Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L01XM04
Wirkungsmechanismus
Vorasidenib ist ein kleines Molekül, das auf die mutierten Enzyme IDH1 und IDH2 abzielt. Bei Patienten mit Astrozytom oder Oligodendrogliom führen Mutationen in IDH1 und IDH2 zu einer Überproduktion des onkogenen Metaboliten 2-Hydroxyglutarat (2-HG), was zu einer Beeinträchtigung der Zelldifferenzierung und einer erhöhten Zellproliferation führt und damit zur Onkogenese beiträgt. Die direkte Hemmung der Gain-of-Function-Aktivität der mutierten Proteine IDH1 und IDH2 durch Vorasidenib hemmt die abnormale Produktion von 2-HG durch die Differenzierung bösartiger Zellen und die Verringerung der Zellproliferation.
Pharmakodynamik
Es wurde beobachtet, dass eine tägliche therapeutische Dosis Vorasidenib die Konzentration von 2-HG in den Tumoren bei Gliom-Patienten senkt, die Träger der IDH1- oder IDH2-Mutation sind. Die anschliessende mediane prozentuale Reduktion (95 %-Konfidenzintervall) des 2-HG betrug 92,6 % (76,1 %; 97,6 %) in den Tumoren der mit Vorasidenib behandelten Probanden im Vergleich zu den Tumoren der Probanden in der unbehandelten Gruppe.
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von Voranigo wurde in der INDIGO-Studie (Studie AG881-C-004) untersucht, einer randomisierten (1:1), multizentrischen, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-3-Studie an 331 Erwachsenen und Jugendlichen im Alter von ≥12 Jahren und mit einem Körpergewicht von ≥40 kg. Die in Frage kommenden Patienten mussten ein Astrozytom oder ein Oligodendrogliom 2. Grades mit einer IDH1 R132- oder IDH2 R172-Mutation aufweisen, sich bereits einer Gliomoperation, einschliesslich Biopsie, subtotaler Resektion oder makroskopischer Totalresektion, unterzogen haben und nach Ansicht des Prüfarztes keine sofortige Chemo- oder Strahlentherapie benötigen. Die in die Studie aufgenommenen Patienten hatten sich ihrem letzten chirurgischen Eingriff mindestens 1 Jahr und nicht mehr als 5 Jahre vor Beginn der Randomisierung unterzogen. Patienten mit Tumoren, die kein oder nur wenig Kontrastmittel aufnehmen, einschliesslich nicht knotiger oder nicht messbarer Läsionen, durften in die Studie aufgenommen werden. In der INDIGO-Studie wurden Patienten ausgeschlossen, die eine frühere Krebsbehandlung, einschliesslich Chemotherapie oder Strahlentherapie, erhalten hatten. Der Mutationsstatus von IDH1 oder IDH2 wurde prospektiv mithilfe des Oncomine-Dx-Target-Tests bestimmt.
Die Patienten erhielten randomisiert entweder 40 mg Voranigo per os einmal täglich oder ein entsprechendes Placebo bis zum radiologisch gesicherten Fortschreiten der Krankheit oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität. Die Randomisierung wurde nach dem lokalen 1p19q-Status (mit assoziierter Deletion oder ohne assoziierte Deletion) und der anfänglichen Tumorgrösse (Durchmesser ≥2 cm oder < 2 cm) stratifiziert. Patienten, die in die Placebogruppe randomisiert worden waren, durften nach radiologisch gesichertem Fortschreiten der Erkrankung auf Voranigo umgestellt werden.
Der primäre Endpunkt bezüglich der Wirksamkeit war das radiologisch progressionsfreie Überleben (Progression Free Survival, PFS), das von einem verblindeten unabhängigen Überprüfungsausschuss (Blinded Independent Review Committee, BIRC) anhand der modifizierten Kriterien für die Beurteilung des Ansprechens in der Neuroonkologie bei Gliomen niedrigeren Grades (Response Assessment in Neuro-Oncology for Low Grade Glioma, RANO-LGG) beurteilt wurde. Ein wichtiger sekundärer Endpunkt war die Zeit bis zur nächsten Intervention (Time To Next Intervention, TTNI), d.h. die Zeit von der Randomisierung bis zum Beginn der ersten nachfolgenden Krebsbehandlung oder bis zum Tod (unabhängig von der Ursache).
Die demografischen und pathologischen Merkmale der Patienten waren zwischen den beiden Behandlungsgruppen ausgeglichen. Bei den 168 Patienten, die randomisiert wurden, um Voranigo zu erhalten, betrug das mediane Alter 41 Jahre (Intervall: 21 bis 71 Jahre), wobei 98,8 % der Patienten im Alter von 18 bis 64 Jahren waren. Die Mehrheit der Patienten war männlich (60,1 %), 74,4 % waren weiss, 3,0 % asiatisch, 1,2 % schwarz, 19,6 % ohne Angabe und 53,6 % hatten einen Karnofsky Performance Score (KPS) von 100. Die meisten Patienten hatten bereits mindestens eine Gliom-Operation hinter sich (75 %) und 25 % hatten bereits ≥2 Operationen hinter sich. In der Voranigo-Gruppe wurde bei 14 % der Patienten eine Biopsie durchgeführt, bei 48 % eine subtotale Resektion und bei 51 % eine vollständige makroskopische Resektion. Die mediane Zeit zwischen der letzten Operation und der Randomisierung betrug 2,5 Jahre. In beiden Gruppen wiesen 95 % der Patienten eine IDH1 R132-Mutation und 5 % eine IDH2 R172-Mutation auf.
Die Wirksamkeitsergebnisse für das PFS und den TTNI sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Zum Zeitpunkt der Analyse traten keine tödlichen Ereignisse auf.
Tabelle 4: Wirksamkeitsergebnisse der INDIGO-Studie (Studie AG881-C-004)
Wirksamkeitsparameter
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VORANIGO 40 mg täglich (n = 168)a
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Placebo (n = 163)
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Progressionsfreies Überleben (PFS)
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Anzahl Ereignisse, n (%) Fortschreitende Krankheit Tod
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47 (28,0) 0
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88 (54,0) 0
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Medianes PFS, Monate (95 %-KI)b
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27,7 (17,0; NE)
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11,1 (11,0; 13,7)
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Hazard Ratio (95 %-KI)c
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0,39 (0,27; 0,56)
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p-Wertd
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0,000000067
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Zeit bis zum nächsten Eingriff (TTNI)
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Anzahl Ereignisse, n (%) Erste Nachbehandlung Wechsel zu Vorasidenib
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19 (11,3) 0
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6 (3,7) 52 (31,9)
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Medianes TTNI, Monate (95 %-KI)b
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NE (NE; NE)
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17,8 (15,0; NE)
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Hazard Ratio (95 %-KI)c
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0,26 (0,15; 0,43)
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p-Wertd
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0,000000019
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Abkürzungen: KI = Konfidenzintervall; NE (not estimable) = nicht schätzbar;
a Der vollständige Analysesatz umfasste alle Patienten, die randomisiert wurden.
b Das 95-prozentige Konfidenzintervall für den Median wurde mithilfe der Methode von Brookmeyer und Crowley berechnet.
c Geschätzt auf der Grundlage eines proportionalen Risikomodells nach Cox, das um die folgenden Stratifizierungsfaktoren korrigiert wurde: den 1p19q-Status und die anfängliche Grösse des Tumors.
d Geschätzt auf der Grundlage eines einseitigen, stratifizierten Log-Rank-Tests.
Kinder von der Geburt bis unter 12 Jahren
Die europäischen und schweizerischen Behörden haben eine Ausnahme von der Verpflichtung gewährt, Studien mit Voranigo in einer Untergruppe der pädiatrischen Bevölkerung (von der Geburt bis zum Alter von weniger als 12 Jahren) für die Behandlung von niedriggradigen Gliomen durchzuführen (siehe «Dosierung/Anwendung» für Informationen zur pädiatrischen Anwendung).
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