Eigenschaften/WirkungenATC-Code
N03AX09
Wirkungsmechanismus
Lamotrigin ist ein Phenyltriazin mit antikonvulsiver Wirkung.
Die Resultate pharmakologischer Studien lassen annehmen, dass Lamotrigin ein Blocker der spannungsregulierten Natriumkanäle ist. In elektrophysiologischen Experimenten an kultivierten tierischen Neuronen bewirkt es einen spannungsabhängigen Block von sich dauernd wiederholenden Entladungen und hemmt sowohl die pathologische Freisetzung von Glutamat, der Aminosäure, welche in der Entstehung von epileptischen Anfällen eine Hauptrolle spielt, als auch glutamatevozierte Antworten von Aktionspotentialen.
Pharmakodynamik
In-vitro-Studien zeigen, dass Lamotrigin bei therapeutisch relevanten Konzentrationen eine antiarrhythmische Aktivität der Klasse IB aufweist. Es hemmt humane kardiale Natriumkanäle mit schneller Onset- und Offset-Kinetik und starker Spannungsabhängigkeit, konsistent mit anderen antiarrhythmischen Stoffen der Klasse IB. In therapeutischen Dosen verlangsamte Lamotrigin die ventrikuläre Erregungsleitung (QRS-Verbreiterung) bei gesunden Personen in einer umfassenden QT-Studie nicht; bei Patienten mit klinisch bedeutsamen strukturellen oder funktionellen Herzerkrankungen könnte Lamotrigin jedoch potenziell die ventrikuläre Erregungsleitung verlangsamen (QRS-Verbreiterung) und Proarrhythmie induzieren, was zum plötzlichen Herztod führen kann.
In speziellen Tests zur Beurteilung der Wirkung von Substanzen auf das zentrale Nervensystem konnte bei gesunden Freiwilligen gezeigt werden, dass bei einer Dosis von 240 mg Lamotrigin die Wirkung gleich war wie bei Placebo. Es bestand keine signifikante Störung von okulärer Feinmotorik und Koordination der Augen, kein verstärktes Rumpfschwanken sowie subjektiv keine sedierende Wirkung.
Klinische Wirksamkeit
Klinische Wirksamkeit bei der Prophylaxe depressiver Phasen bei Patienten mit einer bipolaren Störung
Die Wirksamkeit von Lamotrigin zur Prophylaxe depressiver Phasen bei Patienten mit einer Bipolar-I-Störung wurde in zwei pivotalen Studien nachgewiesen.
In den beiden unabhängigen, randomisierten, multizentrischen, doppelblinden, mit Placebo- und Lithium kontrollierten Studien wurde die Wirksamkeit einer fixen (Studie SCAB2003) oder einer flexiblen (Studie SCAB2006) Dosis Lamotrigin bei der Langzeitprophylaxe von Relaps und Rekurrenz von Depression und/oder Manie bei Patienten mit Bipolar-I-Störung beurteilt. Es handelte sich dabei um Patienten, bei denen kurz zuvor oder noch anhaltend entweder eine depressive Episode (Studie SCAB2003) oder eine manische oder hypomanische Phase (Studie SCAB2006) aufgetreten war. Nach Erreichen einer Stabilisierung unter einer Lamotrigin-Monotherapie oder Lamotrigin plus Psychopharmaka wurden die Patienten mittels Randomisierung in entsprechende Behandlungsgruppen eingeteilt: Lamotrigin Fixdosis (Studie SCAB2003: 50, 200, 400 mg/Tag), Lamotrigin variable Dosis (100 bis 400 mg/Tag) und jeweils Lithium (Serumspiegel zwischen 0,8 und 1,1 mÄq/L) oder Placebo für eine Höchstdauer von 18 Monaten.
Die Teilnehmer wurden randomisiert einer bestimmten Monotherapie zugeteilt, die unter Beobachtung solange fortgeführt wurde, bis der Untersucher eine Intervention durch Verordnung einer anderen psychotropen Medikation (oder einer Elektrokrampftherapie, EKT) zur Behandlung eines eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Rezidivs/Rückfalls in eine affektive Episode der bipolaren Störung als klinisch notwendig erachtete. Dieser Endpunkt wurde als TIME (Zeit von der ersten Dosis in der randomisierten Phase bis zur ersten Verordnung einer therapeutischen Intervention) bezeichnet. Weitere Endpunkte waren die Zeit bis zur Intervention wegen einer manischen Episode (TIMan) und die Zeit bis zur Intervention wegen einer depressiven Episode (TIDep).
In beiden Studien ergab die Hauptanalyse der Zeit bis zu einem bipolaren Ereignis (TIME to Any Bipolar Event, ABE) (Tabelle 1), einer TIDep (Tabelle 2) und einer TIMan (Tabelle 3), dass der geschätzte Anteil der nach 12 und 18 Monaten «interventions-/ereignisfreien» Teilnehmer in der Lamotrigin-Gruppe durchweg höher lag als in der Placebo-Gruppe. Ein Vergleich der Kaplan-Meier-Kurven ergab für TIME (ABE) und TIDep einen statistisch signifikanten Unterschied zu Placebo zugunsten von Lamotrigin (p < 0,05).
Tabelle 1. Geschätzter Anteil «interventions-/ereignisfreier» Teilnehmer: Population zur Evaluation der experimentellen Wirksamkeit TIME (ABE)*
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SCAB2003
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SCAB2006
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Behandlungszeitraum
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Placebo N = 119
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Lithium N = 120
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Lamotrigin N = 165
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Placebo N = 69
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Lithium N = 44
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Lamotrigin N = 58
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12 Monate
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16%
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25%
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29%
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10%
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35%
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32%
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18 Monate
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12%
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21%
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22%
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4%
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24%
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17%
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Angaben basieren auf Überlebensschätzungen nach Kaplan-Meier.
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* Bei dieser Analyse wurden alle Teilnehmer mit Studienabbruch vor Erreichen des TIME-Endpunktes so eingestuft, als hätten Sie TIME erreicht, ausgenommen jene Teilnehmer, bei welchen das zur Unterbrechung führende unerwünschte Ereignis nicht auf die Symptomatologie einer bipolaren Störung zurückzuführen war.
Tabelle 2. Geschätzter Anteil «interventions-/ereignisfreier» Teilnehmer: Population zur Evaluation der experimentellen Wirksamkeit TIDep
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SCAB2003
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SCAB2006
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Behandlungszeitraum
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Placebo N = 119
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Lithium N = 120
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Lamotrigin N = 165
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Placebo N = 69
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Lithium N = 44
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Lamotrigin N = 58
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12 Monate
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45%
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46%
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57%
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40%
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71%
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82%
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18 Monate
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41%
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46%
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51%
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40%
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71%
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82%
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Angaben basieren auf Überlebensschätzungen nach Kaplan-Meier.
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Tabelle 3. Geschätzter Anteil «interventions-/ereignisfreier» Teilnehmer: Population zur Evaluation der experimentellen Wirksamkeit TIMan
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SCAB2003
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SCAB2006
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Behandlungszeitraum
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Placebo N = 119
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Lithium N = 120
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Lamotrigin N = 165
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Placebo N = 69
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Lithium N = 44
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Lamotrigin N = 58
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12 Monate
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72%
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86%
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77%
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37%
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64%
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53%
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18 Monate
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67%
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86%
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70%
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37%
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64%
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53%
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Angaben basieren auf Überlebensschätzungen nach Kaplan-Meier.
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Bei Verabreichung von Lamotrigin war das Risiko einer Intervention wegen Depression im Studienzeitraum um 33% (SCAB2003) und 61% (SCAB2006) geringer als bei Verabreichung von Placebo (Proportional-Hazards-Modell von Cox: p < 0,05).
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