Eigenschaften/WirkungenATC-Code
N02BG08
Wirkungsmechanismus
Ziconotid ist ein synthetisches Analogon eines ω-Conopeptids, MVIIA, das sich im Gift der marinen Kegelschnecke Conus magus findet. Es handelt sich um einen N-Typ-Kalziumantagonisten (NCCA). NCCAs regulieren die Freisetzung von Neurotransmittern in speziellen neuronalen Populationen, die für die spinale Verarbeitung von Schmerz verantwortlich sind. Durch die Bindung an diese neuronalen NCCAs inhibiert Ziconotid den spannungssensitiven Kalziumeinstrom in die primären nozizeptiven afferenten Nerven, die in den oberflächlichen Schichten des Hinterhorns des Rückenmarks enden. Dadurch wird wiederum deren Freisetzung von Neurotransmittern (einschliesslich Substanz P) und somit die Rückenmarksignalisierung von Schmerz gehemmt.
Pharmakodynamik
Obwohl nach 1-stündiger i.th. Gabe statistisch signifikante Zusammenhänge und eine logische Korrelation zwischen Liquorexposition (AUC, Cmax) und Messgrössen des klinischen Ansprechens beobachtet wurden, wurden bisher noch keine gut definierten Dosis-Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen identifiziert. Bei vielen Respondern unter den Patienten kommt es innerhalb weniger Stunden nach Verabreichung einer geeigneten Dosis zu einer annähernd maximalen Analgesie. Allerdings kann sich die maximale Wirkung bei einigen Patienten verzögern. Angesichts des Eintritts von Analgesie und unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei ähnlichen Dosen beträgt das empfohlene minimale Intervall zwischen Dosiserhöhungen24 Stunden. Das empfohlene Intervall beträgt aus Sicherheitsgründen mindestens 48 Stunden. Falls erforderlich, kann die Dosis zur Behebung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen um eine beliebige Menge gesenkt und die Infusion auch ganz abgesetzt werden.
Nebenwirkungen des Nervensystems, insbesondere Schwindel, Übelkeit und Gangabnormalitäten scheinen mit der Liquorexposition zu korrelieren, ein definitiver Zusammenhang wurde jedoch nicht gezeigt.
Angesichts der empfohlenen geringen i.th. Infusionsgeschwindigkeit und der relativ raschen Plasmaclearance ist die Plasmaexposition bei i.th. Infusionen gering (siehe «Pharmakokinetik»). Daher sollten pharmakologische Wirkungen im Zusammenhang mit einer systemischen Exposition minimal sein.
Die mediane Dosis beim Ansprechen beträgt ca. 6,0 µg/Tag und ca. 75% der Responder benötigen ≤9,6 µg/Tag in placebokontrollierten klinischen Studien. Berichte aus dem klinischen Praxisalltag zeigen jedoch, dass zum Einschränken schwerwiegender Nebenwirkungen Responder eine geringere Tagesdosis von circa 3,0 µg/Tag bis 4,5 µg/Tag oder weniger benötigen könnten. Um das Auftreten von schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu beschränken, werden unter ständiger Berücksichtigung der engen therapeutischen Breite eine geringe Anfangsdosis und ein langsames Titrationsintervall empfohlen. Es wird eine maximale Dosis von 21,6 µg/Tag empfohlen. In klinischen Studien wurde allerdings festgestellt, dass Patienten, die Dosen von 21,6 µg/Tag nach langsamer Erhöhung über einen Zeitraum von 3 bis 4 Wochen vertragen, im Allgemeinen auch höhere Dosen bis zu 48,0 µg/Tag vertragen.
Es gibt keine Anzeichen für die Entwicklung einer pharmakologischen Toleranz gegenüber Ziconotid bei Patienten. In Anbetracht der beschränkten Datenlage kann die Entwicklung einer Toleranz jedoch nicht ausgeschlossen werden. Wenn die erforderliche Ziconotiddosis kontinuierlich erhöht wird, ohne dass ein Nutzen oder eine Erhöhung der Arzneimittelwirkungen eintritt, sollte eine Untersuchung der Durchlässigkeit des intrathekalen Katheters in Betracht gezogen werden.
Klinische Wirksamkeit
Drei placebokontrollierte Studien, die Studie 95-001 (maligne Schmerzen), Studie 96-002 (nicht maligne Schmerzen) und Studie 301 (96% nicht maligne) an 586 Patienten zeigten die Wirksamkeit von intrathekalem Ziconotid bei starken chronischen Schmerzen. Die verwendete primäre Wirksamkeitsvariable war die visuelle Analogskala der Schmerzintensität (VASPI).
Bei den Studien 95-001 und 96-002 handelte es sich um Kurzzeitstudien über 5 bzw. 6 Tage, und hier wurden eine raschere Dosissteigerung und höhere Dosen verwendet als in der Studie 301 (Dauer: 21 Tage). Bei den in die Studie 301 aufgenommenen Patienten handelte es sich um das refraktärste Patientenkollektiv in den drei Studien. Bei allen Patienten der Studie 301 hatte eine i.th. Therapie mit Kombinationsanalgetika versagt, und die Ärzte waren der Auffassung, dass 97% der Patienten gegenüber den verfügbaren Behandlungen refraktär waren.
Wirksamkeitsergebnisse der Studie 95-001 (maligne Schmerzen und nicht maligne Schmerzen; Staats et al. 2004)
Initiale Behandlungszuordnung
Parameter Ziconotid Placebo p-Wert
(n= 71) (n= 40)
Mittlerer VASPI- 74,1 77,9 0,223
Score zu Studien- (±13,82) (±13,60)
beginn in mm (SD)
Mittlerer VASPI- 35,7 61,0 –
Score am Ende der (±33,27) (±22,91)
initialen Titrie-
rung in mm (SD)
% Verbesserung des 51,4 18,1 <0,001
VASPI-Scores am (±46,63) (±28,28)
Ende der initialen
Titrierung (SD)
Responder¹ 34 7 0,001
n (%) (47,9%) (17,5%)
Anfangsdosis 9.6 μg/Tag Ziconotid (0,4 μg/h)
Titrierungs- alle 12 hhäufigkeit
Angepasste2 2,4 μg/Tag Anfangsdosis (0,1 μg/h) oder weniger
Angepasste2 alle 24 h bis
Titrierungs- Höchstdosis oder häufigkeit Analgesie
Dosis am Ende der
Titrierung
Mittel 0,91
Median 0,60
Bereich 0,074–9,36
Wirksamkeitsergebnisse der Studie 96-002 (nicht maligne Schmerzen; Wallace et al. 2006)
Initiale Behandlungszuordnung
Parameter Ziconotid Placebo p-Wert
(n= 169)3 (n= 86)
Mittlerer VASPI- 80,1 76,9 0,029
Score zu Studien- (±15,10) (±14,58)
beginn in mm (SD)
Mittlerer VASPI- 54,4 71,9 –
Score am Ende der (±29,30) (±30,93)
initialen Titrie-
rung in mm (SD)
% Verbesserung des 31,2 6,0 <0,001
VASPI-Scores am (±38,69) (±42,84)
Ende der initialen
Titrierung (SD)
Responder¹ 57 11 <0,001
n (%) (33,7%) (12,8%)
Anfangsdosis 9,6 μg/TagZiconotid (0,4 μg/h)
Titrierungs- alle 24 h bisHäufigkeit Analgesie, Höchstdosis oder UE
Titrierungszeit 0-24 0,4(h) und 24-48 0,9Dosis (μg/h) 48-72 1,8 72-96 3,4 96-120 5,3 120-144 7,0
Angepasste4 2,4 μg/Tag Anfangsdosis (0,1 μg/h)
Angepasste4 alle 24 h bis Titrierungs- Höchstdosis oderhäufigkeit Analgesie
Angepasste4 0-24 0,1Titrierungszeit (h) 24-48 0,2und Dosis (μg/h) 48-72 0,3 72-96 0,6 96-120 1,2 120-144 2,4
Dosis am Ende der
Titrierung (µg/h)
Mittel 1,02
Median 0,50
Bereich 0,019–9,60
¹ Responder waren definiert als Patienten, bei denen 1) es zu einem Abfall des VASPI-Scores um ≥30% gegenüber dem Ausgangswert kam, 2) die gleichzeitige Gabe von Opiatanalgetika stabil war oder gesenkt werden konnte und 3) sofern sie Opiate erhielten, der Opiattyp gegenüber dem Zeitraum vor der Ziconotidinfusion unverändert blieb.
2 Prüfplanänderungen für eine bessere Verträglichkeit waren notwendig, nachdem eine große Anzahl an neurologischen unerwünschten Ereignissen auftrat und zu hohen Abbruchraten führte. Unerwünschte Ereignisse waren reversibel und ihre Inzidenz nahm mit abnehmender Anfangsdosis und abnehmender Titrationshäufigkeit ab.
Studiendauer: Fünf Tage
3 Von 164 Patienten wurde am Ende der Titrierung VASPI-Scores für Ziconotid erhoben.
4 Prüfplanänderungen für eine bessere Verträglichkeit waren notwendig aufgrund aufgetretener unerwünschter Ereignisse bei hohen Dosen.
Studiendauer: Sechs Tage, mit anschließender 5-tägiger, ambulanter Erhaltungstherapie bei Ziconotidrespondern
SD – Standardabweichung.
Wirksamkeitsergebnisse der Studie 301 (refraktäre Schmerzen; Rauck et al. 2006)
Initiale Behandlungszuordnung
Parameter Ziconotid Placebo p-Wert
(n= 112) (n= 108)
Mittlerer VASPI- 80,7 80,7 –
Score zu Studien- (±14,98) (±14,91)
beginn in mm (SD)
Mittlerer VASPI- 67,9 74,1 –
Score am Ende der (±22,89) (±21,28)
initialen Titrie-
rung in mm (SD)
% Verbesserung des 14,7 7,2 0,0360
VASPI-Scores am (±27,71) (±24,98)
Ende der initialen
Titrierung (SD)
Responder¹ 18 13 0,390
n (%) (16,1%) (12,0%)
Anfangsdosis 2,4 μg/Tag (0,1 μg/h)
Titrierungs- mindestenshäufigkeit 24 h
Titrationsdosis begrenzt auf 1,2-2,4 μg/Tag (0,05-0,10 μg/h)
Dosis am Ende der
Titrierung
Mittel 0,29
Median 0,25
Bereich 0,0–0,80
¹ Responder waren definiert als diejenigen Patienten, bei denen es zu einem Abfall des VASPI-Scores um ≥30% gegenüber dem Ausgangswert kam.
Studiendauer: 21 Tage
Schmerzätiologie in den Studien 95-001 und 96-002
Ziconotid (n= 240)² Placebo (n= 126)²
Schmerztyp¹ Zahl Proz. Zahl Proz.
der Pa- Verbes- der Pa- Verbes-
tienten serung tienten serung
auf der auf der
VASPI VASPI
Knochen- 22 44,5 16 30,0
schmerzen
Knochen- 18 56,7 16 30,0
metastasen
Myelopathie 29 29,7 9 –5,9
Rückenmarks- 14 25,0 5 –14,5
verletzung
mit Lähmung
Neuropathie 51 35,4 28 12,0
Sudeck- 12 27,4 8 12,0
Dystrophie
Radikulo- 12 44,5 12 2,3
pathie
Rückenmarks- 58 41,2 33 3,2
schmerzen
Versagen 51 41,2 31 3,6
einer Rücken-
operation
Sonstige 59 40,0 23 7,5
Schmerz-
ätiologie
¹ Schmerztypen, die sich bei über 5% der Gesamtzahl der Patienten, die Ziconotid oder Placebo erhielten, fanden.
² Bei den Patienten in den kontrollierten Studien konnte mehr als eine Schmerzursache vorgelegen haben; daher übersteigt Summe aller genannten Schmerzursachen die Gesamtpatientenzahl in der Studie.
Schmerzätiologie in Studie 301
Ziconotid (n= 112) Placebo (n= 108)
Schmerztyp¹ Zahl Proz. Zahl Proz.
der Pa- Verbes- der Pa- Verbes-
tienten serung tienten serung
auf der auf der
VASPI VASPI
Neuropathie 23 15,8 13 7,3
Rückenmarks- 73 12,9 61 5,2
schmerzen
Versagen 63 13,9 47 7,1
einer Rücken-
operation
¹ Schmerztypen, die bei 10 oder mehr Patienten vorlagen, die Ziconotid oder Placebo erhielten.
Mediane Dosis beim Ansprechen beträgt ca. 6,0 µg/Tag und ca. 75 % der Responder in placebokontrollierten klinischen Studien benötigten ≤ 9,6 µg/Tag. Berichte aus dem klinischen Praxisalltag zeigen jedoch, dass Responder zum Einschränken schwerwiegender Nebenwirkungen eine geringere Tagesdosis von circa 3,0 µg/Tag bis 4,5 µg/Tag oder weniger benötigen könnten
Erfahrungen nach Markteinführung
Seit der Zulassung wurden Daten aus der Anwendungspraxis zur Langzeitbehandlung von Schmerzen mit Ziconotid als Monotherapie bei < 100 Patienten veröffentlicht. Bei Patienten, die auf eine initiale Probebehandlung (etwa 50 % der Patienten) ansprachen, führte die sichere und wirksame Anwendung von Ziconotid mit niedriger Anfangsdosis, niedriger Titrationsdosis und weniger häufigen Titrationsintervallen zu einer Schmerzlinderung mit verbessertem Sicherheitsprofil und war vergleichbar mit den Ergebnissen bei hoher Anfangsdosis und schneller Titration.
Untersuchungen zur kombinierten Anwendung von i.th. Morphin (Studien 201 und 202)
Aus den beiden klinischen Studien geht hervor, dass durch die Kombination von i.th. Ziconotid und i.th. Morphin bei Patienten, deren Schmerzen mit der maximal verträglichen Dosis von i.th. Ziconotid (Median 8,7 µg/Tag, Mittelwert 25,7 µg/Tag – Studie 201) bzw. mit i.th. Morphin (Studie 202) alleine nur unzureichend kontrolliert wurden, die Schmerzen wirksam gemindert und auch die systemische Opioid-Gabe über einen längeren Zeitraum nachhaltig reduziert werden können. Durch die zusätzliche Gabe von i.th. Ziconotid neben stabilen Dosen von i.th. Morphin kann es wie bei der Einleitung einer Monotherapie mit i.th. Ziconotid zum Auftreten unerwünschter Wirkungen psychotischer Natur (z.B. Halluzinationen, paranoide Reaktionen) kommen bzw. ein Absetzen der Therapie aufgrund vermehrter unerwünschter Ereignisse erforderlich werden (siehe «Interaktionen»).
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