Warnhinweise und VorsichtsmassnahmenProgressive multifokale Leukenzephalopathie (PML)
Die Anwendung von Tysabri geht mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer PML einher, einer durch das John Cunningham Virus (JCV) verursachten opportunistischen Infektion, die tödlich verlaufen oder zu schwerer Behinderung führen kann. Aufgrund des erhöhten Risikos für die Entwicklung einer PML sollten Nutzen und Risiken einer Behandlung mit Tysabri in jedem Einzelfall regelmässig im Rahmen von klinischen Kontrolluntersuchungen erneut durch den Facharzt bzw. die Fachärztin mit den Patienten abgewogen werden. Patienten müssen gemeinsam mit ihren Pflegepersonen über frühe Zeichen und Symptome einer PML instruiert und diesbezüglich regelmässig beobachtet werden.
JCV kann auch eine Granularzellneuropathie (GCN) verursachen, die bei Patienten unter Behandlung mit Tysabri festgestellt worden ist. Die Symptome einer JCV-bedingten GCN gleichen denen einer PML (d.h. zerebelläres Syndrom) und die Diagnose und das Management der JCV-bedingten GCN sollten sich nach den für PML geltenden Richtlinien richten.
Die folgenden Risikofaktoren werden mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer PML in Zusammenhang gebracht:
·Vorhandensein von anti-JCV Antikörpern. Untersuchungen auf Vorhandensein von anti-JCV Antikörpern sollten nur mit dem STRATIFY JCV-Assay durchgeführt werden.
·Behandlungsdauer, insbesondere länger als zwei Jahre.
·Behandlung mit einem Immunsuppressivum vor der Therapie mit Tysabri.
Nach zwei Jahren müssen alle Patienten erneut über das mit Tysabri verbundene Risiko für eine PML aufgeklärt werden.
Ein Algorithmus zur Abschätzung des PML-Risikos fasst das PML-Risiko nach den oben aufgeführten Risikofaktoren zusammen und stratifiziert dieses Risiko nach dem ermittelten anti-JCV Antikörpertiter (Indexwert). Ärzte sind angehalten, weitere Zusatzinformationen zum Management des PML-Risikos bei mit Tysabri behandelten Patienten den «Arzt-Information und Management-Richtlinien» zu entnehmen.
Patienten mit positivem Nachweis von anti-JCV Antikörpern haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer PML verglichen mit Patienten mit negativem Nachweis von anti-JCV Antikörpern. Patienten, bei denen alle drei Risikofaktoren für eine PML vorliegen (d.h. bei denen anti-JCV Antikörper nachgewiesen wurden und die über einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren mit Tysabri behandelt worden sind und eine vorausgegangene immunsuppressive Therapie erhalten haben), tragen ein signifikant höheres Risiko für eine PML.
Bei Patienten ohne vorausgegangene immunsuppressive Therapie kann bei nachgewiesenen anti-JCV-Antikörpern der anti-JCV Antikörpertiter (Indexwert) zur weiteren Stratifizierung des PML-Risikos verwendet werden. Nach aktuellem Kenntnisstand ist bei Indexwerten von 0,9 oder darunter das PML-Risiko eher niedrig. Bei Patienten mit Indexwerten über 1,5 und mehr als 2-jähriger Behandlung mit Tysabri steigt das PML-Risiko an (siehe «Arzt-Information und Management-Richtlinien»).
Im Vergleich zum zugelassenen Dosierungsintervall wird bei anti-JCV-Antikörper-positiven Patienten ein verlängertes Tysabri-Dosierungsintervall (durchschnittlich etwa 6 Wochen) in Zusammenhang mit einem geringeren Risiko für PML gebracht (siehe «Eigenschaften/Wirkungen», Klinische Wirksamkeit, «Verlängertes Dosierungsintervall»). Bei Anwendung eines verlängerten Dosierungsintervalls ist Vorsicht geboten, da die Wirksamkeit eines verlängerten Dosierungsintervalls im Vergleich zum zugelassenen Q4W-Dosierungsschema nicht formal durch eine non-inferiority-Studie nachgewiesen wurde. Die verfügbaren Wirksamkeitsdaten zur Q6W-Dosierung sind unter «Eigenschaften/Wirkungen», klinische Wirksamkeit, «Verlängertes Dosierungsintervall» und «NOVA-Studie: Intravenöse Verabreichung alle 6 Wochen (Q6W)» aufgeführt.
Bei Patienten, deren Risiko als erhöht eingestuft wird (z.B. alle drei Risikofaktoren erfüllt oder Patienten ohne vorausgegangene immunsuppressive Therapie jedoch mit einem Indexwert von über 1,5 und mehr als 2-jähriger Behandlung) sollte die Behandlung mit Tysabri nur dann fortgesetzt werden, wenn der Nutzen die Risiken überwiegt.
Die aus klinischen Daten und Daten aus Beobachtungsstudien abgeleiteten Abschätzungen des PML-Risikos korrelierten mit den Daten nach der Markteinführung.
Patienten mit aktiver RRMS mit einem negativen anti-JCV Antikörperstatus
Patienten mit negativem anti-JCV Antikörperstatus haben ein geringeres Risiko, eine PML zu entwickeln (siehe auch «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen», Abschnitt «Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML)» weiter oben, sowie «Arzt-Information und Management-Richtlinien»).
Bei Patienten, die anti-JCV Antikörper negativ sind, kann dennoch ein PML-Risiko vorliegen, beispielsweise infolge einer neuen JCV-Infektion, wegen eines fluktuierenden Antikörperstatus oder eines falsch-negativen Testergebnisses. In einer Phase IV Studie mit Untersuchung des langfristigen Antikörperstatus über 18 Monate gab es eine jährliche Veränderung des anti-JCV Antikörperstatus von negativ zu positiv von ungefähr 11 %. Untersuchungen sollten nur mit dem STRATIFY JCV-Assay durchgeführt werden, einem zweistufigen anti-JCV Antikörper-Assay (ELISA) mit einer falsch-negativen Rate von 3 %, der für die Anwendung bei MS-Patienten validiert worden ist.
Eine Wiederholung des anti-JCV Antikörper-Tests wird bei Patienten mit negativem anti-JCV Antikörperstatus empfohlen, da sich der Antikörperstatus ändern kann. Es wird daher empfohlen, Patienten mit aktiver RRMS und einem negativen anti-JCV Antikörperstatus alle 3 Monate erneut zu testen (siehe «Anti-JCV-Antikörper-Tests» unten).
Die Dauer der Behandlung, insbesondere über 2 Jahre hinaus, ist mit einem erhöhten Risiko für PML verbunden.
Das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines frühen Behandlungsbeginns muss vor dem Start einer Therapie individuell mit dem Patienten besprochen werden, wobei auch weitere schwerwiegende unerwünschte Wirkungen wie opportunistische Infektionen, Überempfindlichkeitsreaktionen und unerwünschte hepatische Ereignisse zu berücksichtigen sind (siehe spezifische Abschnitte unter «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»).
Eine mögliche Krankheitsexazerbation nach Absetzen des Arzneimittels sollte berücksichtigt werden.
Die Patienten sollten über Therapiemöglichkeiten informiert werden, falls sich ihr Anti-JCV-Antikörperstatus während der Behandlung zu positiv ändert.
Anti-JCV-Antikörper-Tests
Es wird empfohlen, bei Patienten vor Beginn einer Therapie mit Tysabri oder bei Patienten, die bereits Tysabri erhalten, bei denen jedoch der Antikörperstatus nicht bekannt ist, eine entsprechende Untersuchung durchzuführen. Aufgrund einer neuen JCV-Infektion, einem schwankenden Antikörperstatus oder einem falsch-negativen Testergebnis können jedoch auch anti-JCV Antikörper-negative Patienten ein Risiko für eine PML tragen. In einer Phase IV-Studie, in welcher der Antikörperstatus longitudinal während 18 Monaten untersucht wurde, wechselte pro Jahr bei etwa 11 % der Patienten der Serostatus von anti-JCV Antikörper-negativ zu anti-JCV Antikörper-positiv. Die Untersuchung sollte ausschliesslich mit einem anti-JCV Antikörper-Assay, der bei Patienten mit MS analytisch validiert wurde, wie dem STRATIFY JCV® oder dem STRATIFY JCV® DxSelectTM Assay, durchgeführt werden. Bei hochaktiver RRMS wird eine Wiederholung des Anti-JCV-Antikörper-Tests mindestens alle 6 Monate empfohlen bei 1) Patienten mit negativem Nachweis von anti-JCV Antikörpern sowie bei 2) Patienten mit anti-JCV-Antikörper-positivem Status und niedrigerem Indexwert ohne vorausgegangene Therapie mit Immunsuppressiva (sobald die zweijährige Behandlungsdauer erreicht ist), da sich der Antiköperstatus oder der Indexwert ändern können. Bei Patienten mit aktiver RRMS und negativem anti-JCV Antikörperstatus wird eine Testwiederholung alle 3 Monate empfohlen (siehe «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen» / Patienten mit aktiver RRMS mit einem negativen anti-JCV Antikörperstatus).
Der anti-JCV Antikörper-Assay (ELISA) ist jedoch nicht für die Diagnose einer PML geeignet.
Zusatzinformationen zu den Anti-JCV-Antikörper-Tests ist den «Arzt-Information und Management-Richtlinien» zu entnehmen.
MRI-Untersuchung auf PML
Vor Beginn der Behandlung mit Tysabri sollte eine aktuelle MRI-Aufnahme als Referenzaufnahme vorliegen (gewöhnlich nicht älter als 3 Monate) und auf Routinebasis mindestens einmal jährlich wiederholt werden, um diese Referenz zu aktualisieren. Die Patienten müssen durchgehend in regelmässigen Abständen kontrolliert werden.
Bei Patienten mit höherem PML-Risiko sollten häufigere MRI-Kontrollen (z.B. alle 3 bis 6 Monate) in Betracht gezogen werden. Zu diesen zählen die folgenden Patientengruppen:
·Patienten, bei denen alle drei Risikofaktoren für PML vorliegen (d.h. solche, die anti-JCV Antikörper-positiv sind und eine mehr als 2-jährige Therapie mit Tysabri und eine vorausgegangene immunsuppressive Therapie erhalten haben),
oder
·Patienten mit einem anti-JCV Antikörper-Indexwert von über 1,5 ohne vorausgegangene immunsuppressive Therapie und mehr als 2-jähriger Behandlung mit Tysabri.
Für den Fall, dass eine PML oder JCV-GCN vermutet wird, muss die Gabe von Tysabri solange ausgesetzt werden, bis eine PML oder JCV-GCN ausgeschlossen werden kann.
Der Facharzt bzw. die Fachärztin sollte den Patienten untersuchen, um entscheiden zu können, ob die Symptome auf eine neurologische Dysfunktion hindeuten, und falls ja, ob diese Symptome typisch für die MS sind oder möglicherweise auf eine PML oder JCV-GCN hindeuten. Wenn irgendwelche Zweifel bestehen, sind weitergehende Untersuchungen einschliesslich einer MRI-Untersuchung, vorzugsweise mit Kontrastmittel (zum Abgleich mit dem MRI-Befund, der vor Behandlungsbeginn erhoben wurde), Liquortests auf DNA des JC-Virus und wiederholte neurologische Kontrolluntersuchungen in Erwägung zu ziehen (siehe unter «Fachliche Unterstützung - Arzt-Information und Management-Richtlinien»). Sobald der Facharzt bzw. die Fachärztin eine PML und/oder JCV-GCN ausgeschlossen hat (gegebenenfalls durch Wiederholung der klinischen und bildgebenden Untersuchungen und/oder der Laboruntersuchungen, falls der klinische Verdacht bestehen bleibt), kann die Gabe von Tysabri wieder aufgenommen werden.
Der Arzt sollte insbesondere auf Symptome achten, die auf eine PML oder JCV-GCN hindeuten, die der Patient möglicherweise nicht bemerkt (z.B. kognitive, psychiatrische Symptome oder Zeichen eines zerebellären Syndroms). Ausserdem sollte den Patienten empfohlen werden, ihren Partner oder Pfleger über ihre Behandlung zu informieren, da diese Symptome feststellen könnten, die der Patient nicht bemerkt.
Es wurde auch über Fälle von asymptomatischer PML berichtet. Asymptomatische PML kann mit einem MRI erkannt werden und muss durch Vorhandensein von JCV DNA im Liquor oder mit einer Gehirnbiopsie bestätigt werden.
Darüber hinaus sollten medizinische Fachpersonen auf alle neuen Anzeichen (z.B. im MRI) oder Symptome achten, die auf eine PML schliessen lassen könnten. In solchen Fällen sollte Tysabri unverzüglich abgesetzt werden. Wenn die ersten Untersuchungen ein negatives Ergebnis liefern, der klinische Verdacht auf PML aber weiter besteht, sollte die Anwendung von Tysabri nicht fortgesetzt werden, und die Untersuchungen sollten wiederholt werden.
PML ist auch nach Absetzen von Tysabri bei Patienten aufgetreten, die zum Zeitpunkt der Beendigung der Behandlung keine Anzeichen einer möglichen PML aufwiesen. Patienten und Ärzte müssen daher auch nach Beendigung der Behandlung mit Tysabri etwa 6 Monate lang auf alle neuen Anzeichen oder Symptome einer möglichen PML achten und die MRI-Kontrollen über diesen Zeitraum fortführen.
Entwickelt ein Patient eine PML oder JCV-GCN, muss die Gabe von Tysabri dauerhaft abgesetzt werden.
Nach Wiederherstellung der Immunabwehr bei immungeschwächten Patienten mit PML wurde ein besserer Behandlungserfolg beobachtet.
PML und IRIS (Immune Reconstitution Inflammatory Syndrome)
Ein IRIS tritt bei fast allen Patienten, die unter Tysabri eine PML entwickelt haben, nach Absetzen oder Entfernung von Tysabri, z.B. durch Plasmaaustausch (PLEX) (siehe unter «Pharmakokinetik»), auf. Es wird angenommen, dass das IRIS eine Folge der Wiederherstellung der Immunfunktion bei Patienten mit PML ist. Das IRIS kann zu einer schnell verlaufenden Verschlechterung des neurologischen Status, zu schwerwiegenden neurologischen Komplikationen führen und tödlich verlaufen. Es sollten sowohl eine Überwachung hinsichtlich der Entwicklung eines IRIS, das bei mit Tysabri behandelten Patienten mit PML innerhalb von Tagen bis einigen Wochen nach einem Plasmaaustausch aufgetreten ist, als auch eine angemessene Behandlung der damit verbundenen Entzündung während der Erholung von einer PML erfolgen.
Eine retrospektive Analyse von Natalizumab nach der Zulassung konnte keinen Unterschied innert 2 Jahren hinsichtlich der Überlebensrate nach PML Diagnose zwischen Patienten mit oder ohne PLEX Behandlung feststellen. Die Verwendung von PLEX zur PML Behandlung soll vom Arzt medizinisch beurteilt werden. Die Anwendung von Plasmapherese/Plasmaaustausch (PLEX) oder von intravenösem Immunglobulin (IVIg) kann eine aussagekräftige Interpretation von Untersuchungen auf anti-JCV Antikörper im Serum beeinträchtigen. Die Untersuchung auf anti-JCV Antikörper sollte während und mindestens 2 Wochen nach einem Plasmaaustausch aufgrund der Entfernung von Antikörpern aus dem Serum nicht durchgeführt werden oder innerhalb von 6 Monaten nach der IVIg-Gabe (d.h. 6 Monate= 5 Halbwertszeiten des Immunglobulins) nicht durchgeführt werden.
Infektionen, einschliesslich sonstiger opportunistischer Infektionen
Unter der Anwendung von Tysabri wurde über sonstige opportunistische Infektionen berichtet, vorwiegend bei Patienten mit Morbus Crohn (nicht zugelassene Indikation), bei Patienten, die immungeschwächt waren oder bei denen eine relevante Komorbidität vorlag. Jedoch kann ein erhöhtes Risiko für sonstige opportunistische Infektionen unter der Anwendung von Tysabri bei Patienten ohne diese Komorbiditäten derzeit nicht ausgeschlossen werden. Opportunistische Infektionen wurden auch bei MS-Patienten festgestellt, die mit Tysabri als Monotherapie behandelt wurden (siehe unter «Unerwünschte Wirkungen»).
Tysabri erhöht das Risiko eine durch Herpes-simplex- oder Varizella-Zoster Viren hervorgerufene Enzephalitis und Meningitis zu entwickeln. In der Post-Marketing Erfahrung wurden bei MS-Patienten unter der Anwendung von Tysabri schwerwiegende, lebensbedrohliche und zum Teil tödlich verlaufende Fälle von Enzephalitis und Meningitis, hervorgerufen durch Herpes-simplex- oder Varizella-Zoster-Viren, berichtet. Die Dauer der Behandlung mit Tysabri vor dem Auftreten der Enzephalitis bzw. Meningitis betrug zwischen wenigen Monaten und mehreren Jahren. Bei Auftreten einer Herpes-Enzephalitis bzw. Herpes-Meningitis ist die Gabe von Tysabri zu beenden und eine angemessene Behandlung der Herpes-Enzephalitis bzw. Herpes-Meningitis vorzunehmen (siehe «Unerwünschte Wirkungen nach Markteinführung/Infektionen»).
Akute Retinanekrose (ARN) ist eine fulminante virale Infektion der Retina, welche durch Herpes-Viren (z.B. Varicella zoster) verursacht wird. ARN wurde bei Patienten unter Behandlung mit Tysabri beobachtet und kann potenziell zu Erblindung führen. Patienten mit Symptomen wie reduzierter Sehschärfe, gerötete und schmerzende Augen sollten zur Untersuchung der Retina auf ARN überwiesen werden. Bei einer klinischen Diagnose von ARN sollte eine Unterbrechung der Tysabri-Therapie in Erwägung gezogen werden (siehe «Unerwünschte Wirkungen nach Markteinführung/Infektionen»).
Der verschreibende Arzt sollte sich über die Möglichkeit von sonstigen opportunistischen Infektionen während der Tysabri-Therapie bewusst sein und diese in die Differentialdiagnose von Infektionen, die bei einem mit Tysabri behandelten Patienten auftreten, mit einbeziehen. Wenn eine opportunistische Infektion vermutet wird, muss die Gabe von Tysabri so lange ausgesetzt werden, bis diese durch weitere Untersuchungen ausgeschlossen werden kann.
Ausser über das Risiko der Reaktivierung von JC-Polyoma-Virus liegen keine Daten über die Reaktivierung anderer latenter Virusinfektionen (Hepatitis B oder C) vor.
Wenn ein mit Tysabri behandelter Patient eine opportunistische Infektion entwickelt, muss die Gabe von Tysabri dauerhaft abgesetzt werden.
Fachliche Unterstützung
Alle Ärzte, die Tysabri verordnen, müssen mit den «Arzt-Information und Management-Richtlinien» vertraut sein.
Ärzte müssen Nutzen und Risiken der Tysabri-Therapie mit dem Patienten besprechen und ihm die Patienteninformationsmaterialien, einschliesslich des Patientenpasses, aushändigen. Die Patienten sollten angewiesen werden, ihren Arzt darüber zu informieren, dass sie mit Tysabri behandelt werden, sollte es bei ihnen zu einer Infektion kommen.
Ärzte sollten die Patienten über die Wichtigkeit einer kontinuierlichen Verabreichung von Tysabri insbesondere in den Anfangsmonaten der Behandlung beraten (siehe auch unter «Überempfindlichkeit»).
Überempfindlichkeit
Es sind Überempfindlichkeitsreaktionen mit diesem Arzneimittel in Zusammenhang gebracht worden, darunter auch schwerwiegende systemische Reaktionen (siehe unter «Unerwünschte Wirkungen»).
Überempfindlichkeitsreaktionen traten gewöhnlich während der Infusion oder bis zu 1 Stunde nach Infusionsende auf. Allerdings können diese auch noch in einem Zeitraum von mehr als vier Stunden nach der Infusion auftreten. Das Risiko einer Überempfindlichkeit war bei den ersten Infusionen am grössten. Patienten, die nach einer kurzzeitigen Exposition (eine oder zwei Infusionen) und einer längeren Zeitdauer ohne Behandlung (drei Monate oder länger) wieder mit Tysabri in Kontakt gebracht wurden, zeigten ebenfalls ein erhöhtes Risiko einer Überempfindlichkeitsreaktion. Dennoch sollte bei jeder verabreichten Infusion das Risiko einer Überempfindlichkeitsreaktion in Betracht gezogen werden (siehe unter «Dosierung/Anwendung»).
Die Patienten sind während der intravenösen Infusion sowie danach 1 Stunde lang auf Anzeichen und Symptome von Infusionsreaktionen, einschliesslich Überempfindlichkeitsreaktionen, zu überwachen (siehe unter «Unerwünschte Wirkungen»). Es sollten Ressourcen zur Behandlung von Überempfindlichkeitsreaktionen bereitstehen.
Patienten mit Symptomen von Überempfindlichkeitsreaktionen wie z.B. Urtikaria sollten diese umgehend ihrem Arzt melden.
Vor jeder Infusion muss bestimmt werden, ob die letzte Infusion zu unerwünschten Symptomen geführt hat, die möglicherweise auf eine allergische/Überempfindlichkeitsreaktion hinweisen, wie zum Beispiel Brustschmerzen oder –beschwerden, Atemnot, signifikante Veränderungen des Blutdrucks, Angioödem, Hautreaktionen und/oder Pruritus.
Bei den ersten Anzeichen oder Symptomen einer Überempfindlichkeit muss die Gabe von Tysabri beendet und eine entsprechende Therapie eingeleitet werden.
Patienten mit einer Überempfindlichkeitsreaktion müssen dauerhaft von einer Behandlung mit Tysabri ausgeschlossen werden.
Begleitende Behandlung mit Immunsuppressiva
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Tysabri in Kombination mit anderen Immunsuppressiva und antineoplastischen Therapien sind nicht ausreichend belegt. Die begleitende Anwendung dieser Substanzen neben Tysabri kann das Risiko für Infektionen, auch für opportunistische Infektionen, erhöhen und stellt daher eine Kontraindikation dar (siehe unter «Kontraindikationen»).
In klinischen MS-Studien der Phase III war die begleitende kurzdauernde Behandlung von Schüben mit Kortikosteroiden nicht mit einer erhöhten Infektionsrate verbunden. Kurzzeitige Kortikoidsteroidgaben können zusammen mit Tysabri verabreicht werden.
Vorbehandlung mit immunsupprimierenden oder immunmodulatorischen Therapien
Patienten, die bereits mit Immunsuppressiva behandelt wurden, haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer PML.
Es wurden keine Studien durchgeführt, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von Tysabri bei der Umstellung von Patienten von krankheitsmodifizierenden Therapien mit immunsuppressiver Wirkung auf Tysabri untersucht wurden. Es ist nicht bekannt, ob bei Patienten, die von diesen Therapien auf Tysabri umgestellt werden, ein erhöhtes PML-Risiko besteht. Diese Patienten sollten deshalb engmaschiger überwacht werden (d.h. ähnlich häufig wie Patienten, die von Immunsuppressiva auf Tysabri umgestellt werden; siehe «MRI-Untersuchung auf PML»).
Bei diesen Patienten muss dafür gesorgt werden, dass dem Immunsystem ausreichend Zeit gegeben wird, um sich wieder zu erholen. Der behandelnde Arzt muss jeweils im Einzelfall beurteilen, ob Hinweise auf einen immungeschwächten Status vorliegen, bevor er mit der Gabe von Tysabri beginnt (siehe unter «Kontraindikationen»).
Bei der Umstellung von Patienten von einer anderen krankheitsmodifizierenden Therapie auf Tysabri müssen die Halbwertszeit und das Wirkprinzip der bisherigen Therapie berücksichtigt werden, um einerseits eine additive Immunwirkung zu vermeiden und andererseits das Risiko einer Krankheitsreaktivierung zu minimieren. Vor Behandlungsbeginn mit Tysabri wird ein grosses Blutbild (Complete Blood Count, CBC, einschliesslich Lymphozyten) empfohlen, um sicherzustellen, dass sich Immunwirkungen der Vortherapie (d.h. Zytopenie) zurückgebildet haben.
Patienten können direkt von Interferon beta oder Glatirameracetat auf Tysabri umgestellt werden, sofern keine Anzeichen für relevante behandlungsbedingte Auffälligkeiten, wie z.B. eine Neutropenie oder Lymphopenie, vorliegen.
Bei der Umstellung von Dimethylfumarat sollte die Auswaschphase so gestaltet sein, dass sich die Lymphozytenwerte vor Behandlungsbeginn mit Tysabri erholen können.
Nach Absetzen von Fingolimod normalisieren sich die Lymphozytenwerte innerhalb von 1 bis 2 Monaten nach Beendigung der Therapie allmählich wieder. Die Auswaschphase sollte so gestaltet sein, dass sich die Lymphozytenwerte vor Behandlungsbeginn mit Tysabri erholen können.
Teriflunomid wird langsam aus dem Plasma eliminiert. Ohne ein Verfahren zur beschleunigten Elimination kann die Plasmaclearance von Teriflunomid mehrere Monate bis zu 2 Jahre dauern. Ein beschleunigtes Eliminationsverfahren, wie in der Fachinformation von Teriflunomid beschrieben, wird empfohlen, andernfalls sollte die Auswaschphase mindestens 3,5 Monate betragen. Bei der Umstellung von Patienten von Teriflunomid auf Tysabri ist im Hinblick auf mögliche gleichzeitige Immunwirkungen Vorsicht geboten.
Alemtuzumab besitzt ausgeprägte und lang anhaltende immunsupprimierende Wirkungen. Da die tatsächliche Dauer dieser Wirkungen nicht bekannt ist, wird die Einleitung einer Behandlung mit Tysabri nach Vorbehandlung mit Alemtuzumab nicht empfohlen, es sei denn, der Nutzen überwiegt im Einzelfall eindeutig die Risiken.
Impfungen und in vivo-Hauttests
In einer randomisierten open-label Immunisierungsstudie bei Patienten mit schubförmiger MS zeigte sich beim Vergleich von Patienten einer unbehandelten Kontrollgruppe (n= 23) mit Patienten, die während 6 Monaten mit Tysabri behandelt wurden (n= 19), kein signifikanter Unterschied in der Verdoppelung der Antikörperspiegel gegen ein Neoantigen (Keyhole-Limpet-Hämocyanin, KLH) oder ein Recall-Antigen (Tetanustoxoid). Die Mittelwerte der jeweiligen Antikörperspiegel waren unter Tysabri jedoch deutlich niedriger als unter der Kontrollgruppe. Ein Patient unter Tysabri war non-Responder gegen Tetanustoxoid, zwei Patienten unter Tysabri waren non-Responder gegen KLH. Lebendvakzine wurden nicht untersucht.
Über die Aussagekraft diagnostischer Hauttests (z.B. mit Tuberkulin) während und nach der Behandlung mit Tysabri ist nichts bekannt.
Immunogenität
Eine Verschlechterung der Erkrankung oder infusionsbedingte Ereignisse können auf die Bildung von Antikörpern gegen Natalizumab hindeuten. In diesen Fällen und bei Patienten mit einer kurzzeitigen Exposition gegenüber Tysabri und einer folgenden längeren Zeitdauer ohne Behandlung sollte das Vorhandensein von Antikörpern untersucht werden. Patienten mit anfänglich wenigen Behandlungen, insbesondere bei 1 bis 2 Infusionen mit Tysabri, und einem anschliessenden längeren behandlungsfreien Zeitraum, haben bei neuerlicher Aufnahme der Behandlung ein höheres Risiko für die Entwicklung von Antikörpern und/oder Überempfindlichkeitsreaktionen. Die Behandlung sollte abgesetzt und nicht wieder aufgenommen werden, falls Antikörper in einem Bestätigungstest nach mindestens 6 Wochen positiv bleiben, da persistierende Antikörper mit einer verminderten Wirksamkeit von Tysabri und einer erhöhten Häufigkeit von Überempfindlichkeitsreaktionen einhergehen (siehe unter «Unerwünschte Wirkungen»).
Unerwünschte hepatische Ereignisse
Nach der Markteinführung wurde selten von spontanen schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen einer Leberschädigung berichtet.
Die Leberschäden können zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Behandlung auftreten, selbst nach der ersten Dosis. In einigen Fällen trat die Reaktion nach Wiederaufnahme der Behandlung mit Tysabri erneut auf. Bei einigen Patienten mit pathologischem Lebertest in der Anamnese kam es unter Behandlung mit Tysabri zur Verschlechterung des pathologischen Lebertests.
Patienten sollten hinsichtlich einer eingeschränkten Leberfunktion überwacht und instruiert werden, ihren Arzt zu kontaktieren, falls Anzeichen oder Symptome auftreten, die auf eine Leberschädigung hindeuten, z.B. Gelbsucht oder Erbrechen.
Beim Vorliegen einer signifikanten Leberschädigung sollte Tysabri abgesetzt werden.
Beendigung der Tysabri-Therapie
Wenn entschieden wird, die Behandlung mit Tysabri zu beenden, muss sich der behandelnde Arzt darüber im Klaren sein, dass Tysabri entsprechend seiner Halbwertszeit von 16±4 Tagen (siehe «Pharmakokinetik») noch im Blut vorhanden ist und bis zu etwa 12 Wochen nach der letztmaligen Gabe noch pharmakodynamische Wirkungen (z.B. eine erhöhte Lymphozytenzahl) zeigt. Die Einleitung anderer Therapien in dieser Zeit wird zwangsläufig mit einer begleitenden Exposition von Tysabri verbunden sein. Bei Wirkstoffen wie Interferon und Glatirameracetat war eine begleitende Exposition über diesen Zeitraum in klinischen Studien nicht mit Sicherheitsrisiken assoziiert. Es liegen keine Informationen für MS-Patienten im Hinblick auf die begleitende Exposition gegenüber Immunsuppressiva vor. Der Einsatz dieser Arzneimittel kurz nach dem Absetzen von Tysabri kann aber einen additiven immunsupprimierenden Effekt zur Folge haben. Dies sollte in jedem Einzelfall individuell abgewogen werden, gegebenenfalls könnte eine Washout-Phase von Tysabri angebracht sein. Kurzzeitige Steroidgaben zur Behandlung von Schüben waren in klinischen Prüfungen nicht mit häufigeren Infektionen assoziiert.
Natriumgehalt
Nach der Verdünnung mit 100 ml Natriumchloridlösung 9 mg/ml (0,9 %) enthält das Arzneimittel 17,7 mmol (oder 406 mg) Natrium pro Dosis und gilt als natriumreich. Dies sollte insbesondere bei Patienten mit natriumarmer Diät berücksichtigt werden.
Kinder und Jugendliche
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Tysabri ist bei Kindern und Jugendlichen im Alter von bis zu 18 Jahren nicht erwiesen. Der Nutzen der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Tysabri sollte gegenüber dem Risiko für die Entwicklung einer PML und sonstigen opportunistischen Infektionen abgewogen werden (siehe «Unerwünschte Wirkungen» und «Eigenschaften Wirkungen»).
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