Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L01BC07
Wirkungsmechanismus
Azacitidin ist ein Cytidin-Analogon. Es inhibiert die DNA-Methyltransferase und führt über die Regulierung der Methylierung der DNA und durch direkte Zytotoxizität zur Wachstumshemmung maligner Zellen der Hämopoiese. Die für eine maximale Hemmung der DNA-Methylierung in vitro erforderliche Konzentration von Azacitidin verursacht keine wesentliche Suppression der DNA-Synthese. Es wird angenommen, dass durch die Beeinflussung der Methylierung die normale Aktivität der an der Zell-Differenzierung und -Proliferation beteiligten Gene wiederhergestellt wird.
Pharmakodynamik
Siehe Abschnitt «Wirkungsmechanismus».
Klinische Wirksamkeit
Erwachsene Patienten mit MDS, CMML und AML (20-30% Knochenmarksblasten)
CALGB 9221 Studie
In einer offenen kontrollierten Studie wurden 191 Patienten mit myelodysplastischem Syndrom (MDS) über 1 Jahr mit Azacitidin 75 mg/m2 s.c. täglich während sieben Tagen alle vier Wochen vs. supportive Versorgung («Beobachtung») behandelt. MDS wurde gemäss der FAB-Nomenklatur unterteilt in refraktäre Anämie (RA), RA mit Ringsideroblasten (RARS), RA mit Blastenüberschuss (RAEB), RAEB in Transformation (RAEB-T) und chronisch myelomonozytäre Leukämie (CMMoL). Patienten mit RA und RARS wurden in die Studie aufgenommen, wenn sie mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllten: Erfordernis von Erythrozytenkonzentrattransfusionen; Thrombozytenzahl ≤50,0× 109/l; Erfordernis von Thrombozytentransfusionen oder Infektionen bei Neutropenie (ANC <1,0× 109/l). Die Patienten im Beobachtungsarm konnten unter folgenden Bedingungen mit Azacitidin behandelt werden: jederzeit bei Anstieg der Blasten im Knochenmark, nach Tag 113 bei vermehrtem Bedarf an Erythrozytentransfusionen oder bei Bedarf an Thrombozytentransfusionen, bei Infektion. Im primären Endpunkt Ansprechrate wurde ein Ansprechen von 16,9% bei Azacitidin vs. 0% im Beobachtungsarm gezeigt (p <0,0001). Die Mehrzahl der Patienten, die entweder ein komplettes oder partielles Ansprechen erreichten, wiesen zu Studienbeginn entweder 2 oder 3 Zelllinienabnormitäten (81%; 13/16) auf und hatten zu Studienbeginn eine erhöhte Zahl von Knochenmarkblasten oder waren transfusionsabhängig. Patienten, die auf Azacitidin ansprachen, zeigten einen Rückgang des Prozentsatzes der Knochenmarkblasten oder einen Anstieg der Thrombozytenzahl, der Hämoglobinwerte oder der Leukozytenzahl. Bei mehr als 90% der Patienten in Remission traten diese Veränderungen erstmals bis zum 5. Behandlungszyklus ein. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die Zeit bis zur Progression zu AML signifikant verlängert werden konnte. Im Gesamtüberleben zeigte sich ein Trend zugunsten von Azacitidin (20,1 vs 15,4 Monate).
AZA-001 Studie
Die internationale, multizentrische, kontrollierte, offene, randomisierte Parallelgruppen-Vergleichsstudie der Phase III untersuchte Patienten mit folgenden Erkrankungen: MDS mit intermediärem Risiko 2 oder hohem Risiko nach dem International Prognostic Scoring System (IPSS), refraktäre Anämie mit Blastenexzess (refractory anaemia with excess of blasts; RAEB), refraktäre Anämie mit Blastenexzess in Transformation (refractory anaemia with excess of blasts in transformation; RAEB-T) und modifizierte chronische myelomonozytäre Leukämie (mCMML), gemäss der French-American-British-Klassifikation (FAB). Die Patienten mussten einen ECOG-(Eastern Cooperative Oncology Group)-Performance Status von 0-2 haben. Sekundäres MDS galt als Ausschlusskriterium.
Azacitidin plus optimale unterstützende Massnahmen («best supportive care»; BSC) (n = 179) wurden mit konventionellen Therapien («conventional care regimens»; CCR) verglichen. CCR bestand aus BSC alleine (n = 105), niedrig dosiertem Cytarabin plus BSC (n = 49) oder einer Standard-Induktions-Chemotherapie plus BSC (n = 25). Die Patienten wurden vor der Randomisierung für eine der 3 CCR vorselektiert. Patienten, die nicht in den Azacitidin-Arm randomisiert wurden, erhielten diese vorselektierte Therapie. Azacitidin wurde subkutan in einer Dosierung von 75 mg/m2 täglich für 7 Tage, gefolgt von einer Behandlungspause von 21 Tagen (Zyklusintervall 28 Tage), über median 9 Zyklen (1-39) bzw. im Durchschnitt 10,2 Zyklen angewendet. Das mediane Alter betrug 69 Jahre (38-88 Jahre).
Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben. Die ITT-Analyse mit 358 Patienten (179 Azacitidin; 179 CCR) zeigte für die Therapie mit Azacitidin ein medianes Überleben von 24,46 Monaten gegenüber 15,02 Monaten bei der Behandlung mit CCR entsprechend einem Unterschied von 9,4 Monaten (p-Wert = 0,0001). Die entsprechende Hazard-Ratio betrug 0,58 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,43; 0,77). Die Zwei-Jahres-Überlebensraten betrugen 50,8% im Azacitidin Arm gegenüber 26,2% im CCR Arm (p <0,0001). Ein Überlebensvorteil für Azacitidin zeigte sich für jede der im Kontrollarm verwendeten CCR-Alternative.
Eine Analyse zytogenetischer Subgruppen nach IPSS (günstige, intermediäre, schlechte Zytogenetik, einschliesslich Monosomie 7) zeigte vergleichbare Befunde im Hinblick auf das mediane Gesamtüberleben.
Analysen der Alterssubgruppen zeigten für alle Gruppen (<65 Jahre, ≥65 Jahre und ≥75 Jahre) einen Anstieg des medianen Gesamtüberlebens.
Die mediane Zeit bis zum Tod oder bis zur Transformation in eine AML war im Azacitidin Arm 13 Monate gegenüber 7,6 Monaten im CCR Arm; Benefit 5,4 Monate, p-Wert = 0,0025.
Unter Azacitidin nahm der Bedarf an Erythrozyten- und Thrombozytentransfusionen ab. Von den Patienten in der Azacitidin-Gruppe, die zu Beginn von Erythrozytentransfusionen abhängig waren, wurden 45,0% im Behandlungsverlauf transfusionsunabhängig gegenüber 11,4% der Patienten in den CCR-Gruppen (p <0,0001; [95%-KI; 22,4; 44,6]). Bei den Patienten, die von Erythrozytentransfusionen unabhängig wurden, betrug die mediane Dauer der Transfusionsunabhängigkeit 13 Monate in der Azacitidin-Gruppe.
Die vom Prüfarzt bestimmte Gesamtansprechrate (komplette und partielle Remission) war 29% im Azacitidin Arm und 12% im CCR Arm (p = 0,0001). Das vom IRC (Independent Review Committee, IRC) bestimmte Gesamtansprechen betrug 7% (12/179) im Azacitidin Arm im Vergleich zu 1% (2/179) im CCR Arm (p = 0,0113). Der Unterschied in der Beurteilung gründet darin, dass der IRC die Kriterien der International Working Group (IWG) anwandte, welche eine Verbesserung der Zellzahlen im peripheren Blut über einen Zeitraum von mindestens 56 Tagen erfordern. Einen Überlebensvorteil konnten auch Patienten ohne komplette/partielle Remission erreichen. Eine (bedeutende oder geringe) hämatologische Verbesserung erreichten gemäss IRC 49% der Patienten im Azacitidin Arm verglichen mit 29% im CCR Arm.
Von den Patienten, die zu Studienbeginn eine oder mehrere zytogenetische Anomalien aufwiesen, war der Prozentanteil mit einem bedeutenden zytogenetischen Ansprechen in den zwei Armen vergleichbar. Ein geringes zytogenetisches Ansprechen war im Azacitidin Arm (34%) häufiger verglichen mit dem CCR Arm (10%).
Sicherheit und Wirksamkeit bei älteren Patienten
Ältere Patienten mit AML (>30% Knochenmarksblasten)
AZA-AML-001
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Azacitidin wurde in einer internationalen, multizentrischen, kontrollierten, Phase 3 Studie mit offenen randomisierten Parallelgruppendesign bei Patienten 65-jährig und älter mit neu diagnostizierten denovo oder sekundärer AML mit >30% Knochenmarksblasten gemäss WHO-Klassifikation, welche nicht für eine HSZT in Fragen kommen, untersucht. Zu den Einschlusskriterien zählten ein ECOG Performance-Status von 0 – 2 und Intermediate-Risk bis Poor-Risk zytogenetische Anomalien.
Azacitidin plus «best supportive care» (BSC) (n = 241) wurden mit CCR (n = 247) verglichen. CCR bestand aus BSC alleine (n = 45), niedrig dosiertem Cytarabin plus BSC (n = 158) oder einer Standard-Intensivchemotherapie plus BSC (n = 44). Die Patienten wurden vor der Randomisierung von ihrem Arzt für eine der drei «conventional care regimens» (CCR) ausgewählt. Patienten, die nicht in den Azacitidin-Arm randomisiert wurden, erhielten diese vorab ausgewählte Therapie. Azacitidin wurde in einer Dosierung von 75 mg/m2 SC täglich für 7 Tage, gefolgt von einer Behandlungspause von 21 Tagen (28-tägiger Behandlungszyklus), über eine mediane Anzahl von 6 Zyklen (Spannbreite: 1 bis 28) verabreicht.
Das mediane Alter der Studienteilnehmer betrug 75 Jahre (Spannbreite: 64 bis 91 Jahre), dabei waren 54,3% der Studienteilnehmer ≥75 Jahre alt.
Der primäre Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben (OS).
In der ITT-Analyse mit insgesamt 488 Patienten (241 Azacitidin und 247 CCR) führte die Behandlung mit Azacitidin zu einem medianen Überleben von 10,4 Monaten gegenüber 6,5 Monaten bei der Behandlung mit CCR. Dies entspricht einer klinisch relevanten Verbesserung von 3,8 Monaten, mit einem stratifizierten log-rank-Test p-Wert= für das Gesamtüberlegen von 0,1009 (two-sided). Die entsprechende Hazard-Ratio für den Therapieeffekt betrug 0,85 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,69; 1,03). Die Ein-Jahres-Überlebensraten betrugen 46,5% bei Patienten unter Azacitidin gegenüber 34,3% bei Patienten unter CCR.
In allen vorab definierten Subgruppen gab es einen einheitlichen Trend zu einem Gesamtüberlebensvorteil zugunsten von Azacitidin.
Das mediane Gesamtüberleben war länger in der mit Azacitidin behandelten Patientengruppe im Vergleich zu den Patienten, die optimale unterstützende Massnahmen (5,8 gegenüber 3,7 Monate; p = 0,0288) oder niedrig dosiertes Cytarabin (11,2 gegenüber 6,4 Monate; p = 0,4270) erhielten. Das Gesamtüberleben war ähnlich wie in der intensiv Chemotherapie-Gruppe (13,3 gegenüber 12,2 Monate; p = 0,5032).
Wirksamkeit bei pädiatrischen Patienten
Die Wirksamkeit bei pädiatrischen Patienten wurde nicht nachgewiesen.
Bei der Studie AZA-JMML-001 handelte es sich um eine internationale, multizentrische, offene Phase-2-Studie zur Untersuchung der Pharmakokinetik, Pharmakodynamik, Sicherheit und Aktivität von Azacitidin vor einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSCT) bei insgesamt 28 pädiatrischen Patienten (im Alter von 1 Monat bis zu unter 18 Jahren; 71% männlich) mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenem Myelodysplastischem Syndrom (MDS). Die Patienten (MDS=10) wurden mit intravenösem Azacitidin 75 mg/m2 täglich an den Tagen 1 bis 7 eines 28-tägigen Therapiezyklus für mindestens 3 und maximal 6 Therapiezyklen behandelt. Das primäre Ziel der klinischen Studie war die Bewertung der Wirkung von Azacitidin auf die Ansprechrate bei Zyklus 3, Tag 28.
Die Aufnahme in den MDS-Studienarm wurde nach 10 MDS-Patienten aufgrund mangelnder Wirksamkeit abgebrochen.
Aufgrund des Studiendesigns sowie der kleinen Patientenzahl ist die Evidenzlage stark limitiert.
Bei der Studie AZA-AML-004 handelte es sich um eine multizentrische, offene Phase-2-Studie zur Untersuchung der Sicherheit, Pharmakodynamik und Wirksamkeit von Azacitidin im Vergleich zu keiner Behandlung bei Kindern und jungen Erwachsenen mit AML bei molekularem Rezidiv nach erster vollständigen Remission (CR1). 7 Patienten (mittleres Alter 6,7 Jahre (zwischen 2 bis 12 Jahren); 71,4% männlich) wurden mit intravenösem Azacitidin 100 mg/m2 täglich an den Tagen 1 bis 7 eines 28-tägigen Therapiezyklus für maximal 3 Therapiezyklen behandelt. Das primäre Ziel des Sicherheits-Run-In Teils der Studie bestand darin, eine sichere und verträgliche Dosis Azacitidin für den randomisierten Teil der Studie festzulegen.
Aufgrund der geringen Patientenzahl kann die Wirksamkeit von Azacitidin bei pädiatrischer AML nicht beurteilt werden.
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