Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L01FX14
Wirkungsmechanismus
Polatuzumab vedotin ist ein gegen CD79b gerichtetes Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das bevorzugt ein starkes Antimitotikum (Monomethylauristatin E bzw. MMAE) an B-Zellen abgibt. Das Polatuzumab vedotin-Molekül besteht aus MMAE, das über einen spaltbaren Linker kovalent an einen humanisierten monoklonalen Immunglobulin-G1-Antikörper gebunden ist. Der monoklonale Antikörper bindet mit hoher Affinität und Selektivität an CD79b, eine Zelloberflächenkomponente des B-Zell-Rezeptors. Die Expression von CD79b ist auf normale Zellen innerhalb der B-Zell-Linie (mit Ausnahme von Plasmazellen) und auf maligne B-Zellen beschränkt. Es wird bei > 95% der DLBCL-Patienten exprimiert. Nach der Bindung an CD79b wird Polatuzumab vedotin internalisiert, und der Linker wird durch lysosomale Proteasen gespalten, was eine intrazelluläre Abgabe von MMAE ermöglicht. MMAE bindet an Mikrotubuli und tötet sich teilende Zellen, indem es die Zellteilung hemmt und Apoptose induziert.
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von Polivy plus BR wurde in einer internationalen, multizentrischen, offenen Phase 1b/2 Studie (GO29365) bewertet, die zwei randomisierte Kohorten (je n = 40) und zwei Extensionskohorten (n = 42 und n = 64) von Patienten mit vorbehandeltem DLBCL einschloss.
In der randomisierten Kohorte erhielten die mit Polivy in Kombination mit Bendamustin und Rituximab behandelten Patienten eine flüssige Formulierung von Polivy. In den Extensionskohorten erfolgte die Behandlung mit der im Handel erhältlichen lyophilisierten Formulierung von Polivy.
In Frage kommende Patienten waren keine Kandidaten für eine autologe hämatopoietische Stammzelltransplantation (HSCT). Die häufigsten Gründe dafür waren Alter (42%), ungenügendes Ansprechen auf salvage Therapie (27%) und Therapieversagen nach früherer HSCT (16%). Die Patienten hatten eine rezidivierte oder refraktäre Erkrankung nach Erhalt von mindestens einer vorgängigen systemischen Chemotherapie. Ein Patient hatte eine vorgängige CAR-T-Zell Therapie erhalten. Patienten mit vorgängiger allogener HSCT, zentralnervösem Lymphom, transformiertem follikulärem Lymphom (FL) und FL Grad 3b waren von der Teilnahme an der Studie ausgeschlossen.
Polivy wurde an Tag 2 von Zyklus 1 und an Tag 1 der Zyklen 2 bis 6 intravenös mit 1,8 mg/kg verabreicht. Bendamustin wurde täglich an den Tagen 2 und 3 von Zyklus 1 und an den Tagen 1 und 2 der Zyklen 2 bis 6 intravenös mit 90 mg/m2 verabreicht. Rituximab wurde am Tag 1 der Zyklen 1 bis 6 intravenös mit 375 mg/m2 verabreicht.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Rate der vollständigen Remissionen (Complete Remission, CR) zum Behandlungsende (6-8 Wochen nach Tag 1 des Zyklus 6 oder der letzten Studienbehandlung) nach Beurteilung durch das unabhängige Prüfkomitee (Independent Review Committee, IRC). Die Ergebnisse zur Wirksamkeit sind in Tabelle 5 zusammengefasst.
Randomisierte Kohorten und Extensionskohorten
In den 1:1 randomisierten Kohorten (n = 80) betrug das mediane Alter 69 Jahre (Bereich: 30 bis 86 Jahre), 66 % der Patienten waren männlich. In den Extensionskohorten (n = 106) betrug das mediane Alter 70 Jahre (Bereich: 24 bis 94 Jahre), 49 % waren männlich. Die Mehrheit der Patienten hatte ein nicht anderweitig spezifiziertes DLBCL (98 % in der randomisierten Kohorte bzw. 91 % in den Extensionskohorten). Im Hinblick auf die Ursprungszelle wiesen 48 % der Patienten ein ABC-DLBCL (activated B-cell-like) und 40 % ein GCB-DLBCL (germinal centre B-cell-like) auf. Die mediane Zahl vorgängiger Therapien betrug in beiden Kohorten 2 (Bereich: 1 bis 7). Der Anteil der Patienten mit refraktärer Erkrankung zur vorhergehenden Therapielinie betrug 70.5%. Drei oder mehr vorgängige Therapien hatten 41.1% der Patienten erhalten.
Tabelle 5: Zusammenfassung der Wirksamkeit bei Patienten mit vorbehandeltem DLBCL aus Studie GO29365*
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Bendamustin + Rituximab N = 40
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Polivy + Bendamustin + Rituximab N = 40
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Polivy + Bendamustin + Rituximab N = 106
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Randomisierte Kohorten
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Extensionskohorten
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Mediane Beobachtungszeit
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42 Monate
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9,7 Monate
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Primärer Endpunkt
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* (IRC-bewertet) zum Behandlungsende**
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Patienten mit CR (%)
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7 (17,5)
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16 (40,0)
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42 (39,6)
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p-Wert‡ (deskriptiv***)
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0,0261
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-
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Weitere Endpunkte
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Gesamtüberleben
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Zahl (%) der Patienten mit Ereignis
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29 (72,5)
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26 (65,0)
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51 (48,1)
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Medianes OS (95 % KI), Monate HR [95 % KI]
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4,7 (3,7, 8,3)
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12,4 (9,0, 32)
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11,0 (8,3, 14,2)
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0,42 [0,24, 0,73]
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-
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12-Monats OS Rate (%) 95% CI
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23,8 (8,8, 38,8)
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51,9 (35,8, 67,9)
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Progressionsfreies Überleben (PFS) (IRC-bewertet)
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Zahl (%) der Patienten mit Ereignis
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32 (80,0)
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30 (75,0)
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64 (60,4)
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Medianes PFS (95 % KI), Monate
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3,7 (2,1, 4,5)
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9,2 (6,1, 13,9)
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6,1 (5,1, 8,0)
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HR [95 % CI]
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0,38 [0,22, 0,65]
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-
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12-Monats PFS Rate (%) 95% CI
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15,1 (3,0, 27,3)
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42,1 (26,4 57,8)
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Dauer des Ansprechens (DOR) (IRC bewertet)
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Anzahl der Responder in der Analyse (CR/PR)
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10 (25)
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25 (62,5)
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60 (56,6)
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Anzahl (%) der Responder mit Ereignis
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8 (80,0)
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17 (68,0)
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22 (36,7)
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Mediane DOR (95 % CI), Monate
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10,2 (4,0, 19,6)
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10,9 (5,7, 40,7)
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6,2 (5,4, 11,6)
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HR [95 % CI]
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0,60 [0,25, 1,43]
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-
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IRC: Independent Review Committee (Unabhängiges Prüfkomitee), KI: Konfidenzintervall, HR: Hazard Ratio; CMH: Cochran-Mantel-Haenszel; OS: Overall survival; PFS: progression free survival; DOR: Duration of response, CR: Complete Response, PR: Partial Response.
* Gemäss modifizierten Lugano-2014-Kriterien: Bestätigung des vollständigen Ansprechens erfordert PET-CT des Knochenmarks. Für partielles Ansprechen aufgrund eines PET-CT mussten sowohl die PET-CT-Kriterien als auch die CT-Kriterien erfüllt sein.
** 6-8 Wochen nach Tag 1 des 6. Zyklus oder letzte Behandlung im Rahmen der Studie.
*** CMH Chi-Quadrat-Test, Stratifizierung nach Dauer des Ansprechens auf eine frühere Therapie (≤12 Monate vs. >12 Monate).
‡ Deskriptiver p-Wert.
Weitere Informationen
Kardiale Elektrophysiologie
Ausgehend von den EKG-Daten aus zwei unverblindeten Studien bei Patienten mit vorgängig behandelten B-Zell Lymphomen hatte Polatuzumab vedotin in der empfohlenen Dosierung keine Verlängerung des mittleren QTc-Intervalls in einer klinisch relevanten Grössenordnung zur Folge.
Immunogenität
Wie bei allen therapeutischen Proteinen besteht auch bei Patienten unter Behandlung mit Polatuzumab vedotin die Möglichkeit einer Immunreaktion. Insgesamt 8 von 134 (6,0 %) Patienten wurden in allen Studienarmen (ohne Extensionskohorte) von GO29365 positiv auf anti-Polatuzumab vedotin-Antikörper zu einem oder mehreren Zeitpunkten nach Behandlungsbeginn getestet. In allen sieben klinischen Studien wurden 14 von 536 Patienten (2,6 %) zu einem oder mehreren Zeitpunkten nach Behandlungsbeginn positiv auf Antikörper gegen Polatuzumab vedotin getestet. Aufgrund der begrenzten Anzahl von Patienten, die positiv auf Antikörper gegen Polatuzumab vedotin waren, können keine Schlussfolgerungen hinsichtlich eines möglichen Einflusses der Immunogenität auf die Wirksamkeit oder Sicherheit gezogen werden.
Die Ergebnisse von Immunogenitätsassays hängen stark von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von der Sensitivität und Spezifität des Assays, der Assaymethodik, der Probenhandhabung, dem Zeitpunkt der Probenentnahme, den Begleitmedikamenten und der Grunderkrankung. Aus diesen Gründen kann der Vergleich der Inzidenz von Antikörpern gegen Polatuzumab vedotin mit der Inzidenz von Antikörpern gegen andere Präparate irreführend sein.
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