Eigenschaften/WirkungenATC-Code
C01EB17
Wirkungsmechanismus
Ivabradin ist ein rein herzfrequenzsenkender Wirkstoff, der eine selektive und spezifische Hemmung des If-Stromes bewirkt, welcher die spontane diastolische Depolarisation im Sinusknoten kontrolliert und die Herzfrequenz reguliert.
Die kardialen Wirkungen sind spezifisch für den Sinus-Knoten und haben weder Einfluss auf intra-atriale, atrioventrikuläre oder intraventrikuläre Überleitungszeiten noch auf die myokardiale Kontraktilität oder die ventrikuläre Repolarisation. In Modellversuchen bleibt die Anpassung der myokardialen Kontraktilität, des Herzensvolumen, der durchschnittlichen Koronarperfusion und der unter Belastung beobachteten Gefässwiderstände erhalten.
In Tierversuchsmodellen der Belastungsischämie, einer der Ursachen für Angor beim Menschen, konnten mit Ivabradin die Myokardischämie sowie die Störungen der myokardialen Kontraktilität signifikant verringert werden. Die myokardiale Kontraktilität wird mit Ivabradin schneller wiederhergestellt als bei der Behandlung mit Betablockern.
Pharmakodynamik
Die hauptsächliche pharmakodynamische Eigenschaft von Ivabradin beim Menschen ist eine spezifische Herzfrequenzsenkung. Bei den gewöhnlich empfohlenen Dosierungen sinkt die Herzfrequenz sowohl in der Ruhestellung als auch unter Belastung um rund 10 Schläge pro Minute (bpm). Dies führt zu einer Verringerung der Herzarbeit und des myokardialen Sauerstoffverbrauchs.
Eine durchschnittliche Reduzierung der Herzfrequenz um 20 ppm wurde mit einer Dosierung von 20 mg zweimal täglich erzielt, ohne dass hierbei Verträglichkeitsprobleme beobachtet wurden. Die Analyse der Herzfrequenzsenkung zeigt eine Tendenz zum Plateaueffekt bei hohen Dosierungen. Das Risiko einer schweren oder schlecht tolerierten Bradykardie ist somit sehr gering. Ivabradin hat keinen Einfluss auf die intrakardiale Erregungsleitung, die Kontraktilität (keine negativ inotrope Wirkung) oder die ventrikuläre Repolarisation:
·In klinischen elektrophysiologischen Studien hatte Ivabradin keinen Einfluss auf atrioventrikuläre oder intraventrikuläre Erregungsleitungszeiten oder korrigierte QT-Intervalle.
·Spezifische Studien an über hundert Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion ergaben, dass unter Ivabradin die myokardiale Kontraktilität aufrecht erhalten bleibt.
Klinische Wirksamkeit
Die antianginöse und antiischämische Wirksamkeit von Ivabradin wurde in fünf doppelblinden, randomisierten Studien (drei Studien im Vergleich zu Placebo und jeweils eine im Vergleich zu Atenolol und Amlodipin) untersucht. An diesen Studien nahmen insgesamt 4111 Patienten mit chronischer stabiler Angina pectoris teil. 2617 von ihnen wurden mit Ivabradin behandelt.
Die Wirksamkeit von Ivabradin 5 mg zweimal täglich wurde bei allen Belastungstest-Parametern innerhalb von 2-4 Wochen nach Behandlungsbeginn gezeigt. Diese Wirksamkeit wurde mit 7,5 mg zweimal täglich bestätigt. Insbesondere wurde der zusätzliche Effekt gegenüber 5 mg zweimal täglich in einer Referenz-kontrollierten Studie im Vergleich zu Atenolol festgestellt: Die Gesamt-Belastungsdauer bei den niedrigsten Plasmaspiegeln stieg nach einer einmonatigen Behandlung mit Ivabradin 5 mg zweimal täglich um rund eine Minute an und verlängerte sich um nahezu 25 Sekunden nach einer zusätzlichen dreimonatigen Behandlung mit Ivabradin bei einer Dosierung von 7,5 mg zweimal täglich. In dieser Studie wurde der antianginöse und antiischämische Nutzen von Ivabradin bei Patienten im Alter von 65 Jahren und mehr bestätigt. Die Wirksamkeitsergebnisse der Dosierungen von 5 und 7,5 mg Ivabradin zweimal täglich waren in allen Studien und unter Berücksichtigung aller Parameter der Belastungstests (gesamte Belastungsdauer, Zeit bis zu limitierender Angina, Zeit bis zum Beginn der Angina und Zeit bis zur 1 mm ST-Streckensenkung) konsistent und gehen mit einer Senkung von rund 70% der Häufigkeit von Angina-Pectoris-Anfällen einher. Die zweimal tägliche Gabe von Ivabradin ergab eine durchgängige Wirksamkeit über 24 Stunden.
In einer randomisierten, Placebo kontrollierten Studie an 889 Patienten zeigte Ivabradin bei zusätzlicher Gabe zu Atenolol zusätzliche Wirksamkeit bei allen Belastungstestparametern zum Zeitpunkt der Talspiegelkonzentration (12 Stunden nach der Einnahme).
Die Wirksamkeit von Ivabradin blieb während der 3 oder 4 Behandlungsmonate der Wirksamkeitsstudien aufrechterhalten. Es gab keinen Hinweis auf eine pharmakologische Toleranzentwicklung (Wirkverlust) während der Behandlung oder auf ein so genanntes Rebound-Phänomen bei abruptem Absetzen der Behandlung. Die langfristige Wirksamkeit von Ivabradin bei der Behandlung von Angorsymptomen hat sich in einer einjährigen Studie an über 1000 Patienten, die jeweils mit 5 oder 7,5 mg Ivabradin zweimal täglich behandelt wurden, bestätigt. Die antianginöse und antiischämische Wirkung von Ivabradin lässt sich auf eine dosisabhängige Herzfrequenzsenkung und eine signifikante Senkung des «Rate Pressure Product» (Herzfrequenz × systolischer Blutdruck) in Ruhe und unter Belastung zurückführen. Auswirkungen auf den Blutdruck wurden nicht beobachtet.
Eine Studie, BEAUTIFUL, wurde an 10'917 Patienten mit koronarer Herzkrankheit und linksventrikulärer Dysfunktion (LVEF <40%) zusätzlich zu optimaler Basistherapie durchgeführt, wobei 86,9% der Patienten Betablocker erhielten. Primäres Studienziel war der kombinierte Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Hospitalisierung wegen akuten Myokardinfarktes oder Hospitalisierung wegen neu auftretender oder sich verschlechternder Herzinsuffizienz.
Die Studie zeigte keinen Unterschied in der Ivabradingruppe gegenüber Placebo im primären kombinierten Endpunkt (Relatives Risiko Ivabradin: Placebo 1,00; p=0,945).
In einer post hoc definierten Subgruppe von Patienten mit symptomatischer Angina pectoris zum Zeitpunkt der Randomisierung (n=1507) wurde kein Sicherheitssignal hinsichtlich kardiovaskulärem Tod, Hospitalisierung wegen akuten Myokardinfarktes oder Herzinsuffizienz identifiziert (Ivabradin 12,0% versus Plazebo 15,5%; p=0,05).
Eine grosse Studie, SIGNIFY, wurde bei 19'102 Patienten mit koronarer Herzerkrankung und ohne klinische Herzinsuffizienz (LVEF >40%) zusätzlich zu einer optimalen Basistherapie durchgeführt. Es wurde ein Therapieschema, das höher als die zugelassene Dosierung war, gewählt: Startdosis 7,5 mg zweimal täglich (5 mg zweimal täglich bei einem Alter ≥75 Jahre) und auf 10 mg zweimal täglich auftitriert. Das Hauptwirksamkeitskriterium war die Kombination aus kardiovaskulärem Tod oder nicht-tödlichem Herzinfarkt. Die Studie zeigte keinen Unterschied in der Häufigkeit des primären zusammengesetzten Endpunktes (PCE) in der Ivabradin-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe (relatives Risiko Ivabradin/Placebo 1,08; p=0,197). Bradykardie wurde bei 17,9% der Patienten in der Ivabradin-Gruppe (2,1% in der Placebo-Gruppe) berichtet. 7,1% der Patienten erhielten während der Studie Verapamil, Diltiazem oder starke CYP3A4-Inhibitoren.
Es wurde ein kleiner, statistisch signifikanter Anstieg des PCE in einer vorab festgelegten Subgruppe von Patienten mit Angina pectoris beobachtet, die zu Behandlungsbeginn in CCS-Grad II oder höher waren (n=12'049) (jährliche Inzidenzrate 3,4% versus 2,9%, relatives Risiko Ivabradin/Placebo 1,18; p=0,018), jedoch nicht in der Subgruppe der Gesamtpopulation von Angina-Patienten mit CCS-Grad ≥I (n=14'286) (relatives Risiko Ivabradin/Placebo 1,11; p=0,110). Diese Ergebnisse sind nicht vollständig auf die in der Studie verwendete höhere Dosierung zurückzuführen, die über der zugelassenen Dosierung liegt.
Eine Morbi-mortalitäts-Studie, SHIFT, wurde an 6505 Erwachsenen mit mittleren bis schweren Symptomen stabiler chronischer Herzinsuffizienz, mit reduzierter linksventrikulärer Auswurfleistung (LVEF ≤35%) durchgeführt.
Die SHIFT Studie war eine multi-zentrische, internationale, randomisierte, doppelblinde, Placebo kontrollierte Studie.
Die Population dieser Studie litt unter einer systolischen, chronischen Herzinsuffizienz der NYHA Klassen II (48,7% der Population), III (49,5%) und IV (1,7%), stabil seit mindestens 4 Wochen, einer dokumentierten Hospitalisierung wegen Verschlimmerung der Herzinsuffizienz innerhalb der letzten 12 Monate und mit Sinusrhythmus bei der Selektion mit einer Ruhe-Herzfrequenz ≥70 bpm. Die Patienten erhielten Standardtherapie, inklusive Betablocker (89%), ACE-Hemmer und/oder Angiotensin-II-Antagonisten (91%), Diuretika (83%), Aldosteron-Antagonisten (60%) und Digitalis-Präparate (22%). In der Ivabradin-Gruppe lag die durchschnittliche Dosis bei 6,4 ± 1,4 mg zweimal täglich. Die mediane Follow-up Zeit betrug 22,9 Monate.
Der primäre Endpunkt war ein kombinierter Endpunkt von kardiovaskulärer Mortalität (inklusive unbekannte Todesursache) und Hospitalisierung wegen Verschlimmerung der Herzinsuffizienz. Die Studie zeigte eine klinisch und statistisch signifikante relative Risikoreduktion von 18% im primären kombinierten Endpunkt (Hazard ratio: 0,82; 95% CI [0,75; 0,90] - p<0,0001). Die absolute Risikoreduktion betrug 4,2%. Die Wirkung der Behandlung tritt 3 Monaten nach Beginn der Behandlung ein und war signifikant 6 Monaten nach Beginn der Behandlung.
Die Reduktion des Auftretens des primären Endpunktes wurde gleichermassen beobachtet, unabhängig von Geschlecht, der NYHA-Klasse, der Einnahme oder nicht von Betablockern, der ischämischen Ätiologie oder nicht, der Herzinsuffizienz und dem vorgeschichtlichen Diabetes oder Hypertension.
Behandlungseffekt auf den primären kombinierten Endpunkt, seine Komponenten und die sekundären Endpunkte
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Ivabradin (n=3241) n (%)
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Placebo (n=3264) n (%)
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Hazard ratio [95% CI]
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p-Wert
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Primärer, kombinierter Endpunkt
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793 (24,47)
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937 (28,71)
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0,82 [0,75; 0,90]
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<0,0001
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bestehend aus:
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·kardiovaskulärer Mortalität
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449 (13,85)
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491 (15,04)
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0,91 [0,80; 1,03]
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0,128
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·Hospitalisierung wegen Verschlechterung der Herzinsuffizienz
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514 (15,86)
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672 (20,59)
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0,74 [0,66; 0,83]
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<0,0001
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Andere sekundäre Endpunkte:
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·Gesamtmortalität
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503 (15,52)
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552 (16,91)
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0,90 [0,80; 1,02]
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0,092
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·Tod aufgrund von Herzinsuffizienz
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113 (3,49)
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151 (4,63)
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0,74 [0,58; 0,94]
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0,014
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·Hospitalisierung aus jeglichen Gründen
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1231 (37,98)
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1356 (41,54)
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0,89 [0,82; 0,96]
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0,003
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·Hospitalisierung aus kardiovaskulären Gründen
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977 (30,15)
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1122 (34,38)
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0,85 [0,78; 0,92]
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0,0002
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Eine Verbesserung der NYHA-Klasse wurde in der letzten Beurteilung beobachtet, 887 Patienten (28%) unter Ivabradin wiesen eine Verbesserung auf, gegen 776 (24%) in der Placebo-Guppe (p=0,001).
Die Behandlung mit Ivabradin wurde mit einer durchschnittlichen Reduktion der Herzfrequenz von 11 bpm im Vergleich zur Placebo-Gruppe (Referenzwert 80 bpm) verbunden, welche während der gesamten Dauer der Studie erhalten blieb.
In einer randomisierten Placebo kontrollierten Studie mit 725 Patienten zeigte Ivabradin keine zusätzliche Wirksamkeit in Kombination mit Amlodipin zum Zeitpunkt des Wirkminimums (12 Stunden nach der Einnahme), wohingegen zum Zeitpunkt des Wirkmaximums (3-4 Stunden nach der Einnahme) eine zusätzliche Wirkung nachgewiesen werden konnte.
In einer randomisierten, Placebo kontrollierten Studie mit 97 Patienten mit chronischer stabiler Angina pectoris, die 3 Jahre mit Ivabradin behandelt wurden, zeigten spezifische ophthalmologische Untersuchungen, mit dem Ziel die Funktion des Zapfen- und Stäbchensystems und des aufsteigenden visuellen Signalwegs zu dokumentieren (u.a. Elektroretinogramm, statische und kinetische Perimetrie, Farbsehvermögen, Sehschärfe), keine retinale Toxizität.
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