Eigenschaften/WirkungenATC-Code
N06DA03
Wirkungsmechanismus
Die pathologischen Veränderungen bei der Alzheimer-Krankheit betreffen die cholinergen Nervenbahnen, welche vom basalen Vorderhirn zur Grosshirnrinde und zum Hippocampus aufsteigen. Diese Bahnen sind an Lern- und Gedächtnisfunktionen, Aufmerksamkeitsverhalten und an anderen kognitiven Prozessen beteiligt. Rivastigmin, ein zentral wirksamer Acetyl- und Butyrylcholinesterase-Hemmer vom Carbamat-Typ, soll die cholinerge Neurotransmission durch eine Verlangsamung des Abbaus von Acetylcholin fördern. Das Acetylcholin wird von funktionell intakten cholinergen Neuronen freigesetzt. Tierexperimentelle Studien zeigen, dass Rivastigmin selektiv die Verfügbarkeit von Acetylcholin im Kortex und im Hippocampus erhöht. Aus diesem Grund kann Rivastigmin die cholinerg vermittelten kognitiven Defizite, die bei Alzheimer-Patienten mit Demenz auftreten, günstig beeinflussen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass durch die Hemmung der Cholinesterase die Bildung von amyloidogenen Beta-Amyloid-Vorläufer-Protein-Fragmenten (APP-Fragmente) verlangsamt wird. In der Folge verlangsamt sich auch die Bildung der Amyloid-Plaques, die eine der wichtigsten pathologischen Veränderungen bei der Alzheimer-Demenz darstellen.
Pharmakodynamik
Rivastigmin geht mit seinen Zielenzymen eine kovalente Bindung ein, wodurch die Enzyme vorübergehend inaktiviert werden. In einer Studie mit gesunden jungen männlichen Freiwilligen setzte eine orale Dosis von 3.0 mg die Acetylcholinesterase-(AChE)-Aktivität im Liquor innerhalb der ersten 1.5 h nach Einnahme um etwa 40% herab. Etwa 9 h nach Erreichen des maximalen Hemmeffektes kehrte die Aktivität des Enzyms auf den Ausgangswert zurück. Die Butyrylcholinesterase-(BuChE)-Aktivität im Liquor wurde bei gesunden jungen freiwilligen Männern vorübergehend gehemmt, die Hemmung hielt aber nur 3.6 h an. Bei Patienten mit Alzheimer-Erkrankung (AD) war die Hemmung der Acetylcholinesterase im Liquor durch Rivastigmin bis zur höchsten untersuchten Dosis von 2x6 mg/d dosisabhängig. Die Hemmung der BuChE-Aktivität im Liquor von Alzheimer-Patienten war ähnlich derjenigen der AChE. Nach Gabe von 2x6 mg/d nahm die Aktivität gegenüber dem Ausgangswert um mehr als 60% ab. Die Wirkung von Rivastigmin auf die Aktivität von AChE und BuChE im Liquor hielt auch nach 12-monatiger Gabe, der längsten untersuchten Zeitdauer, noch an. Es fanden sich statistisch signifikante Korrelationen zwischen dem Ausmass der AChE- und BuChE-Hemmung durch Rivastigmin im Liquor und den Veränderungen der in verschiedenen Teiltesten gemessenen kognitiven Performance von Alzheimer-Patienten. Allerdings korrelierte nur die BuChE-Hemmung im Liquor konsistent und signifikant mit Verbesserungen in den Teiltests zu Geschwindigkeit, Aufmerksamkeit und Gedächtnis.
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von Rivastigmin Patch Sandoz bei der Behandlung der Alzheimer-Krankheit wurde in einer 24-wöchigen, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie und während der anschliessenden «open-label extension»-Phase gezeigt, sowie in einer 48-wöchigen doppelblinden, aktiv-kontrollierten Studie.
24-wöchige kontrollierte Studien
Die in einer Placebo-kontrollierten Studie untersuchten Patienten wiesen einen MMSE-Score (Mini-Mental State Examination) von 10-20 auf. Die Wirksamkeit wurde anhand von unabhängigen Prüfparametern, die in regelmässigen Abständen während der 24-wöchigen Behandlung angewendet wurden, belegt. Diese beinhalten den ADAS-Cog (Alzheimer's Disease Assessment Cognitive Subscale) zur Messung der kognitiven Leistungen, den ADCS-CGIC (Alzheimer's Disease Cooperative Study-Clinician's Global Impression of Change), eine umfassende globale Einschätzung des Patienten durch den Arzt, wobei auch Angaben der Betreuer miteinbezogen werden und den ADCS-ADL (Alzheimer's Disease Cooperative Study-Activities of Daily Living), eine Beurteilung der Alltagsaktivitäten durch eine Betreuungsperson, einschliesslich persönliche Hygiene, Essen, Ankleiden, Hausarbeiten wie Einkaufen, Bewahrung der Fähigkeit, sich in der Umgebung zu orientieren, wie auch Aufgaben im Zusammenhang mit Finanzen. Die in der Woche 24 erhobenen Ergebnisse der 2 primären sowie der sekundären Prüfparameter sind in Tabelle 3 zusammengefasst.
Tabelle 3
|
Rivastigmin Patch Sandoz 10
|
Rivastigmin Kapsel 12 mg/d
|
Placebo
|
ITT-LOCF Population
|
n = 251
|
n = 256
|
n = 282
|
ADAS-Cog
|
(n = 248)
|
(n = 253)
|
(n = 281)
|
Mittlere Baseline ± Standardabweichung (SD)
|
27.0 ± 10.3
|
27.9 ± 9.4
|
28.6 ± 9.9
|
Mittlere Änderung in Woche 24 ± SD
|
-0.6 ± 6.4
|
-0.6 ± 6.2
|
1.0 ± 6.8
|
p-Wert versus Placebo
|
0.005*1
|
0.003*1
|
|
ADCS-CGIC
|
(n = 248)
|
(n = 253)
|
(n = 278)
|
Mittlerer Wert ± SD
|
3.9 ± 1.20
|
3.9 ± 1.25
|
4.2 ± 1.26
|
p-Wert versus Placebo
|
0.010*2
|
0.009*2
|
|
ADCS-ADL
|
(n = 247)
|
(n = 254)
|
(n = 281)
|
Mittlere Baseline ± SD
|
50.1 ± 16.3
|
49.3 ± 15.8
|
49.2 ± 16.0
|
Mittlere Änderung in Woche 24 ± SD
|
-0.1 ± 9.1
|
-0.5 ± 9.5
|
-2.3 ± 9.4
|
p-Wert versus Placebo
|
0.013*1
|
0.039*1
|
|
NPI-12
|
(n = 248)
|
(n = 253)
|
(n = 281)
|
Mittlere Baseline ± SD
|
13.9 ± 14.1
|
15.1 ± 14.1
|
14.9 ± 15.7
|
Mittlere Änderung in Woche 24 ± SD
|
-1.7 ± 11.5
|
-2.2 ± 11.9
|
-1.7 ± 13.8
|
p-Wert versus Placebo
|
0.7441
|
0.5121
|
|
MMSE
|
(n = 250)
|
(n = 256)
|
(n = 281)
|
Mittlere Baseline ± SD
|
16.7 ± 3.0
|
16.4 ± 3.0
|
16.4 ± 3.0
|
Mittlere Änderung in Woche 24 ± SD
|
1.1 ± 3.3
|
0.8 ± 3.2
|
0.0 ± 3.5
|
p-Wert versus Placebo
|
< 0.001*2
|
0.002*2
|
|
Ten Point Clock Test
|
(n = 245)
|
(n = 246)
|
(n = 269)
|
Mittlere Baseline ± SD
|
4.5 ± 3.6
|
4.4 ± 3.6
|
4.3 ± 3.6
|
Mittlere Änderung in Woche 24 ± SD
|
0.1 ± 3.1
|
0.2 ± 2.9
|
-0.1 ± 3.2
|
p-Wert versus Placebo
|
0.0792
|
0.1522
|
|
Trail Making Test - A
|
(n = 241)
|
(n = 240)
|
(n = 258)
|
Mittlere Baseline ± SD
|
183.3 ± 85.5
|
177.2 ± 86.2
|
178.3 ± 85.6
|
Mittlere Änderung in Woche 24 ± SD
|
-12.3 ± 55.1
|
-9.8 ± 66.1
|
7.7 ± 56.6
|
p-Wert versus Placebo
|
< 0.001*1
|
< 0.001*1
|
|
NPI caregiver distress
|
(n = 248)
|
(n = 253)
|
(n = 281)
|
Mittlere Baseline ± SD
|
7.4 ± 7.1
|
8.2 ± 7.6
|
7.8 ± 7.7
|
Mittlere Änderung in Woche 24 ± SD
|
-1.0 ± 5.5
|
-1.1 ± 6.6
|
-1.1 ± 6.3
|
p-Wert versus Placebo
|
0.9931
|
0.7561
|
|
*p≤0.05 versus Placebo
ITT: Intent-To-Treat; LOCF: Last Observation Carried Forward
1Basierend auf ANCOVA (Kovarianzanalyse) mit Behandlung und Land als Faktoren und Baseline-Werte als Kovariable.
2Basierend auf dem CMH-Test (van Elteren-Test) mit Länderblock.
Negative Änderung bedeutet Verbesserung für ADAS-Cog, NPI, Trail Making Test. Positive Änderung bedeutet Verbesserung für ADCS-ADL, MMSE, Ten Point Clock Test, ADCS-CGIC-Werte <4 bedeuten Verbesserung.
In einer Studie über 24 Wochen zeigten 17.4% der mit Rivastigmin Patch Sandoz 10, 19.0% der mit Rivastigmin Kapseln (12 mg/d) und 10.5% der mit Placebo behandelten Patienten klinisch relevantes Ansprechen auf die Behandlung (vergl. Tabelle 4). Klinisch relevante Änderungen wurden a priori als eine Verbesserung um mindestens vier Punkte im ADAS-cog, dabei gleichzeitig keine Verschlechterung auf der Skala ADCS-CGIC und auf der Skala ADCS-ADL definiert.
Tabelle 4
|
Patienten mit klinisch signifikantem Ansprechen (%) nach 24 Wochen
|
|
Rivastigmin Patch Sandoz 10
|
Rivastigmin Kapsel 12 mg/d
|
Placebo
|
Verbesserung um mind. 4 Punkte im ADAS-Cog ohne Verschlechterung im ADCS-CGIC und ADCS-ADL
|
17.4*
|
19.0**
|
10.5
|
*p<0.05, **p<0.01 versus Placebo
Ähnliche Ergebnisse wurden mit Rivastigmin Patch Sandoz 10 in separat durchgeführten kontrollierten Studien bei chinesischen und japanischen Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz beobachtet.
48-wöchige aktiv-kontrollierte Studie
Die in der aktiv-kontrollierten Studie untersuchten Patienten wiesen einen MMSE-Score (Mini-Mental State Examination) von 10-24 auf. Das Konzept der Studie bestand darin, die Wirksamkeit von Rivastigmin Patch Sandoz 15 mit der Wirksamkeit von Rivastigmin Patch Sandoz 10 während einer 48-wöchigen doppelblinden Behandlung bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit, welche nach der initialen 24-48 wöchigen «open-label extension»-Phase unter Rivastigmin Patch Sandoz 10 einen Abbau von funktionalen und kognitiven Fähigkeiten zeigten, zu vergleichen. Der funktionale Abbau wurde durch den Assessor untersucht und der kognitive Abbau wurde entweder als Abnahme des MMSE-Scores von >2 Punkten verglichen mit der letzten Untersuchung oder als Abnahme von >3 Punkten verglichen mit der Baseline definiert. Die Wirksamkeit wurde anhand von unabhängigen Prüfparametern, die in regelmässigen Abständen während der 48-wöchigen Behandlung angewendet wurden, belegt. Diese beinhalten den ADAS-Cog (Alzheimer's Disease Assessment Cognitive Subscale) zur Messung der kognitiven Leistungen und den ADCS-instrumental ADL (eine Subscale von ADCS- ADL Alzheimer's Disease Cooperative Study-Activities of Daily Living), welche die instrumentelle Aktivität erfasst. Diese Scala erfasst komplexere kognitive Aktivitäten und repräsentiert somit eine klinisch signifikante Beurteilung der Alltagsaktivitäten wie z.B. Hausarbeiten wie Einkaufen, Essenszubereitung, Bewahrung der Fähigkeit, sich in der Umgebung zu orientieren, wie auch Aufgaben im Zusammenhang mit Finanzen. Die Ergebnisse der Prüfparameter der 48-wöchigen Studie sind in Tabelle 5 zusammengefasst.
Tabelle 5 Mittlere Änderung der doppelblinden Baseline in ADAS-Cog und ADCS-IADL über Zeit.
Population Visit
|
Rivastigmin 15 cm2 N = 265
|
Rivastigmin 10 cm2 N = 271
|
|
|
N
|
Mittel
|
N
|
Mittel
|
DLSM
|
95% CI
|
p-Wert
|
ADAS-Cog
|
LOCF
|
Baseline
|
264
|
34.4
|
268
|
34.9
|
|
|
|
DB-Woche 12
|
Wert
|
264
|
34.2
|
268
|
35.5
|
|
|
|
|
Änderung
|
264
|
-0.2
|
268
|
0.6
|
-0.9
|
(-2.0, 0.1)
|
0.091
|
DB-Woche 24
|
Wert
|
264
|
35.4
|
268
|
37.1
|
|
|
|
|
Änderung
|
264
|
1.0
|
268
|
2.2
|
-1.3
|
(-2.5, -0.2)
|
0.027*
|
DB-Woche 48
|
Wert
|
264
|
38.5
|
268
|
39.7
|
|
|
|
|
Änderung
|
264
|
4.1
|
268
|
4.9
|
-0.8
|
(-2.1, 0.5)
|
0.227
|
ADCS-IADL
|
LOCF
|
Baseline
|
265
|
27.5
|
271
|
25.8
|
|
|
|
Woche 8
|
Wert
|
265
|
27.3
|
271
|
25.0
|
|
|
|
|
Änderung
|
265
|
-0.2
|
271
|
-0.8
|
0.8
|
(-0.2, 1.9)
|
0.114
|
Woche 12
|
Wert
|
265
|
27.5
|
271
|
25.4
|
|
|
|
|
Änderung
|
265
|
0.1
|
271
|
-0.4
|
0.7
|
(-0.5, 1.8)
|
0.252
|
Woche 16
|
Wert
|
265
|
26.7
|
271
|
24.0
|
|
|
|
|
Änderung
|
265
|
-0.7
|
271
|
-1.8
|
1.3
|
(0.2, 2.5)
|
0.025*
|
Woche 24
|
Wert
|
265
|
26.0
|
271
|
22.9
|
|
|
|
|
Änderung
|
265
|
-1.5
|
271
|
-2.8
|
1.7
|
(0.5, 2.9)
|
0.005*
|
Woche 32
|
Wert
|
265
|
25.2
|
271
|
21.7
|
|
|
|
|
Änderung
|
265
|
-2.2
|
271
|
-4.0
|
2.1
|
(0.9, 3.4)
|
<0.001*
|
Woche 48
|
Wert
|
265
|
23.1
|
271
|
19.6
|
|
|
|
|
Änderung
|
265
|
-4.4
|
271
|
-6.2
|
2.2
|
(0.8, 3.6)
|
0.002*
|
CI – confidence interval.
DLSM – difference in least square means.
LOCF – Last Observation Carried Forward.
ADAS-cog scores: Negative Änderung in DLSM bedeutet eine Verbesserung der Rivastigmin 15 cm2- Gruppe verglichen mit Rivastigmin 10 cm2-Gruppe.
ADCS-IADL scores: Positive Änderung in DLSM bedeutet eine Verbesserung der Rivastigmin 15 cm2- Gruppe verglichen mit Rivastigmin 10 cm2-Gruppe
N ist die Anzahl der Patienten mit einer Baseline-Untersuchung (letzte Untersuchung in der open-label Phase) und mit mindestens einer Post-baseline-Untersuchung (für LOCF).
DLSM, 95% CI, und der p-Wert basieren auf dem ANCOVA (Kovarianzanalyse) Model, angepasst an Land und Baseline-ADAS-cog score.
*p<0.05
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