Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L01EE03
Pharmakotherapeutische Gruppe: antineoplastische Mittel, Proteinkinaseinhibitor.
Wirkungsmechanismus/Pharmakodynamik
Wirkungsmechanismus
Binimetinib ist ein oral verfügbarer, mit ATP nicht konkurrierender, reversibler Inhibitor der Aktivierung der Mitogen-aktivierten, über extrazelluläre Signale regulierten Kinasen 1 (MEK1) und 2 (MEK2). In einem zellfreien System hemmt Binimetinib MEK1 und MEK2 mit halb-maximalen inhibitorischen Konzentrationen (IC50) von 12-46 nM. MEK-Proteine sind Upstream-Regulatoren des ERK-Signalübertragungswegs (ERK = durch extrazelluläre Signale regulierte Kinase), der die Zellproliferation fördert. In vitro blockiert Binimetinib wirkungsvoll die MEK-abhängige Phosphorylierung von ERK in menschlichen Melanom-Zelllinien mit der NRAS- und BRAF-Mutation und hemmt dadurch signifikant die Proliferation und Lebensfähigkeit dieser Zelllinien. In vivo wurde die hemmende Wirkung von Binimetinib auf die Phosphorylierung von ERK und das Tumorwachstum in zahlreichen Xenograftmodellen an Nacktmäusen untersucht.
Binimetinib in Kombination mit Encorafenib
Binimetinib und Encorafenib (ein BRAF-Inhibitor, siehe «Wirkungsmechanismus/Pharmakodynamik» der Fachinformation von Encorafenib) hemmen beide den MAP-Kinase-Signalweg, was zu einer höheren Antitumor-Aktivität führt im Vergleich zu einer Behandlung mit einer der beiden Substanzen alleine.
Kardiale Elektrophysiologie
In der Sicherheitsanalyse der gepoolten Studien betrug die Häufigkeit einer neu auftretenden QTcF-Verlängerung >500 ms 1,1 % (4/363) in der Combo-450-ISP (n = 372) und 2,5 % (5/203) in der Encorafenib-Monotherapie-Gruppe von Patienten mit Melanomen. Eine QTcF-Verlängerung um > 60 ms im Vergleich zu Werten vor Behandlungsbeginn wurde bei 6,0 % (22/364) der Patienten in der Combo-450-ISP und bei 3,4 % (7/204) in der Encorafenib plus Binimetinib und bei 3,4% (7/204) in der Encorafenib-Monotherapie-Gruppe beobachtet.
Bitte beachten Sie die Warnhinweise bezüglich QTc-Verlängerung in der Fachinformation von Encorafenib.
Klinische Wirksamkeit
Nicht-resezierbares oder metastasiertes Melanom mit BRAF-V600-Mutation
Die Wirksamkeit von Binimetinib in Kombination mit Encorafenib wurde in einer randomisierten, wirkstoffkontrollierten, offenen, multizentrischen Phase-III-Studie (Studie CMEK162B2301) an Patienten mit nicht-resezierbarem oder metastasiertem Melanom mit BRAF-V600E oder -K-Mutation beurteilt, die mittels BRAF-Assay festgestellt wurden. Die Patienten hatten ein histologisch bestätigtes kutanes Melanom oder ein histologisch bestätigtes Melanom mit unbekanntem Primärtumor; Patienten mit Aderhaut- oder Schleimhautmelanom waren von der Studienteilnahme ausgeschlossen worden. Eine vorherige adjuvante Therapie und eine vorherige Immuntherapielinie zur Behandlung der nicht-resezierbaren, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Erkrankung waren zulässig. Eine vorherige Behandlung mit BRAF-/MEK-Inhibitoren war nicht zulässig.
Die Patienten erhielten in der Studie randomisiert (1:1:1) entweder Binimetinib 45 mg oral zweimal täglich plus Encorafenib 450 mg oral einmal täglich (Combo 450, n = 192), Encorafenib 300 mg oral einmal täglich (Enco 300, n = 194) oder Vemurafenib 960 mg oral zweimal täglich (Vem, n = 191). Die Behandlung wurde bis zur Krankheitsprogression bzw. bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität fortgesetzt.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war das durch ein verblindetes, unabhängiges Expertenkomitee (BIRC) beurteilte progressionsfreie Überleben (PFS) unter Combo 450 im Vergleich zu Vemurafenib. Die Beurteilung des PFS durch die Prüfärzte (Prüfarztbewertung) stellte eine unterstützende Analyse dar. Weitere sekundäre Endpunkte innerhalb der hierarchischen Testsequenz (s. u.) waren u.a. das PFS unter Combo 450 verglichen mit Enco 300 sowie das Gesamtüberleben (OS) unter Combo 450 verglichen mit Vemurafenib. Die objektive Ansprechrate (ORR) und die Ansprechdauer (DoR) beurteilt durch das BIRC und mittels lokaler Prüfung waren weitere sekundäre Endpunkte; diese waren jedoch nicht Teil der hierarchischen Testsequenz.
Die Randomisierung wurde nach AJCC (American Joint Committee on Cancer) -Stadium (IIIB, IIIC, IVM1a oder IVM1b vs. IVM1c) und Allgemeinzustand gemäss Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG PS) (0 vs. 1) sowie nach vorheriger Immuntherapie der nicht-resezierbaren oder metastasierten Erkrankung (Ja vs. Nein) stratifiziert.
Das mediane Alter der Patienten betrug 56 Jahre (Spanne: 20-89), 58% waren männlich, 90% waren kaukasischer Abstammung und bei 72% war der ECOG PS-Ausgangswert 0. Die meisten Patienten hatten eine metastasierte Erkrankung (95%) und befanden sich im Stadium IVM1c (64%); 27% der Patienten wiesen erhöhte LDH (Laktatdehydrogenase)-Ausgangswerte im Serum auf, bei 45% waren zur Baseline ≥3 Organe vom Tumor befallen und bei 3,5% lagen Hirnmetastasen vor. 27 (5%) der Patienten hatten zuvor Checkpoint-Inhibitoren (Anti-PD1/PDL1 oder Ipilimumab) erhalten; die Häufigkeit war zwischen den drei Studienarmen ähnlich.
Zum Zeitpunkt der Primäranalyse (Stichtag: 19. Mai 2016) zeigten die Wirksamkeitsergebnisse auf der Grundlage einer Bewertung durch das BIRC eine statistisch signifikante Verlängerung des PFS unter Combo 450 gegenüber Vemurafenib [medianes PFS 14,9 Monate (95% KI 11,0; 18,5) vs. 7,3 Monate (95% KI 5,6; 8,2) für die Arme Combo 450 bzw. Vemurafenib; HR 0,54 (95% KI 0,41; 0,71); p-Wert (ein-seitiger stratifizierter Log-Rang-Test) <0,0001].
Patienten, die mit Combo 450 behandelt wurden, wiesen im Vergleich zu den mit Vemurafenib behandelten Patienten auch eine Zunahme der anderen Wirksamkeitsmasse auf, einschliesslich der Gesamtansprechrate nach BIRC [63,0% (95% KI 55,8; 69,9) vs. 40,3% (95% KI 33,3; 47,6)], und der medianen DoR nach BIRC 16,6 Monate [(95% KI 12,2; 20,4) vs. 12,3 Monate (95% KI: 6,9; 16,9)].
Patienten, die mit Combo 450 behandelt wurden, hatten ebenfalls ein längeres medianes PFS nach BIRC im Vergleich zu Patienten, die mit der Encorafenib-Monotherapie behandelt wurden [medianes PFS 14,9 vs. 9,6 Monate; HR 0,75 (95% KI 0,56; 1,00); p-Wert (ein-seitiger stratifizierter Log-Rang-Test) = 0,0256]. Aufgrund der hierarchischen Testsequenz und weil der PFS-Vergleich zwischen Combo 450 und der Encorafenib-Monotherapie keine statistische Signifikanz erreichte, sind alle nachfolgenden Vergleiche deskriptiver Natur.
Eine Interim-OS-Analyse der Studie CMEK162B2301 (Stichtag: 07. November 2017) zeigte eine Verbesserung des OS für Combo 450 im Vergleich zu Vemurafenib mit einer geschätzten 39%igen Verringerung des Todesrisikos für Patienten, die mit Combo 450 behandelt wurden zu denjenigen, die mit Vemurafenib behandelt wurden [HR 0,61 (95% KI 0,47; 0,79)], mit medianen OS-Werten von 33,6 Monaten (95% KI 24,4; 39,2) und 16,9 Monaten (95% KI 14,0; 24,5). Die Schätzungen der OS-Raten nach 12 und 24 Monaten betrugen: 75,5% (95% KI 68,8; 81,0) und 57,6% (95% KI 50,3; 64,3) für Combo 450; 63,1% (95% KI 55,7; 69,6) und 43,2% (95% KI 35,9; 50,2) für Vemurafenib.
Ein ähnlicher Anteil der Patienten in jedem Behandlungsarm erhielt eine Nachfolgetherapie mit Checkpoint-Inhibitoren, hauptsächlich Pembrolizumab, Nivolumab und Ipilimumab (34,4% Combo 450-Arm, 36,1% Encorafenib-Arm, 39,8% Vemurafenib-Arm).
Die finale OS-Analyse der Studie CMEK162B2301 (Stichtag: 31. März 2023) stimmte mit den Ergebnissen der Zwischenanalyse überein [HR 0,67 (95% KI: 0,53; 0,84) mit einem medianen Gesamtüberleben von 33,6 Monaten (95% KI: 24,4; 39,2) gegenüber 16,9 Monaten (95% KI: 14,0; 24,5)]; die Anzahl der Ereignisse am Stichtag betrug 72,4% im Combo 450-Arm und 77% im Vemurafenib-Arm. Patienten im Encorafenib-Arm erreichten zum Zeitpunkt der finalen OS-Analyse ein medianes Gesamtüberleben von 23,5 Monaten (95% KI: 19,6; 33,6); die Anzahl der Ereignisse am Stichtag betrug 64.4%.
BRAF-V600E-mutiertes metastasiertes nicht-kleinzellige Lungenkarzinom - Studie ARRAY 818 202
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Binimetinib in Kombination mit Encorafenib wurde in einer offenen, multizentrischen, nicht vergleichenden Phase-II-Studie untersucht (Studie ARRAY-818-202, PHAROS). Die Patienten mussten ein histologisch bestätigtes metastasiertes nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC) mit einer BRAF-V600E-Mutation, einen ECOG-Performance Status von 0 oder 1 und eine messbare Erkrankung aufweisen. Die Patienten hatten 0 oder 1 vorherige systemische Therapie in der metastasierten Situation erhalten. Die vorherige Anwendung von BRAF-Inhibitoren oder MEK-Inhibitoren war nicht erlaubt.
Patienten wurden auf der Grundlage der Bestimmung einer BRAF-V600E-Mutation in Tumorgewebe oder Blut (z.B. ctDNA-Gentest) durch ein lokales Labor eingeschlossen. Die zentrale Bestätigung des BRAF-V600E-Mutationsstatus (d.h. jede Kurzvariante mit Proteineffekt V600E) wurde an archiviertem oder frischem Tumorgewebe durchgeführt, das bei der Aufnahme in die Studie entnommen wurde, und erfolgte mit dem FoundationOne CDx - F1CDx (Gewebe)-Test. Die analytische Sensitivität wurde durch die Studie zur Nachweisgrenze (Limit of Detection, LoD) für F1CDx unter Verwendung der Hit-Rate-Methode (definiert als die niedrigste Stufe mit einer Erkennungsrate von ≥95 %) bewertet, indem die Variantenallelhäufigkeit (VAF) für kurze Varianten ausgewertet wurde. Für F1CDx wurde der mediane LoD für Substitutionen auf 3,2 % VAF festgelegt.
Insgesamt wurden 98 Patienten in die Studie aufgenommen und mit Binimetinib 45 mg oral zweimal täglich und Encorafenib 450 mg oral einmal täglich behandelt. Die Behandlung wurde bis zum Fortschreiten der Krankheit oder bis zum Auftreten inakzeptabler Toxizität fortgesetzt. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die objektive Ansprechrate (ORR) und wurde gemäss RECIST v1.1 von einem unabhängigen radiologischen Gutachter (IRR) bewertet. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Dauer des Ansprechens (DoR), die Krankheitskontrollrate (DCR), das PFS und das OS. Die Ergebnisse der primären Analyse mit einer medianen Nachbeobachtungszeit für PFS pro IRR von 18,2 Monaten für therapienaive und 12,8 Monaten für vorbehandelte Patienten werden im Folgenden vorgestellt.
Von den 98 Patienten, die in diese Studie aufgenommen wurden, waren 59 (60,2 %) therapienaiv. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 70 Jahren (47-86), 53 % waren weiblich, 88 % waren weiss und 30 % hatten nie geraucht. 74 % hatten zu Beginn der Studie einen ECOG-Performance-Status von 1 (67,8 % der Teilnehmer in der Gruppe der therapienaiven Patienten und 82,1 % in der Gruppe der bereits behandelten Patienten hatten zu Beginn der Studie einen PS 1). Alle Patienten hatten eine metastasierte Erkrankung, von denen 8 % bei Studienbeginn Hirnmetastasen aufwiesen und 97 % ein Adenokarzinom hatten.
Zum Zeitpunkt der Primäranalyse betrug die mediane Dauer der Exposition 15,1 Monate bei therapienaiven Patienten und 5,4 Monate bei zuvor behandelten Patienten. In der Gesamtpopulation betrug die mediane relative Dosisintensität (RDI) 95,4 % für Binimetinib und 99,2 % für Encorafenib. Zum Zeitpunkt der Primäranalyse lag der primäre Endpunkt der IRR-bewerteten ORR in der therapienaiven Population bei 74,6 % (95 %-KI: 61,6; 85,0), einschliesslich 9 (15,3 %) CR (complete response) und 35 (59,3 %) PR (partial responses). Die untere Grenze des 95 %-KI der ORR lag bei > 39 % und erfüllte den im Prüfplan festgelegten primären Endpunkt.
Die ORR nach IRR in der zuvor behandelten Population betrug 46,2 % (95 % KI: 30,1; 62,8), darunter 4 (10,3 %) CR und 14 (35,9 %) PR.
Die aktualisierten Ergebnisse mit einer zusätzlichen 10-monatigen Nachbeobachtungszeit (mediane Dauer der Exposition von 16,3 Monaten bei nicht behandelten Patienten und 5,5 Monaten bei zuvor behandelten Patienten) sind in Tabelle 6 aufgeführt.
Tabelle 6: Studie ARRAY-818-202: Ergebnisse zur Wirksamkeit
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Binimetinib mit Encorafenib
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Therapienaiv (N=59)
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Zuvor behandelt (N=39)
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ORR per IRR
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ORR, % (95% KI)
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75% (62: 85)
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46% (30; 63)
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CR, %
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15%
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10%
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PR, %
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59%
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36%
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DoR per IRR
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N=44
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N=18
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Median DoR, Monate (95% KI)
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40,0 (23,1; NE)*
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16,7 (7,4; NE)*
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% with DoR ≥12 Monate
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64%
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44%
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* Die Ergebnisse einer Sensitivitätsanalyse, bei der neben Progression und Tod auch eine neue Krebstherapie als Ereignis berücksichtigt wurde, betragen 23,1 Monate bei therapienaiven Patienten (14,8; NE) und 12,0 Monate (6,3; NE) bei bereits behandelten Patienten.
N = Anzahl der Patienten; ORR = Objektive Ansprechrate; CI = Konfidenzintervall; CR = komplette Remission; PR = partielle Remission; DoR = Dauer des Ansprechens; IRR= Unabhängige radiologische Untersuchung; NE = nicht abschätzbar
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