Eigenschaften/WirkungenATC-Code
Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel, Sonstige Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel.
ATC-Code: A16AX04.
Wirkungsmechanismus
Der biochemische Defekt bei angeborener Tyrosinämie Typ 1 (HT-1) ist ein Mangel an Fumarylacetoacetathydrolyase, dem Endenzym des Tyrosinkatabolismus. Nitisinon ist ein kompetitiver Inhibitor der 4-Hydroxyphenylpyruvatdioxygenase, eines Enzyms, das im Tyrosinkatabolismus der Fumarylacetoacetathydrolase vorausgeht. Durch die Hemmung des normalen Tyrosinabbaustoffwechsels bei Patienten mit HT-1 verhindert Nitisinon die Ansammlung der toxischen Zwischenprodukte Maleylacetoacetat und Fumarylacetoacetat. Bei Patienten mit HT-1 werden diese Zwischenprodukte zu den toxischen Metaboliten Succinylaceton und Succinylacetoacetat umgewandelt. Succinylaceton hemmt die Porphyrinsynthese, wodurch es zur Ansammlung von 5-Aminolaevulinat kommt.
Pharmakodynamik
Die Nitisinonbehandlung führt zu einem normalisierten Porphyrinstoffwechsel mit normaler Porphobilinogen-Synthaseaktivität in den Erythrozyten und normalem 5-Aminolävulinat-Urinspiegel, zu einer verringerter Ausscheidung von Succinylaceton im Harn, zu einem Anstieg der Tyrosinkonzentration im Plasma und zu einer erhöhter Ausscheidung von Phenolsäuren im Harn. Die verfügbaren Daten aus einer klinischen Studie weisen darauf hin, dass sich bei über 90% der Patienten der Succinylaceton-Urinspiegel während der ersten Behandlungswoche normalisiert. Succinylaceton sollte bei richtig eingestellter Nitisinondosis im Urin oder Plasma nicht nachweisbar sein.
Klinische Wirksamkeit
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Nityr wurden anhand von Studien mit einer anderen oralen Formulierung von Nitisinon bei Patienten mit HT-1 nachgewiesen. Nachfolgend werden die Ergebnisse dieser Studien dargestellt.
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Nitisinon bei Patienten mit HT-1 wurden in einer offenen, unkontrollierten Studie an 207 Patienten mit HT-1 im Alter von 0 bis 22 Jahren bei Studienbeginn (Durchschnittsalter 9 Monate) untersucht. Bei diesen Patienten war HT-1 durch das Vorhandensein von Succinylaceton im Urin oder Plasma diagnostiziert worden. Alle Patienten erhielten Nitisinon in einer Initialdosis von 0,3 bis 0,5 mg/kg zweimal täglich. Bei einigen Patienten wurde die Dosis auf 1 mg/kg zweimal täglich gesteigert, aufgrund von Gewicht, Leber- und Nierenfunktionstests, Thrombozytenwerten, Aminosäuren im Serum, Phenolsäure im Urin, Succinylaceton in Plasma und Urin, PBG-Synthase in den Erythrozyten und 5-ALA im Urin. Die mittlere Therapiedauer betrug 22 Monate (weniger als 1 Monat bis 80 Monate). Die Wirksamkeit wurde durch einen Vergleich der Überlebensrate und der Häufigkeit von Lebertransplantationen mit historischen Kontrollen bewertet.
In dieser klinischen Studie betrug die 2- bzw. 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten mit HT-1 im Alter von weniger als 2 Monaten, die mit Ernährungseinschränkungen und Nitisinon behandelt wurden, 88% bzw. 88%. Daten aus historischen Kontrollen ergaben, dass Patienten mit HT-1 im Alter von weniger als 2 Monaten, die nur mit einer Ernährungseinschränkung behandelt wurden, eine 2- bzw. 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 29% bzw. 29% hatten. Bei Patienten im Alter zwischen 2 und 6 Monaten, die mit Ernährungseinschränkungen und Nitisinon behandelt wurden, lag die 2- bzw. 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei 94% bzw. 94%. Daten aus historischen Kontrollen ergaben, dass Patienten mit HT-1 im Alter zwischen 2 und 6 Monaten, die nur mit einer Ernährungseinschränkung behandelt wurden, eine 2- bzw. 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 74% bzw. 60% hatten.
In dieser klinischen Studie wurden auch die Auswirkungen auf Succinylaceton in Urin und Plasma, Porphyrin-Stoffwechsel und Alpha-1-Mikroglobulin im Urin untersucht.
Succinylaceton im Urin wurde bei 186 Patienten gemessen. Bei allen 186 Patienten sank der Succinylacetonspiegel im Urin auf weniger als 1 mmol/mol Kreatinin. Die mittlere Normalisierungszeit betrug 0,3 Monate. Die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens abnormaler Werte von Succinylaceton im Urin lag bei einer Nitisinon-Konzentration von 37 μmol/l bei 1% (95% Konfidenzintervall: 23,51 μmol/l). Succinylaceton im Plasma wurde bei 172 Patienten festgestellt. Bei 150 Patienten (87%) sank das Succinylaceton im Plasma auf weniger als 0,1 μmol/l. Die mittlere Normalisierungszeit betrug 3,9 Monate.
Porphyrieähnliche Krisen wurden im Studienverlauf bei 3 Patienten berichtet (jährlich 0,3% der Fälle). Dies steht im Vergleich zu einer Inzidenz von jährlich 5 bis 20% der Fälle, die als Teil des natürlichen Krankheitsverlaufs erwartet wird.
Eine Bewertung der porphyrieähnlichen Krisen wurde durchgeführt, weil diese Ereignisse häufig bei Patienten mit HT-1 auftreten, die nicht mit Nitisinon therapiert werden.
Zu Studienbeginn wurde Alpha-1-Mikroglobulin im Urin, ein empfohlener Marker für eine proximale tubuläre Dysfunktion, bei 100 Patienten gemessen. Der Medianwert vor der Behandlung lag insgesamt bei 4,3 g/mol Kreatinin. Nach einjähriger Therapie sank in einer Untergruppe von Patienten (N=100) der Medianwert von Alpha-1-Mikroglobulin um 1,5 g/mol Kreatinin. Bei Patienten im Alter von 24 Monaten und jünger, bei denen mehrere Werte vorlagen (N=65), sank der mediane Alpha-1-Mikroglobulinspiegel von 5 auf 3 g/mol Kreatinin (Referenzwert für das Alter kleiner oder gleich 12 g/mol Kreatinin). Bei Patienten, die älter als 24 Monate waren und bei denen mehrere Werte vorlagen (N=35), sank der mediane Alpha-1-Mikroglobulinspiegel von 2,8 auf 2 g/mol Kreatinin (Referenzwert für das Alter kleiner oder gleich 6 g/mol Kreatinin).
Der Langzeiteffekt von Nitisinon auf die Leberfunktion wurde nicht bewertet.
In einer Studie mit 19 HT-1-Patienten wurden die Pharmakokinetik, Wirksamkeit und Sicherheit der einmal täglichen Dosierung mit der zweimal täglichen Dosierung verglichen. Zwischen der einmal täglichen und der zweimal täglichen Dosierung wurden keine klinisch bedeutsamen Unterschiede hinsichtlich der unerwünschten Ereignisse (UE) oder anderer Sicherheitsbeurteilungen festgestellt. Bei keinem der Patienten war am Ende der einmal täglichen Behandlungsperiode Succinylaceton (SA) nachweisbar. Die Studie deutet darauf hin, dass die einmal tägliche Gabe in allen Altersgruppen der Patienten sicher und wirksam ist. Die Daten zu Patienten mit einem Körpergewicht < 20 kg sind jedoch begrenzt.
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