Eigenschaften/WirkungenATC-Code
B01AF01
Wirkungsmechanismus
Rivaroxaban ist ein hochselektiver direkter Faktor-Xa-Inhibitor mit oraler Bioverfügbarkeit. Die Aktivierung von Faktor X zu Faktor Xa (FXa) via intrinsisches und extrinsisches System spielt eine zentrale Rolle in der Gerinnungskaskade. Über den Prothrombinasekomplex überführt FXa Prothrombin in Thrombin, was schliesslich zur Bildung des Fibrinpfropfs und zur Plättchenaktivierung durch Thrombin führt. Ein Molekül FXa kann über die Gerinnungskaskade mehr als 1000 Thrombinmoleküle generieren. Zusätzlich nimmt die Reaktionsrate des Prothrombinase-gebundenen FXa im Vergleich zu freiem FXa 300'000-fach zu und verursacht eine massive Zunahme der Thrombingeneration. Selektive FXa-Inhibitoren können diese massive Zunahme der Thrombinbildung beenden.
Pharmakodynamik
Die folgenden Informationen basieren auf Daten, die bei Erwachsenen erhoben wurden.
Beim Menschen wurde eine dosisabhängige Hemmung der FXa-Aktivität beobachtet. Die Prothrombinzeit (PT) wird von Rivaroxaban in Abhängigkeit der Plasmakonzentrationen (r-Wert = 0,98) beeinflusst, wenn Neoplastin® für den Assay eingesetzt wird. Andere Reagenzien liefern unterschiedliche Werte. Der Wert für die PT muss in Sekunden abgelesen werden, da der INR (International Normalized Ratio) nur zur Kalibrierung und Validierung von Kumarinen dient und ohne Validierung nicht für irgendein anderes Antikoagulans eingesetzt werden kann. Für die PT (Neoplastin®) betragen 2-4 Stunden nach Einnahme der Tablette (Cmax) die 5/95 Perzentilen bei Rivaroxaban 10 mg 13 bis 25 Sekunden, bei Rivaroxaban 15 mg 16-33 Sekunden und bei Rivaroxaban 20 mg 14-40 Sekunden.
Bei Patienten mit einer mittelschweren Nierenfunktionsstörung, die mit 15 mg einmal täglich behandelt wurden, betrugen die 5/95 Percentilen 10 bis 50 Sekunden.
In einer pharmakologischen Studie zur Aufhebung der Rivaroxaban Wirkung wurde der Effekt einer Einzeldosis (50 IE/kg) von zwei verschiedenen PCCs (3-Faktor-PCC [Faktor II, IX, X], 4-Faktor PCC [Faktor II, VII, IX, X]) an gesunden Probanden untersucht. Das Konzentrat 3-Faktor-PCC reduzierte den mittleren Neoplastin®-PT-Wert um ca. 1 Sekunde innert 30 Minuten, verglichen mit einer Reduktion von 3,5 Sekunden mit dem 4-Faktor-PCC. Im Gegensatz dazu hatte der 3-Faktor-PCC eine grössere und schnellere Wirkung auf den Umkehreffekt der endogenen Thrombingenerierung als der 4-Faktor-PCC.
Chromogene Anti-Faktor-Xa-Tests zum Nachweis von Heparinen werden durch Rivaroxaban beeinflusst. Es sind chromogene Anti-Faktor-Xa-Tests mit Rivaroxaban spezifischen Kalibirierungsstandards und Kontrollproben kommerziell erhältich. Sie werden für den empfindlichen Nachweis des pharmakodynamischen Effekts von Rivaroxaban empfohlen. Die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) und der HepTest® werden ebenfalls dosisabhängig verlängert. Diese Tests werden jedoch für die Beurteilung des pharmakodynamischen Effekts von Rivaroxaban nicht empfohlen.
Während der Behandlung mit Rivaroxaban ist ein Monitoring der Koagulationsparameter nicht notwendig.
Bei Risikopatienten und bei Umstellung von Antikoagulantien kann als Test der pharmakodynamischen Wirkungen von Rivaroxaban Anti-Faktor-Xa-Aktivität und PT verwendet werden.
Pädiatrische Population
PT (Neoplastin®), aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) und Anti-Faktor-Xa-Test (mit einem kalibrierten quantitativen Text) zeigen eine gute Korrelation zu den Plasmakonzentrationen bei Kindern. Die Korrelation von Anti-Faktor-Xa mit Rivaroxaban-Plasmakonzentrationen ist linear mit einem Korrelationskoeffizienten von nahezu 1. Individuelle Abweichungen mit höheren oder tieferen Anti-Faktor-Xa-Werten im Vergleich zur Rivaroxaban-Plasmakonzentration können auftreten. Während der Behandlung mit Rivaroxaban ist ein Monitoring der Koagulationsparameter nicht notwendig. Falls klinisch angezeigt, können Anti-Faktor-Xa-Tests mit Rivaroxaban-spezifischen Kalibirierungsstandards zur Quantifizierung der Rivaroxaban-Plasmakonzentration verwendet werden. Wenn ein Anti-Faktor-Xa-Test zur Quantifizierung der Rivaroxaban-Plasmakonzentration in Kindern verwendet wird, muss die untere Nachweisgrenze berücksichtigt werden.
Klinische Wirksamkeit
Behandlung venöser Thromboembolien (VTE)
Behandlung venöser Thromboembolien (VTE) nach initialer parenteraler Antikoagulation zur Prophylaxe von rezidivierenden VTEs. In 6 unverblindeten, multizentrischen Studien wurden insgesamt 727 Kinder mit bestätigter akuter VTE untersucht. Davon wurden 528 Kinder mit Rivaroxaban behandelt. Eine Körpergewichts-angepasste Rivaroxaban-Dosierung für Patienten von 0 bis < 18 Jahre resultierte in Rivaroxaban-Expositionen ähnlich der Exposition, die in der Phase-III-Studie bei Erwachsenen mit einer TVT (Einstein-DVT) erreicht wurde, welche mit Rivaroxaban 20 mg 1x tgl. behandelt wurden.
Die Einstein Junior Phase-III-Studie war eine randomisierte, aktiv-kontrollierte, offene, multizentrische Studie bei pädiatrischen Patienten (im Alter von 0 bis <18 Jahre) mit bestätigter akuter VTE. Untersucht wurden 276 Kinder im Alter von 12 bis < 18 Jahren, 101 Kinder im Alter von 6 bis < 12 Jahren, 69 Kinder im Alter von 2 bis < 6 Jahren, und 54 Kinder im Alter von < 2 Jahren.
Index-VTE-Ereignisse wurden klassifiziert als Zentralvenenkatheter-assoziierte VTE (ZVK-VTE), Hirnvenenthrombose und Sinusvenenthrombose und andere VTE (schloss TVT und LE mit ein, nicht-ZVK-VTE). Das häufigste Index-VTE-Ereignis in Kindern im Alter von 12 bis < 18 Jahren war nicht-ZVK-VTE mit 211 Ereignissen (76.4%). In Kindern im Alter von 6 bis < 12 Jahren respektive im Alter von 2 bis < 6 Jahren waren Hirnvenen- und Sinusvenenthrombose die häufigsten Ereignisse mit 48 (47.5%) respektive 35 (50.7%) Ereignissen und in Kindern im Alter von < 2 Jahren war ZVK-VTE das häufigste Ereignis mit 37 (68.5%) Ereignissen.
In 438 (87.6%) Kindern war die VTE provoziert durch persistierende und/oder transiente Risikofaktoren. In 56 (11.2%) Kindern war die VTE unprovoziert.
Die initiale Behandlung für mindestens 5 Tage erfolgte mit therapeutischen Dosen von unfraktioniertem Heparin (UFH), niedermolekularem Heparin (NMH) oder Fondaparinux. Anschliessend wurden die Patienten randomisiert (2:1) und erhielten entweder Körpergewicht-angepasste Dosen Rivaroxaban oder die Vergleichsbehandlung Heparin oder Vitamin-K-Antagonist für 3 Monate respektive für 1 Monat bei Kindern < 2 Jahren mit einer ZVK-VTE. Falls klinisch machbar, wurde am Ende dieser Behandlungsperiode die zu Beginn der Studie (Baseline) durchgeführte bildgebende Diagnostik wiederholt. Basierend auf dem klinischen Ermessen des Prüfarztes konnte die Behandlung anschliessend beendet oder wiederholt für weitere 3 Monate bis zu einer Gesamtdauer von 12 Monaten fortgesetzt werden (bei Kindern < 2 Jahren mit einer ZVK-VTE Verlängerung um jeweils 1 Monat bis zur maximalen Dauer von 3 Monaten).
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt waren symptomatische rezidivierende VTE. Der primäre Sicherheitsendpunkt waren schwere und nicht schwere klinisch relevante Blutungen.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt (symptomatische rezidivierende VTE) trat unter Rivaroxaban numerisch seltener auf als unter der Vergleichsbehandlung (Hazard Ratio 0.40 (95% KI 0.11 – 1.41)). Der primäre Sicherheitsendpunkt (schwere und nicht schwere klinisch relevante Blutungen) trat unter Rivaroxaban numerisch häufiger auf als unter der Vergleichsbehandlung (HR 1.58 (95% KI 0.51 – 6.27)).
Der vorher festgelegte klinische Nutzen (primärer Wirksamkeitsendpunkt plus schwere Blutungen) wurde angegeben mit einer Hazard Ratio von 0,30 (95% KI = 0.08 – 0.93), zum Vorteil von Rivaroxaban. Eine Normalisierung der Thrombuslast in der diagnostischen Bildgebung am Ende der 3-monatigen Behandlungsperiode war häufiger unter Rivaroxaban zu beobachten, mit einer Odds-Ratio von 1.73 (95% KI 1.14 – 2.62) zum Vorteil von Rivaroxaban. Die Resultate waren im Allgemeinen ähnlich für die Altersgruppen.
Tabelle 4: Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit aus der Phase-III-Studie Einstein Junior
Studienpopulation
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500 Kinder mit akuter symptomatischer VTE
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Dosis und Dauer der Behandlung
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Rivaroxaban Filmtabletten / Rivaroxaban Granulat mind. 3 bis max. 12 Monate N = 335*
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Heparin / VKA mind. 3 bis max. 12 Monate N = 165*
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Symptomatische rezidivierende VTE
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4 (1,2%)
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5 (3,0%)
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Normalisierung gemäss diagnostischer Bildgebung (nach 3 Monaten)
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128 (38,2%)
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43 (26,1%)
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Symptomatische rezidivierende VTE und schwere Blutungen (klinischer Netto-Nutzen)
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4 (1,2%)
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7 (4,2%)
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Tödliche oder nicht-tödliche LE
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1 (0,3%)
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1 (0,6%)
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Schwere und klinisch relevante nicht schwere Blutungen
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10 (3,0%)
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3 (1,9%)
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Schwere Blutungen
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0 (0,0%)
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2 (1,2%)
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* alle Kinder, die randomisiert wurden.
Das Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil von Rivaroxaban war in der pädiatrischen VTE Population und der erwachsenen TVT/LE Population ähnlich.
Thromboseprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit angeborenem Herzfehler nach einem Fontan-Eingriff
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Xarelto in der Thromboseprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit angeborenem Herzfehler, die einem Fontan-Eingriff unterzogen wurden, wurden in der Phase-3-Studie UNIVERSE untersucht. UNIVERSE war eine prospektive, offene, aktiv-kontrollierte, multizentrische, zweiteilige Studie zur Untersuchung der pharmakokinetischen Eigenschaften von Rivaroxaban bei Einmal- und Mehrfachgabe (Teil A) sowie zur Beurteilung der Sicherheit und Wirksamkeit von Rivaroxaban bei Anwendung zur Thromboseprophylaxe über einen Zeitraum von 12 Monaten im Vergleich mit Aspirin (Teil B) bei Kindern im Alter von 2 bis 8 Jahren mit Einzelventrikel-Defekt, die einem Fontan-Eingriff unterzogen wurden. Die Patienten in Teil B (n=98) wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert; sie erhielten entweder Rivaroxaban in einer dem Körpergewicht angepassten Dosierung (angestrebt wurde eine Exposition vergleichbar zur Exposition von Erwachsenen mit 10 mg Rivaroxaban, einmal täglich) oder Aspirin (circa 5 mg/kg). Patienten mit einer eGFR <30 ml/min/1.73 m2 waren von der Teilnahme ausgeschlossen.
Die mediane Zeit zwischen Fontan-Eingriff und erstmaliger Verabreichung von Rivaroxaban betrug 4 (Spanne: 2-61) Tage in Teil A und 34 (Spanne: 2-124) Tage in Teil B. Im Vergleich dazu belief sich die mediane Zeit bis zur Einleitung von Aspirin auf 24 (Spanne 2-117) Tage.
Die Häufigkeit thromboembolischer Ereignisse war in der Teil B-Gruppe unter Rivaroxaban numerisch niedriger (1 [1.6%]) als in der ASA-Gruppe (3 [8.8%]), siehe Tabelle 5.
Tabelle 5: Ergebnisse zur Wirksamkeit aus der Phase-III-Studie UNIVERSE*
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Teil A**
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Teil B†
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Ereignis
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Rivaroxaban N=12 n (%)
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Rivaroxaban‡ N=64 n (%)
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Aspirin‡ N=34 n (%)
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Primärer Wirksamkeitsendpunkt: jedes thrombotische Ereignis
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1 (8.3)
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1 (1.6)
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3 (8.8)
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Ischämischer Schlaganfall
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0
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0
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1 (2.9)
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Lungenembolie
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0
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1 (1.6)
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0
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Venenthrombose
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1 (8.3)
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0
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2 (5.9)
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* Full Analysis Set
** Teil A: ein-armig, nicht randomisiert
† Teil B: 2:1 (Xarelto:Aspirin) randomisiert
‡ Behandlungsschema: an das Körpergewicht angepasste Dosen von Rivaroxaban (angestrebt wurde eine Exposition vergleichbar zur Exposition von Erwachsenen mit 10 mg Rivaroxaban, einmal täglich) oder Aspirin (circa 5 mg/kg)
Der primäre Sicherheitsendpunkt (schwere Blutungen) war ähnlich für Rivaroxaban und Acetylsalicylsäure. Tabelle 6 zeigt die Ergebnisse zur Sicherheit in der UNIVERSE-Studie.
Tabelle 6: Ergebnisse zur Sicherheit (Blutungsereignisse) aus der Phase-III-Studie UNIVERSE*
Parameter
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Rivaroxaban** N=64 n (%)
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Aspirin* N=34 n (%)
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Schwere Blutung†
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1 (1.6)
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0
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Epistaxis, die zur Gabe einer Transfusion führt
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1 (1.6)
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0
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Klinisch relevante nicht schwere (CRNM-)Blutung§
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4 (6,3)
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3 (8.8)
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Banale Blutung
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21 (32.8)
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12 (35.3)
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Jede Blutung
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23 (35.9)
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14 (41.2)
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*Sicherheitspopulation in Behandlung plus 2 Tage
** Behandlungsschema: an das Körpergewicht angepasste Dosen von Xarelto oder Aspirin (circa 5 mg/kg); 2:1 (Xarelto:Aspirin) randomisiert.
† Definiert als klinisch offenkundige Blutung, einhergehend mit einer Abnahme des Hämoglobingehalts um ≥2 g/dl, einer Transfusion des Äquivalents von ≥2 Einheiten Erythrozytenkonzentrat oder Vollblut, Blutung an kritischer Stelle oder mit tödlichem Ausgang.
§ Definiert als klinisch offenkundige Blutung, welche die Kriterien für eine schwere Blutung nicht erfüllte, aber mit einer medizinischen Intervention, einem nicht geplanten Arztkontakt, dem vorübergehenden Absetzen der Behandlung, einer Belastung für den Patienten oder der Einschränkung von Alltagsaktivitäten verbunden war.
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