Unerwünschte WirkungenDie meisten Nebenwirkungen sind dosisabhängig, sowohl bezüglich der Höhe der Einzeldosis als auch der kumulierten Gesamtdosis bei Mehrfachverabreichung.
Nieren
Wenn Cisplatin ohne genügende Wasserzufuhr und ohne forcierte Diurese verabreicht wird, ist der dosislimitierende Faktor eine Nephrotoxizität, die bei 25-33% der Patienten während der zweiten Woche nach Abschluss der Behandlung beobachtet wird. Eine Niereninsuffizienz manifestiert sich durch Erhöhung des Harnstoffstickstoff (BUN), Erhöhung des Serumkreatinins sowie des -harnstoffs und durch eine Senkung der Kreatinin-Clearance; daher sollten diese Werte beobachtet werden. Durch eine forcierte Diurese (in der Grössenordnung von 150 ml/h) verbessert sich die therapeutische Breite deutlich, so dass bei der Mehrheit der Patienten keine manifeste Niereninsuffizienz auftritt. Letztere stellt eine Kontraindikation für die Fortsetzung der Therapie dar, die erst nach Normalisierung der Nierenfunktion wieder aufgenommen werden darf. Die Nierentoxizität wird stärker und dauert länger bei wiederholter Behandlung.
Wasser- und Elektrolythaushalt (Hyperurikämie)
Die vorwiegend tubuläre Toxizität von Cisplatin sowie die unumgängliche forcierte Diurese bei der Verabreichung können eine Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, Hyponatriämie, Hypophosphatämie und Hypokalziämie mit Muskelkrämpfen (Tetanie) mit und ohne EKG-Veränderungen in seltenen Fällen hervorrufen. Durch Verabreichung entsprechender Elektrolyte lassen sich die Serumspiegel wieder in den Normalbereich bringen.
Über ein ADH-Syndrom unter der Behandlung mit Cisplatin wurde ebenfalls berichtet.
Eine Hyperurikämie tritt bei 25-30% der Patienten auf und macht eine Behandlung mit Allopurinol notwendig. Sie tritt vor allem bei höheren Dosen als 50 mg/m² auf; die Serumspiegelwerte erreichen ihr Maximum 3-5 Tage nach Behandlungsbeginn.
Hämatopoetisches System
Die Wirkung des Medikaments auf das Knochenmark (Leukopenie, Thrombozytopenie, Anämie) ist üblicherweise reversibel. Bei den Leukozyten wird der Nadir innerhalb von 2 Wochen, bei den Thrombozyten innerhalb von 3 Wochen nach der Behandlung erreicht. Eine Leuko- und Thrombopenie tritt bei höherer Dosierung (< 50 mg/m²) verstärkt auf. Anämie (Hämoglobin unterhalb 2 g/dl) tritt gleich oft und zeitgleich mit einer Leukopenie oder einer Thrombozytopenie auf. Platinol sensibilisiert rote Blutkörperchen, was manchmal zu einer direkten Coombs-positiven hämolytischen Anämie führen kann. Eine hämolytische Reaktion soll bei allen Patienten, die einen unerklärlichen Abfall des Hämoglobins aufweisen, in Betracht gezogen werden. Der hämolytische Vorgang ist bei Therapieabbruch reversibel.
Bei hochdosierter Verabreichung (bis 4-5 mg/kg) ist eine starke Knochenmarksdepression festzustellen.
Selten wurde beim Menschen die Entwicklung einer akuten Leukämie beobachtet, die mit der Anwendung von Cisplatin in Verbindung gebracht wurde. In diesen Berichten wurde Cisplatin im allgemeinen in Kombination mit anderen Wirkstoffen, die ebenfalls Leukämie hervorrufen können, verabreicht.
Gehör
Tinnitus stellt ein frühes Zeichen von Ototoxizität dar und ist zum Teil reversibel. Ein Hörverlust für Frequenzen von 4000-8000 Hz tritt bei 17% der Patienten auf.
Ein Hörverlust kann ein- oder zweiseitig sein, bei wiederholten Anwendungen verstärkt er sich und tritt häufiger auf. Er kann bereits nach erstmaliger Gabe auftreten. Die Ototoxizität wird verstärkt durch vorherige oder gleichzeitige Bestrahlung des Schädels und dürfte mit der Höhe der maximalen Serumspiegel korrelieren. Vestibuläre Toxizität wurde ebenfalls beobachtet (Schwindel).
Nervensystem
Periphere Neuropathien mit Parästhesien, Muskelschwäche, Kribbeln, Muskelkrämpfen und Verlust der Tastempfindung sind beschrieben worden, am häufigsten nach längerer Behandlung (4-7 Monate). Sie können jedoch auch nach einmaliger Verabreichung auftreten.
Neurotoxizität kann auch nach Absetzen der Behandlung fortschreiten. Lhermitte-Zeichen (Nackenbeugezeichen), eine Myelopathie im Wirbelsäulenbereich und eine autonome Neuropathie wurden beobachtet. Die Behandlung sollte bei ersten Anzeichen solcher Symptome abgesetzt werden. Vorläufigen Hinweisen zufolge kann bei wenigen Patienten eine periphere Neuropathie irreversibel sein.
Plötzlich auftretende Muskelkrämpfe von geringer Dauer sind bei Patienten aufgetreten, die eine hohe kumulative Dosis von Cisplatin erhielten und die bereits eine periphere Neuropathie hatten.
Schwere Neuropathien sind bei Patienten aufgetreten, die Cisplatin in höherer Dosierung oder häufiger als empfohlen erhalten haben. Diese können irreversibel sein und sich als Parästhesien im Bein- und Handbereich in Fehlen von Reflexen und Verlust der Propriorezeptoren und Wahrnehmung von Vibrieren äussern. Über einen Verlust der motorischen Funktion wurde ebenfalls berichtet.
Vereinzelt wurde über Verlust des Geschmackssinns und über epileptische Krampfanfälle berichtet.
In vereinzelten Fällen wurden komatöse Zustände bei unveränderten Blutelektrolyten gemeldet, ebenso einzelne Fälle von kortikaler Blindheit. Diese Erscheinungen waren reversibel. Neurologische Toxizität kann auch frühzeitig auftreten. Sie bedingt einen Abbruch der Therapie.
Auge
Bei häufigerer Anwendung, bzw. höheren Dosen als empfohlen, wurde verschwommenes Sehen und veränderte Farbwahrnehmung beobachtet.
In seltenen Fällen wurden Entzündungen der Sehnerven mit Sehstörungen einschliesslich Erblindung beobachtet, die nach sofortigem Absetzen der Therapie reversibel waren.
Gastrointestinaltrakt
Bei den meisten Patienten treten in den ersten 4 h Übelkeit und Erbrechen auf, die bis 24 h andauern und in gewissen Fällen bis zu einer Woche bestehen können. Diese Nebenwirkungen lassen sich durch eine adäquate antiemetische Prophylaxe kontrollieren.
Übelkeit und Erbrechen können bei Patienten, die am Vortag der Behandlung mit Antiemetika behandelt waren, verzögert auftreten (Beginn oder Dauer 24 Stunden oder mehr nach Chemotherapie).
Über Diarrhoe ist ebenfalls berichtet worden.
Überempfindlichkeit, Anaphylaxie
Während der Therapie kann eine anaphylaktische Reaktion mit Tachykardie, Blutdruckabfall, Dyspnoe, Gesichtsoedem etc. innerhalb weniger Minuten nach der Verabreichung auftreten. Diese Reaktionen lassen sich mit adrenergen Substanzen, gegebenenfalls auch mit Kortikoiden und Antihistaminika, bekämpfen.
Kardiovaskuläres System
In seltenen Fällen wurden Herzrhythmusstörungen und Herzversagen beobachtet. Eine vorbestehende Stauungs-Herzinsuffizienz kann durch die bei der Therapie mit Cisplatin auftretende Überlast und Verschiebung der Blutelektrolyte verschlimmert werden. Sie kann deshalb eine Kontraindikation für die Behandlung darstellen.
Leber
Störungen bei den Indikatoren der Leberfunktion - insbesondere bei den Transaminasen, Bilirubin - sind reversibel und treten selten auf. Lebernekrosen wurden in vereinzelten Fällen beschrieben.
Immunsystem
Die wiederholte Verabreichung von Cisplatin bewirkt eine Immunsuppression.
Diverse weitere Nebenwirkungen
Thrombotische Mikroangiopathie (hämolytisch-urämisches Syndrom), zerebrale Arteriitis, Schluckauf, Erhöhung der Serumamylase, Alopezie.
Bei versehentlich extravasaler Injektion kann es zu lokalen Gewebereizungen kommen, zu Gewebszellulitis, Fibrose, Nekrose.
Zusätzliche Hinweise
In zeitlichem Zusammenhang mit der Gabe von Platinol (in der Regel in Kombination mit anderen Zytostatika) wurden einzelne Fälle von vaskulären Ereignissen, wie z.B. Apoplexie, Myokardinfarkt oder periphere Durchblutungsstörungen im Sinne eines Raynaud-Phänomens, beobachtet. Ob diese Ereignisse durch die zytotoxische Therapie verursacht oder mitverursacht wurden, ist nicht gesichert.
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