Eigenschaften/WirkungenATC-Code
B02BD02
Pharmakotherapeutische Gruppe: Antihämorrhagika: Blutgerinnungsfaktor VIII.
Wirkungsmechanismus
AFSTYLA (INN: Lonoctocog alfa) enthält ein rekombinantes Protein, das den fehlenden Faktor VIII, der zu einer wirkungsvollen Blutstillung benötigt wird, ersetzt. Lonoctocog alfa ist ein rekombinanter Faktor VIII, der einkettig vorliegt und bei dem ein Grossteil der bei dem Faktor-VIII-Wildtyp voller Länge vorkommenden B-Domäne entfernt wurde. Nach Aktivierung enthält das Lonoctocog-alfa-Molekül eine Aminosäuresequenz, die identisch mit der des Faktors VIIIa ist, der aus dem endogenen Faktor VIII voller Länge gebildet wird. Ausserdem führt der einzelkettige Aufbau zu einer hohen Bindungsaffinität von Lonoctocog alfa zum von-Willebrand-Faktor.
Pharmakodynamik
Hämophilie A ist eine x-chromosomal vererbbare Erkrankung der Blutgerinnung, verursacht durch erniedrigte Faktor-VIII-Spiegel und führt zu starken Blutungen in die Gelenke, Muskeln oder inneren Organe, entweder spontan oder als Folge von unfallbedingten oder chirurgischen Verletzungen. Durch die Substitutionstherapie wird der Plasmaspiegel von Faktor VIII erhöht und somit eine zeitlich begrenzte Korrektur des Faktor-VIII-Mangels und eine Korrektur der Blutungsneigung erreicht.
Klinische Wirksamkeit
Offene Studien an zuvor behandelten Patienten (previously treated patients, PTPs): Studie 1001 an Jugendlichen und Erwachsenen, Studie 3002 an einer pädiatrischen Population
Die Pharmakokinetik, Sicherheit und klinische Wirksamkeit von AFSTYLA wurde in einer Phase I/III-Studie mit Erwachsenen/Jugendlichen und einer Phase III Studie mit Kindern untersucht. In den Studien wurde die Pharmakokinetik von AFSTYLA charakterisiert und die blutstillende Wirksamkeit in der Kontrolle von Blutungen und in der Routineprophylaxe zur Vermeidung von Blutungen bestimmt. In der Phase I/III Studie mit Erwachsenen/Jugendlichen wurde auch die blutstillende Wirksamkeit in der perioperativen Prophylaxe bei Patienten untersucht, bei denen chirurgische Eingriffe vorgenommen wurden.
An der Phase I/III Studie mit Erwachsenen/Jugendlichen nahmen 175 männliche Patienten mit schwerer Hämophilie A (<1 % endogene FVIII Aktivität) teil, die zuvor schon eine Behandlung erfahren hatten. Die Patienten waren zwischen 12 und 65 Jahre alt; darunter befanden sich 14 Jugendliche im Alter von mindestens 12 bis unter 18 Jahren. Von den 175 Studienteilnehmern erhielten 174 mindestens 1 Dosis AFSTYLA und 173 (99 %) waren für die Wirksamkeitsstudie auswertbar. 161 Patienten (92,5 %) schlossen die Studie ab. 120 (69,0 %) der Studienteilnehmer wurden mindestens 50 Behandlungstagen unterworfen, 52 (29,9 %) dieser Patienten erhielten mindestens 100 Behandlungstage. Die Patienten erhielten insgesamt 14'592 Injektionen, der Median lag bei 67 Injektionen, entsprechend einer Spannbreite von 1 bis 395 Injektionen pro Patient.
An der Phase-III-Studie mit Kindern nahmen 84 männliche Patienten mit schwerer Hämophilie A teil, 35 der Patienten waren im Alter zwischen 0 und weniger als 6 Jahren, und 49 zwischen 6 und 12 Jahren. Von den 84 teilnehmenden Patienten erhielten alle mindestens eine Dosis AFSTYLA und 83 (99 %) waren für die Wirksamkeitsstudie auswertbar. 65 (77,4 %) der Studienteilnehmer wurden mindestens 50 Behandlungstagen unterworfen, 8 (9,5 %) dieser Patienten erhielten mindestens 100 Behandlungstage. Die Patienten erhielten insgesamt 5'313 Injektionen, der Median lag bei 59 Injektionen, entsprechend einer Spannbreite von 4 bis 145 Injektionen pro Patient.
Kontrolle und Vermeidung von Blutungen
In der Studie mit Erwachsenen/Jugendlichen wurden 848 Blutungsepisoden, mehrheitlich Gelenksblutungen, mit AFSTYLA behandelt und 835 wurden bezüglich der Wirksamkeit durch den klinischen Prüfer ausgewertet.
Der Median der Injektionsdosen für die Behandlung der Blutungsepisoden lag bei 31,7 I.E./kg. 686 (81 %) dieser gesamthaft 848 Blutungsepisoden wurden mit einer einzigen Dosis AFSTYLA unter Kontrolle gebracht, weitere 107 (13 %) mit 2 Injektionsdosen. 55 (6 %) der 848 Blutungsepisoden benötigten 3 oder mehr Injektionen.
Die hämostatische Wirksamkeit wurde durch den klinischen Prüfer für 94 % der Blutungsepisoden als ausgezeichnet oder gut eingestuft.
In der pädiatrischen Studie wurden gesamthaft 347 Blutungsepisoden, mehrheitlich Gelenksblutungen, mit AFSTYLA behandelt und bezüglich der Wirksamkeit durch den klinischen Prüfer ausgewertet.
Der Median der Injektionsdosen für die Behandlung der Blutungsepisoden lag bei 27,3 I.E./kg. 298 (86 %) dieser gesamthaft 347 Blutungsepisoden wurden mit einer einzigen Dosis AFSTYLA unter Kontrolle gebracht, weitere 34 (10 %) mit 2 Injektionsdosen. 15 (4 %) der 347 Blutungsepisoden benötigten 3 oder mehr Injektionen.
Die hämostatische Wirksamkeit wurde durch den klinischen Prüfer für 96 % der Blutungsepisoden als ausgezeichnet oder gut eingestuft.
Routineprophylaxe
In der Studie mit Erwachsenen/Jugendlichen und der pädiatrischen Studie wurde das Dosierungsschema für die Routineprophylaxe von dem klinischen Prüfer bestimmt. Dies geschah unter Berücksichtigung des FVIII-Behandlungsschemas, dem der jeweilige Patient vor Studienbeginn folgte, und unter Berücksichtigung seines Blutungsphänotyps.
In der Studie mit Erwachsenen/Jugendlichen erhielten 54 % der insgesamt 146 Prophylaxe-Patienten 3-mal wöchentlich AFSTYLA. 32 % erhielten AFSTYLA 2-mal wöchentlich. 6 % der Prophylaxe-Patienten erhielten alle 2 Tage AFSTYLA und 8 % der Prophylaxe-Patienten folgten einem anderen Dosierungsschema.
Unter Routineprophylaxe traten bei 63 (43 %) der 146 Patienten keine Blutungsepisoden auf.
Der Median der jährlichen Blutungsrate (ABR) unter Routineprophylaxe lag bei 1,14 (Interquartilbereich 0,0 bis 4,2) und war somit statistisch signifikant niedriger (p <0,0001) als bei Patienten unter Bedarfsbehandlung (Median der ABR 19,64, Interquartilbereich 6,2 bis 46,5). Die ABR von Patienten, die 3-mal wöchentlich behandelt wurden (Median der ABR 1,53, Interquartilbereich 0,0 bis 4.,4) war vergleichbar mit der ABR der Patienten, die 2-mal wöchentlich behandelt wurden (Median der ABR 0,00, Interquartilbereich 0,00 – 3,3). Die jährliche spontane Blutungsrate (AsBR) war bei diesen Patienten identisch, mit einem Median der AsBR von 0,00 sowohl bei 3-mal wöchentlicher Behandlung (Interquartilbereich 0,00 bis 3,5) als auch bei 2-mal wöchentlicher Behandlung (Interquartilbereich 0,00 bis 1,1).
Der Median der verschriebenen Dosis für Patienten, die 3-mal wöchentlich behandelt wurden, lag bei 30 I.E./kg pro Injektion, und bei 35 I.E./kg für Patienten, die 2-mal wöchentlich behandelt wurden.
In der pädiatrischen Studie erhielten 54 % der insgesamt 80 Prophylaxe-Patienten 2-mal wöchentlich AFSTYLA. 30 % der Prophylaxe-Patienten erhielten AFSTYLA 3-mal wöchentlich. 4 % der Prophylaxe-Patienten erhielten alle 2 Tage AFSTYLA und 12 % der Prophylaxe-Patienten folgten einem anderen Dosierungsschema.
Unter Routineprophylaxe traten bei 21 (26 %) der 80 Patienten keine Blutungsepisoden auf.
Die ABR lag bei Prophylaxe-Patienten bei 3,69 (Interquartilbereich 0,00 bis 7,20) mit einem Median der ABR von 2,30 (Interquartilbereich 0,00 bis 11,58) für Patienten, die 3-mal wöchentlich behandelt wurden und einem Median der ABR von 4,37 (Interquartilbereich 2,31 bis 7,24) für Patienten, die 2-mal wöchentlich behandelt wurden. Die jährliche spontane Blutungsrate (AsBR) war bei diesen Patienten identisch, der Median der AsBR bei 3-mal wöchentlicher Behandlung sowie 2-mal wöchentlicher Behandlung lag bei 0,00 (Interquartilbereich 0,00 bis 3,03 und 0,00 bis 2,08).
Der Median der verschriebenen Dosis für Patienten, die 3-mal wöchentlich behandelt wurden, lag bei 32 I.E./kg pro Injektion, und bei 35 I.E./kg für Patienten, die 2-mal wöchentlich behandelt wurden.
Perioperativen Prophylaxe (chirurgische Prophylaxe)
13 der Patienten, die an der Studie mit Erwachsenen/Jugendlichen teilnahmen, wurden insgesamt 16 chirurgischen Eingriffen unterzogen. Bei diesen Eingriffen handelte es sich um eine Extraktion von Weisheitszähnen, Bauchwandhernien-Operation, ein Ersatz des Ellenbogengelenks, fünfmal Ersetzen des Kniegelenks, eine Entfernung der Gallenblase und Dehnung der Achillessehne kombiniert mit Richten, drei Zirkumzisionen und ein Osteosynthese-Verfahren am rechten Fussgelenk mit offener Reposition und interner Fixation und anschliessender Entfernung dieser Fixation. Insgesamt wurde die hämostatische Wirksamkeit von AFSTYLA in 15 von 16 Eingriffen von den klinischen Prüfern als ausgezeichnet und in 1 von 16 Eingriffen (ein Ersatz des Kniegelenks) als gut eingestuft. Der Median des FVIII-Verbrauchs am Operations-Tag lag bei 89,4 I.E./kg (Spannbreite 40,5 – 108,6 I.E./kg).
Kinder, Jugendliche und Erwachsene (Verlängerungsstudie 3001)
In die Studie 3001 wurden 222 PTPs (67 Teilnehmende <12 Jahre) aufgenommen, darunter 204 PTPs aus den Lead-in-Studien 1001 und 3002. Die mittlere (SD) Anzahl Expositionstage (Eds) bei den PTPs in dieser Studie betrug 341,9 (135,48). Insgesamt erreichten 212 Teilnehmende (95,5 %) >100 Eds. Kein Patient entwickelte einen Inhibitor oder erlebte eine anaphylaktische Reaktion. Es wurden keine neuen Sicherheitsbedenken festgestellt in dieser Verlängerungsstudie. Die Ergebnisse zur individualisierten Prophylaxe und zur Behandlung von Blutungen waren vergleichbar mit denen früherer Studien.
Individualisierte Prophylaxe: Von den 211 prophylaktisch behandelten Patienten (Median der ABR 1,21 [Interquartilbereich: 0,33; 3,03]) wurden 85 (40 %) einem Zweimal-wöchentlich-Schema und 97 (46 %) einem Dreimal-wöchentlich-Schema zugewiesen. Patienten unter 2- und 3-mal wöchentlicher prophylaktischer Behandlung erhielten Dosen von im Median 35 bzw. 32 I.E./kg pro Injektion mit einem jährlichen Verbrauch von im Median 4,603 I.E./kg pro Jahr über alle Prophylaxeschemata hinweg.
Behandlung von Blutungen: Von den 2413 behandelten Blutungsereignissen, die in Studie 3001 auftraten, wurden 86,3 % mit 2 oder weniger Injektionen unter Kontrolle gebracht.
Zuvor unbehandelte Patienten (PUPs)
Pädiatrische Population <12 Jahre (Studie 3001)
In die Studie wurden insgesamt 24 PUPs mit einem Altersmedian von 1,0 Jahren (Bereich: 0 bis 5 Jahre) aufgenommen. Die Studienteilnehmenden erreichten insgesamt 5909 Eds mit rVIII-SingleChain.
Individualisierte Prophylaxe: Insgesamt 23 PUPs erhielten das prophylaktische Behandlungsschema während der Studie (11 nach Wechsel von der Bedarfsbehandlung). Die ABR betrug im Median 1,84 (Bereich: 0,0 bis 23,6), die AsBR im Median 0,88 (Bereich: 0,0 bis 19,7).
Behandlung von Blutungen: Von den 315 behandelten Blutungsereignissen, wurden 88,9 % mit 2 oder weniger Injektionen unter Kontrolle gebracht. Die zur Behandlung eines Blutungsereignisses verwendete Dosis lag im Median bei 66,2 I.E./kg.
Insgesamt stimmte das Nutzen-Risiko-Profil von AFSTYLA bei PUPs mit dem bei PTPs berichteten überein, mit Ausnahme des Auftretens von neutralisierenden Antikörpern, die ein anerkanntes Risiko einer FVIII-Substitutionstherapie bei PUPs darstellen.
Daten zur Immuntoleranzinduktion (ITI) wurden von Patienten mit Hämophilie A erhoben, die Inhibitoren gegen FVIII entwickelten. Während der klinischen Studie an PUPs erhielten 11 Patienten eine ITI-Behandlung mit AFSTYLA, und 9 Patienten erreichten eine Immuntoleranz, die durch ein negatives Ergebnis im Hemmkörper-Test bei Abschluss der Studie belegt wurde.
Zu beachten ist, dass die jährliche Blutungsrate (ABR) zwischen verschiedenen Faktorkonzentraten und verschiedenen klinischen Studien nicht vergleichbar ist.
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