Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L01BB06
Wirkungsmechanismus
Clofarabin ist ein Purinnucleosid-Antimetabolit. Es wird angenommen, dass seine antitumorale Aktivität auf 3 Mechanismen basiert:
·DNA-Polymerase-α-Hemmung, die zu einer Beendigung der DNA-Ketten-Verlängerung und/oder DNA-Synthese/Reparatur führt,
·Ribonucleotid-Reduktase-Hemmung mit Reduktion der zellulären Desoxynucleotid-Triphosphat-(dNTP-)Pools,
·Aufhebung der Unversehrtheit der Mitochondrienmembran durch die Freisetzung von Cytochrom C und anderen proapoptotischen Faktoren, die selbst in sich nicht teilenden Lymphozyten zum programmierten Zelltod führen.
Clofarabin muss zunächst in die Zielzellen diffundieren oder transportiert werden, wo es nacheinander von den intrazellulären Kinasen zu Mono- und Biphosphat und schliesslich zu dem aktiven Konjugat Clofarabin-5'-Triphosphat phosphoryliert wird. Clofarabin hat eine hohe Affinität zu einem der aktivierenden phosphorylierenden Enzyme, Desoxycytidin-Kinase, die die des natürlichen Substrats Desoxycytidin übersteigt.
Darüber hinaus besitzt Clofarabin eine grössere Resistenz gegen zelluläre Degradation durch Adenosin-Desaminase und verminderte Empfindlichkeit gegen phosphorolytische Spaltung als andere aktive Substanzen seiner Klasse, während die Affinität von Clofarabin-Triphosphat zu DNA-Polymerase α und Ribonucleotid-Reduktase ähnlich gross oder grösser als die von Desoxyadenosin-Triphosphat ist.
Pharmakodynamik
In-vitro-Studien haben gezeigt, dass Clofarabin das Zellwachstum in einer Vielzahl von schnell wachsenden hämatologischen und soliden Tumorzelllinien hemmt und für diese zytotoxisch ist. Ausserdem war es aktiv gegen ruhende Lymphozyten und Makrophagen. Darüber hinaus verzögerte Clofarabin das Tumorwachstum und verursachte in einigen Fällen eine Tumorregression in einer Mischung von humanen und murinen Tumor-Xenotransplantaten, die Mäusen implantiert worden waren.
Klinische Wirksamkeit
Um eine systematische Beurteilung der bei den Patienten beobachteten Reaktionen zu ermöglichen, hat ein unverblindetes «Unabhängiges Gremium zur Prüfung des Ansprechens» (IRRP: Independent Response Review Panel) die folgenden Responsequoten festgelegt, die auf den von der Children's Oncology Group erstellten Definitionen basieren (siehe Tabelle 1):
Tabelle 1
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CR (complete remission) = vollständige Remission
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Patienten, die alle folgenden Kriterien erfüllen: ·Kein Beweis für zirkulierende Blastozyten oder extramedulläre Erkrankung ·Ein M1-Knochenmark (≤5 % Blasten) ·Erholung der peripheren Werte (Plättchen ≥100 × 109/l und ANC ≥1,0 × 109/l)
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CRp = vollständige Remission bei fehlender Erholung der Plättchen-Gesamtzahl
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Patienten, die alle Kriterien für eine CR erfüllen, deren Plättchenzählung jedoch keinen Wert ≥100 × 109/l erreicht hat
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PR = partielle Remission
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Patienten, die alle folgenden Kriterien erfüllen: ·Vollständiges Verschwinden von zirkulierenden Blasten ·Ein M2-Knochenmark(≥5 % und ≤25 % Blasten) und Erscheinen von normalen Progenitorzellen ·Ein M1-Knochenmark, das nicht die Voraussetzungen für die Beurteilung CR oder CRp erfüllt
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Gesamtremissionsrate
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·(Anzahl der Patienten mit CR + Anzahl der Patienten mit CRp)/Anzahl infrage kommender Patienten, die Clofarabin erhalten haben
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Die Sicherheit und Wirksamkeit von Clofarabin wurde in einer offenen, nicht vergleichenden Dosiseskalationsstudie der Phase I an 25 pädiatrischen Patienten mit rezidivierender oder refraktärer Leukämie (17 ALL, 8 AML) beurteilt, bei denen die Standardtherapie erfolglos geblieben war oder für die keine andere Therapie existierte. Die Dosierung begann bei 11,25 mit einer Eskalation auf 15, 30, 40, 52 und 70 mg/m2/Tag als intravenöse Infusion an 5 Tagen alle 2 bis 6 Wochen, abhängig von Toxizität und Ansprechen. Neun von 17 ALL-Patienten wurden mit 52 mg/m2/Tag Clofarabin behandelt. Von den 17 ALL-Patienten erreichten 2 eine vollständige Remission (12 %, CR) und 2 eine partielle Remission (12 %, PR) bei variierenden Dosierungen. Dosisbegrenzende Toxizitäten waren in dieser Studie Hyperbilirubinämie, erhöhte Transaminase-Spiegel und makulopapulöser Ausschlag bei 70 mg/m2/Tag (2 ALL-Patienten; siehe «Überdosierung»).
Es wurde eine multizentrische, offene, nicht vergleichende Studie der Phase II mit Clofarabin durchgeführt, um die Gesamtremissionsrate bei stark vorbehandelten Patienten (≤21 Jahre bei Erstdiagnose) mit rezidivierender oder refraktärer ALL – definiert nach der französisch-amerikanisch-britischen Klassifikation – zu bestimmen. Die in der oben beschriebenen Phase-I-Studie identifizierte maximal verträgliche Dosis von 52 mg/m2/Tag Clofarabin wurde alle 2 bis 6 Wochen als intravenöse Infusion an 5 aufeinanderfolgenden Tagen angewendet. In Tabelle 2 sind die wichtigsten Wirksamkeitsergebnisse für diese Studie zusammengefasst.
Tabelle 2
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Wirksamkeitsergebnisse der pivotalen Studie an Patienten (bei der Erstdiagnose ≤21 Jahre) mit rezidivierender oder refraktärer ALL nach mindestens zwei vorangegangenen Therapien
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Reaktionskategorie
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ITT*-Patienten (n = 61)
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Mittlere Dauer der Remission (Wochen) (95 % Konfidenzintervall)
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Mittlere Zeitdauer bis zur Progression (Wochen)** (95 % Konfidenzintervall)
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Mittlere Gesamtüberlebenszeit (Wochen) (95 % Konfidenzintervall)
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Gesamtremission (CR + CRp)
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12 (20 %)
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32,0 (9,7 bis 47,9)
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38,2 (15,4 bis 56,1)
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69,5 (58,6 bis –)
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CR
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7 (12 %)
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47,9 (6,1 bis –)
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56,1 (13,7 bis –)
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72,4 (66,6 bis –)
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CRp
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5 (8 %)
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28,6 (4,6 bis 38,3)
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37,0 (9,1 bis 42)
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53,7 (9,1 bis –)
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PR
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6 (10 %)
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11,0 (5,0 bis –)
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14,4 (7,0 bis –)
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33,0 (18,1 bis –)
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CR + CRp + PR
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18 (30 %)
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21,5 (7,6 bis 47,9)
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28,7 (13,7 bis 56,1)
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66,6 (42,0 bis –)
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Behandlungsfehlschlag
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33 (54 %)
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nicht zutreffend
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4,0 (3,4 bis 5,1)
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7,6 (6,7 bis 12,6)
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Nicht beurteilbar
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10 (16 %)
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nicht zutreffend
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Alle Patienten
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61 (100 %)
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nicht zutreffend
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5,4 (4,0 bis 6,1)
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12,9 (7,9 bis 18,1)
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* ITT = Intention to treat.
** Patienten, die zum Zeitpunkt der letzten Nachuntersuchungen am Leben und in Remission waren, wurden für die Analyse zu diesem Zeitpunkt zensiert.
Tabelle 3
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Individuelle Remissionsdauer und Überlebensdaten der Patienten, die eine CR oder CRp erreicht haben
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Bestes Ansprechen
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Zeit bis zur Gesamtremission (Wochen)
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Remissionsdauer (Wochen)
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Gesamtüberlebenszeit (Wochen)
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Patienten, die sich keiner Transplantation unterzogen haben
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CR CR
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5,7 14,3
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4,3 6,1
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66,6 58,6
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CR
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8,3
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47,9
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66,6
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CRp
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4,6
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4,6
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9,1
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CR
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3,3
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58,6
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72,4
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CRp
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3,7
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11,7
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53,7
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Patienten, die sich während einer andauernden Remission einer Transplantation unterzogen haben*
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CRp
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8,4
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11,6+
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145,1+
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CR
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4,1
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9,0+
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111,9+
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CRp
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3,7
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5,6+
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42,0
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CR
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7,6
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3,7+
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96,3+
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Patienten, die sich nach einer Alternativtherapie oder einem Rezidiv einer Transplantation unterzogen haben*
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CRp
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4,0
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35,4
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113,3+**
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CR
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4,0
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9,7
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89,4***
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* Remissionsdauer zum Zeitpunkt der Transplantation beurteilt. ** Patient erhielt Transplantation nach Alternativtherapie.
*** Patient erhielt Transplantation nach Rezidiv.
Patienten mit ALL durften nicht für eine Therapie mit höherem Heilungspotenzial infrage kommen und mussten sich im zweiten oder einem weiteren Rezidiv befinden und/oder refraktär sein, d.h. nach mindestens zwei vorherigen Behandlungsschemata keine Remission erreicht haben. Bevor sie in der Studie registriert wurden, hatten 58 der 61 Patienten (95 %) 2 bis 4 unterschiedliche Induktionstherapien erhalten und 18/61 (30 %) dieser Patienten hatten sich zuvor mindestens 1 hämatologischen Stammzellentransplantation (HSCT) unterzogen. Das mittlere Alter der behandelten Patienten (37 männlich, 24 weiblich) betrug 12 Jahre. Die Anwendung von Clofarabin führte zu einer dramatischen und schnellen Reduktion der peripheren Leukämiezellen bei 31 der 33 Patienten (94 %), die einen messbaren absoluten Ausgangswert der Blastenanzahl hatten. Die 12 Patienten, die eine Gesamtremission erreichten (CR + CRp), hatten eine mittlere Überlebenszeit von 66,6 Wochen, vom Datum der Datensammlung angerechnet. Reaktionen konnten in unterschiedlichen Immunphänotypen von ALL gesehen werden, einschliesslich Prä- B-Zellen und T-Zellen. Obwohl die Transplantationsquote kein Studienendpunkt war, erhielten 10/61 Patienten (16 %) eine HSCT nach der Behandlung mit Clofarabin (3 nach Erreichen einer CR, 2 nach einer CRp, 3 nach einer PR, 1 Patient, der vom IRRP als Behandlungsfehlschlag eingestuft wurde, und 1, der vom IRRP als nicht beurteilbar betrachtet wurde). Die Reaktionsdauer ist bei Patienten, die eine HSCT erhielten, nicht eindeutig.
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