Eigenschaften/WirkungenATC-Code
J05AF09
Wirkungsmechanismus
Emtricitabin ist ein synthetisches Nukleosid-Analogon von Cytidin und wirkt spezifisch gegen das Humane Immundefizienzvirus (HIV-1 und HIV-2) sowie gegen das Hepatitis-B-Virus (HBV).
Emtricitabin wird durch zelluläre Enzyme zu Emtricitabin-5'-Triphosphat phosphoryliert, welches die Reverse Transkriptase von HIV-1 kompetitiv hemmt und auf diese Weise einen DNA-Kettenabbruch bewirkt. Emtricitabin hemmt die DNA-Polymerasen α, β und ε und die mitochondriale DNA-Polymerase γ von Säugetieren nur geringfügig.
Emtricitabin zeigte in vitro keine Zytotoxizität gegenüber Lymphozyten des peripheren Blutes (PBMC = peripheral blood mononuclear cells), etablierten Zell-Linien von Lymphozyten und Monozyten-Makrophagen oder Knochenmark-Stammzellen. Es gab weder in vitro noch in vivo Hinweise auf mitochondriale Toxizität.
Pharmakodynamik
Antivirale Aktivität in vitro
Die 50%ige Hemmkonzentration (IC50) von Emtricitabin für Laborstämme und klinische HIV-1-Isolate lag im Bereich zwischen 0,0013 und 0,5 µmol/l. Im Rahmen von Kombinationsstudien mit Emtricitabin und Proteaseinhibitoren, nukleosidischen, nukleotidischen und nichtnukleosidischen Inhibitoren der Reversen Transkriptase von HIV wurden additive bis synergistische Effekte beobachtet. Nur wenige der genannten Kombinationen wurden am Menschen untersucht.
Bei Tests der Aktivität gegen HBV-Laborstämme lag die 50%ige Hemmkonzentration (IC50) für Emtricitabin im Bereich zwischen 0,01 und 0,04 µmol/l.
Resistenz
Die HIV-1-Resistenz gegen Emtricitabin entwickelt sich auf Grund von Veränderungen am Codon 184 der HIVeigenen Reversen Transkriptase, statt Methionin wird Valin kodiert (auch eine Isoleucin-Zwischenstufe wurde beobachtet). Diese HIV-1-Mutation wurde sowohl in vitro als auch bei HIV-1infizierten Patienten beobachtet.
Emtricitabin-resistente Viren waren kreuzresistent gegenüber Lamivudin, blieben jedoch weiterhin empfindlich gegenüber anderen nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTIs) (Zidovudin, Stavudin, Tenofovir, Abacavir und Didanosin), allen nichtnukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs) und allen Proteaseinhibitoren (PIs). Viren mit einer Resistenz gegen Zidovudin, Didanosin und NNRTIs blieben empfindlich gegenüber Emtricitabin (IC50=0,002 µmol/l bis 0,08 µmol/l).
Klinische Wirksamkeit
Es wurde gezeigt, dass Emtricitabin in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln, einschliesslich Nukleosid-Analoga, Nicht-Nukleosid-Analoga und Proteaseinhibitoren, in der Behandlung der HIV-Infektion bei therapienaiven Patienten und bei therapieerfahrenen Patienten mit stabiler virologischer Kontrolle wirksam ist. Es liegen keine Erfahrungswerte über die Anwendung von Emtricitabin bei Patienten vor, deren momentane Therapie versagt oder die ein mehrfaches Therapieversagen aufweisen. Es sind keine klinischen Daten über die Anwendung von Emtricitabin bei Kleinkindern unter 4 Monaten verfügbar.
Eine 48wöchige, doppelblinde, wirkstoffkontrollierte Multizenterstudie wurde bei 571 antiretroviral naiven Erwachsenen durchgeführt, wobei Emtriva (200 mg einmal täglich) in Kombination mit Didanosin und Efavirenz versus Stavudin, Didanosin und Efavirenz verglichen wurde. Die Patienten hatten ein Durchschnittsalter von 36 Jahren (Spannbreite 18-69), 85% waren Männer, 52% Kaukasier, 16% Afrika-Amerikaner und 26% Hispano-Amerikaner. Die Patienten wiesen eine mittlere CD4+-Basiszellzahl von 318 Zellen/mm3 (Spannbreite 5-1'317) und einen mittleren HIV-RNA-Basisplasmaspiegel von 4,9 log10 Kopien/ml (Spannbreite 2,6-7,0) auf. 38% der Patienten hatten Basisviruslasten von >100'000 Kopien/ml und 31% hatten CD4+-Zellzahlen von <200 Zellen/ml. Die Ergebnisse der Behandlung sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.
Ergebnisse der randomisierten Behandlung nach Woche 48 bei antiretroviral naiven Patienten
Ergebnis nach Woche 48
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Emtriva + Didanosin + Efavirenz (n = 286)
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Stavudin + Didanosin + Efavirenz (n = 285)
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Patienten, die auf Therapie ansprachen1
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81% (78%)
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68% (59%)
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Virologisches Versagen2
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3%
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11%
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Tod
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0%
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<1%
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Studienabbruch aufgrund einer unerwünschten Wirkung
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7%
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13%
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Studienabbruch aus anderen Gründen3
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9%
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8%
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1 Patienten erreichten oder hielten bestätigte HIV-RNA <400 Kopien/ml (<50 Kopien/ml) bis nach Woche 48 aufrecht.
2 Einschliesslich Patienten, die keine virologische Suppression erreichten oder zurückfielen, nachdem sie eine virologische Suppression erreicht hatten.
3 Einschliesslich Patienten, die zur Nachuntersuchung verloren gingen, Patientenabbruch, Nicht-Compliance, Protokollverstoss und andere Gründe.
Die mittlere Zunahme der CD4+-Basiszellzahl betrug 168 Zellen/mm3 für den Emtriva-Arm und 134 Zellen/mm3 für den Stavudin-Arm.
Über 48 Wochen erfuhren 5 Patienten (1,7%) in der Emtriva-Gruppe ein neues CDC-Klasse C Vorkommnis im Vergleich zu 7 Patienten (2,5%) in der Stavudin-Gruppe.
In einer 48wöchigen offenen, wirkstoffkontrollierten Multizenterstudie wurde Emtriva (200 mg einmal täglich) gegen Lamivudin verglichen, und zwar in Kombination mit Stavudin (d4T) oder Zidovudin (ZDV) und einem Proteaseinhibitor (PI) oder NNRTI bei 440 Patienten. Diese waren an einer Lamivudin-haltigen, 3fach-antiretroviralen Therapie während mindestens 12 Wochen vor Studienantritt beteiligt und wiesen HIV-1-RNA ≤400 Kopien/ml auf.
Die Patienten wurden 1:2 randomisiert einer Fortsetzung der Behandlung mit Lamivudin (150 mg zweimal täglich) oder einem Wechsel auf Emtriva (200 mg einmal täglich) zugewiesen. Alle Patienten hielten an ihrer stabilen Basistherapie fest. Die Patienten hatten ein Durchschnittsalter von 42 Jahren (Spannbreite 22-80), 86% waren Männer, 64% Kaukasier, 21% Afrika-Amerikaner und 13% Hispano-Amerikaner. Die Patienten wiesen eine mittlere CD4+-Basiszellzahl von 527 Zellen/mm3 (Spannbreite 37-1909) und einen medianen HIV-RNA-Basisplasmaspiegel von 1,7 log10 Kopien/ml (Spannbreite 1,7-4,0) auf.
Die mittlere Dauer der früheren antiretroviralen Therapie betrug 27,6 Monate.
Ergebnisse der randomisierten Behandlung nach Woche 48 bei therapieerfahrenen Patienten
Ergebnis nach Woche 48
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Emtriva + ZDV/d4T + NNRTI/PI (n = 294)
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Lamivudin + ZDV/d4T + NNRTI/PI (n = 146)
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Patienten, die auf Therapie ansprachen1
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77% (67%)
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82% (72%)
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Virologisches Versagen2
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7%
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8%
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Tod
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0%
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<1%
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Studienabbruch aufgrund einer unerwünschten Wirkung
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4%
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0%
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Studienabbruch aus anderen Gründen3
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12%
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10%
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1 Patienten erreichten oder hielten bestätigte HIV-RNA <400 Kopien/ml (<50 Kopien/ml) bis nach Woche 48 aufrecht.
2 Einschliesslich Patienten, die keine virologische Suppression erreichten oder zurückfielen, nachdem sie eine virologische Suppression erreicht hatten.
3 Einschliesslich Patienten, die zur Nachuntersuchung verloren gingen, Patientenabbruch, Nicht-Compliance, Protokollverstoss und andere Gründe.
Die mittlere Zunahme von der CD4+-Basiszellzahl betrug 29 Zellen/mm3 für den Emtriva-Arm und 61 Zellen/mm3 für den Lamivudin-Arm.
Über 48 Wochen erfuhren 2 Patienten (0,7%) in der Emtriva-Gruppe ein neues CDC-Klasse C Vorkommnis im Vergleich zu 2 Patienten (1,4%) in der Lamivudin-Gruppe.
Zusätzlich, in einer zweiten Studie, wurden therapieerfahrene Erwachsene mit stabiler PIbasierter hoch aktiver antiretroviraler Therapie (HAART) randomisiert einer einmal täglichen Emtricitabin-haltigen Therapie oder einer Fortsetzung der PIhaltigen HAART zugewiesen. Nach 48 Behandlungswochen fand sich unter der Emtricitabin-haltigen Therapie im Vergleich zur fortgesetzten PIhaltigen HAART ein gleich grosser Anteil an Patienten mit einer HIV-RNA-Viruslast <400 Kopien/ml (94% bei Emtricitabin versus 92%) und ein grösserer Anteil an Patienten mit HIV-RNA-Werten <50 Kopien/ml (95% bei Emtricitabin versus 87%).
Sicherheit und Wirksamkeit bei pädiatrischen Patienten
Bei Kleinkindern und Kindern ab 4 Monaten wurden die HIV-1-RNA im Plasma über 48 Wochen bei einem Grossteil der Patienten unter die Nachweisgrenze gesenkt bzw. blieb unter der Nachweisgrenze (89% erreichen ≤400 Kopien/ml und 77% erreichten ≤50 Kopien/ml).
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