Eigenschaften/WirkungenATC-Code
A16AA04
Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel.
Wirkungsmechanismus, Pharmakodynamik
Mercaptamin ist das einfachste stabile Aminothiol und ein Abbauprodukt der Aminosäure Cystein. Mercaptamin ist in den Lysosomen an einer Thiol-Disulfid-Austauschreaktion beteiligt, bei der Cystin in Cystein und ein gemischtes Cystein-Mercaptamin-Disulfid umgewandelt wird, die bei Patienten mit Cystinose beide aus den Lysosomen austreten können.
Die Leukozyten gesunder Personen und von Personen, die für Cystinose heterozygot sind, haben einen Cystingehalt von unter 0,2 bzw. normalerweise unter 1 nmol Hemicystin/mg Protein (bei Bestimmung mittels Leukozytengemisch-Assay). Bei Personen mit Cystinose liegt der leukozytäre Cystingehalt dagegen bei über 2 nmol Hemicystin/mg Protein.
Bei diesen Patienten wird der leukozytäre Cystingehalt überwacht, um zu überprüfen, ob die Dosierung angemessen ist. Dabei wird bei einer Behandlung mit Procysbi die Konzentration 30 Minuten nach der Einnahme bestimmt.
Klinische Wirksamkeit
In einer zulassungsrelevanten, randomisierten Cross-Over-Studie der Phase III zur Pharmakokinetik und Pharmakodynamik (die darüber hinaus die erste randomisierte Studie mit Mercaptaminbitartrat mit sofortiger Freisetzung überhaupt war), deren primärer Endpunkt der Vergleich der intraleukozytären Cystinspiegel (gemessen in nmol Hemicystin/mg Gesamtprotein) war, wurden bei Patienten, die Procysbi alle 12 Stunden (Q12H) erhielten, im Steady-State vergleichbare leukozytäre Cystingehalte erreicht wie bei Patienten, die Mercaptaminbitartrat mit sofortiger Freisetzung alle 6 Stunden (Q6H) erhielten. 43 Patienten mit Cystinose und erhaltener Nierenfunktion auf Basis geschätzter glomerulärer Filtrationsrate (GFR, korrigiert hinsichtlich der Körperoberfläche) >30 ml/min/1,73 m2 wurden randomisiert; davon waren 27 Patienten Kinder (im Alter von 6 bis 12 Jahren), 15 waren Jugendliche (im Alter von 12 bis 21 Jahren) und ein Patient war erwachsen. Von diesen 43 Patienten traten am Ende der ersten Crossover-Phase 2 Geschwister aus der Studie aus, da bei einem der beiden eine zuvor geplante Operation durchgeführt wurde. 41 Patienten schlossen die Studienbehandlung ab. 2 Patienten wurden aus der Per-Protokoll-Analyse ausgeschlossen, da ihr leukozytärer Cystingehalt während der Phase der Behandlung mit Mercaptamin mit sofortiger Freisetzung auf über 2 nmol Hemicystin/mg Protein anstieg. 39 Patienten wurden bei der abschliessenden primären Per-Protokoll-Wirksamkeitsanalyse berücksichtigt. Insbesondere in Bezug auf den intraleukozytären Cystinspiegel zeigte Procysbi bei der Analyse der Per-Protokoll-Population (primärer Endpunkt) eine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Mercaptamin mit sofortiger Freisetzung.
Per-Protokoll-(PP)-Population (N = 39)
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Mercaptaminbitartrat mit sofortiger Freisetzung
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PROCYSBI
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Intraleukozytärer Cystingehalt (LS-Mittelwert ± SE) in nmol Hemicystin/mg Protein*
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0,44 ± 0,05
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0,51 ± 0,05
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Behandlungseffekt (LS-Mittelwert ± SE; 95,8%-KI; p-Wert)
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0,08 ± 0,03; 0,01 bis 0,15; <0,0001
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Alle auswertbaren Patienten (ITT-Population) (N = 41))
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Mercaptaminbitartrat mit sofortiger Freisetzung
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PROCYSBI
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Intraleukozytärer Cystingehalt (LS-Mittelwert ± SE) in nmol Hemicystin/mg Protein*
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0,74 ± 0,14
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0,53 ± 0,14
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Behandlungseffekt (LS-Mittelwert ± SE; 95,8-%-KI; p-Wert)
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-0,21 ± 0,14; -0,48 bis 0,06; <0,001
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* bei Bestimmung mittels Leukozytengemisch-Assay
40 von 41 Patienten, die die Phase III-Zulassungsstudie abschlossen, wurden in eine prospektive Studie mit Procysbi aufgenommen, die so lange durchgeführt wurde, wie Procysbi nicht vom behandelnden Arzt der Patienten verschrieben werden konnte. In dieser Studie war der intraleukozytäre Cystinwert (bei Bestimmung mittels Leukozytengemisch-Assay) im Durchschnitt immer unter optimaler Kontrolle bei <1 nmol Hemicystin/mg Protein. Die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) der Studienpopulation änderte sich im Zeitverlauf nicht.
Multicenter, offene klinische Studie mit Mercaptamin-naiven Patienten unter 6 Jahren.
Eine klinische Studie mit Procysbi (Studie RP103-08; NCT01744782) wurde an 17 Patienten mit bestätigter nephropathischer Cystinose durchgeführt, die nie eine Mercaptamin-basierte Therapie erhalten hatten (15 Patienten im Alter von 1-5 Jahren, ein 9-jähriger und ein 22-jähriger Patient). Die anfängliche Dosis von Procysbi betrug 1/4 der 1 g/m2/Tag Erhaltungsdosis und diese Dosis wurde schrittweise alle 2 Wochen um 10% erhöht. Intraleukozytäre Cystinkonzentrationen wurden 30 Minuten nach der morgendlichen Dosis erhalten und alle 2 Monate gemessen, bis die intraleukozytäre Cystinkonzentration des Patienten (bei Bestimmung mittels Leukozytengemisch-Assay) <1 nmol ½ Cystin/mg Protein betrug. Die Behandlungsdauer betrug mindestens 12 Monate.
14 der 15 Patienten im Alter von 1 bis 6 Jahren absolvierten 12 Monate der Behandlung und 10 Patienten 18 Monate der Behandlung. 13 der 14 Patienten erreichten ihre höchste tägliche Gesamtdosis von Procysbi nach 9 Monaten (9 Monate für 8 Personen, 12 Monate für 4 Personen und 18 Monate für 1 Person).
Bei einigen Patienten wurden nicht bei jedem Besuch intraleukozytäre Cystinproben entnommen oder die Ergebnisse waren aufgrund von Laborfehlern nicht verfügbar. Daher variierte die Anzahl der Patienten mit verfügbaren intraleukozytären Cystin-Daten von einem Messzeitpunkt zum anderen. Bei Patienten mit fehlenden Proben wurde die Dosiserhöhung fortgesetzt, wenn die zuletzt gemeldete intraleukozytäre Cystinkonzentration für den Patienten >1 nmol ½ Cystin/mg Protein betrug.
Bei Patienten im Alter von 1 bis 6 Jahren betrug die mittlere Konzentration (±SE) von intraleukozytärem Cystin am 1. Tag, 30 Minuten nach der ersten Dosis, 3,17 ± 2,95 nmol ½ Cystin/mg Protein (n=15 Patienten). Nach 12 Monaten betrug die durchschnittliche intraleukozytäre Cystinkonzentration 0,80 ± 0,60 nmol ½ Cystinprotein/mg 30 Minuten nach der Verabreichung. Nach 18 Monaten betrug die mittlere intraleukozytäre Cystinkonzentration 0,74 ± 0,64 nmol ½ Cystinprotein/mg 30 Minuten nach der Verabreichung.
Bei Patienten im Alter von 1 bis 6 Jahren betrugen die mittleren Gewichtsperzentile (± SE) am ersten Tag (n = 14), nach 12 Monaten (n = 13) und 18 Monaten (n = 10) respektive 3,5 ± 11,1; 11,9 ± 18,3 und 30,1 ± 28,2 und die z-Werte des Patientengewichts waren -4,0 ± 2,1; -2,2 ± 1,7 und -1,3 ± 2,0. Bei den gleichen Patienten wurden ähnliche Trends bei der Körperrösse beobachtet.
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