Eigenschaften/WirkungenATC-Code: J01GB01
Wirkungsmechanismus
Tobramycin ist ein Aminoglykosid-Antibiotikum, das von Streptomyces tenebrarius produziert wird. Es wirk primär durch eine Unterbrechung der Proteinsynthese, und führt damit zu einer veränderten Permeabilität der Zellmembran, progressiver Zerstörung der Zellhülle und schliesslich zum Zelltod. Es wirkt bakterizid in gleichen oder leicht höheren Konzentrationen als die Hemmkonzentration.
Grenzwerte
Die bekannten Empfindlichkeitsgrenzwerte für die parenterale Verabreichung von Tobramycin gelten nicht für die Verabreichung des Arzneimittels als Aerosol. Sputum bei Mukoviszidose hat eine Hemmwirkung auf die lokale biologische Aktivität von vernebelten Aminoglykosiden. Daher liegen die Sputumkonzentrationen von vernebeltem Tobramycin etwa zehn bis fünfundzwanzig Mal über der minimalen Hemmkonzentration (MHK) für die Unterdrückung des Wachstums von P. aeruginosa und die antibakterielle Wirkung. In kontrollierten klinischen Studien erreichten 90% der Patienten Tobramycin-Sputumkonzentrationen, die zehn Mal höher waren als die höchste P.-aeruginosa-MHK aus Patientenkulturen, und 84% der Patienten unter Tobramycin erreichten das 25-fache der höchsten MHK. Ein klinischer Nutzen wird selbst noch bei einer Mehrheit der Patienten erreicht, in deren Kulturen Stämme mit MHK-Werten über dem parenteralen Grenzwert gefunden werden.
Empfindlichkeit
Da herkömmliche Empfindlichkeitsgrenzwerte für die inhalative Applikation fehlen, sollte bei der Beurteilung, ob Keime empfindlich oder nicht empfindlich gegenüber vernebeltem Tobramycin sind, mit Vorsicht vorgegangen werden.
In klinischen Studien mit inhalativem Tobramycin zeigten die meisten Patienten (88%), die zu Beginn der Studie mit P.-aeruginosa-Isolaten eine Tobramycin-MHK von <128 µg/ml aufwiesen, nach der Therapie mit Tobramycin eine verbesserte Lungenfunktion. Bei Patienten mit einem MHK-Ausgangswert ≥128 µg/ml im P.aeruginosa-Isolat war die Wahrscheinlichkeit eines klinischen Ansprechens geringer. Aufgrund der in-vitro Daten und/oder der Erfahrung aus klinischen Studien ist zu erwarten, dass die Keime, die bei Mukoviszidose Lungeninfektionen auslösen, auf eine Tobramycin-Therapie wie folgt ansprechen:
Empfindlich:
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Pseudomonas aeruginosa
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Haemophilus influenza
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Staphylococcus aureus
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Unempfindlich:
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Burkholderia cepacia
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Stenotrophomonas maltophilia
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Alcaligenes xylosoxidans
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Die Behandlung mit Tobramycin in klinischen Studien ergab eine geringe, aber doch eindeutige Erhöhung der MHK von Tobramycin, Amikacin und Gentamycin für die untersuchten P. aeruginosa-Isolate. Jede weitere 6-Monats-Behandlung führte zur weiteren schrittweisen Zunahme, die in ihrer Grössenordnung vergleichbar war mit der, die in den 6 Monaten der kontrollierten Studien beobachtet wurde. Der Aminoglycosid-Resistenzmechanismus, der am häufigsten bei P. aeruginosa-Isolate von chronisch infizierten Mukoviszidose-Patienten auftritt, ist Impermeabilität, definiert als generelles Fehlen der Empfindlichkeit gegenüber allen Aminoglykosiden. Von Mukoviszidose-Patienten isolierte P.aeruginosa-Isolate zeigten ausserdem eine adaptive Aminoglykosid-Resistenz, gekennzeichnet durch eine Reversion der Empfindlichkeit nach Absetzen des Antibiotikums.
Andere Informationen
In kontrollierten klinischen Studien führte die Behandlung mit Bramitob in den oben beschriebenen alternierenden Zyklen zu einer Verbesserung der Lungenfunktion; diese bleibt während der Therapie und der 28-tägigen Therapiepause erhalten. In klinischen Untersuchungen mit Tobramycin wurden keine Daten bei Patienten unter 6 Jahren erhoben.
Es gibt keinen Beweis dafür, dass Patienten, die bis zu 18 Monate lang mit Bramitob behandelt wurden, einem grösseren Risiko einer Infektion mit B. cepacia, S. maltophilia oder A. xylosoxidans ausgesetzt waren als Patienten, die nicht mit Bramitob behandelt werden. Aspergillus-Spezies wurden häufiger im Sputum von Patienten wiedergefunden, die Tobramycin erhielten; klinische Folgeerkrankungen, wie beispielsweise eine allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA), wurden seltener und in der gleichen Häufigkeit wie in der Kontrollgruppe gemeldet.
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von Bramitob wurde in zwei randomisierten, doppelbinden, plazebokontrollierten Studien untersucht. Eingeschlossen wurden männliche und weibliche Patienten mit Mukoviszidose und chronischer P. aeruginosa-Infektion, Alter ≥6 Jahre, FEV1≤80% und ≥40%. Hauptsächliche Ausschlusskriterien waren verminderte Nieren- oder Hörfunktion und B. cepaciae-Infektion. Bramitob (300 mg 2 mal täglich) oder Plazebo (Kochsalzlösung mit Chinin zur Geschmackskorrektur) wurden mit einem Pari LC plus Vernebler mit Pari Turbo Boy Kompressor verabreicht. Primärer Endpunkt war in beiden Studien die Lungenfunktion, gemessen mit FEV1 am Ende der Behandlung.
In Studie 1 wurden 59 Patienten während 4 Wochen behandelt, 29 mit Bramitob und 30 mit Plazebo. Am Ende der Behandlung hatte sich FEV1 in der Bramitob-Gruppe signifikant verbessert (+16.1%), in der Plazebo-Gruppe gab es keine signifikante Veränderung (2.5%). 34.5% der Bramitob-behandelten Patienten hatten am Ende der Behandlung negative Sputumkulturen für P. aeruginosa, gegenüber 16.7% in der Plazebo-Gruppe. Diese Verbesserungen der Lungenfunktion und der mikrobiologischen Parameter blieben während der nachfolgenden 4 Wochen ohne Behandlung nicht bestehen.
Studie 2 hatte eine Dauer von 24 Wochen. Bramitob oder Plazebo wurde in 3 Zyklen, von je 28 Tagen Behandlung gefolgt von 28 Tagen ohne Behandlung, verabreicht. 161 Patienten erhielten Bramitob, 86 Plazebo. FEV1 verbesserte sich in der Bramitob-Gruppe in den 2 ersten Behandlungswochen und blieb während der gesamten Studiendauer, einschliesslich der behandlungsfreien Phasen über dem Ausgangswert. Die Verbesserung von FEV1 am Ende der letzten Behandlung gegenüber Placebo betrug 6.4% (p <0.001). Sputum-Kulturen am Ende de letzten Behandlung waren negativ für P. aeruginosa in 33% der Bramitob- und in 16.5% der Placebo-Patienten. Dieser Unterschied blieb aber in der behandlungsfreien Phase nicht erhalten. In der Bramitob-Gruppe waren Hospitalisierungen (18.6% der Patienten, gegenüber 36% in der Plazebogruppe, p=0.002), Bedarf für intravenöse anti-Pesudomonas-Antibiotika (55.9% gegenüber 70.2% der Patienten, p=0.029) und Absenztage in der Schule/bei der Arbeit (durchschnittlich 4.7 gegenüber 10 Tage, p<0.001) signifikant vermindert. Die Gewichtszunahme war signifikant grösser in der Bramitob-Gruppe (95%-Konfidenzintervall: 1.5-2.1 kg) als in der Kontrollgruppe (0.6-1.5 kg).
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