Eigenschaften/WirkungenATC-Code
N07XX12
Wirkungsmechanismus
Onpattro enthält Patisiran, eine doppelsträngige, kleine interferierende Ribonukleinsäure (small interfering ribonucleic acid, siRNA), die spezifisch auf eine genetisch konservierte Sequenz in der 3’ untranslatierten Region der gesamten mRNA von mutiertem und Wildtyp-Transthyretin (TTR) abzielt. Patisiran ist eine Lipid-Nanopartikel Zubereitung, um die siRNA zu den und in die Hepatozyten zu befördern, welche die primäre Quelle des TTR-Proteins im Kreislauf darstellen. Durch einen natürlichen Prozess, der als RNA-Interferenz (RNAi) bezeichnet wird, bewirkt Patisiran den katalytischen Abbau der TTR-mRNA in der Leber, was zu einer Reduktion des TTR-Proteins im Serum führt.
Pharmakodynamik
Nach einer Einzeldosis mit 300 Mikrogramm Onpattro pro kg war der mittlere TTR-Serumspiegel innerhalb von 10 bis 14 Tagen um etwa 80 % reduziert. Bei wiederholter Dosisgabe alle 3 Wochen betrug die mittlere Reduktion des TTR-Serumspiegels nach 9- bzw. 18-monatiger Behandlung 83 % bzw. 84 %. Die TTR-Reduktion im Serum wurde bei fortgesetzter Dosisgabe aufrechterhalten.
Serum-TTR ist ein Träger von Retinol-bindendem Protein, welches den Transport von Vitamin A im Blut fördert. Über einen Zeitraum von 18 Monaten wurden mittlere Reduktionen von Retinol bindendem Protein im Serum von 45 % und von Vitamin A im Serum von 62 % beobachtet (siehe Abschnitt «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen» und «Interaktionen».
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von Onpattro wurde in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie bei 225 hATTR-Amyloidose-Patienten mit einer TTR-Mutation sowie symptomatischer Polyneuropathie untersucht. Die Patienten wurden im Verhältnis von 2:1 randomisiert und erhielten über 18 Monate einmal alle 3 Wochen 300 Mikrogramm pro kg Onpattro oder Placebo mittels intravenöser Infusion. Alle Patienten erhielten eine Prämedikation in Form von Kortikosteroiden, Paracetamol sowie H1- und H2-Blockern.
In der Studie erhielten 148 Patienten Onpattro und 77 Patienten Placebo. Das mediane Patientenalter bei Baseline betrug 62 (Bereich von 24 bis 83) Jahre. 74 % der Patienten waren männlich und 26 % waren weiblich. Es waren neununddreißig (39) verschiedene TTR-Mutationen vorhanden; die häufigsten (≥ 5 %) waren V30M (43 %), A97S (9 %), T60A (7 %), E89Q (6 %) und S50R (5 %). Etwa 10 % der Patienten hatten die V30M-Mutation und wiesen ein frühes Auftreten von Symptomen auf (< 50 Jahre). Bei Baseline waren 46 % der Patienten von einer Erkrankung im FAP Stadium 1 (uneingeschränkte Gehfähigkeit; vorwiegend leichte sensorische, motorische und autonome Neuropathie in den unteren Gliedmaßen) und 53 % von einer Erkrankung im FAP Stadium 2 (auf Hilfe beim Gehen angewiesen; vorwiegend mittelschwer fortgeschrittene Einschränkung an den unteren und oberen Gliedmaßen sowie dem Rumpf) betroffen. Etwa die Hälfte (53%) der Patienten waren zuvor mit Tafamidis-Meglumin oder Diflunisal (in der Schweiz nicht zugelassen) behandelt worden. Neunundvierzig Prozent (49 %) bzw. 50 % der Patienten wiesen Klasse I bzw. II gemäß New York Heart Association (NYHA) auf. Etwa die Hälfte der Patienten (56 %) erfüllte die vordefinierten Kriterien für eine kardiale Beteiligung (definiert als linksventrikuläre [LV]-Wanddicke ≥ 13 mm bei Baseline, und ohne Hypertonie oder Aortenklappen-Erkrankung in der Vorgeschichte). Die demografischen und Baseline-Eigenschaften der Patienten waren zwischen den Behandlungsgruppen ausgewogen, mit der Ausnahme, dass ein größerer Patientenanteil in der Onpattro-Gruppe eine nicht-V30M-Mutation (62 % vs. 48 %) hatte. Dreiundneunzig Prozent (93 %) der mit Onpattro behandelten und 62 % der mit Placebo behandelten Patienten schlossen 18 Monate der zugewiesenen Behandlung ab.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Veränderung des modified Neuropathy Impairment Score +7, (mNIS+7) von Baseline bis Monat 18. Dieser Endpunkt ist eine zusammengesetzte Messgröße aus motorischer, sensorischer und autonomer Polyneuropathie inklusive Beurteilungen von motorischer Kraft und Reflexen, quantitativer sensorischer Prüfung, Nervenleittests und posturalem Blutdruck. Die Punkteskala reicht von 0 bis 304 Punkten, wobei eine zunehmende Punktezahl eine sich verschlimmernde Einschränkung anzeigt.
Ein statistisch signifikanter Vorteil des mNIS+7 unter Onpattro gegenüber Placebo wurde in Monat 18 beobachtet (siehe Tabelle 1). Vorteile gegenüber Placebo wurden zudem bei allen Komponenten des mNIS+7 beobachtet. Veränderungen wurden auch in Monat 9 gesehen, dem ersten Beurteilungszeitpunkt nach Baseline in der Studie. Hier führte die Behandlung mit Onpattro zu einer Behandlungsdifferenz im Vergleich mit Placebo von 16,0 Punkten, mit einer mittleren Veränderung gegenüber Baseline von -2,0 Punkten. Die mit Placebo behandelten Patienten erfuhren im Vergleich dazu eine Erhöhung um 14,0 Punkte. In einer Grenzwertanalyse von mNIS+7 (Veränderung gegenüber Baseline von < 0 Punkten) kam es bei 56,1 % der Patienten unter Onpattro-Behandlung im Vergleich zu 3,9 % der Patienten unter Placebo Behandlung zu einer Verbesserung des mNIS+7 (p < 0,001).
Bei mit Onpattro behandelten Patienten kam es im Vergleich zu den Patienten, die Placebo erhielten, zu statistisch signifikanten Vorteilen bei allen sekundären Endpunkten (alle p < 0,001) (Tabelle 1).
Der wichtigste sekundäre Endpunkt war die Veränderung des Gesamtscores des Norfolk-Fragebogens zur Lebensqualität bei diabetischer Neuropathie (Norfolk Quality of Life-Diabetic Neuropathy, QoL-DN) von Baseline bis Monat 18. Der Norfolk-Fragebogen QoL-DN (Patientenangaben) beinhaltet Domänen in Bezug auf die kleinfaserige, großfaserige und autonome Nervenfunktion, Symptome und Alltagsaktivitäten. Der Gesamtscore reicht von -4 bis 136, wobei ein zunehmender Score eine sich verschlechternde Lebensqualität anzeigt. Im Monat 18 wurde in allen Domänen des Norfolk QoL-DN bei Onpattro ein Vorteil gegenüber Placebo beobachtet, und bei 51,4 % der Patienten unter Onpattro-Behandlung kam es zu einer Verbesserung der Lebensqualität (Veränderung des Norfolk QoL-DN von < 0 Punkten gegenüber der Baseline), im Vergleich zu 10,4 % der Patienten unter Placebo-Behandlung. Die Verbesserung zeigte sich bereits im Monat 9, dem ersten Beurteilungszeitpunkt nach der Baseline in der Studie.
Tabelle 1: Klinische Wirksamkeitsergebnisse der placebokontrollierten Studie
Endpunkta
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Baseline, Mittel (SD)
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Veränderung gegenüber Baseline in Monat 18, LS-Mittelwert (SEM)
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(Onpattro – Placebo) Behandlungsunterschied, LS-Mittelwert (95 % KI)
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p-Wert
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Onpattro N = 148
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Placebo N = 77
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Onpattro
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Placebo
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Primär
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mNIS+7b
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80,9 (41,5)
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74,6 (37,0)
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-6,0 (1,7)
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28,0 (2,6)
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-34,0 (-39,9, -28,1)
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p <0,001
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Sekundär
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Norfolk QoL-DNb
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59,6 (28,2)
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55,5 (24,3)
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-6,7 (1,8)
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14,4 (2,7)
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-21,1 (-27,2, -15,0)
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p <0,001
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NIS-Wb
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32,7 (25,2)
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29,0 (23,0)
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0,05 (1,3)
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17,9 (2,0)
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-17,9 (-22,3, -13,4)
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p <0,001
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R-ODSc
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29,7 (11,5)
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29,8 (10,8)
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0,0 (0,6)
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-8,9 (0,9)
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9,0 (7,0, 10,9)
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p <0,001
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10-Meter-Gehtest (m/s)c
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0,80 (0,40)
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0,79 (0,32)
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0,08 (0,02)
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-0,24 (0,04)
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0,31 (0,23, 0,39)
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p <0,001
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mBMId
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970 (210)
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990 (214)
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-3,7 (9,6)
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-119 (14,5)
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116 (82, 149)
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p <0,001
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COMPASS 31b
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30,6 (17,6)
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30,3 (16,4)
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-5,3 (1,3)
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2,2 (1,9)
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-7,5 (-11,9, -3,2)
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p <0,001
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SD, standard deviation (Standardabweichung); LS mean, least squares mean (Mittelwert der kleinsten Quadrate); SEM, standard error of the mean (Standardfehler des Mittelwerts); KI, Konfidenzintervall, NIS-W, NIS-weakness (motorische Stärke), R-ODS, Rasch-Built Overall Disability (von den Patienten angegebene Fähigkeit zur Verrichtung von Alltagsaktivitäten); 10-Meter-Gehtest (Gehgeschwindigkeit); mBMI, modified body mass index (Ernährungszustand); COMPASS 31, Composite Autonomic Symptom Score 31 (vom Patienten berichteter Symptomwert) aAlle Endpunkte wurden anhand der Methode eines gemischten Modells für Messwiederholungen (mixedeffect model repeated measures, MMRM) analysiert. bEine niedrigere Zahl zeigt eine geringere Einschränkung/weniger Symptome an. cEine höhere Zahl zeigt eine geringere Behinderung/geringere Einschränkung an. dmBMI: Body-Mass-Index (BMI; kg/m2) multipliziert mit Serumalbumin (g/l); eine höhere Zahl zeigt einen besseren Ernährungszustand an; der Ernährungszustand sprach bereits nach 3 Monaten für Onpattro.
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Bei den Patienten, die Onpattro erhielten, zeigten sich bei den Scores des mNIS+7 und Norfolk QoL DN ähnliche Vorteile im Vergleich zu Placebo auch bei allen Untergruppen, und zwar einschließlich Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Region, NIS-Score, V30M-Mutationsstatus, vorherige Anwendung von Tafamidis-Meglumin oder Diflunisal, Krankheitsstadium sowie bei Patienten mit vordefinierter kardialer Beteiligung. Die Patienten profitierten im Hinblick auf alle TTR-Mutationen und die ganze Breite der untersuchten Krankheitsschwere.
Bei Patienten mit vordefinierter kardialer Beteiligung zeigten zentral bewertete Echokardiogramme unter der Behandlung mit Onpattro im Vergleich zu Placebo Verringerungen der LV Wanddicke (mittlere LS-Differenz: - 0,9 mm [95 % KI - 1,7, - 0,2]) und Längsdehnung (mittlere LS Differenz: --1,37 % [95 % KI - 2,48, - 0,27]). Die Werte von N-terminalem Pro Typ B natriuretischem Peptid (NT-proBNP) betrugen zur Baseline 727 ng/l bzw. 711 ng/l (geometrisches Mittel) bei Patienten unter Onpattro-Behandlung bzw. Placebo-Behandlung. Nach 18 Monaten betrug das geometrische Mittelverhältnis zur Baseline bei Onpattro 0,89 und bei Placebo 1,97 (Verhältnis, 0,45; p < 0,001), was einen Unterschied von 55 % zugunsten von Onpattro darstellt.
Globale offene Verlängerungsstudie
Von 218 Patienten, die eine der beiden Hauptstudien mit Patisiran (18-monatige placebokontrollierte Studie [Studie 004] oder 2-jährige offene Studie [Studie 003]) abschlossen, wurden 211 Patienten (25 zuvor mit Patisiran behandelte Patienten aus Studie 003 sowie 49 zuvor mit Placebo und 137 zuvor mit Patisiran behandelte Patienten aus Studie 004) in eine globale offene Verlängerungsstudie (Studie 006) aufgenommen. Alle Patienten in Studie 006 erhielten 300 Mikrogramm Patisiran pro kg per intravenöser Infusion einmal alle 3 Wochen. Zum Baseline-Zeitpunkt von Studie 006 hatten in den Gruppen mit vorheriger Patisiran- bzw. Placebo-Behandlung (Studie 004) 42,3 % bzw. 28,6 % eine Erkrankung im Stadium 1, 51,8 % bzw. 55,1 % eine Erkrankung im Stadium 2 und 5,8 % bzw. 16,3 % eine Erkrankung im Stadium 3.
Nach Einleitung der Therapie mit Patisiran in Studie 006 wurde bei Patienten, die zuvor Placebo erhalten hatten, ein klinischer Nutzen beobachtet, was anhand stabiler Messwerte der Krankheitsmanifestation gezeigt wurde. Wenngleich diese Patienten eine Stabilisierung ihrer Erkrankung erreichten, blieben die Messwerte der Krankheitsmanifestation im Vergleich zur zuvor mit Patisiran behandelten Gruppe schlechter, was für die frühzeitige Einleitung der Behandlung mit Patisiran nach Einsetzen der Symptome spricht. Eine bis einschließlich zum 3-Jahres-Zeitpunkt fortgesetzte Behandlung mit Patisiran über verschiedene Krankheitsstadien hinweg ergab einen anhaltenden Nutzen.
Empfänger von Lebertransplantationen
In einer offenen Studie wurden 23 Patienten mit hATTR-Amyloidose und Progression der Polyneuropathie nach Erhalt einer Lebertransplantation mit Patisiran in einer Dosis von 300 Mikrogramm pro kg mittels i.v. Infusion einmal alle 3 Wochen behandelt. Die mediane Zeit von der Transplantation bis zur ersten Patisiran-Dosis betrug 9,4 Jahre, und die mediane Dauer der Patisiran-Behandlung betrug 13,1 Monate. Alle Patienten erhielten eine Begleittherapie mit Immunsuppressiva. Die Studie ergab eine statistisch signifikante mediane Reduktion der TTR-Konzentrationen im Serum von 91 % gegenüber Baseline (p < 0,001). Die Patienten wiesen außerdem stabile oder verbesserte Wirksamkeitspunkte in Monat 12 im Vergleich zu Baseline auf. Dies stand im Einklang mit den Erkenntnissen aus der placebokontrollierten Studie zu Patisiran.
Pädiatrie
Swissmedic hat für Onpattro eine Freistellung von der Verpflichtung zur Vorlage von Ergebnissen zu Studien in allen pädiatrischen Altersklassen bei hATTR-Amyloidose gewährt (siehe «Dosierung/Anwendung» für Kinder und Jugendliche).
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