Warnhinweise und VorsichtsmassnahmenBesondere Warnhinweise
Beim Umgang mit Daunorubicinhydrochlorid ist jeder Kontakt mit der Haut und den Schleimhäuten zu vermeiden. Wegen der potenziell mutagenen und karzinogenen Wirkung von Daunorubicinhydrochlorid gelten für Ärzte und Pflegepersonal erhöhte Sicherheitsvorschriften. Besondere Vorsicht ist auch bei Berührung mit den Exkrementen und Erbrochenem der Patienten geboten, die Daunorubicinhydrochlorid oder einen aktiven Metaboliten enthalten können. Schwangeres Personal ist vom Umgang mit Zytostatika auszuschliessen.
Vorsichtsmassnahmen für die Anwendung
Relative Kontraindikationen sind eine hochgradige Panzytopenie oder isolierte Leuko-/Thrombozytopenie.
Weitere relative Kontraindikationen sind schwere Herzrhythmusstörungen, insbesondere ventrikuläre Tachykardien oder Rhythmusstörungen mit klinisch relevanten hämodynamischen Auswirkungen und klinisch manifeste Herzinsuffizienz – auch in der Anamnese – Herzinfarkt, schwere Nieren- und Lebererkrankungen, Gravidität sowie ein schlechter Allgemeinzustand des Patienten. Die Behandlungsentscheidung obliegt im Einzelfall der Nutzen-Risiko-Abschätzung des behandelnden Arztes.
Nicht kontrollierte Infektionen, besonders virale (Herpes Zoster), können nach Daunorubicinhydrochlorid-Applikation, bedingt durch dessen immunsuppressiven Effekt, zu lebensgefährlichen Exazerbationen führen.
Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit vorangegangener, gleichzeitiger oder geplanter Radiotherapie geboten. Diese haben bei der Anwendung von Daunorubicinhydrochlorid ein erhöhtes Risiko von Lokalreaktionen im Bestrahlungsfeld (Recall-Phänomene). Eine vorangegangene Bestrahlung des Medastinums erhöht die Kardiotoxizität von Daunorubicinhydrochlorid.
Die Patienten sollten sich von den akuten Toxizitäten einer vorhergehenden zytostatischen Therapie (wie etwa Stomatitis, Neutropenie, Thrombozytopenie und generalisierte Infektionen) erholen, bevor die Behandlung mit Daunorubicinhydrochlorid begonnen wird.
Blutbildendes System
Nach Gabe einer therapeutischen Dosis wird es bei allen Patienten zu einer Knochenmarkdepression kommen. Eine reversible Knochenmarksuppression tritt in Abhängigkeit von der Dosis auf und manifestiert sich primär als Leukopenie, Granulozytopenie (Neutropenie) und Thrombozytopenie. Eine Anämie tritt seltener auf. Der Nadir wird 8-10 Tage nach Therapiebeginn erreicht. Eine Erholung tritt generell 2 bis 3 Wochen nach der letzten Injektion ein.
Zur Vermeidung von myelotoxischen Komplikationen ist vor und während der Behandlung die sorgfältige Kontrolle des Blutbildes unter besonderer Berücksichtigung der Leukozyten, Granulozyten, Thrombozyten und Erythrozyten erforderlich. Fieber, Infektionen, Sepsis, septischer Schock, Blutungen und Gewebehypoxie können als Folgeerscheinungen der Knochenmarksuppression auftreten und können sogar zum Tod führen. Es muss sichergestellt sein, dass schwere Infektionen und/oder Blutungsepisoden sofort und wirksam behandelt werden können. Eine Myelosuppression kann eine intensive supportive Therapie erforderlich machen.
Sekundäre Leukämie
Sekundäre Leukämie, mit oder ohne präleukämische Phase, wurde bei mit Anthracyclinen einschliesslich Daunorubicinhydrochlorid behandelten Patienten beschrieben. Eine sekundäre Leukämie wird häufiger beobachtet, wenn solche Arzneimittel in Kombination mit DNS-schädigenden Antineoplastika oder in Kombination mit einer Strahlentherapie angewendet werden, wenn Patienten intensiv mit Zytostatika vorbehandelt waren oder wenn die Dosen der Anthracycline gesteigert wurden. Solche Leukämien haben eine Latenzzeit von 1 bis 3 Jahren.
Kardiotoxizität
Herzmuskelschädigung stellt eines der grössten Risiken bei der Behandlung mit Daunorubicinhydrochlorid dar. Toxische Herzmuskelschädigung durch Daunorubicinhydrochlorid kann in zwei Formen auftreten. Der dosisunabhängige «Soforttyp» manifestiert sich mit supraventrikulären Arrhythmien (Sinustachykardie, ventrikuläre Extrasystolen, AV-Block) und/oder nichtspezifischen EKG-Anomalien (ST-T-Wellen-Veränderungen, QRS-Niedervoltage, T-Wellen). Angina pectoris, Myokardinfarkt, endomyokardiale Fibrose, Perikarditis/Myokarditis wurden ebenfalls beschrieben. Beim «Spättyp» kann sich eine kongestive Kardiomyopathie entwickeln, vor allem nach hohen kumulativen Dosen von Daunorubicinhydrochlorid. Dies tritt in manchen Fällen während der Therapie ein, häufig aber auch erst Monate bis Jahre nach Abschluss der Behandlung und manifestiert sich klinisch mit globaler Herzinsuffizienz, die gelegentlich über eine akute Herzinsuffizienz zum Tod führen kann. Schweregrad und Häufigkeit dieser Nebenwirkungen hängen von der kumulativen Dosis von Daunorubicinhydrochlorid ab.
Vor, während und nach der Behandlung wird daher eine sorgfältige Überwachung der Herzfunktion empfohlen, um das Risiko von kardialen Komplikationen möglichst frühzeitig zu erkennen. Für die Routineüberwachung am besten geeignet sind ein EKG und die Bestimmung der linksventrikulären Auswurffraktion (UKG, MUGA-Scan).
Die Grenzdosis liegt für Erwachsene bei ca. 550 mg/m², für Kinder und Jugendliche über zwei Jahren bei 300 mg/m² und für Kinder unter zwei Jahren bei 10 mg/kg Körpergewicht.
Zu den Risikofaktoren für eine Kardiotoxizität zählen eine aktive oder latente Herz-Kreislauferkrankung, vorausgegangene oder gleichzeitige Strahlentherapie des Mediastinums oder im Perikardbereich, vorherige Therapie mit anderen Anthracyclinen oder Anthrazendionen und gleichzeitige Behandlung mit Arzneimitteln, die die kardiale Kontraktibilität supprimieren oder mit kardiotoxischen Arzneimitteln (z.B. Trastuzumab). Anthracycline, einschliesslich Daunorubicinhydrochlorid, sollten nicht zusammen mit anderen kardiotoxischen Arzneimitteln angewendet werden, ausser wenn die Herzfunktion des Patienten engmaschig überwacht wird. Darüber hinaus können auch solche Patienten ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer Kardiotoxizität aufweisen, die Anthracycline erhalten, nachdem die Therapie mit anderen kardiotoxischen Wirkstoffen, und hierbei besonders mit solchen mit langer Halbwertszeit, wie z.B. Trastuzumab (variable Halbwertszeit, Auswaschperiode von bis zu 7 Monaten), beendet wurde. Daher wird empfohlen, auf eine Therapie mit Anthracyclinen zu verzichten, bis die Exposition mit den vorhergehenden kardiotoxischen Arzneimitteln vernachlässigbar ist. Falls dies nicht möglich ist, sollte die Herzfunktion der Patienten sorgfältig überwacht werden. Unter diesen Umständen sollte eine kumulative Gesamtdosis von 400 mg/m² bei Erwachsenen nur mit äusserster Vorsicht überschritten werden.
In stärkerem Masse gefährdet sind ältere Patienten, Patienten mit einer Herzerkrankung in der Anamnese oder manifester arterieller Hypertonie sowie mit einer Thoraxbestrahlung und ausserdem Kinder. Unter diesen Umständen sollte eine kumulative Gesamtdosis von 400 mg/m² bei Erwachsenen nicht überschritten werden. Aufgrund des erhöhten Risikos einer Myokardschädigung bei Kindern und Jugendlichen wird in diesen Fällen eine kardiologische Langzeitnachbeobachtung empfohlen.
Einige Langzeitstudien bei Kindern lassen auch vermuten, dass kongestive Kardiomyopathien nach einer Behandlung mit Anthracyclinen mit einer Latenzzeit von vielen Jahren auftreten und einen progredienten Verlauf zeigen können.
Im Vergleich zu Erwachsenen führen wahrscheinlich bereits niedrigere kumulative Gesamtdosen zu einer klinisch relevanten kardialen Funktionsstörung. Eine Publikation von Steinherz et al. (JAMA, Sep 25, 1991 – Vol 266, no. 12) beschreibt die kardiotoxischen Langzeitnebenwirkungen von Doxorubicin und Daunorubicinhydrochlorid bei 201 behandelten Kindern. Die Patienten erhielten eine kumulative Gesamtdosis von Doxorubicin und/oder Daunorubicinhydrochlorid zwischen 200 und 1275 mg/m² (median 450 mg/m²) und zum Teil auch eine mediastinale Bestrahlung. Die Behandlung erfolgte vor 4 bis 20 Jahren (median 7 Jahre). Es wurde angenommen, dass die Kardiotoxizität von Doxorubicin vergleichbar mit jener von Daunorubicinhydrochlorid ist. Eine beeinträchtigte kardiale Pumpfunktion wurde beobachtet, wenn die Shortening Fraction im Echokardiogramm mit <29% oder die Auswurffraktion im Radionuklidventrikulogramm mit <50% bestimmt wurde oder ein Rückgang bei körperlicher Betätigung festgestellt wurde. Die Inzidenz von beeinträchtigter Herzfunktion betrug 11%, wenn die kumulative Anthracyclindosis unter 400 mg/m² lag, 28% bei einer Dosis zwischen 400 und 599 mg/m², 47% bei einer Dosis zwischen 600 und 799 mg/m² und 100% bei sieben Patienten, die mehr als 800 mg/m² erhalten hatten. Eine zusätzliche Bestrahlung erhöhte die Inzidenz von Herzfunktionsstörung in jedem Dosisstadium; neun von 201 untersuchten Patienten zeigten zusätzlich auch kardiale Symptome in der Form von Herzinsuffizienz, Erregungsleitungsstörungen und Arrhythmien. Bei 4 von 9 betroffenen Patienten traten die Symptome erstmals 12 bis 18 Jahre nach Abschluss der Chemotherapie auf.
Leber- und Nierenfunktion
Daunorubicinhydrochlorid wird vorwiegend in der Leber metabolisiert und über die Gallenwege ausgeschieden. Zur Vermeidung von Komplikationen wird vor Therapiebeginn mit Daunorubicinhydrochlorid eine Kontrolle der Leberfunktion empfohlen. Einschränkungen der Leberfunktion erfordern eine Dosisreduktion und richten sich nach dem Serumbilirubinspiegel (siehe «Dosierung/Anwendung»). Patienten mit schwerer Leberfunktionseinschränkung dürfen Daunorubicin nicht verabreicht erhalten (siehe «Kontraindikationen»).
Auch eingeschränkte Nierenfunktion kann eine Toxizitätssteigerung bewirken. Die Nierenfunktion sollte daher vor Beginn der Behandlung überprüft werden (siehe «Dosierung/Anwendung» und «Kontraindikationen»).
Hyperurikämie und Harnsäurenephropathie können als Folge eines massenhaften Absterbens der leukämischen Zellen gemeinsam mit einer möglichen Nierenfunktionsbeeinträchtigung auftreten, vor allem bei Vorliegen von erhöhten Leukozytenwerten vor Therapiebeginn. Das Ausmass ist abhängig von der Gesamttumormasse. Eine prophylaktische Gabe von Allopurinol ist bei der Behandlung der akuten Leukämien (Erstbehandlung) nötig, um eine Tubulusschädigung mit Niereninsuffizienz aus obigen Gründen zu vermeiden. Möglicherweise kann die Entwicklung eines nephrotischen Syndroms ausgelöst werden.
Die Blutspiegel von Harnsäure, Kalium, Kalziumphosphat und Kreatinin sollten nach der initialen Therapie überprüft werden. Hydratation, Harnalkalisierung und Prophylaxe mit Allopurinol zur Vermeidung einer Hyperurikämie können die potenziellen Komplikationen eines Tumorlysesyndroms möglichst gering halten.
Immunsuppressive Effekte/Erhöhte Infektanfälligkeit
Die Anwendung von Lebendimpfstoff oder abgeschwächtem Lebendimpfstoff kann bei durch Chemotherapeutika, einschliesslich Daunorubicinhydrochlorid, immunsupprimierten Patienten zu schweren oder tödlichen Infekten führen. Bei Patienten, die Daunorubicinhydrochlorid erhalten, sollten Impfungen mit Lebendimpfstoff unterbleiben. Abgetötete oder inaktivierte Impfstoffe können gegeben werden; deren Wirksamkeit kann jedoch verringert sein.
Gastrointestinale Erkrankungen
Daunorubicinhydrochlorid kann Übelkeit und Erbrechen verursachen. Schwere Übelkeit und Erbrechen können zu einer Dehydratation führen. Übelkeit und Erbrechen können durch eine entsprechende antiemetische Therapie vermieden oder gelindert werden.
Mukositis (hauptsächlich Stomatitis, weniger häufig Ösophagitis) kann bei Patienten unter Therapie mit Daunorubicinhydrochlorid auftreten. Mukositis/Stomatitis treten im Allgemeinen bereits früh nach der Verabreichung des Arzneimittels auf und können in schwerer Form innerhalb weniger Tage zu Schleimhautulzerationen fortschreiten. Die meisten Patienten erholen sich bis zur dritten Therapiewoche von dieser Nebenwirkung.
Allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort
Nach paravasaler Applikation stellen sich lokale Reizerscheinungen und in Abhängigkeit von der Paravasatmenge schwere Cellulitis, schmerzhafte Gewebeulzerationen und Gewebenekrosen ein. Sie machen unter Umständen chirurgische Eingriffe nötig. Irreversible Gewebeschädigung ist möglich. Lokale Phlebitis, Thrombophlebitis und/oder venöse Sklerose/Phlebosklerose können ebenfalls auftreten, vor allem wenn Daunorubicinhydrochlorid in kleine Gefässe oder wiederholt in die gleiche Vene injiziert wird. Das Risiko von Phlebitis/Thrombophlebitis kann bei Befolgung der in «Dosierung/Anwendung» empfohlenen Vorgangsweise auf ein Minimum reduziert werden.
Erkrankungen der Haut und des Unterhautgewebes
Alopezie. Eine vollständige Alopezie unter Einschluss des Bartwuchses und des Kopfhaars, der Achselbehaarung und der Schamhaare tritt bei Höchstdosen von Daunorubicinhydrochlorid fast immer auf. Diese Nebenwirkung kann eine Belastung für die Patienten bedeuten, ist aber üblicherweise reversibel, wobei ein Nachwachsen des Haars üblicherweise innerhalb von zwei bis drei Monaten nach Abschluss der Therapie erfolgt.
Erkrankungen der Geschlechtsorgane und der Brustdrüse
Daunorubicinhydrochlorid kann Genotoxizität verursachen und wirkt fertilitätshemmend. Amenorrhoe und Azoospermie können sich einstellen. Der Schweregrad ist dosisabhängig. Irreversible Fertilitätsstörungen sind möglich. Sowohl männliche als auch weibliche Patienten müssen während und für eine bestimmte Zeitdauer nach der Behandlung mit Daunorubicin eine zuverlässige Form der Empfängnisverhütung anwenden. Patienten mit Kinderwunsch nach Abschluss der Therapie sollte angeraten werden, eine genetische Beratung einzuholen, falls dies angemessen und möglich ist (siehe «Schwangerschaft, Stillzeit» und «Präklinische Daten»).
Neurologische Erkrankungen
Posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES)
Es wurde berichtet, dass bei der Anwendung von Daunorubicin im Rahmen einer Kombinationschemotherapie Fälle von PRES aufgetreten sind. PRES ist eine neurologische Erkrankung, die mit Kopfschmerzen, Krampfanfällen, Lethargie, Verwirrtheit, Blindheit und anderen visuellen und neurologischen Störungen verbunden sein kann. Es kann eine leichte bis schwere Hypertonie vorliegen. Eine Magnetresonanztomographie ist notwendig, um die Diagnose eines PRES zu bestätigen. Bei Patienten mit PRES sollte ein Abbruch der Daunorubicin-Behandlung in Betracht gezogen werden.
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