Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L02BB05
Wirkungsmechanismus
Apalutamid ist ein oraler selektiver Androgenrezeptor (AR)-Inhibitor, der direkt an die Ligandenbindungsdomäne des AR bindet. In präklinischen Studien verhinderte Apalutamid die nukleäre Translokation des AR in den Zellkern, hemmte die DNA-Bindung und die AR-vermittelte Transkription und zeigte keine agonistische Aktivität gegenüber dem Androgenrezeptor. In Mausmodellen für Prostatakarzinom bewirkte die Verabreichung von Apalutamid eine Verringerung der Tumorzellproliferation und eine verstärkte Apoptose mit dem Ergebnis einer potenten Antitumoraktivität. Ein Hauptmetabolit, N-Desmethylapalutamid zeigte ein Drittel der In-vitro-Aktivität von Apalutamid.
Pharmakodynamik
Reduzierung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA)
Apalutamid 240 mg täglich zusätzlich zur ADT bei Patienten mit mHSPC (TITAN) senkte den PSA-Wert bei 68 % der Patienten auf nicht nachweisbare Werte (< 0,2 ng/ml), verglichen mit 32 % der Patienten, die ausschliesslich mit der ADT behandelt wurden.
Apalutamid 240 mg täglich zusätzlich zur ADT bei Patienten mit nmCRPC (SPARTAN) senkte den PSA-Wert bei 38 % der Patienten auf nicht nachweisbare Werte (< 0,2 ng/ml), verglichen mit keinem der Patienten (0 %), die ausschliesslich mit der ADT behandelt wurden.
Das Expositions-Wirkungs-Verhältnis und der zeitliche Verlauf der pharmakodynamischen Reaktion auf die Sicherheit und Wirksamkeit von Apalutamid sind nicht vollständig charakterisiert worden.
Wirkungen auf das QT/QTc-Intervall und die kardiale Elektrophysiologie
Die Wirkung von 240 mg Apalutamid einmal täglich auf das QT-Intervall wurde in einer unverblindeten, unkontrollierten, multizentrischen, einarmigen, speziellen QT-Studie bei 45 Studienteilnehmern mit CRPC bewertet. Die maximale mittlere Veränderung des QTcF-Werts gegenüber dem Ausgangswert betrug 12,4 ms (2-seitiges, oberes 90%-KI: 16,0 ms). Eine Analyse des QT relativ zur Exposition legte nahe, dass Apalutamid und sein aktiver Metabolit eine konzentrationsabhängige Verlängerung des QTcF bewirken.
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von ERLEADA wurde in zwei randomisierten, placebokontrollierten, multizentrischen, klinischen Phase 3 Studien bei Studienteilnehmern mit mHSPC (TITAN) oder nmCRPC (SPARTAN) untersucht. Alle Studienteilnehmer in diesen Studien erhielten begleitend ein GnRH-Analogon oder hatten zuvor eine bilaterale Orchiektomie.
TITAN: Metastasiertes hormon-sensitives Prostatakarzinom (mHSPC)
TITAN war eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, multinationale, multizentrische klinische Studie, in der 1052 Studienteilnehmer mit mHSPC randomisiert (1:1) wurden, um entweder einmal täglich ERLEADA oral in einer Dosis von 240 mg (N = 525) oder einmal täglich ein Placebo (N = 527) zu erhalten. Alle Studienteilnehmer in der TITAN-Studie erhielten begleitend ein GnRH-Analogon oder hatten zuvor eine bilaterale Orchiektomie. Die Studienteilnehmer wurden nach dem Gleason-Score bei Diagnosestellung, vorgängiger Anwendung von Docetaxel und der Region der Welt stratifiziert. Die Teilnahme an der Studie war für Patienten mit High-Volume-mHSPC und solche mit Low-Volume-mHSPC (hohe bzw. niedrige Metastasen-Last) zulässig.
Die folgenden demografischen Patientendaten und Krankheitsmerkmale zum Studienbeginn waren in den beiden Behandlungsarmen gleich verteilt. Das mediane Alter betrug 68 Jahre (Bereich 43–94) und 23% der Studienteilnehmer waren 75 Jahre alt oder älter. Die Verteilung der ethnischen Zugehörigkeit betrug 68% Kaukasier, 22% Asiaten und 2% Schwarze. 63% der Studienteilnehmer wiesen eine hohe Metastasen-Last (High-Volume-Disease) auf, 37% hatten eine niedrige Metastasen-Last (Low-Volume-Disease). 16% der Studienteilnehmer hatten vorgängig eine Operation, eine Strahlentherapie der Prostata oder beides erhalten. Eine Mehrheit der Studienteilnehmer (92%) hatte einen Gleason-Score von 7 oder höher. 68% der Probanden hatten vorgängig eine Behandlung mit einem Antiandrogen der ersten Generation bei nicht-metastasierter Krankheit erhalten. Alle Studienteilnehmer mit Ausnahme eines Patienten in der Placebogruppe hatten bei Studieneintritt einen ECOG-PS-Wert (Eastern Cooperative Oncology Group Performance-Status) von 0 oder 1. Bei den Studienteilnehmern, welche die Studienbehandlung abbrachen (N = 271 in der Placebogruppe und N = 170 in der ERLEADA-gruppe), war der häufigste Grund für den Abbruch in beiden Armen das Fortschreiten der Erkrankung. Von den Patienten in der Placebogruppe erhielt ein grösserer Anteil (73%) als in der mit ERLEADA behandelten Gruppe (54%) eine nachfolgende Krebstherapie.
Die vorgängige Behandlung mit GnRH sowie die chirurgische Kastration mussten ≥14 Tage vor der Randomisierung begonnen worden sein, die Gesamtdauer musste ≤6 Monate betragen. Eine Docetaxel-Behandlung aufgrund des metastasierten Prostatakarzinoms war zulässig, sofern ≤6 Zyklen verabreicht wurden. Ca. 11% der Patienten hatten eine vorgängige Docetaxel-Behandlung erhalten.
Die ko-primären Endpunkte der Studie waren das Gesamtüberleben (Overall Survival, OS) und das radiografische progressionsfreie Überleben (rPFS).
In einer Interimsanalyse wurde ein statistisch signifikanter Behandlungseffekt von Apalutamid auf das OS mit einer HR von 0,67 (95%-KI: 0,51, 0,89; p = 0,0053) beobachtet. Das mediane OS wurde in beiden Armen nicht erreicht. Zum Zeitpunkt der Analyse waren 16% der Patienten (83/525) unter Erleada und 22% der Patienten (117/527) unter Placebo verstorben.
Zum Zeitpunkt der finalen Studienanalyse, nachdem 405 Todesfälle verzeichnet worden waren, erfolgte eine aktualisierte OS-Analyse. Zum klinischen Stichtag dieser aktualisierten Analyse (7. September 2020) waren im Apalutamid-Arm 170 Probanden (32%) und im Placebo-Arm 235 Probanden (45%) gestorben, wobei die mediane Nachbeobachtungsdauer im Hinblick auf das Überleben 44 Monate betrug. Das mediane Überleben betrug im Placebo-Arm 52 Monate und wurde im Apalutamid-Arm nicht erreicht. Die HR für das OS betrug 0,65 (95%-KI: 0,53, 0,79; p-Wert < 0,0001).
Es wurde ein statistisch signifikanter Behandlungseffekt auf das rPFS zugunsten von Apalutamid beobachtet (HR = 0,48; 95%-KI: 0,39, 0,60; p < 0,0001).
Das mediane rPFS im Apalutamid-Arm wurde nicht erreicht, und betrug 22 Monate im Placebo-Arm.
Mit Ausnahme des fehlenden OS-Vorteils, der bei Patienten mit vorheriger Docetaxel-Behandlung beobachtet wurde, war die Verbesserung von OS und PFS in allen vordefinierten Patientengruppen konsistent.
Die Behandlung mit ERLEADA zögerte den Beginn der zytotoxischen Chemotherapie hinaus (HR = 0,391, 95%-KI = 0,274, 0,558).
SPARTAN: Nicht-metastasiertes, kastrationsresistentes Prostatakarzinom (nmCRPC)
In einer multizentrischen, doppelblinden, klinischen Studie (SPARTAN) wurden insgesamt 1207 Studienteilnehmer mit nmCRPC 2:1 randomisiert, um entweder ERLEADA oral in einer Dosierung von 240 mg einmal täglich in Kombination mit einer ADT (medikamentöse oder chirurgische Kastration) oder ein Placebo mit einer ADT zu erhalten. Die in die Studie aufgenommenen Patienten hatten eine Verdopplungszeit des prostataspezifischen Antigens (PSADT) von ≤10 Monaten. Alle Studienteilnehmer ohne chirurgische Kastration erhielten während der Studie kontinuierlich eine ADT. Dreiundsiebzig (73%) der Studienteilnehmer erhielten eine Vorbehandlung mit einem Antiandrogen der ersten Generation; 69% der Studienteilnehmer erhielten Bicalutamid und 10% erhielten Flutamid. Systemische Kortikosteroide waren bei der Aufnahme in die Studie nicht zulässig. Die PSA-Ergebnisse waren verblindet und wurden nicht für die Unterbrechung der Behandlung verwendet.
Die in die Studienarme randomisierten Patienten erhielten die Behandlung bis zum Eintreten einer durch blinded central imaging review (BICR) festgestellten Krankheitsprogression, der Einleitung einer neuen Behandlung, dem Eintreten inakzeptabler Toxizität oder dem Austritt aus der Studie. Bei einer bestätigten Entwicklung von Fernmetastasen wurde den Studienteilnehmern ZYTIGA als erste Folgetherapie nach Abbrechen der Studienbehandlung angeboten.
Die folgenden demografischen Daten und Krankheitscharakteristika zum Studienbeginn waren in den Behandlungsarmen gleich verteilt. Das mediane Alter betrug 74 Jahre (Bereich: 48-97), und 26% der Patienten waren mindestens 80 Jahre alt. 66% waren Kaukasier, 5,6% waren Schwarze, 12% Asiaten und 0,2% waren von anderer ethnischer Zugehörigkeit. Von den Studienteilnehmern in beiden Behandlungsarmen hatten 77% eine Prostatektomie oder Radiotherapie der Prostata in der Vorgeschichte. Die meisten Studienteilnehmer hatten einen Gleason-Score von 7 oder höher (81%). Bei 15% der Studienteilnehmer waren die Grösse der Beckenlymphknoten < 2 cm bei Studieneintritt. Bei allen aufgenommenen Studienteilnehmern wurde bei Studieneintritt durch BICR bestätigt, dass keine Metastasen vorlagen, und alle hatten bei Studieneintritt einen Funktionsniveau Status, gemessen mit Eastern Cooperative Oncology Group Performance-Status (ECOG PS) von 0 oder 1.
Metastasen-freies Überleben (Metatasis-Free Survival, MFS) war definiert als die Zeit von der Randomisierung bis zum Zeitpunkt des ersten Nachweises einer mittels BICR bestätigten Fernmetastasierung im Knochen oder Weichteilgewebe oder Tod jeglicher Ursache, je nachdem, was früher eintritt. Die Behandlung mit ERLEADA führte zu einer deutlichen Verbesserung des MFS. ERLEADA verringerte das Risiko von Fernmetastasen oder Tod um 72% (HR = 0,28; 95% KI: 0,23, 0,35; p < 0,0001). Das mediane MFS unter Behandlung mit ERLEADA betrug 41 Monate und bei Placebo-Gabe 16 Monate.
Unter Einbeziehung aller Daten ergaben sich bei den Studienteilnehmern unter Behandlung mit ERLEADA und ADT gegenüber solchen, die nur ADT erhielten, signifikante Verbesserungen hinsichtlich der Endpunkte progressionsfreies Überleben (Progression-free Survival, PFS) (HR = 0,29; 95%-KI: 0,24, 0,36; p < 0,0001, Medianwert 41 Monate bei Anwendung von ERLEADA gegenüber 15 Monaten bei Anwendung des Placebos), dem Gesamtüberleben (Overall Survival, OS) (HR = 0,78; 95%-KI: 0,64, 0,96; p = 0,0161) und der Zeit bis zur Einleitung der zytotoxischen Chemotherapie (HR = 0,63; 95%-KI: 0,49, 0,81; p = 0,0002).
Bei der Zwischenanalyse nach einer mittleren Nachbeobachtungsdauer von 20,3 Monaten war das Gesamtüberleben unter ERLEADA länger als bei Anwendung des Placebos mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,700 (95%-KI: 0,472, 1,038). Der p-Wert betrug 0,0742 und erreichte damit nicht den vorab festgelegten Wert für statistische Signifikanz. Bei der Abschlussanalyse nach einer mittleren Nachbeobachtungsdauer von 52,0 Monaten zeigten die Ergebnisse, dass die Behandlung mit ERLEADA das Sterberisiko im Vergleich zur Placebogruppe um 22% signifikant verringerte (HR = 0,784; 95%-KI: 0,643, 0,956; 2-seitiges p = 0,0161). Das mediane OS betrug im ERLEADA-Arm 73,9 Monate und im Placeboarm 59,9 Monate. Die vorgegebene Alpha-Grenze (p ≤0,046) für diese Abschlussanalyse wurde überschritten und statistische Signifikanz wurde erreicht.
Die Abschlussanalyse ergab, dass die Behandlung mit Erleada das Risiko der Einleitung einer zytotoxischen Chemotherapie im Vergleich zur Placebogruppe um 37% signifikant verringerte (HR = 0,629; 95%-KI: 0,489, 0,808; p = 0,0002), d.h. mit Erleada wurde gegenüber dem Placebo eine statistisch signifikante Verbesserung erreicht. Die mediane Dauer bis zur Einleitung einer zytotoxischen Chemotherapie wurde in keinem der Behandlungsarme erreicht.
Wenn dies in Frage kam und keine Anzeichen für eine Krankheitsprogression vorlagen, hatten die Teilnehmer in der Placebogruppe die Möglichkeit, zum Zeitpunkt der Entblindung auf ERLEADA umzusteigen. Nach dem Entblinden wurden 19% des randomisierten Placebokollektivs auf ERLEADA umgestellt. Von allen randomisierten Teilnehmern erhielt ein grösserer Anteil der Patienten im Placeboarm eine Anschlusstherapie (285/401, 71%) im Vergleich zu den Patienten im ERLEADA-Arm (386/806, 48%).
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