Eigenschaften/WirkungenATC-Code
B01AC04
Wirkungsmechanismus
Clopidogrel ist ein Prodrug, das durch CYP450 Enzyme metabolisiert werden muss, um den aktiven Metaboliten zu bilden, der die Thrombozytenaggregation hemmt, indem er selektiv und irreversibel die Bindung von Adenosindiphosphat (ADP) an dessen Thrombozytenrezeptor P2Y12 und die nachfolgende Aktivierung des GPIIb/IIIa Komplexes durch ADP hemmt. Die Thrombozytenaggregation durch andere Agonisten als ADP wird auch durch Neutralisierung der Verstärkung der Thrombozytenaktivierung durch das freigesetzte ADP gehemmt.
Die Wirkung von Clopidogrel beruht auf der irreversiblen Veränderung des thrombozytären ADP-Rezeptors. Unter Clopidogrel bleiben Blutplättchen für ihre gesamte Lebensdauer (ungefähr 7-10 Tage) verändert; die Thrombozytenfunktion normalisiert sich entsprechend der Geschwindigkeit der Thrombozytenneubildung.
Pharmakodynamik
Eine statistisch signifikante und dosisabhängige Thrombozytenaggregationshemmung wurde 2 Stunden nach oraler Einmalgabe von Clopidogrel beobachtet. Wiederholte Gaben von täglich 75 mg führten bereits ab dem 1. Tag zu einer ausgeprägten Hemmung der ADP-vermittelten Thrombozytenaggregation, die stetig zunahm und zwischen dem 3. und dem 7. Tag einen Steady State erreichte. Bei Erreichen des Steady State mit einer täglichen Dosierung von 75 mg betrug die durchschnittliche Hemmung zwischen 40 und 60%.
Mit einer Ladedosis von 300 mg wurde diese Hemmung (55%) von der ersten Stunde an erreicht und durch die Einnahme von 75 mg täglich aufrechterhalten.
Die Thrombozytenaggregation und die Blutungszeit normalisierten sich im Allgemeinen innerhalb von 7 Tagen nach Beendigung der Therapie.
Da der aktive Metabolit durch CYP450-Enzyme gebildet wird (einige davon unterliegen einem genetischen Polymorphismus oder können durch andere Arzneimittel gehemmt werden), werden nicht alle Patienten eine ausreichende Thrombozytenaggregationshemmung haben (siehe «Interaktionen»; «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen: Pharmakogenetik»).
Klinische Wirksamkeit
Die CAPRIE-Studie umfasste 19'185 Patienten mit Myokardinfarkt in den letzten 35 Tagen, ischämischem Schlaganfall im Zeitraum von 6 Monaten bis 1 Woche vor Studienbeginn oder symptomatischer peripherer Arterienerkrankung. Die Patienten wurden entweder auf die Clopidogrel-Gruppe (75 mg pro Tag) oder Acetylsalicylsäure-Gruppe (325 mg pro Tag) randomisiert verteilt und 1–3 Jahre (Mittelwert 1,6 Jahre) beobachtet.
Die Wirksamkeit von Clopidogrel wurde anhand der Inzidenz von erneuten ischämischen Ereignissen (kombinierter Endpunkt von Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall und vaskulär bedingtem Tod) im Vergleich zu ASS beurteilt.
In der «Intention-to-treat (ITT)»-Analyse wurden in der Clopidogrel-Gruppe 939 Ereignisse und in der ASS-Gruppe 1'020 Ereignisse beobachtet (relative Risikoreduktion [RRR] von 8,7% [95% CI: 0,2 bis 16,4]; p=0,045). Die Analyse der Gesamtmortalität (sekundärer Endpunkt) zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen Clopidogrel (5,8%) und ASS (6,0%).
In einer Subgruppenanalyse nach qualifizierendem Ereignis (Myokardinfarkt, ischämischer Schlaganfall, periphere arterielle Verschlusskrankheit [PAVK] der unteren Extremitäten) schien der Nutzen in der PAVK-Gruppe stärker (statistisch signifikant, p=0,003) ausgeprägt zu sein (insbesondere bei Patienten, die auch einen Myokardinfarkt erlitten hatten) (RRR=23,7%; CI: 8,9 bis 36,2) und geringer (kein signifikanter Unterschied zu ASS) in der Schlaganfall-Gruppe (RRR=7,3%; CI: -5,7 bis 18,7). Bei Patienten, die ausschliesslich wegen eines kürzlich erfolgten Myokardinfarktes in die Studie aufgenommen wurden, war Clopidogrel zahlenmässig unterlegen, aber nicht statistisch unterschiedlich zu ASS (RRR=-4,0%; CI: -22,5 bis 11,7). Darüber hinaus legt eine Subgruppenanalyse nach Alter nahe, dass der Nutzen von Clopidogrel bei Patienten über 75 Jahren geringer war als der bei Patienten unter 75 Jahren. Da die CAPRIE-Studie nicht darauf ausgelegt wurde, die statistische Wirksamkeit in den einzelnen Subgruppen zu evaluieren, ist unklar, ob die Unterschiede in der relativen Risikoreduktion über alle qualifizierenden Ereignisse tatsächlich oder zufallsbedingt sind.
Die CURE-Studie umfasste 12'562 Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Streckenhebung (instabile Angina pectoris oder Non-Q-wave-Myokardinfarkt), welches innerhalb von 24 Stunden nach der jüngsten Brustschmerzepisode oder ischämietypischen Beschwerden auftrat. Die Patienten wurden entweder auf die Clopidogrel-Gruppe (Ladedosis von 300 mg, dann täglich 75 mg Clopidogrel) oder die Placebo-Gruppe randomisiert verteilt; beide Gruppen erhielten gleichzeitig ASS (täglich 75–325 mg) und andere Standardtherapien. 823 Patienten (6,6%) wurden begleitend mit GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten behandelt. Heparin wurde bei über 90% der Patienten eingesetzt, und das relative Blutungsrisiko zwischen Clopidogrel plus ASS und ASS allein wurde durch die begleitende Heparin-Therapie nicht signifikant beeinflusst. Die Patienten wurden bis zu einem Jahr lang behandelt. Die mittlere Behandlungsdauer lag bei 9 Monaten.
Der erste primäre Endpunkt kombinierte kardiovaskulären Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall. In der Clopidogrel/ASS-Gruppe lag die Anzahl der Patienten, die von einem dieser Ereignisse betroffen waren, bei 582 (9,3%) und in der Placebo/ASS-Gruppe bei 719 (11,4%) – d.h. relative Risikoreduktion (RRR) von 20% (p <0,001) zugunsten der Clopidogrel/ASS-Gruppe. Über eine Behandlungsdauer von 3 Monaten hinaus verstärkte sich der Nutzen, der in der mit Clopidogrel + ASS behandelten Gruppe beobachtet wurde, nicht weiter, wohingegen das Blutungsrisiko persistierte. Die Anzahl Patienten, die den zweiten primären Endpunkt erreichten (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder refraktäre Ischämie), betrug unter Clopidogrel plus ASS 1'035 (16,5%) und unter ASS allein 1'187 (18,8%) – d.h. klinisch signifikante relative Risikoreduktion von 14% (p <0,001) zugunsten der Clopidogrel-Gruppe.
Die 2'253 Patienten mit einer Koronarrevaskularisation (chirurgisch oder perkutan mit oder ohne Stent-Implantation) im Verlauf der Studie zeigten einen ähnlich signifikanten Nutzen unter Clopidogrel + ASS im Vergleich zu ASS allein (p=0,002).
Dieser Nutzen war primär bedingt durch die statistisch signifikante Senkung der Myokardinfarkt-Inzidenz (287 [4,6%] in der Clopidogrel + ASS-Gruppe und 363 [5,8%] in der reinen ASS-Gruppe). Auf die Rate der Rehospitalisierungen aufgrund von instabiler Angina pectoris wurde keine Wirkung beobachtet. Die Unterschiede in Bezug auf Schlaganfälle, kardiovaskulären Tod und Gesamtmortalität waren nicht signifikant.
Die beobachtete Risikoreduktion war bei allen untersuchten Subgruppen konsistent. In der Nichtraucher-Gruppe war die beobachtete Wirksamkeit jedoch geringer als in der Raucher- bzw. Ex-Raucher-Gruppe. In einer multiplen Varianzanalyse mit anderen ausschlaggebenden Risikofaktoren betrug die Inzidenzrate (95% CI) 0,62 (0,48; 0,81) bei den noch rauchenden Patienten, 0,76 (0,64; 0,90) bei den Ex-Rauchern und 0,94 (0,79; 1,11) bei denjenigen, die nie geraucht hatten.
Die Wirksamkeit von Clopidogrel war unabhängig von der ASS-Dosierung (75–325 mg täglich).
Die Verträglichkeit und Wirksamkeit von Clopidogrel bei Patienten in der akuten Phase eines Myokardinfarkts mit ST-Hebung wurden in einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Studie beurteilt.
In die CLARITY-Studie wurden 3'491 Patienten, bei denen eine thrombolytische Behandlung vorgesehen war, innerhalb von 12 Stunden nach einem Myokardinfarkt mit ST-Streckenhebung aufgenommen.
Fünfundvierzig Minuten nach der thrombolytischen Behandlung (Streptokinase, Alteplase, Reteplase, Tenecteplase) erhielten die Patienten Clopidogrel (300 mg als Ladedosis, gefolgt von 75 mg täglich, n=1'752) oder Placebo (n=1'739), beide in Kombination mit ASS (150 bis 325 mg als Ladedosis, dann 75–162 mg/Tag), einen GP IIb/IIIa-Inhibitor und, falls angezeigt, Heparin. Die Patienten wurden 30 Tage lang beobachtet. Das primäre kombinierte Beurteilungskriterium war die Häufigkeit einer Reokklusion der den Infarkt verursachenden Gefässe im Angiogramm bei Spitalaustritt oder Tod oder Reinfarkt vor der koronaren Angiographie. 15% der Patienten unter Clopidogrel plus ASS und 21,7% unter ASS erreichten den primären Endpunkt. Das entspricht einer Risikoreduktion von 6,7 Prozentpunkten und einer Odds-Ratio-Reduktion von 36% zugunsten von Clopidogrel (95% CI 0,24–0,47; p<0,001), hauptsächlich beruhend auf der Reduktion von Verschlüssen infarktbezogener Arterien. Dieser Vorteil war konsistent in allen präspezifizierten Subgruppen einschliesslich Alter (29,2% der Patienten ≥65 Jahre) und Geschlecht (19,7% der Patienten waren Frauen), Infarktlokalisation und Art des angewendeten Fibrinolytikums oder Heparins.
Die Verträglichkeit von Clopidogrel in Kombination mit Aspirin nach Anlage eines Koronarstents wurde in der CLASSICS-Studie (n=1'020) untersucht, in der drei Gruppen miteinander verglichen wurden: Clopidogrel 75 mg, Clopidogrel 300 mg am ersten Tag und anschliessend 75 mg und Ticlopidin 250 mg 2x täglich. Die drei Gruppen erhielten zudem 325 mg ASS über 28 Tage. Ereignisse mit den primären Endpunkten lokale vaskuläre Komplikation oder schwere Blutung, Neutropenie, Thrombozytopenie oder vorzeitige Beendigung der Therapie wegen unerwünschter Wirkungen extrakardialer Ursache traten unter Clopidogrel (mit oder ohne Ladedosis) plus ASS bei 4,56% (n=31) und unter Ticlopidin plus ASS bei 9,12% (n=31) auf. Der Unterschied war statistisch signifikant (p=0,005). Statistisch gesehen kam es hinsichtlich des Auftretens schwerer kardialer Ereignisse (sekundärer Endpunkt, zu dem Myokardinfarkt, Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursachen und erneute koronare Intervention zählen) zu keinem signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen.
Vorhofflimmern
In den Studien ACTIVE-W und ACTIVE-A, wobei es sich um separate Studien aus dem ACTIVE-Programm handelt, wurden Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) untersucht, bei denen mindestens ein Risikofaktor für einen Schlaganfall (CHADS2 ≥1) vorlag. Gemäss den Einschlusskriterien nahmen an der ACTIVE-W-Studie nur diejenigen Patienten teil, bei denen eine Behandlung mit einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA; z.B. Warfarin) möglich war. Patienten, die in die ACTIVE-A-Studie eingeschlossen wurden, konnten nicht mit VKA behandelt werden, entweder weil dies kontraindiziert war oder weil der Patient dies ablehnte.
Die ACTIVE-W-Studie ergab, dass die Behandlung mit VKA wirksamer war als die mit Clopidogrel plus ASS.
In der ACTIVE-A-Studie (n=7'554) wurde die Wirkung von Clopidogrel 75 mg täglich plus ASS (n=3'772) mit der von Placebo plus ASS (n=3'782) verglichen. Die empfohlene ASS-Dosis betrug 75–100 mg täglich. Die Patienten wurden bis zu 5 Jahre lang behandelt.
Bei den Patienten, die im Rahmen des ACTIVE-Programms randomisiert wurden, lag dokumentiertes VHF und mindestens ein Schlaganfall-Risikofaktor vor. Der mittlere CHADS2-Score lag bei 2,0 (Bereich: 0–6).
73% der Teilnehmer in der ACTIVE-A-Studie durften nach Einschätzung ihres Arztes keine VKA einnehmen (wegen Unvermögen, die Überwachung der INR [International Normalized Ratio] einzuhalten, oder erhöhtem Sturzrisiko oder Risiko für ein Schädeltrauma oder einem spezifischen Blutungsrisiko), bei 26% der Patienten beruhte die ärztliche Entscheidung darauf, dass der Patient die Einnahme von VKA ablehnte.
Die Patientenpopulation bestand zu 41,8% aus Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 71 Jahre; 41,6% der Teilnehmer waren 75 Jahre oder älter. Insgesamt wurden 23,0% der Patienten mit Antiarrhythmika behandelt, 52,1% mit Betablockern, 54,6% mit ACE-Hemmern und 25,4% mit Statinen.
Die Zahl der Patienten, die den primären Endpunkt erreichten (Schlaganfall, Myokardinfarkt, systemische Embolie ausserhalb des ZNS oder Tod durch vaskuläre Ursachen), betrug in der mit Clopidogrel plus ASS behandelten Gruppe 832 (22,1%) und in der Gruppe, die Placebo plus ASS erhielt, 924 (24,4%) (RRR=11,1%; 95% CI: 2,4% bis 19,1%; p=0,013).
Diese Reduktion war hauptsächlich auf eine signifikante Senkung der Inzidenz von Schlaganfällen zurückzuführen (296 Patienten [7,8%] vs. 408 [10,8%]; RRR=28,4%; 95% CI: 16,8% bis 38,3%; p=0,00001).
Der Nutzen der Kombination aus Clopidogrel und ASS manifestierte sich rasch und bestand während der gesamten Studiendauer von bis zu 5 Jahren fort.
Die Häufigkeit von ischämischen Schlaganfällen war unter Clopidogrel plus ASS signifikant niedriger als unter Placebo plus ASS (6,2% vs. 9,1%; RRR=32,4%; 95% CI: 20,2% bis 42,7%).
In der mit Clopidogrel plus ASS behandelten Gruppe war ausserdem ein Trend zur Senkung der Myokardinfarkthäufigkeit erkennbar (RRR=21,9%; 95% CI: -3% bis 40,7%; p=0,08). Die Häufigkeit von systemischen Embolien ausserhalb des ZNS sowie von Tod durch vaskuläre Ursachen war in beiden Gruppen vergleichbar.
In der ACTIVE-A-Studie war die Rate schwerer Blutungen in der mit Clopidogrel plus ASS behandelten Gruppe höher als in der Gruppe, die Placebo plus ASS erhielt (6,7% vs. 4,3%). Die schweren Blutungen waren in beiden Gruppen mehrheitlich extrakraniellen Ursprungs (5,3% in der mit Clopidogrel plus ASS behandelten Gruppe; 3,5% in der Gruppe, die Placebo plus ASS erhielt); meist waren es gastrointestinale Blutungen (3,5% vs. 1,8%). In der mit Clopidogrel plus ASS behandelten Gruppe war im Vergleich zur Gruppe unter Placebo plus ASS eine höhere Rate intrakranieller Blutungen zu verzeichnen (1,4% vs. 0,8%). Die Rate zum Tode führender Blutungen betrug 1,1% vs. 0,7% und die Rate der hämorrhagischen Schlaganfälle 0,8% unter Clopidogrel plus ASS vs. 0,6% unter Placebo plus ASS.
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