wurde die antivirale Aktivität von Lopinavir in vitro an 112 klinischen Isolaten von Patienten, bei denen die Therapie mit einem oder mehreren Proteasehemmern gescheitert war. Die Analyse zeigte folgende Mutationen von HIV Proteasen, die im Zusammenhang mit einer verringerten in vitro Lopinavir-Empfindlichkeit stehen: L10F/I/R/V, K20M/R, L24I, M46I/L, F53L, I54L/T/V, L63P, A71I/L/T/V, V82A/F/T, I84V und L90M. Die mediane EC50 von Lopinavir gegen Isolate mit 0-3, 4-5, 6-7 und 8-10 Mutationen an den oben genannten Aminosäure-Positionen war 0,8, 2,7, 13,5 und 44,0-fach höher als die EC 50 bei HIV-Stämmen vom Wildtyp. Bei allen 16 Viren, die eine mehr als 20-fache Veränderung ihrer Empfindlichkeit aufwiesen, fanden sich Mutationen an den Positionen 10, 54, 63 und 82 und/oder 84. Zusätzlich enthielten sie durchschnittlich 3 Mutationen an den Aminosäurepositionen 20, 24, 46, 53, 71 und 90. Antivirale Wirkung von Kaletra bei Patienten nach gescheiterter Proteasehemmer-Therapie: Die klinische Bedeutung einer verringerten Lopinavir-Empfindlichkeit in vitro wurde bei 56 Patienten mit gescheiterter mehrfach-Proteasehemmer-Therapie untersucht, wobei das virologische Ansprechen auf die Kaletra-Therapie in Bezug auf den Ausgangsbefund des viralen Geno- und Phänotypus bewertet wurde. Die EC 50 von Lopinavir bei 56 Ausgangs-Virusisolaten war um das 0,6 bis 96-fache höher als die EC 50 bei HIV-Stämmen vom Wildtyp. Nach 48wöchiger Therapie mit Kaletra, Efavirenz und nukleosidischen-Reverse-Transkriptase-Hemmern wurde im Plasma Â≤400 Kopien/ml HIV RNA bei 93% (25/27), 73% (11/15) und 25% (2/8) der Patienten, die eine <10fach, 10- bis 40fach und >40fach verringerte Lopinavir-Empfindlichkeit aufwiesen, beobachtet. Ausserdem fand sich ein virologisches Ansprechen bei 91% (21/23), 71% (15/21) und 33% (2/6) der Patienten mit 0-5, 6-7 und 8-10 Mutationen der HIV-Protease, die im Zusammenhang mit verringerter Lopinavir-Empfindlichkeit in vitro steht. Da diese Patienten weder mit Kaletra noch mit Efavirenz vorbehandelt waren, mag ein Teil dieses Befundes auf der antiviralen Aktivität von Efavirenz beruhen, insbesondere bei Patienten, die stark Lopinavir-resistente Viren tragen. Die Studie enthielt keinen Vergleichsarm mit Patienten, die kein Kaletra erhielten.
Selektierung von Virusresistenzen während einer Kaletra-Therapie: In Phase-II-Studien mit 227 antiretroviral-naiven und mit Proteasehemmer vorbehandelten Patienten zeigten Isolate von 4 Patienten mit quantifizierbarer Virusbelastung (>400 Kopien/ml) nach Â≥12wöchiger Kaletra-Behandlung eine signifikant reduzierte Empfindlichkeit gegen Lopinavir im Vergleich zu den korrespondierenden Basis-Virusisolaten. Die durchschnittliche EC50 von Lopinavir gegen 4 Basis-Isolate lag um das 2,8fache (0,7 bis 5,2fache) höher als die EC50 gegen HIV-Stämme vom Wildtyp und jedes der 4 Isolate wies 4 oder mehr Mutationen in der HIV-Protease auf, die im Zusammenhang mit einer Proteasehemmer-Resistenz stehen. Nach Behandlung dieser 4 Patienten mit Kaletra war
die durchschnittliche EC50 von Lopinavir um das 55fache (zwischen 9,4 bis 99-fache) im Vergleich zu den HIV-Stämmen vom Wildtyp angestiegen und es wurden 2-3 zusätzliche Mutationen an den Aminosäurepositionen 10, 24, 33, 46, 54, 63, 71 und/oder 82 beobachtet.
In einer Phase II Studie (M97-720) über 204 Wochen Behandlungsdauer wurde bei 11 von 16 Patienten, für die eine HIV-Kopienzahl >400 Kopien/ml bestätigt war, eine genotypische Analyse von Virusisolaten erfolgreich durchgeführt.
Es zeigten sich keine primären Mutationen oder Mutationen des aktiven Zentrums der Protease (Aminosäurepositionen 8, 30, 32, 36, 47, 48, 50, 82, 84 und 90) oder phänotypische Resistenz des Porteaseinhibitoren.
Kreuzresistenzen: Zum jetzigen Zeitpunkt liegen nur wenige Erkenntnisse zur Kreuzresistenz selektierter Viren unter Therapie mit Kaletra vor. Isolate von 4 Patienten, die bereits mit einem oder mehreren Proteasehemmern vorbehandelt waren, zeigten unter Kaletra-Therapie eine erhöhte phänotypische Lopinavir-Resistenz mit fortbestehender oder sich neu entwickelnder Kreuzresistenz zu Ritonavir, Indinavir und Nelfinavir. Alle Virusisolate behielten eine vollständige bis leicht reduzierte Empfindlichkeit gegenüber Amprenavir (bis zum 8,6-fachen bei gleichzeitiger 99-facher Lopinavir-Resistenz). Die Virusisolate von 2 Patienten, die noch nicht mit Saquinavir vorbehandelt waren, blieben gegenüber Saquinavir vollständig empfindlich.
Pharmakodynamik
Der Einfluss von Kaletra (in Kombination mit anderen antiretroviralen Substanzen) auf biologische Marker (Plasma HIV RNA Spiegel und CD4-Zellzahl) wurde in einer kontrollierten Studie mit Kaletra über 24 Wochen sowie in weiteren Studien zu Kaletra über 204 Wochen untersucht.
Klinische Wirksamkeit Anwendung bei Erwachsenen Patienten ohne vorhergehende antiretrovirale Vorbehandlung
M98-863 ist eine randomisierte, doppelblinde Studie mit 653 antiretroviral naiven Patienten, welche Kaletra (2× täglich 400/100 mg) mit Nelfinavir (3× täglich 750 mg) plus NRTIs verglich. In der Intent-To-Treat Analyse (Patienten mit fehlenden Werten werden als Therapieversager betrachtet) betrug der Anteil der Patienten mit <400 Kopien/ml HIV RNA nach 48 Wochen in der Kaletra-Gruppe 75% und in der Nelfinavir Gruppe 63%. Der Ausgangswert an CD4-Zellen lag bei 259 Zellen/mm³ (2 bis 949 Zellen/mm³) und der Ausgangswert von HIV-1 RNA im Plasma bei 4,9 log 10 Kopien/ml (2,6 bis 6,8 log10 Kopien/ml). Nach 48wöchiger Therapie betrug der Anteil der Patienten mit Plasma-RNA <50 Kopien/ml in der Kaletra-Gruppe 67% und 52% in der Nelfinavir-Gruppe. Der durchschnittliche Anstieg der CD4-Zellen gegenüber dem Ausgangswert betrug 207 Zellen/mm³ in der Kaletra-Gruppe und 195 Zellen/mm³ in der Nelfinavir-Gruppe.
Nach 48wöchiger Therapie war der Anteil der Patienten mit <50 Kopien/ml HIV RNA in der Kaletra-Gruppe statistisch signifikant höher als in der Nelfinavir-Gruppe.
Ein langanhaltendes virologisches Ansprechen auf Kaletra (in Kombination mit Lamivudin und Stavudin) wurde ebenfalls in einer kleineren Studie Phase II (M97-720) über 204 Wochen beobachtet. Nach 204 Wochen Behandlungsdauer lag der Anteil der Patienten mit HIV-RNA von <400 (<50) Kopien/ml bei 71% (70%) (n= 100; hierunter waren 40 Patienten, die die empfohlene Dosis von Kaletra über die gesamte Zeitdauer von 204 Wochen erhalten hatten), und der korrespondierende mittlere Anstieg der CD4-Zellen betrug 440 Zellen/mm³. 28 Patienten (28%) brachen die Studie ab einschliesslich 9 Abbrüchen (9%) aufgrund von Nebenwirkungen und einem Todesfall (1%).
Antiretroviral vorbehandelte Patienten
Die randomisierte, doppelblinde Studie M97-765 untersuchte die Therapie mit Kaletra in 2 verschiedenen Dosierungen (je 2× täglich 400/100 mg und 400/200 mg), plus Nevirapin (2× täglich 200 mg) und 2 NRTIs an 70 Patienten. Diese Patienten waren mit einem Proteasehemmer vorbehandelt und nicht mit nicht-nukleosidischen-Reversen-Transkriptase-Hemmern. Der mediane Ausgangswert der CD4-Zellen betrug 349 Zellen/mm³ (von 72 bis 807 Zellen/mm³) und der mediane Ausgangswert im Plasma betrug 4,0 log 10 Kopien/ml (von 2,9 bis 5,8 log 10 Kopien/ml) HIV-1 RNA. Bei der Intent-To-Treat Analyse (Patienten mit fehlenden Werten werden als Therapieversager betrachtet) lag nach 24 Wochen der Anteil an Patienten mit <400 (<50) Kopien/ml HIV RNA bei 75%
(58%) und die durchschnittliche Erhöhung bei der CD4-Zellzahl gegenüber dem Ausgangswert betrug bei den 36 Patienten, die Kaletra in einer Dosierung von 400/100 mg erhielten, 174 Zellen/ mm³.
Die randomisierte, offene Studie M98-957 untersuchte die Therapie mit Kaletra in 2 verschiedenen Dosierungen (je 2× täglich 400/100 mg und 533/133 mg) in Kombination mit Efavirenz (1× täglich 600 mg) und nukleosidischen-Reverse-Transkriptase-Hemmern bei 57 Patienten, die mehrfach mit Proteasehemmern, aber nicht mit nicht-nukleosidischen-Reverse-Transkriptase-Hemmern, vorbehandelt waren. Zwischen den Wochen 24 und 48 wurden Patienten, die randomisiert eine Dosis von 400/100 mg erhielten, auf eine Dosis von 533/133 mg konvertiert. Der mediane Ausgangswert der CD4-Zellen betrug 220 Zellen/mm³ (13 bis 1030 Zellen/mm³). Bei der Intent-To-Treat Analyse in der beide Dosierungsgruppen kombiniert wurden (n= 57, Patienten mit fehlenden Werten werden als Therapieversager betrachtet) lag nach 48 Wochen der Anteil an Patienten mit <400 Kopien/ml HIV RNA bei 65% und die durchschnittliche Erhöhung bei der CD4-Zellzahl gegenüber dem Ausgangswert bei 94 Zellen/mm³.
Anwendung bei Kindern
In der offenen Studie M98-940 zu Kaletra Sirup wurden 100 antiretroviral nicht vorbehandelte (44%) sowie vorbehandelte (56%) Kinder untersucht. Kein Studienteilnehmer erhielt zuvor nicht-nukleosidischen-Reverse-Transkriptase-Hemmer. Unter Randomisierung erhielten Patienten entweder 230 mg Lopinavir/57,5 mg Ritonavir pro m² oder 300 mg Lopinavir/75 mg Ritonavir pro m². Nicht vorbehandelte Studienteilnehmer wurden zudem mit nukleosidischen-Reverse-Transkriptase-Hemmern behandelt. Bereits vorbehandelte Studienteilnehmer erhielten auch Nevirapin in Kombination mit bis zu 2 nukleosidischen-Reverse-Transkriptase-Hemmern. Nach 3-wöchiger Therapie wurden Verträglichkeit, Wirksamkeit und die pharmakokinetischen Profile der beiden Dosierungen bei jedem Studienteilnehmer ausgewertet. Danach wurde die Therapie bei allen Teilnehmern mit einer Dosis von 300/75 mg pro m² fortgesetzt. Das durchschnittliche Patientenalter betrug 5 Jahre (6 Monate bis zu 12 Jahre), 14 Teilnehmer waren jünger als 2 Jahre und 6 Patienten 1 Jahr oder jünger. Der durchschnittliche Ausgangswert der CD4-Zellen lag bei 838 Zellen/mm³ und der durchschnittliche Ausgangswert der Plasma-HIV-1 RNA lag bei 4,7 log10 Kopien/ml. Während der 48wöchigen Behandlung betrug der Anteil an Patienten mit <400 Kopien/ml HIV RNA 84% bei den antiretroviral nicht vorbehandelten Kindern und 75% bei den antiretroviral vorbehandelten Kindern. Der durchschnittliche Anstieg der CD4-Zellzahl verglichen zum Ausgangswert betrug 404 Zellen/mm³ bzw. 284 Zellen/mm³.
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