Eigenschaften/WirkungenATC-Code
A16AB04
Wirkungsmechanismus
Morbus Fabry ist eine erblich bedingte, heterogene und multisystemische progressive Erkrankung, die sowohl bei Männern als auch bei Frauen auftreten kann. Sie ist gekennzeichnet durch ein Defizit an α-Galaktosidase, einer lysosomalen Hydrolase, welche die Hydrolyse der Glycosphingolipide, insbesondere des Globotriaosylceramids (GL-3), zu terminaler Galaktose und Dihexosylceramid katalysiert. Eine reduzierte oder nicht vorhandene α-Galaktosidase-Aktivität führt zu hohen Konzentrationen von GL-3 und dessen löslicher Form Lyso-GL-3 im Plasma sowie zu einer Akkumulation von GL-3 in den Lysosomen vieler Zelltypen, einschliesslich Endothel- und Parenchymzellen. Letztendlich führt sie zu lebensbedrohlichen klinischen Verschlechterungen durch renale, kardiale und zerebrovaskuläre Komplikationen. Mithilfe der Enzymersatztherapie soll die enzymatische Aktivität wieder auf ein solches Mass hergestellt werden, dass das akkumulierte Substrat abgebaut wird; damit soll die progressive Abnahme der Funktion dieser Organe vor Eintritt einer irreversiblen Schädigung verhindert, stabilisiert oder umgekehrt werden.
Nach intravenöser Infusion wird Agalsidase beta schnell aus dem Kreislauf eliminiert und vom Gefässendothel und den Parenchymzellen in die Lysosomen aufgenommen, vermutlich durch Mannose-6-Phosphat-, Mannose- und Asialo-Glykoprotein-Rezeptoren.
Pharmakodynamik
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Fabrazyme wurde in zwei Studien mit 47 Kindern und Jugendlichen ab 5 Jahren, in einer Dosisfindungsstudie, in zwei placebokontrollierten Doppelblindstudien (davon zwei Patientinnen), in einer offenen Verlängerungsstudie sowie in veröffentlichter wissenschaftlicher Literatur untersucht. In der Dosisfindungsstudie wurden die Auswirkungen der Gabe von 0,3, 1,0 und 3,0 mg/kg einmal alle 2 Wochen und von 1,0 und 3,0 mg/kg einmal alle 2 Tage beurteilt. Unter der Therapie mit allen geprüften Dosen wurde eine signifikante Verringerung von GL-3 in Nieren, Herz, Haut und Plasma beobachtet. Aus dem Plasma wurde GL-3 in dosisabhängiger Weise entfernt, aber bei einer Dosis von 0,3 mg/kg war die Clearance weniger konsistent. Darüber hinaus waren auch die infusionsbedingten Reaktionen dosisabhängig.
In der ersten placebokontrollierten klinischen Studie mit 58 an Morbus Fabry erkrankten Patienten mit klassischem Phänotyp (56 Männer und 2 Frauen) wurde Fabrazyme nach 20 Behandlungswochen GL-3 aus dem vaskulären Endothel der Nieren entfernt. Diese GL-3-Clearance wurde bei 69 % (20/29) der mit Fabrazyme behandelten Patienten erreicht, jedoch bei keinem der Placebo-Patienten (p < 0,001).
Das Resultat wurde weiter gestützt durch eine im Vergleich zu Placebo (p < 0,001) statistisch signifikante Abnahme der GL-3-Einschlüsse sowohl bei kombinierter Auswertung von Nieren, Herz und Haut als auch bei Auswertung der einzelnen Organbefunde von Patienten, die mit Agalsidase beta behandelt wurden.
In der offenen Verlängerung dieser Studie, in der alle 49 Patienten mit Fabrazyme behandelt wurden, fand sich ebenfalls eine konstante Senkung des GL-3-Plasmawertes, eine Clearance der GL-3-Ablagerungen im Endothel der Hautgefässe (86 % nach 54 Monaten) und eine Clearance von 80 % bzw. 100 % im Endothel des Herzens bzw. im Endothel der Nieren bei je 8 Patienten, die nach 54 Behandlungsmonaten biopsiert wurden.
Die Nierenfunktion, gemessen anhand der glomerulären Filtrationsrate und anhand des Serumkreatininspiegels sowie der Proteinurie, blieb bei der Mehrzahl der Patienten stabil. Die Wirkung der Behandlung von Fabrazyme auf die Nierenfunktion war bei manchen Patienten mit fortgeschrittener Nierenerkrankung allerdings begrenzt.
Obgleich keine spezifische Studie zur Untersuchung der Wirkung auf die neurologischen Anzeichen und Symptome durchgeführt wurde, weisen die Ergebnisse ausserdem darauf hin, dass sich die Schmerzbelastung der Patienten bei einer Enzymersatztherapie verringert und sich die Lebensqualität erhöht.
In einer weiteren placebokontrollierten Doppelblindstudie an 82 an Morbus Fabry erkrankten Patienten mit klassischem Phänotyp (72 Männer und 10 Frauen) sollte festgestellt werden, ob Fabrazyme die Rate für das Auftreten von renalen, kardialen oder zerebrovaskulären Ereignissen oder Tod verringern würde. Die Rate für klinische Ereignisse war bei den mit Fabrazyme behandelten Patienten niedriger als bei den Patienten, die Placebo erhielten (Risikosenkung = 53 % der Intent-to-Treat-Population (p = 0,0577); Risikosenkung = 61 % der Per-Protokoll-Population (p = 0,0341)). Dieser Effekt war bei den renalen, kardialen und zerebrovaskulären Ereignissen vergleichbar.
In zwei grossen Beobachtungsstudien wurde eine Patientengruppe (n = 89 bis 105) beobachtet, die mit Fabrazyme in der Standarddosierung (1,0 mg/kg alle 2 Wochen) oder mit einer reduzierten Dosis Fabrazyme (0,3-0,5 mg/kg alle 2 Wochen), gefolgt von einer Umstellung der Behandlung auf Agalsidase alfa (0,2 mg/kg alle 2 Wochen), oder direkt mit Agalsidase alfa (0,2 mg/kg alle 2 Wochen) behandelt wurden. Aufgrund des Designs dieser multizentrischen Beobachtungsstudien treten im klinischen Alltag Störfaktoren zutage, die sich auf die Interpretation der Ergebnisse auswirken; hierzu gehören die Auswahl der Patienten und ihre Zuordnung zu den Behandlungsgruppen und die Parameter, die von den einzelnen Zentren im Laufe der Zeit zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der Seltenheit von Morbus Fabry überschnitten sich die Populationen dieser Beobachtungsstudien, und die Behandlungsgruppen in den beiden Studien waren relativ klein. Darüber hinaus setzten die meisten Patienten mit einer schwereren Form der Erkrankung, insbesondere Männer, ihre Behandlung mit Fabrazyme in der Standarddosierung fort, während bei Patienten mit einer weniger schweren Form der Erkrankung sowie bei Frauen häufiger ein Wechsel der Medikation vorgenommen wurde. Vergleiche zwischen den Gruppen sind daher mit Vorsicht zu bewerten.
Die Gruppe der Patienten, die mit Fabrazyme in der Standarddosierung behandelt wurden, wies keine signifikanten Veränderungen der kardialen, renalen oder neurologischen Funktionen oder der mit Morbus Fabry verbundenen Symptome auf. Gleichermassen wurden bei Patienten der Gruppe, die eine reduzierte Dosis Fabrazyme erhielten, keine signifikanten Veränderungen der kardialen und neurologischen Funktionen beobachtet. Allerdings wurde bei Patienten, die mit einer reduzierten Dosierung behandelt wurden, eine Verschlechterung der Nierenparameter, gemessen anhand der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR), beobachtet (p < 0,05). Bei Patienten, die wieder auf Fabrazyme in der Standarddosierung umgestellt wurden, wurde der jährliche eGFR-Rückgang abgeschwächt. Diese Ergebnisse stimmen mit den 10-Jahres-Nachbeobachtungsdaten aus dem «Canadian Fabry Disease Initiative Registry» überein.
In Beobachtungsstudien wurde bei Patienten, die eine reduzierte Dosis Agalsidase beta erhielten, eine Zunahme der mit Morbus Fabry verbundenen Symptome (wie gastrointestinale Schmerzen, Durchfall) beobachtet.
Pädiatrische Population
In der offenen pädiatrischen Studie wurden 16 Patienten im Alter von 8-16 Jahren während 1 Jahr mit der Dosis von 1,0 mg/kg alle zwei Wochen behandelt (14 männlich, 2 weiblich). Die Krankheitssymptomatik war zu Beginn der Studie nur geringfügig unterschiedlich, der durchschnittliche Beginn der Symptomatik lag beim Alter von 7,5 Jahren, die Diagnose wurde im Mittel im Alter von 9 Jahren gestellt. Bei allen männlichen Patienten wurde eine Clearance von GL-3 im Gefässendothel der Haut und eine Reduktion der GL-3-Plasmawerte festgestellt. Untersuchungen zur Organclearance liegen nicht vor. Bei den beiden weiblichen Patienten waren die GL-3-Plasmawerte und die GL-3-Werte der Hautbiopsien bei Baseline unauffällig. Der Nutzen der Behandlung bei weiblichen Kindern oder Jugendlichen kann daher nicht beurteilt werden.
In einer weiteren 5-jährigen offenen pädiatrischen Studie wurden 31 männliche Patienten im Alter von 5 bis 18 Jahren vor dem Auftreten klinischer Symptome an wichtigen Organen randomisiert und mit Fabrazyme in der Dosis von 0,5 mg/kg alle 2 Wochen oder von 1,0 mg/kg alle 4 Wochen behandelt. Die Ergebnisse waren bei den beiden Behandlungsgruppen ähnlich. Während der Behandlung wurden bei 19 von 27 Patienten, die die Studie abgeschlossen hatten, die GL-3-Scores der Kapillarendothelzellen der Haut zu allen Zeitpunkten, ausgehend vom Ausgangswert, auf null reduziert oder auf null gehalten, ohne dass eine Dosiserhöhung notwendig war. In einer Untergruppe von 6 Patienten wurden sowohl Ausgangs- als auch 5-Jahres-Nierenbiopsien gewonnen: Bei allen Patienten wurden die GL-3-Scores der Nierenkapillarendothelien auf null reduziert. Bei den Podocyten-GL-3-Scores wurde jedoch eine hohe Variabilität beobachtet: Bei 3 Patienten konnte eine Reduktion beobachtet werden. Zehn (10) Patienten erfüllten per Protokoll das Kriterium für eine Dosiserhöhung, zwei (2) erhielten eine Dosiserhöhung auf die empfohlene Dosis von 1,0 mg/kg Körpergewicht alle 2 Wochen.
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