Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L01FX12
Wirkungsmechanismus
Tafasitamab ist ein Fc-modifizierter monoklonaler Antikörper, der gegen das CD19-Antigen auf der Oberfläche von Prä-B-Zellen und reifen B-Lymphozyten gerichtet ist.
Nach Bindung an CD19 vermittelt Tafasitamab B-Zell-Lyse durch:
•Bindung von Immun-Effektorzellen wie natürlichen Killerzellen, γδ-T-Zellen und Phagozyten
•direkte Induktion des Zelltods (Apoptose)
Die Fc-Modifikation führt zu einer verstärkten antikörperabhängigen zellulären Zytotoxizität und antikörperabhängiger zellulärer Phagozytose.
Tafasitamab in Kombination mit Lenalidomid führte in vitro zu einer stärkeren Erhöhung der Zytotoxizität als die Wirkung eines der beiden Wirkstoffe allein.
Pharmakodynamik
Bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL führte Tafasitamab zu einer Reduktion der B-Zellzahl im peripheren Blut. In der MOR208C203-Studie (L-MIND) erreichte die relative Reduktion der B-Zellzahl gegenüber Baseline nach acht Behandlungstagen 97 %. Die maximale B-Zell-Reduktion von ca. 100 % (Median) wurde innerhalb von 16 Behandlungswochen erreicht.
Obwohl die Depletion von B-Zellen im peripheren Blut eine messbare pharmakodynamische Wirkung darstellt, ist sie nicht direkt mit der Depletion von B-Zellen in soliden Organen oder malignem Gewebe korreliert.
Klinische Wirksamkeit
Tafasitamab in Kombination mit Lenalidomid gefolgt von einer Tafasitamab-Monotherapie wurde in der MOR208C203 (L-MIND)-Studie, einer offenen, multizentrischen, einarmigen Studie, untersucht. Diese Studie wurde bei erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL nach 1 bis 3 vorherigen systemischen DLBCL-Therapien durchgeführt, die zum Zeitpunkt der Studie keine Kandidaten für eine Hochdosischemotherapie gefolgt von einer ASZT waren. Eine der vorherigen systemischen Therapien musste eine gegen CD20 gerichtete Therapie beinhalten. Patienten mit bekannter Vorgeschichte eines DLBCL mit «Double-/Triple-Hit»-Genetik wurden vom Studieneintritt ausgeschlossen. Darüber hinaus wurden Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung (Gesamtbilirubin im Serum > 3 mg/dl) und Patienten mit Nierenfunktionsstörung (CrCL < 60 ml/min) sowie Patienten mit Vorgeschichte oder Nachweis einer klinisch signifikanten kardiovaskulären, ZNS- und/oder anderen systemischen Erkrankung ausgeschlossen.
Lenalidomid erhöht das Risiko thrombotischer Ereignisse bei Patienten mit hohem Thromboserisiko; daher wurden in der Studie auch Patienten mit einer Vorgeschichte von oder einem hohen Risiko für thromboembolische Ereignisse ausgeschlossen, die nicht bereit/fähig waren, während des gesamten Behandlungszeitraums eine Prophylaxe gegen venöse Thromboembolien zu nehmen.
Bei den ersten drei Zyklen erhielten die Patienten 12 mg/kg Tafasitamab als Infusion an den Tagen 1, 8, 15 und 22 jedes 28-tägigen Zyklus, plus eine Aufsättigungsdosis an Tag 4 von Zyklus 1. Danach wurde Tafasitamab an den Tagen 1 und 15 jedes Zyklus bis zur Krankheitsprogression verabreicht. Prämedikation, einschliesslich Antipyretika, Histamin-H1- und Histamin-H2-Rezeptorenblocker und Glukokortikosteroide, wurde 30 bis 120 Minuten vor den ersten drei Tafasitamab-Infusionen verabreicht.
Die Patienten nahmen 25 mg Lenalidomid täglich an den Tagen 1 bis 21 jedes 28-tägigen Zyklus bis zu 12 Zyklen lang selbst ein.
Insgesamt wurden 81 Patienten in die Studie aufgenommen. Das mediane Alter betrug 72 Jahre (Bereich: 41 bis 86 Jahre) ; 89 % waren weiss und 54 % waren männlich. Die mediane Anzahl vorheriger Therapien betrug zwei (Bereich: 1 bis 4), wobei 40 Patienten (49,4 %) eine vorherige Therapie erhalten hatten, und 35 Patienten (43,2 %) zwei vorherige Behandlungen erhalten hatten. Fünf Patienten (6,2 %) hatten 3 vorherige Therapien und 1 Patient (1,2 %) hatte 4 vorherige Therapien erhalten. Alle Patienten hatten zuvor eine anti-CD20-haltige Therapie erhalten. Bei acht Patienten wurde ein DLBCL diagnostiziert, das aus einem niedriggradigen Lymphom hervorgegangen war. Fünfzehn Patienten (18,5 %) hatten eine primär refraktäre Erkrankung (d. h. sie zeigten innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der Erstlinientherapie weniger als ein teilweises Ansprechen auf die Erstlinientherapie oder ein Wiederauftreten/Progression der Erkrankung), 36 (44,4 %) sprachen auf ihre letzte vorherige Therapie nicht an und 34 (42,0 %) waren Rituximab-refraktär. Neun Patienten (11,1 %) hatten zuvor eine ASZT erhalten. Die Hauptgründe, aus denen Patienten (gesamte Analysegruppe) keine Kandidaten für eine ASZT waren, umfassten Alter (45,7 %), refraktär gegenüber einer Salvage-Chemotherapie (23,5 %), Begleiterkrankungen (13,6 %) und Ablehnung einer Hochdosischemotherapie/ASZT (16,0 %). Ein Patient erhielt Tafasitamab, aber kein Lenalidomid. Die übrigen 80 Patienten erhielten mindestens eine Dosis Tafasitamab und Lenalidomid. Alle Patienten, die in die L-MIND-Studie aufgenommen wurden, hatten eine auf lokaler Pathologie basierende DLBCL-Diagnose. Allerdings konnten 10 Patienten nach der zentralen pathologischen Untersuchung nicht als DLBCL klassifiziert werden. Die mediane Expositionsdauer gegenüber Tafasitamab und Lenalidomid betrug 9,2 Monate (Bereich: 0,23 bis 78,45 Monate). Zweiunddreissig (39,5 %) Patienten schlossen 12 Behandlungszyklen mit Tafasitamab ab. Dreissig (37,0 %) Patienten schlossen 12 Behandlungszyklen mit Lenalidomid ab.
Die Bewertung der Wirksamkeit basierte auf der besten objektiven Ansprechrate (objective response rate, ORR), definiert als Anteil der vollständigen und partiellen Responder und der Dauer des Ansprechens (duration of response, DoR), gemäss Beurteilung durch eine unabhängige Prüfkomission, bewertet auf Grundlage der Beurteilungskriterien der internationalen Arbeitsgruppe 2007. Die anderen Wirksamkeitsendpunkte waren das progressionsfreie Überleben (progression-free survival, PFS) und das Gesamtüberleben (overall survival, OS).
Die wichtigsten Wirksamkeitsergebnisse sind in Tabelle 3 zusammengefasst.
Tabelle 3 : Wichtigste Wirksamkeitsergebnisse bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffusem grosszelligem B-Zell-Lymphom in der MOR208C203- (L-MIND) Studie (Daten-Cut-Off Tag 14. November 2022)
Wirksamkeitsparameter
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Tafasitamab + Lenalidomid (N = 81 [ITT]*)
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Primärer Endpunkt
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Beste objektive Ansprechrate (laut unabhängiger Prüfkomission)
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Gesamtansprechrate, n (%) (95 %-KI)
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46 (56,8) (45,3; 67,8)a
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Vollständige Ansprechrate, n (%) (95 %-KI)
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33 (40,7) (29,9; 52,2)
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Partielle Ansprechrate, n (%) (95 %-KI)
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13 (16,0) (8,8, 25,9)a
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Wichtigste sekundäre Endpunkte
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Gesamtdauer des Ansprechens (vollständiges + partielles Ansprechen)a
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Median, Monate (95 %-KI)
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n. e. (33,8, n. e.)
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Progressionsfreies Überlebena
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Median, Monate (95 %-KI)
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11,6 (5,7 – 45,7)
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Gesamtüberlebena
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Median, Monate (95 %-KI)
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31,6 (18,3, n. e.)
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ITT = Intention-to-Treat-Population; n. e. = nicht erreicht
*Ein Patient erhielt nur Tafasitamab
KI: Binomiales exaktes Konfidenzintervall unter Verwendung der Clopper-Pearson-Methode
a Kaplan-Meier-Schätzungen
Von den acht Patienten mit einem transformierten DLBCL eines früher indolenten Lymphoms hatten sieben Patienten ein objektives Ansprechen (zwei Patienten ein vollständiges Ansprechen, fünf Patienten ein partielles Ansprechen) und ein Patient eine stabile Erkrankung als das beste Ansprechen auf die Behandlung mit Tafasitamab + Lenalidomid.
Befristete Zulassung
Aufgrund einer zum Zeitpunkt der Begutachtung des Zulassungsgesuches unvollständigen klinischen Datenlage, wird das Arzneimittel MINJUVI befristet zugelassen (Art. 9a Heilmittelgesetz). Die befristete Zulassung ist zwingend an die zeitgerechte Erfüllung von Auflagen gebunden. Nach deren Erfüllung kann die befristete Zulassung in eine ordentliche Zulassung überführt werden.
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