Eigenschaften/WirkungenATC-Code: L02BG04
Die Ausschaltung der stimulatorischen Estrogenwirkung ist eine Voraussetzung dafür, dass eine Tumorerkrankung, bei der das Tumorwachstum estrogenabhängig ist, auf die Behandlung anspricht. Bei Frauen nach der Menopause wird Estrogen hauptsächlich durch das Enzym Aromatase gebildet, das Androgene aus der Nebenniere, vor allem Androstendion und Testosteron, in Estron (E1) und Estradiol (E2) umwandelt. Die Unterdrückung der Estrogenbiosynthese in peripheren Geweben und im Tumorgewebe selbst kann daher durch die spezifische Hemmung des Enzyms Aromatase erreicht werden.
Letrozol ist ein selektiver nichtsteroidaler Aromatasehemmer, der die Aromatase durch kompetitive Bindung an das Häm der Cytochrom-P450-Untereinheit des Enzyms hemmt und dadurch die Estrogenbiosynthese in allen Geweben reduziert.
Bei gesunden Frauen nach der Menopause verringert Letrozol in Einzeldosen von 0,1/0,5 und 2,5 mg die Serumspiegel von Estron um 75–78% und von Estradiol um 78% gegenüber dem Ausgangswert. Der maximale Effekt wird innerhalb von 48–78 h erreicht.
Bei postmenopausalen Frauen mit Mammakarzinom in fortgeschrittenem Stadium verringern Tagesdosen von 0,1 bis 5 mg die Plasmaspiegel von Estradiol, Estron und Estronsulfat aller behandelten Patientinnen um 75–95% gegenüber dem Ausgangswert. Bei einer Dosierung von 0,5 mg und darüber liegen viele Werte von Estron und Estronsulfat unter der Nachweisgrenze; mit diesen Dosen wurde also eine stärkere Estrogenverminderung erreicht. Die Unterdrückung der Estrogenbiosynthese hielt während der Behandlung in allen Fällen an.
Eine Unterdrückung der Steroidproduktion der Nebenniere wurde nicht beobachtet. Bei postmenopausalen Patientinnen, die Letrozol in Tagesdosen von 0,1 bis 5 mg erhielten, wurden keine klinisch relevanten Veränderungen der Plasmakonzentrationen von Cortisol, Aldosteron, 11-Deoxycortisol, 17-Hydroxyprogesteron und ACTH oder der Plasma-Renin-Aktivität festgestellt. Der nach 6 und 12 Wochen der Behandlung mit Tagesdosen von 0,1/0,25/0,5/1/2,5 und 5 mg durchgeführte ACTH-Stimulationstest ergab keine Abschwächung der Aldosteron- oder Cortisolproduktion. Eine Substitution von Glukokortikoiden und Mineralokortikoiden ist daher nicht erforderlich.
Bei gesunden postmenopausalen Frauen, die Einzeldosen von 0,1/0,5 und 2,5 mg Letrozol erhielten, wurden keine Veränderungen der Plasmakonzentrationen von Androgenen (Androstendion und Testosteron) gefunden; bei postmenopausalen Patientinnen, die mit Tagesdosen von 0,1 bis 5 mg behandelt wurden, wurden keine Veränderungen der Plasmakonzentration von Androstendion gefunden. Daraus geht hervor, dass die Hemmung der Estrogenbiosynthese nicht zu einer Akkumulation der androgenen Vorstufen führt. Die Plasmakonzentrationen von LH und FSH werden bei Patientinnen, die Letrozol erhalten, nicht beeinträchtigt; dies gilt auch für die Schilddrüsenfunktion, wie sich anhand von TSH, T4- und T3-Aufnahme zeigte.
Klinische Wirksamkeit
In einer doppelblinden, randomisierten Studie (BIG 1-98) mit über 8’000 postmenopausalen Frauen mit Rezeptor-positivem frühem Mammakarzinom, wurde in eine der folgenden Behandlungen randomisiert: Tamoxifen während 5 Jahren (A), Letrozol während 5 Jahren (B), Tamoxifen während 2 Jahren gefolgt von Letrozol während 3 Jahren (C) oder Letrozol während 2 Jahren gefolgt von Tamoxifen während 3 Jahren (D). Die Studie war zur Beantwortung zweier primärer Fragestellungen angelegt: 1. Ob die Monotherapie mit Letrozol für 5 Jahre der Monotherapie mit Tamoxifen für 5 Jahre überlegen war; 2. Ob der Wechsel endokriner Agentien bei ungefähr 2 Jahren einer Weiterführung des identischen Agens für insgesamt 5 Jahre überlegen war.
Die Erst-Analyse, welche die erste Fragestellung adressierte, wurde nach einem medianen Follow-up von 26 Monaten durchgeführt (mediane Behandlungsdauer 24 Monate) und schloss Daten von den Behandlungsarmen ohne Wechsel (Arme A und B) zusammen mit Daten, die bis 30 Tage nach dem Wechsel in den Wechselarmen (Arme C und D) erhoben wurden, ein. Letrozol für 5 Jahre war Tamoxifen in allen Endpunkten ausser Gesamtüberleben und kontralateralem Brustkrebs überlegen. Für den primären Endpunkt der Studie, krankheitsfreies Überleben (DFS), war Letrozol signifikant wirksamer als Tamoxifen (hazard ratio (HR): 0,81; CI 95%: 0,70, 0,93; P= 0,003). Die Werte für das 5-jährige krankheitsfreie Überleben waren für Letrozol 84,0% und 81,4% für Tamoxifen. Im Gesamtüberleben gab es zwischen Letrozol und Tamoxifen keinen signifikanten Unterschied (166 Todesfälle mit Letrozol, 192 mit Tamoxifen; HR: 0,86; CI 95%: 0,70, 1,06).
Nach einem medianen Follow-up von insgesamt 73 Monaten (mediane Therapiedauer 60 Monate) war der Unterschied im DFS weiterhin signifikant (HR: 0,88; CI 95%: 0,78, 0,99; P= 0,03), während der Unterschied im Gesamtüberleben nicht statistisch signifikant blieb (HR: 0,87; CI 95% 0,75, 1,02).
Betreffend die zweite primäre Fragestellung gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen einem Behandlungswechsel bei ungefähr zwei Jahren mit einer Weiterführung des identischen Agens für 5 Jahre.
Nach einer Behandlung von 60 Monaten wurde ein signifikant höheres Risiko für Myokardinfarkt mit Letrozol (1,0%) im Vergleich zu Tamoxifen (0,5%) beobachtet (relatives Risiko, RR: 2,0; CI 95%: 1,00, 3,99), wogegen ein signifikant niedrigeres Risiko thromboembolischer Ereignisse mit Letrozol (2,1%) als mit Tamoxifen (3,6%) beobachtet wurde (RR: 0,57; CI 95%: 0,41, 0,80). Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungen bezüglich anderer kardiovaskulärer oder cerebrovaskulärer Ereignisse. Ein signifikant höheres Risiko für Knochenfrakturen wurde mit Letrozol (10,1%) im Vergleich mit Tamoxifen (7,1%) beobachtet (RR: 1,42; CI 95%: 1,18, 1,71), sowie ein höheres Osteoporoserisiko (Letrozol 5,1%; Tamoxifen 2,7%; RR: 1,88; CI 95%: 1,40, 2,52).
Es fand sich ein signifikant geringeres Risiko für endometriale Hyperplasie oder Krebs mit Letrozol (0,2%) im Vergleich zu Tamoxifen (2,3%) (RR: 0,11; CI 95%: 0,05, 0,24). Zweite Nicht-Brust-Primärmalignitäten traten besonders während der Studienbehandlung weniger häufig mit Letrozol als mit Tamoxifen auf.
Eine separate Studie (D2407) der Knochenmineraldichte (BMD), Knochenmarker und Serumlipidspiegel, in welcher 262 Patientinnen bis zu zwei Jahre mit Letrozol oder Tamoxifen behandelt wurden, zeigte einen signifikanten Unterschied zugunsten von Tamoxifen in der BMD gegenüber dem Ausgangswert. Es wurde eine mediane Abnahme der BMD der Lendenwirbelsäule mit Letrozol von –4,1% bei zwei Jahren beobachtet im Vergleich zu einer medianen Zunahme +0,3% mit Tamoxifen. Ähnliche Ergebnisse wurden bei der BMD der Hüfte beobachtet.
Erweiterte adjuvante Therapie nach 5 Jahren adjuvanter Tamoxifentherapie
In einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie mit 5’168 postmenopausalen Frauen mit primärem Mammakarzinom von positivem oder unbekanntem Rezeptorstatus, die nach Beendigung einer adjuvanten Standardtherapie mit Tamoxifen (4,5–6 Jahre) rezidivfrei waren, wurde auf Therapie mit Letrozol (N= 2’582) oder Placebo (N= 2’586) randomisiert.
In der primären Analyse nach einem medianen Follow-up von 28 Monaten (mediane Behandlungsdauer 24 Monate) reduzierte Letrozol das Risiko eines Mammakarzinom-Rückfalles im Vergleich zu Placebo um 42% (total events für Letrozol 92 [3,6%] vs. 155 [6%] für Placebo; HR: 0,58; CI 95%: 0,45, 0,76; P= 0,00003). Der statistisch signifikante Vorteil für Letrozol war unabhängig vom Lymphknoten-Status, Rezeptor-Status oder von vorgängiger adjuvanter Chemotherapie.
Es wurden insgesamt 113 Todesfälle erfasst (Letrozol 51 [2,0%], Placebo 62 [2,4%]). Der Unterschied zwischen beiden Gruppen war nicht signifikant (HR: 0,82; CI 95%: 0,56, 1,19). Bei Lymphknoten-positiven Patientinnen war das Mortalitätsrisiko unter Letrozol signifikant reduziert (HR: 0,61; CI 95%: 0,38, 0,97). Bei Lymphknoten-negativen Patientinnen war kein signifikanter Unterschied (HR: 1,36; CI 95%: 0,68, 2,71) vorhanden.
In der QoL-Analyse (SF-36) fand sich nach einem medianen Follow-up von 28 Monaten kein klinisch relevanter Unterschied in den Scores für physische Gesundheit, Schmerzen und Vitalität unter Letrozol im Vergleich zu Placebo.
Nach der Entblindung der Studie konnten die Patientinnen auf ihren Wunsch hin von Placebo zu Letrozol wechseln. 1’551 Patientinnen wechselten bei median 31 Monaten nach Studieneinschluss zu Letrozol.
Bei der Abschlussanalyse der Studie nach einem medianen Follow-up von 62 Monaten (mediane Behandlungsdauer 60 Monate) war der Unterschied in den Mammakarzinom-Rückfallereignissen statistisch signifikant zugunsten von Letrozol (HR: 0,75; CI 95%: 0,63, 0,89; P= 0,001). Beim Gesamtüberleben gab es, den Wechsel nicht beachtet, zwischen den Behandlungen keinen signifikanten Unterschied.
In der Analyse der Knochensubstudie (medianer Follow-up 61 Monate) bei 24 Monaten gab es mit Letrozol eine signifikant grössere Abnahme der BMD am Hüftknochen (mediane Abnahme 3,8%) im Vergleich zu Placebo (mediane Abnahme 2,0%).
In der aufdatierten Analyse der Quality of Life-Substudie gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungen in irgendeinem Domain Summary Score der SF-36 oder der MENQOL-Skala.
First-line Behandlung des fortgeschrittenen Mammakarzinoms
Im Rahmen einer kontrollierten Studie wurden 2,5 mg Letrozol und Tamoxifen in der First-line Therapie bei 907 postmenopausalen Frauen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem Mammakarzinom verglichen. Die Analyse zeigte, dass Letrozol Tamoxifen in den folgenden Endpunkten, mit Zeitdauer bis zur Progression als primärem Endpunkt, überlegen war:
Mediane Zeitdauer bis zur Progression: 9,4 vs. 6,0 Monate (HR: 0,70, P= 0,0001); gesamte objektive Responserate (complete response + partial response): 32% vs. 21% (odds ratio 1,71, P= 0,001); Zeitdauer bis zum Therapieversagen: 9,1 vs. 5,7 Monate (P= 0,0001).
Letrozol war Tamoxifen bezüglich objektiver Responserate und Zeitdauer bis zur Progression auch in den Subgruppen mit Rezeptor-positivem Tumorstatus oder unbekanntem Rezeptorstatus überlegen.
In der Subgruppe mit Antiestrogen-Vorbehandlung war die Wirksamkeit von Letrozol in der Responserate und der Zeitdauer bis zur Progression jener von Tamoxifen ebenfalls überlegen.
Bei Patientinnen ≥70 Jahren war die Zeitdauer bis zur Progression unter Letrozol signifikant länger als unter Tamoxifen: 12,2 vs. 5,8 Monate (HR: 0,72, P= 0,0001) und die Chancen einer objektiven Response blieben unter Letrozol signifikant höher (odds ratio 1,68, P= 0,0009).
Es fand sich auch ein signifikanter Vorteil im Überleben (42 vs. 30 Monate).
Second-line Behandlung des fortgeschrittenen Mammakarzinoms
Es wurden zwei kontrollierte klinische Studien durchgeführt, die zwei Dosierungen von Letrozol (0,5 mg und 2,5 mg) mit Megestrolacetat bzw. mit Aminoglutethimid bei postmenopausalen Frauen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom nach vorangegangener Therapie mit Antiestrogenen vergleichen.
Statistisch signifikante Unterschiede wurden zu Gunsten von Letrozol 2,5 mg gegenüber Megestrolacetat bei der Ansprechrate (24% vs. 16%, P= 0,04) und bei der Zeit bis zum Therapieversagen (Time to Treatment Failure) beobachtet (P= 0,04). Die Zeit bis zur Progression der Erkrankung (Time to Progression) war zwischen Letrozol 2,5 mg und Megestrolacetat nicht signifikant verschieden (P= 0,07). Die Gesamtüberlebensrate war zwischen diesen beiden Therapiearmen nicht signifikant verschieden (P= 0,2).
In der zweiten Studie war die Ansprechrate zwischen Letrozol 2,5 mg und Aminoglutethimid nicht signifikant verschieden (P= 0,06). Letrozol 2,5 mg war Aminoglutethimid statistisch signifikant überlegen bezüglich der Zeit bis zur Progression (Time to Progression, P= 0,008), der Zeit bis zum Therapieversagen (Time to Treatment Failure, P= 0,003) und in der Gesamtüberlebensrate (P= 0,002).
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