Warnhinweise und VorsichtsmassnahmenÜberwachung der Atemfunktion während der Erholung
Der Patient muss so lange künstlich beatmet werden, bis eine ausreichende Spontanatmung nach Aufhebung der neuromuskulären Blockade wiederhergestellt ist.
Auch wenn der Patient sich ausreichend von der neuromuskulären Blockade erholt hat, kann eine künstliche Beatmung nach wie vor erforderlich sein, da andere Arzneimittel, welche in der peri- und postoperativen Phase verwendet wurden, die Lungenfunktion einschränken können.
Falls eine Rekurarisierung nach der Extubation auftritt, sollte für eine ausreichende künstliche Beatmung gesorgt werden.
Wiederauftreten der neuromuskulären Blockade
In klinischen Studien bei mit Rocuronium oder Vecuronium behandelten Patienten (n=2022), in denen Sugammadex in der dem Grad der neuromuskulären Blockade empfohlenen Dosierung verabreicht wurde, wurde basierend auf der neuromuskulären Überwachung oder dem klinischen Befund ein Wiederauftreten der neuromuskulären Blockade mit einer Inzidenz von 0,20% beobachtet. Tiefere Dosierungen als die empfohlenen können zu einem erhöhten Risiko für das Wiederauftreten einer neuromuskulären Blockade nach initialer Aufhebung führen und sollten deshalb nicht verwendet werden (siehe «Dosierung/Anwendung»).
Wartezeiten bis zur erneuten Verabreichung von neuromuskulären Blockern nach der Aufhebung der Blockade mit Sugammadex
Tabelle 1: Erneute Verabreichung von Rocuronium oder Vecuronium nach routinemässiger Aufhebung der neuromuskulären Blockade bei Patienten mit normaler Nierenfunktion (bis zu 4 mg/kg Sugammadex)
Minimale Wartezeit
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Neuromuskulärer Blocker und zu verabreichende Dosis
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5 Minuten
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1,2 mg/kg Rocuronium
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4 Stunden
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0,6 mg/kg Rocuronium oder 0,1 mg/kg Vecuronium
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Wenn Rocuronium 1,2 mg/kg innerhalb von 30 Minuten nach Aufhebung der neuromuskulären Blockade mit Sugammadex verabreicht wird, kann das Einsetzen der neuromuskulären Blockade bis zu ca. 4 Minuten verzögert und die Dauer der neuromuskulären Blockade auf bis zu ca. 15 Minuten verkürzt sein.
Gemäss pharmakokinetischen Modellrechnungen sollte bei Patienten mit leichter bis mässiger Nierenfunktionsstörung die empfohlene Wartezeit nach der routinemässigen Aufhebung der neuromuskulären Blockade mit Sugammadex bis zur erneuten Verabreichung von 0,6 mg/kg Rocuronium oder 0,1 mg/kg Vecuronium ≥24 Stunden betragen. Falls eine kürzere Wartezeit dringend erforderlich ist, sollte die Rocuronium Dosis zur Erzielung einer erneuten neuromuskulären Blockade 1,2 mg/kg betragen.
Erneute Verabreichung von Rocuronium oder Vecuronium nach sofortiger Aufhebung der neuromuskulären Blockade (16 mg/kg Sugammadex):
Für diese sehr seltenen Fälle wird eine Wartezeit von ≥24 Stunden empfohlen.
Sollte eine erneute neuromuskuläre Blockade vor Ablauf der empfohlenen Wartezeit erforderlich sein, so wird die Gabe einer nichtsteroidalen neuromuskulär blockierenden Substanz empfohlen. Der Wirkungseintritt eines depolarisierenden neuromuskulären Blockers kann langsamer als erwartet sein, da ein erheblicher Teil der postsynaptischen Nikotinrezeptoren immer noch vom neuromuskulären Blocker besetzt sein kann.
Niereninsuffizienz
Die Anwendung von Sugammadex bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz einschliesslich Dialysepatienten (CrCl <30 ml/min) wird nicht empfohlen (siehe «Eigenschaften/Wirkungen» und «Pharmakokinetik»).
Interaktionen aufgrund des anhaltenden Effekts von Rocuronium oder Vecuronium
Wenn in der post-operativen Phase Arzneimittel verwendet werden, welche die neuromuskuläre Blockade potenzieren, sollte speziell auf die Möglichkeit eines Wiederauftretens der neuromuskulären Blockade geachtet werden. Beachten Sie bitte auf der Packungsbeilage von Rocuronium oder Vecuronium die Liste der spezifischen Arzneimittel, welche die neuromuskuläre Blockade potenzieren. Falls ein Wiederauftreten der neuromuskulären Blockade beobachtet wird, kann es erforderlich sein, den Patienten künstlich zu beatmen und erneut Sugammadex zu verabreichen (siehe «Dosierung/Anwendung»).
Mögliche Interaktionen
Interaktionen durch Komplexbildung
Nach Verabreichung von Sugammadex können gewisse Arzneimittel aufgrund einer dadurch reduzierten freien Plasmakonzentration weniger wirksam sein (siehe «Interaktionen, Hormonale Kontrazeptiva»).
Falls eine solche Situation beobachtet wird, sollte der Arzt die erneute Verabreichung desselben oder eines therapeutisch äquivalenten (vorzugsweise aus einer anderen Wirkstoffklasse) Arzneimittels und/oder nichtpharmakologische Massnahmen in Betracht ziehen.
Interaktionen durch Verdrängung
Durch die Verabreichung gewisser Arzneimittel nach Sugammadex könnten theoretisch Rocuronium oder Vecuronium aus Sugammadex verdrängt werden. Interaktionen durch Verdrängung sind derzeit nur für wenige Substanzen zu erwarten (Toremifen und Fusidinsäure, siehe «Interaktionen»). Dies kann ein Wiederauftreten der neuromuskulären Blockade zur Folge haben. In dieser Situation muss der Patient künstlich beatmet werden. Bei Infusionen sollte die Verabreichung des Arzneimittels gestoppt werden, welches die Verdrängung verursacht hat. In Situationen, in denen mögliche Wechselwirkungen zu erwarten sind, sollten Patienten nach parenteraler Verabreichung eines anderen Arzneimittels, die innerhalb von 7,5 Stunden nach Verabreichung von Sugammadex erfolgt, sorgfältig (für etwa 15 Minuten) hinsichtlich Anzeichen eines Wiederauftretens der neuromuskulären Blockade überwacht werden.
Narkosekomplikationen
Um eine sofortige Aufhebung zu untersuchen, wurde im Rahmen der klinischen Studien die neuromuskuläre Blockade mitten in der Anästhesie aufgehoben. Dabei wurden gelegentlich Anzeichen einer Wiederherstellung der neuromuskulären Funktion (Bewegung, Husten, Verziehen des Gesichts und Schlucken) beobachtet.
Wenn die neuromuskuläre Blockade aufgehoben und die Anästhesie dabei fortgesetzt wird, sollten zusätzliche Dosen des Anästhetikums und/oder Opioids gemäss gängiger klinischer Praxis gegeben werden (siehe «Unerwünschte Wirkungen»).
Ausgeprägte Bradykardie
In seltenen Fällen wurden innerhalb von Minuten nach der Verabreichung von Sugammadex ausgeprägte Bradykardien beobachtet. Vereinzelte Fälle von Bradykardien mit Herzstillstand sind berichtet worden (siehe «Unerwünschte Wirkungen»). Patienten, welche mit Sugammadex behandelt werden, müssen während und nach der Verabreichung von Sugammadex hinsichtlich hämodynamischer Parameter engmaschig überwacht werden. Falls eine klinisch signifikante Bradykardie beobachtet wird, sollten unmittelbar geeignete Notfallmassnahmen ergriffen werden und die Gabe eines Anticholinergikums, beispielsweise Atropin, erfolgen.
Leberinsuffizienz
Sugammadex wird weder von der Leber metabolisiert noch ausgeschieden. Daher wurden keine spezifischen Studien bei Patienten mit Leberinsuffizienz durchgeführt.
Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz sollten mit grosser Vorsicht behandelt werden. Die Erholungszeit könnte verlängert werden. Falls die Leberinsuffizienz zusammen mit einer Koagulopathie auftritt, sind die Angaben zu den Auswirkungen auf die Hämostase zu beachten.
Anwendung in der Intensivmedizin
Sugammadex wurde in der Intensivmedizin nicht untersucht.
Anwendung bei anderen neuromuskulären Blockern als Rocuronium/Vecuronium
Sugammadex sollte nicht für die Aufhebung von Blockaden verwendet werden, die durch nicht-steroidale neuromuskuläre Blocker (z.B. Succinylcholin oder Benzylisochinolin-ähnliche Substanzen) induziert wurden.
Wegen fehlender Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit sollte Sugammadex auch nicht für die Aufhebung von neuromuskulären Blockaden verwendet werden, die durch andere steroidale neuromuskuläre Blocker als Rocuronium oder Vecuronium induziert wurden.
Da nur limitierte Daten für die Aufhebung einer durch Pancuronium induzierten Blockade verfügbar sind, wird von der Verwendung von Sugammadex in einer solchen Situation abgeraten.
Verlängerte Erholungszeit
Bei Zuständen, die mit einer verlängerten Kreislaufzeit einhergehen, wie z.B. kardiovaskuläre Erkrankungen, hohes Alter (siehe «Dosierung/Anwendung») oder ödematöse Zustände (z.B. schwere Leberfunktionseinschränkung), wird die Erholungszeit verlängert.
Auswirkung auf die Hämostase
In einer Studie mit Probanden verlängerten Dosierungen von 4 mg/kg und 16 mg/kg Sugammadex die mittlere aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) maximal um 17-22% und die Prothrombinzeit (PT[INR]) um 11-22%. Diese begrenzten mittleren aPTT und PT[INR] Verlängerungen waren von kurzer Dauer (≤30 Minuten). Basierend auf klinischen Daten (n=3519) gab es keinen klinisch relevanten Effekt auf die Inzidenz von peri- oder post-operativen Blutungskomplikationen, wenn Sugammadex alleine oder in Kombination mit Antikoagulantien gegeben wurde.
In einer Studie bei 1184 Patienten mit einem chirurgischen Eingriff, die gleichzeitig mit einem Antikoagulans behandelt wurden, wurde ein geringer und vorübergehender Anstieg der aPTT um 5,5% bzw. der PT[INR] um 3,0% in der Stunde nach Verabreichung von Sugammadex 4 mg/kg beobachtet, was in der Studie nicht zu einem klinisch evidenten erhöhten Blutungsrisiko führte.
In in-vitro Untersuchungen wurde eine zusätzliche Verlängerung von aPTT und PT beobachtet für Sugammadex in Kombination mit Vitamin K-Antagonisten, unfraktioniertem Heparin, niedermolekularen Heparinoiden, Rivaroxaban und Dabigatran. Bei Patienten, die eine routinemässige postoperative prophylaktische Antikoagulation erhalten, ist diese pharmakodynamische Wechselwirkung klinisch nicht relevant. Vorsicht ist geboten, wenn die Anwendung von Sugammadex bei Patienten in Betracht gezogen wird, die aufgrund eines anamnestisch bekannten oder aktuellen Krankheitszustandes eine therapeutische Antikoagulation erhalten.
Ein erhöhtes Blutungsrisiko kann nicht ausgeschlossen werden bei Patienten:
·mit angeborenem Mangel an Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren;
·mit einer anamnestisch bekannten Koagulopathie;
·die Cumarin-Derivate erhalten und eine INR über 3,5 haben;
·die Antikoagulantien anwenden und eine Dosierung von 16 mg/kg Sugammadex erhalten.
Wenn es medizinisch notwendig ist, diesen Patienten Sugammadex zu verabreichen, muss der Anästhesist unter Berücksichtigung von Blutungsepisoden in der Vorgeschichte des Patienten und der Art der geplanten Operation entscheiden, ob der Nutzen das mögliche Risiko für Blutungskomplikationen überwiegt. Wenn Sugammadex diesen Patienten verabreicht wird, wird eine Überwachung der Hämostase und der Gerinnungsparameter empfohlen.
Da das Blutungsrisiko bei Sugammadex Dosierungen >4 mg/kg nicht systematisch untersucht worden ist, sollten die Koagulationsparameter bei Patienten mit bekannter Koagulopathie und antikoagulierten Patienten, die eine Sugammadex Dosis von 16 mg/kg erhalten, gemäss der routinemässigen klinischen Praxis sorgfältig überwacht werden.
Arzneimittel-Überempfindlichkeit
Ärzte sollten auf die Möglichkeit von Arzneimittel-Überempfindlichkeitsreaktionen (einschliesslich anaphylaktische Reaktionen) vorbereitet sein und die nötigen Vorsichtsmassnahmen treffen (siehe «Unerwünschte Wirkungen»).
Mit Überempfindlichkeitsreaktionen assoziierte Symptome können sein: Flush, Urtikaria, erythematöser Ausschlag, (schwere) Hypotonie, Tachykardie, Schwellung der Zunge, Schwellung des Rachens, Bronchospasmus und Lungenobstruktion. Schwere Überempfindlichkeitsreaktionen können tödlich sein.
Natrium
Dieses Arzneimittel enthält bis zu 9,7 mg Natrium pro ml, entsprechend 0,5% der von der WHO für einen Erwachsenen empfohlenen maximalen täglichen Natriumaufnahme von 2 g.
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