Eigenschaften/WirkungenATC–Code
N06BA04
Wirkungsmechanismus
Methylphenidat ist ein zentralnervöses Stimulans mit ausgeprägter Wirkung auf die mentalen wie auch auf die motorischen Aktivitäten. Sein Wirkungsmechanismus im Menschen ist noch nicht vollständig geklärt, es wird jedoch angenommen, dass die stimulierenden Effekte auf eine kortikale Stimulation und möglicherweise auf eine Stimulation des retikulären Aktivierungssystems zurückzuführen sind. Der Mechanismus, durch welchen Methylphenidat seine mentalen und verhaltensmässigen Wirkungen bei Kindern ausübt, ist weder genau ergründet noch liegen schlüssige Beweise vor, welche aufzeigen, wie diese Effekte mit dem Zustand des Zentralnervensystems zusammenhängen.
Pharmakodynamik
Keine Daten vorhanden.
Klinische Wirksamkeit
Nach dem Erhalt der Zulassung für die Behandlung von ADHS bei Kindern wurde Medikinet MR in zwei randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten klinischen Studien bei Erwachsenen mit ADHS untersucht: 363 Patienten wurden in der EMMA-Studie (1) bei einer Behandlungsdauer von 24 Wochen untersucht. In der QUMEA-Studie (2) wurden 162 Patienten über insgesamt 20 Wochen behandelt. Nach einer 8-wöchigen Doppelblindphase wurden alle Patienten in einer offenen Phase für weitere 12 Wochen mit Medikinet MR behandelt. Hauptzielparameter in beiden Studien war die Abnahme des Scores gemäss WRI (Wender-Reimherr-Interview = WRAADDS). Messzeitpunkt war Woche 24 (Studie 1) bzw. Woche 8 (Studie 2).
Die Tagesdosis wurde beginnend mit 10 mg täglich in Abhängigkeit von Wirksamkeit und Veträglichkeit in wöchentlichen Schritten individuell titriert (Studie 1) bzw. beginnend mit einer Dosis von 0,5 mg/kg Körpergewicht (Studie 2). Dabei sollte eine Dosis von 60 mg täglich (Studie 1) bzw. 1 mg/kg Körpergewicht (Studie 2) nicht überschritten werden. In der ersten Studie war Methylphenidat zum Endpunkt durchschnittlich niedriger dosiert, 0,55 mg/kg KG (verabreichte Tagesdosis min. 10 mg, max. 60 mg) im Vergleich zur zweiten Studie, durchschnittlich 0,9 mg/kg KG (verabreichte Tagesdosis min. 20 mg, max. 120 mg). Eine grössere Effektstärke für die Studienpopulation insgesamt wurde bei Verabreichung einer höheren durchschnittlichen Dosis (0,9 mg/kg KG) berechnet, wie es in der QUMEA-Studie der Fall war. In den klinischen Studien ergaben sich nur eingeschränkte Erfahrungen mit Tagesdosen über 80 mg täglich, da nur 2 Patienten mit 120 mg/Tag behandelt wurden.
Dosis-/Geschlechtseffekte
Aufgrund des Ergebnisses der ersten Studie (EMMA) kann nicht ausgeschlossen werden, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede im Ansprechen auf Methylphenidat gibt und Frauen eventuell von geringeren Dosen profitieren. In dieser Studie zeigte sich bei Männern Wirksamkeit ausschliesslich im höchsten Dosisbereich mit MPH >0,7 mg/kg/KG. Bei Frauen hingegen zeigte sich Wirksamkeit bereits im niedrigen (<0,3 mg/kg KG) und mittleren Dosisbereich (0,3-0,7 mg/kg KG). Hinsichtlich der Symptomreduktion zeigte sich bei Frauen in der Hochdosisgruppe kein signifikanter Effekt und bezüglich der Response-Rate eine Wirksamkeit vergleichbar mit niedrigeren Dosisgruppen.
In der zweiten Studie (QUMEA) konnten diese Geschlechtseffekte nicht zuverlässig bestätigt werden, da der niedrige Dosisbereich nicht verabreicht wurde und nur wenige Patienten im mittleren Dosisbereich behandelt wurden. In der Hochdosis-Gruppe war die Response-Rate bei Frauen signifikant höher im Vergleich Verum vs. Placebo, bei Männern wurde ein nicht-signifikantes Ergebnis erzielt. Bezüglich des Hauptzielparameters (Reduktion des WRI in Woche 8) wurde sowohl bei Männern als auch Frauen eine signifikante Reduktion des Scores im Vergleich zu Placebo erzielt.
Für die gesamte Studienpopulation liegen folgende Daten vor:
Für die Abnahme des Gesamtscores WRI wurde in der EMMA-Studie in Woche 24 eine Veränderung gegenüber dem Ausgangswert von -18,88 für Verum und -13,99 für Placebo festgestellt. Dies entspricht einer Effektstärke von 0,39, 95% CI (0,18, 0,63, für die Effektstärke) p = 0,002 (ANOVA mit LOCF für fehlende Werte).
In der QUMEA-Studie betrug die Veränderung gegenüber dem Ausgangswert bis zur Woche 8 -13,2 für Verum und -6,2 für Placebo. Dies entspricht einer Effektstärke von 0,54, 95% CI (0,22, 0,85, für die Effektstärke) p = 0,0001 (ANOVA mit LOCF für fehlende Werte).
Die neuberechnete Responder-Rate betrug:
Responder: Patienten, die eine Reduktion des WRAADDS-Scorewerts von 30% oder mehr erreichten und die Studie nicht abbrachen.
Non-Responder: Patienten, die eine geringere Reduktion des WRAADDS-Scorewerts erreichten oder die Studie, aus welchen Gründen auch immer, abbrachen (für Woche 24 bzw. 8 lag kein Wert vor).
In der EMMA-Studie betrug die neuberechnete Responder-Rate 128 (53%) in der Verum-Gruppe vs. 44 (37%) in der Placebo-Gruppe (Woche 24, Fisher's exact test, zweiseitig, 0,0051). In der QUMEA-Studie betrug die neuberechnete Responder-Rate in Woche 8 41 (49%) vs. 14 (18%) (Verum versus Placebo, Fisher's exact test, zweiseitig, p<0,0001).
Medikinet MR wurde in einer weiteren randomisierten, doppel-blinden, placebo-kontrollierten klinischen Studie (Comparison of Methylphenidate and Psychotherapy Study - COMPAS-Studie) an 433 erwachsenen Patienten untersucht. Diese Studie wurde mit Medikinet MR durchgeführt, das national in Deutschland auch als «Medikinet adult» zugelassen ist.
Die Teilnehmer erhielten entweder eine kognitive Verhaltenstherapie in Gruppen oder ein allgemeines klinisches Management mit Einzelangeboten für Beratungsgespräche zusätzlich zur täglichen Gabe von Placebo oder Medikinet MR. Die Behandlung wurde über insgesamt 52 Wochen durchgeführt.
Hauptzielparameter der Studie war die Reduktion der ADHS Symptomatik, gemessen an der Abnahme des CAARS-O: L Scores zwischen Baseline und nach 12 Wochen Therapie.
Im Ergebnis konnte die Überlegenheit einer Kombination aus Gruppentherapie oder klinischem Management mit Medikinet MR im Vergleich zur jeweiligen Kombination mit Placebo im Sinne einer Verbesserung der ADHS-Symptome gezeigt werden.
Die ADHS-Symptome nahmen unter Medikinet MR deutlich ab (n = 210; adjusted mean ADHD Index score, 16,2; ES = −0,81) im Vergleich zu Placebo (n = 209; adjusted mean ADHD Index score, 17,9; ES = −0,50). Der Unterschied war statistisch signifikant (ADHD Index score Unterschied von Medikinet MR gegenüber Placebo –1,7; 97,5% CI, −3,0 zu −0,4; 95% CI, −2,8 zu −0,6; P = 0,003).
Die durchschnittliche Tagesdosis (SD) der 179 mit Medikinet MR behandelten Patienten betrug 48,8 (20,2) mg.
Die COMPAS-Studie zeigte, dass psychologische Interventionen unter kontrollierten Bedingungen bei Erwachsenen in der Kombination mit Medikinet MR bessere Behandlungseffekte (über insgesamt 52 Wochen) hervorbrachten als in Kombination mit Placebo.
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