Eigenschaften/WirkungenATC-Code
N07XX05
Wirkungsmechanismus
Amifampridin blockiert die spannungsabhängigen Kaliumkanäle und verlängert dadurch die Depolarisation der präsynaptischen Zellmembran. Die Verlängerung des Muskelaktionspotentials fördert den Kalziumtransport in die Nervenenden. Die daraus resultierende Erhöhung der intrazellulären Kalziumkonzentrationen erleichtert die Exozytose Acetylcholin-haltiger Vesikel, was wiederum die neuromuskuläre Transmission fördert.
Pharmakodynamik
Amifampridin verbessert die Muskelkraft und führt zu einer Erhöhung der Amplituden des Ruhe-Muskelsummenaktionspotentials (CMAP - compound muscle action potential) in Ruhe mit einer gewichteten mittleren Gesamtdifferenz von 1,69 mV (95 % CI 0,60 - 2,77).
Klinische Wirksamkeit
Firdapse wurde als Arzneimittel mit Orphan Drug Status zugelassen. Das bedeutet, dass es aufgrund der Seltenheit der Erkrankung nicht möglich war, vollständige Informationen zu diesem Arzneimittel zu erhalten. Es liegen keine kontrollierten Daten zur Langzeitwirksamkeit und –sicherheit vor (siehe Rubrik «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»).
Die klinische Wirksamkeit von Amifampridin (vorwiegend die Basen-Formulierung) wurde in unterschiedlichen Dosierungen untersucht. Eine prospektive, Placebo-kontrollierte, randomisierte Studie mit 26 LEMS-Patienten berichtete über therapeutische Effekte von Amifampridin in einer Dosierung von 60 mg pro Tag (Sanders et al. 2000). In zwei weiteren Studien an insgesamt 57 Patienten mit LEMS wurden höhere Amifampridin-Dosierungen untersucht. McEvoy et al. (1989) beschrieben eine Wirksamkeit bezüglich autonomer und motorischer Symptome bei einem Kollektiv von 12 LEMS-Patienten unter Amifampridin in Dosierungen bis zu 100 mg/Tag über einen Zeitraum von 3 Tagen. Sanders et al. (1998) untersuchten Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung mit Amifampridin in Dosierungen bis zu 100 mg pro Tag bei 45 LEMS-Patienten, die über einen Zeitraum von 1 bis 109 Monaten (im Durchschnitt 31 Monate) behandelt wurden. Deshalb können in Ausnahmefällen bei Patienten, die unter 60 mg pro Tag nicht zufriedenstellend eingestellt sind, höhere Dosierungen bis zu maximal 80 mg pro Tag von potentiellem Nutzen sein. Eine vorsichtige Steigerung der Tagesdosis von 60 mg um 5 mg alle 7 Tage auf maximal 80 mg pro Tag sollte unter Beibehaltung der Einzeldosen von maximal 20 mg und nach Massgabe der Klinik unter regelmässigen klinischen, elektrophysiologischen (CMAP-Messung) und EKG-Kontrollen erfolgen. Die Dosissteigerung muss abgebrochen werden, wenn unerwünschte Wirkungen oder EKG-Anomalien festgestellt werden (siehe Rubriken «Dosierung/Anwendung» und «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»).
In einer Studie zum QT-Intervall wurde die Wirkung von Amifampridinphosphat in den Einzeldosen 30 mg bzw. 60 mg im Vergleich zu Placebo und Moxifloxacin (positive Kontrollgruppe) bei gesunden, langsam acetylierenden Probanden bewertet. Messungen der Herzfrequenz, der Längen des PR-Intervalls, des QRS-Komplexes und des QTc-Intervalls zeigten keine klinisch relevanten Auswirkungen auf die Herzfrequenz, die atrioventrikuläre Leitung und die De- und Repolarisation des Herzmuskels. Keiner der Probanden entwickelte laut EKG-Kontrollen neue klinisch relevante morphologische Veränderungen infolge der Verabreichung von Amifampridinphosphat.
Es wurde eine doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte Auslassstudie zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von Amifampridinphosphat bei Patienten mit LEMS im Alter von 18 Jahren oder älter (n=26) durchgeführt. Für die Patienten wurde für mindestens 7 Tage vor der Randomisierung eine stabile Amifampridinphosphat-Dosis und Amifampridinphosphat-Frequenz aufrechterhalten. In dieser viertägigen Studie wurden Patienten an Tag 0 nach dem Zufallsprinzip (1:1) Amifampridinphosphat (in der für den Patienten optimalen Dosis) oder Placebo zugewiesen. Die Die Ausgangswert-Beurteilungen wurden an Tag 0 durchgeführt. Die primären Endpunkte waren die Änderung in Bezug auf den Ausgangswert (CFB) des Patient Global Impression (SGI) Scores und des Quantitative Myasthenia Gravis (QMG) Scores an Tag 4. Ein sekundärer Wirksamkeitsendpunkt war die Änderung des CGI-I Scores in Bezug auf den Ausgangswert an Tag 4, die durch die behandelnden Ärzte festgestellt wurde. Patienten durften peripher wirksame Cholinesterasehemmer oder Kortikosteroide in stabilen Dosen anwenden. Patienten mit kürzlicher Anwendung immunmodulierender Therapien (z.B. Azathioprin, Mycophenolat, Ciclosporin), von Rituximab, intravenösem Immunglobulin G und Plasmapherese wurden von der Studie ausgeschlossen. Die Patienten hatten ein Durchschnittsalter von 55,5 Jahren (Bereich: 31 bis 75 Jahre). 62 % waren weiblich und 38 % waren männlich.
Nach dem viertägigen, doppelblinden Unterbrechungszeitraum war die Muskelstärke bei den mit Amifampridinphosphat behandelten Patienten gleich geblieben, wohingegen die mit Placebo behandelten Patienten im Vergleich dazu eine Abnahme der Muskelstärke aufwiesen. Die beobachtete Mittelwertdifferenz bei der Änderung der QMG insgesamt und des SGI in Bezug auf den Ausgangswert zwischen den Behandlungen betrug jeweils -6,54 (95 % CI: -9,78, -3,29; p=0,0004) und 2,95 (95 % CI: 1,53, 4,38; p=0,0003), beides statistisch signifikant zugunsten von Amifampridinphosphat. Ausserdem zeigten die von den Ärzten an Tag 4 bestimmten CGI-I-Scores eine signifikante Verbesserung bei Patienten, die weiterhin Amifampridinphosphat erhielten, im Vergleich zu Placebo (p = 0,0020).
Zusammenfassung der Änderungen bei den primären und sekundären Wirksamkeitsendpunkten in Bezug auf den Ausgangswert
Beurteilung
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Amifampridin (n=13)
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Placebo (n=13)
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QMG-Scoresa
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LS-Mittelwertd
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0,00
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6,54
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LS-Mittelwertdifferenz (95 % CI)
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-6,54 (-9,78, -3,29)
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p-Wertd
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0,0004
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SGI-Scoresb
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LS-Mittelwertd
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-0,64
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-3,59
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LS-Mittelwertdifferenz (95 % CI)
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2,95 (1,53, 4,38)
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p-Wertd
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0,0003
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CGI-I-Scoresc
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Mittelwert (SA)
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3,8 (0,80)
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5,5 (1,27)
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p-Werte
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0,0020
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a Gesamtbereich des QMG-Scores 0 – 39, 13 Punkte, 0-3 Punkte für jeden Test. Je mehr Punkte = desto schlimmer die Symptome.
b SGI ist eine 7-Punkte-Skala zur Bewertung des Gesamteindrucks der Wirkungen der Studienbehandlung (1 = sehr schlimm bis 7 = sehr erfreulich).
c CGI-I ist eine 7-Punkte-Skala auf Basis der Veränderung von Symptomen, Verhalten und funktionalen Fähigkeiten (1 = sehr stark verbessert bis 7 = sehr stark verschlechtert).
d Die CFB für den QMG-Gesamtscore wurde als das Ansprechen modelliert, mit Fixed-Effects-Bedingungen für die Behandlung und QMG bei Studienbeginn.
e p-Wert basierend auf dem Wilcoxon-Rangsummentest für Behandlungsunterschiede.
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