Eigenschaften/WirkungenATC-Code: L01XE09
Pharmakodynamik
Temsirolimus ist ein selektiver Inhibitor von mTOR (mammalian Target Of Rapamycin). Temsirolimus bindet an ein intrazelluläres Protein (FKBP-12) und dieser Protein-Temsirolimus-Komplex bindet sich an mTOR, welches die Zellteilung steuert, und hemmt dessen Aktivität. Die Hemmung der mTOR-Aktivität führt zu einer Wachstumshemmung in der G1-Phase bei behandelten Tumorzellen, die durch die selektive Unterbrechung der Translation von Proteinen, die den Zellzyklus regulieren (wie zum Beispiel Cycline vom D-Typ, cmyc und Ornithin-Decarboxylase), bedingt wird. Wenn die mTOR Aktivität gehemmt wird, ist seine Fähigkeit zur Phosphorylierung und damit zur Kontrolle der Aktivität der Translationsfaktoren von Proteinen, die die Zellteilung kontrollieren (4E-BP1 und S6K; beide «downstream» von mTOR im PI 3-Kinase/AKT-Pfad), blockiert.
Zusätzlich zur Regulation der Zellzyklusproteine kann mTOR die Translation von Faktoren, die durch Hypoxie induziert werden, HIF-1 und HIF-2 Alpha, regulieren. Diese Transkriptionsfaktoren regulieren die Fähigkeit des Tumors, sich an hypoxische Mikroumgebungen anzupassen und den angiogenen Faktor VEGF (vascular endothelial growth factor=vaskulo-endothelialer Wachstumsfaktor) zu produzieren. Der Antitumoreffekt von Temsirolimus kann daher auch zum Teil von seiner Fähigkeit herrühren, die Spiegel von HIF und VEGF im Tumor oder der Tumormikroumgebung zu erniedrigen, wodurch die Entwicklung von Blutgefässen beeinträchtigt wird.
Klinische Wirksamkeit
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Torisel zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (renal cell carcinoma, RCC) wurden in den folgenden beiden randomisierten klinischen Studien untersucht:
Studie 1
Studie 1 war eine Phase 3, multizentrische, dreiarmige, randomisierte «open-label» Studie mit zuvor unbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom und drei oder mehr von sechs vorab definierten prognostischen Risikofaktoren (weniger als ein Jahr von der ersten RCC-Diagnose bis zum Behandlungsbeginn; Karnofsky-Performance-Status von 60 oder 70; Hämoglobin weniger als die untere Grenze des Normwertes; korrigierter Kalziumwert von mehr als 10 mg/dl; Laktatdehydrogenase mehr als das 1.5-Fache der oberen Grenze des Normwertes; mehr als ein von Metastasen befallenes Organ). Der primäre Studienendpunkt war das Gesamtüberleben (overall survival, OS). Die sekundären Endpunkte schlossen progressionsfreies Überleben (progression-free survival, PFS), objektive Ansprechrate (objective response rate, ORR), Rate des klinischen Nutzens (benefit), Zeit bis zum Behandlungsversagen (time to treatment failure, TTF) und Messung des qualitätsadjustierten Überlebens (quality adjusted survival measurement) mit ein. Die Patienten wurden innerhalb von 3 geographischen Regionen nach dem vorherigen Nephrektomiestatus stratifiziert und dann zufällig (1:1:1) zugeordnet: IFNα allein (n=207), Temsirolimus allein (25 mg wöchentlich; n=209) oder die Kombination von IFNα und Temsirolimus (n=210).
In Studie 1 war Temsirolimus 25 mg bei der zweiten, vordefinierten Zwischenauswertung (n=446 Ereignisse, p=0.0078) mit einem signifikanten Vorteil gegenüber IFNα hinsichtlich des primären Endpunktes OS verbunden. Der Temsirolimus-Arm zeigte einen 49%igen Anstieg im medianen OS verglichen mit dem IFNα-Arm. Temsirolimus war auch mit einem signifikanten Vorteil gegenüber IFNα hinsichtlich der sekundären Endpunkte PFS, TTF und Rate des klinischen Nutzens verbunden.
Die Kombination von Temsirolimus 15 mg und IFNα führte nicht zu einem signifikanten Anstieg im Gesamtüberleben, wenn man sie mit dem IFNα-Monoarm vergleicht. Dies gilt sowohl für die Zwischenauswertung (Median 8.4 vs. 7.3 Monate, Risikoverhältnis [«hazard ratio»]=0.96, p=0.6965) wie auch für die Endauswertung (Median 8.4 vs. 7.3 Monate, Risikoverhältnis=0.93, p=0.4902). Die Behandlung mit der Kombination von Temsirolimus und IFNα führte zu einem statistisch signifikanten Ansteigen der Inzidenz bestimmter Nebenwirkungen des Grades 3-4 (Gewichtsverlust, Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie und Schleimhautentzündung), wenn man diese mit den Nebenwirkungen, die man im IFNα- oder Temsirolimus-Monoarm beobachtete, vergleicht.
Zusammenfassung der Wirksamkeitsergebnisse der Studie 1
|
Parameter
|
Temsirolimus n=209
|
IFNα n=207
|
P-Werta
|
Risikoverhältnis («hazard ratio»), (95% CI)b
|
Vordefinierte Zwischenauswertung
|
Medianes Gesamtüberleben, Monate (95% CI)
|
10.9 (8.6, 12.7)
|
7.3 (6.1, 8.8)
|
0.0078
|
0.73 (0.58, 0.92)
|
Endauswertung
|
Medianes Gesamtüberleben, Monate (95% CI)
|
10.9 (8.6, 12.7)
|
7.3 (6.1, 8.8)
|
0.0252
|
0.78 (0.63, 0.97)
|
Medianes progressionsfreies Überleben, unabhängige Bewertung, Monate (95% CI)
|
5.6 (3.9, 7.2)
|
3.2 (2.2, 4.0)
|
0.0042
|
0.74 (0.60, 0.91)
|
Medianes progressionsfreies Überleben, vom Untersucher bewertet, Monate (95% CI)
|
3.8 (3.6, 5.2)
|
1.9 (1.9, 2.2)
|
0.0028
|
0.74 (0.60, 0.90)
|
Gesamtansprechrate, unabhängige Bewertung, % (95% CI)
|
9.1 (5.2, 13.0)
|
5.3 (2.3, 8.4)
|
0.1361c
|
n.a.
|
CI=Konfidenzintervall, n.a.=nicht anwendbar. a: basierend auf log-rank Test, stratifiziert nach vorhergehender Nephrektomie und Region. b: basierend auf dem «Cox proportional hazard model», stratifiziert nach vorhergehender Nephrektomie und Region. c: basierend auf dem «Cochran-Mantel-Haenszel Test», stratifiziert nach vorhergehender Nephrektomie und Region.
|
In der klinischen Studie 1 waren 31% der mit Temsirolimus behandelten Patienten 65 Jahre oder älter. Bei Patienten, die jünger waren als 65, betrug das mediane Gesamtüberleben 12 Monate (95% CI 9.9–14.2) mit einem Risiko-Verhältnis von 0.67 (95% CI 0.52–0.87) im Vergleich zu Patienten, die mit IFNα behandelt wurden. Bei Patienten, die 65 Jahre oder älter waren, betrug das mediane Gesamtüberleben 8.6 Monate (95% CI 6.4–11.5) mit einem Risiko-Verhältnis von 1.15 (95% CI 0.78–1.68) im Vergleich zu Patienten, die mit IFNα behandelt wurden.
Studie 2
Studie 2 war eine randomisierte, doppel-blinde, multizentrische Studie mit ambulanten Patienten, um die Wirksamkeit, Sicherheit und Pharmakokinetik von 3 Dosisstufen von Temsirolimus bei vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzell-Karzinom zu untersuchen. Der primäre Endpunkt zur Wirksamkeit war die objektive Ansprechrate (objective response rate, ORR). OS wurde ebenfalls untersucht. 111 Patienten wurden 1:1:1 randomisiert, um wöchentlich 25 mg, 75 mg oder 250 mg Temsirolimus intravenös zu erhalten. Im 25 mg-Arm (n=36) hatten alle Patienten Metastasen; 4 (11%) hatten keine vorherige Chemo- oder Immuntherapie, 17 (47%) hatten eine Vorbehandlung und 15 (42%) hatten 2 oder mehr Vorbehandlungen für Nierenzell-Karzinom. 27 (75%) hatten sich einer Nephrektomie unterzogen. 24 (67%) hatten einen «Eastern Cooperative Oncology Group» (ECOG) «Performance Status» (PS)=1 und 12 (33%) einen ECOG-PS=0.
Bei Patienten, die wöchentlich mit 25 mg Temsirolimus behandelt wurden, war OS 13.8 Monate (95% CI: 9.0-18.7 Monate), ORR betrug 5.6% (95% CI: 0.7-18.7%).
Kinder und Jugendliche
Temsirolimus wurde bei 71 Patienten (59 Patienten im Alter von 1-17 Jahren, und 12 Patienten im Alter von 18-21 Jahren) mit rezidivierenden oder refraktären soliden Tumoren in einer Phase-I/II-Studie zur Sicherheit und (explorativen) Wirksamkeit untersucht.
In Phase 1 erhielten 19 Patienten mit fortgeschrittenen rezidivierenden/refraktären soliden Tumoren Temsirolimus in Dosen zwischen 10 mg/m² bis 150 mg/m² als 60-minütige intravenöse Infusion einmal pro Woche in 3-Wochen-Zyklen. In Phase 2 erhielten 52 Patienten mit rezidivierenden Neuroblastomen, Rhabdomyosarkomen oder hochgradigen Gliomen Temsirolimus in einer wöchentlichen Dosis von 75 mg/m² (nicht zugelassene Dosis).
Einer der 19 Patienten mit Neuroblastom erreichte ein partielles Ansprechen. Bei pädiatrischen Patienten mit rezidivierenden Rhabdomyosarkomen oder hochgradigen Gliomen wurde kein objektives Ansprechen beobachtet. Es gibt daher keinen Anhalt für eine Wirksamkeit bei Kindern und Jugendlichen in den untersuchten Tumorentitäten.
|