Eigenschaften/WirkungenATC-Code
B06AC02
Wirkungsmechanismus
HAE (eine autosomal dominante Krankheit) wird durch Fehlen bzw. eine Funktionsstörung des C1- Esteraseinhibitors verursacht. HAE-Attacken gehen mit einer erhöhten Ausschüttung von Bradykinin einher, bei dem es sich um den wichtigsten Faktor bei der Entwicklung klinischer Symptome handelt.
HAE äussert sich in Form intermittierender Attacken eines subkutanen und/oder submukosalen Ödems der oberen Atemwege, der Haut und des Magendarmtraktes. Eine Attacke dauert üblicherweise 2 bis 5 Tage.
Icatibant ist ein selektiver kompetitiver Antagonist des Bradykininrezeptors Typ 2 (B2). Es handelt sich um ein synthetisches Dekapeptid mit einer ähnlichen Struktur wie Bradykinin, aber mit 5 nicht proteinogenen Aminosäuren. Bei HAE sind erhöhte Bradykininkonzentrationen die wichtigsten Einflussfaktoren bei der Entwicklung klinischer Symptome.
Pharmakodynamik
Bei gesunden jungen Personen wurden durch Anwendung von Icatibant in einer Dosierung von 0,8 mg/kg über 4 Stunden, von 1,5 mg/kg/Tag oder 0,15 mg/kg/Tag für 3 Tage die Entwicklung einer bradykinininduzierten Hypotonie, Vasodilatation und Reflextachykardie verhindert. Icatibant erwies sich als kompetitiver Antagonist, wenn die Bradykinin-Testdosis auf das 4-fache erhöht wurde.
Klinische Wirksamkeit
Daten zur Wirksamkeit stammten aus einer ersten offenen Phase-II-Studie und drei kontrollierten Phase-III-Studien.
Die klinischen Studien der Phase III (FAST-1 und FAST-2) waren randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudien mit – bis auf das verwendete Vergleichspräparat – gleichem Design (eine mit oraler Tranexamsäure als Vergleichspräparat und eine placebokontrolliert).
Es wurden insgesamt 130 Patienten randomisiert und erhielten entweder eine Icatibant-Dosis von 30 mg (63 Patienten) oder ein Vergleichspräparat (entweder Tranexamsäure, 38 Patienten, oder ein Placebo, 29 Patienten). Spätere HAE-Attacken wurden in einer offenen Anschlussstudie behandelt. Patienten mit Symptomen eines laryngealen Ödems erhielten eine offene Behandlung mit Icatibant. In den Phase-III-Studien war der primäre Wirksamkeits-endpunkt die Zeit bis zum Einsetzen der Symptomlinderung, was mithilfe einer visuellen Analogskala (VAS) festgestellt wurde. Die Tabelle 2 zeigt die Wirksamkeitsergebnisse für diese Studien.
FAST-3 war eine randomisierte, placebokontrollierte Parallelgruppenstudie mit 98 erwachsenen Patienten im Alter von durchschnittlich 36 Jahren. Die Patienten wurden randomisiert auf zwei Gruppen verteilt, die entweder Icatibant 30 mg oder Placebo als subkutane Injektion erhielten. Eine Untergruppe der Patienten in dieser Studie entwickelte akute HAE-Attacken unter der Behandlung mit Androgenen, Antifibrinolytika bzw. C1-Inhibitoren. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Zeit bis zum Einsetzen der Symptomlinderung. Die Beurteilung erfolgte dabei mithilfe einer dreiteiligen zusammengesetzten visuellen Analogskala (VAS-3), auf der die Schwellung der Haut, Hautschmerzen und Bauchschmerzen beurteilt wurden. Die Tabelle 3 zeigt die Wirksamkeitsergebnisse für FAST-3.
In diesen Studien war der mittlere Zeitraum bis zum Einsetzen der Symptomlinderung bei Patienten unter Icatibantbehandlung kürzer (2,0 h, 2,5 h und 2.0 h) als bei Gabe von Tranexamsäure (12,0 h) und Placebo (4,6 h und 19,8 h). Der Behandlungseffekt von Icatibant wurde durch die sekundären Wirksamkeitsendpunkte bestätigt.
Unabhängig von der Altersgruppe, vom Geschlecht, der Rasse und dem Gewicht sowie von der Anwendung oder Nichtanwendung von Androgenen oder Antifibrinolytika waren die Zeit bis zum Einsetzen der Symptomlinderung und die Zeit bis zum Einsetzen der Linderung des Primärsymptoms in der zusammenfassenden Analyse dieser kontrollierten Phase-III-Studien gleich.
In den kontrollierten Phase-III-Studien war die Reaktion auch über wiederholte Attacken hinweg gleichbleibend. Insgesamt 237 Patienten erhielten 1'386 Dosierungen mit 30 mg Icatibant zur Behandlung von 1'278 akuten HAE-Attacken. Bei den ersten 15 mit Firazyr behandelten Attacken (1'114 Dosen für 1'030 Attacken) waren die medianen Zeiten bis zum Einsetzen der Symptomlinderung bei den Attacken ähnlich (2,0 bis 2,5 h). Dabei wurden 92,4 % dieser HAE-Attacken mit einer einzigen Dosis Firazyr behandelt.
Tabelle 2 Wirksamkeitsergebnisse von FAST-1 und FAST-2
Kontrollierte klinische Studie von FIRAZYR im Vergleich zu Tranexamsäure bzw. Placebo: Wirksamkeitsergebnisse
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FAST-2
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FAST-1
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Icatibant
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Tranexam-säure
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Icatibant
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Placebo
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Anzahl der Patienten in der ITT-Population
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36
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38
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Anzahl der Patienten in der ITT-Population
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27
|
29
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Basis-VAS-Wert (mm)
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63,7
|
61,5
|
Basis-VAS-Wert (mm)
|
69,3
|
67,7
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Änderung zwischen Basis-Wert und 4 Stunden
|
-41,6
|
-14,6
|
Änderung zwischen Basis-Wert und 4 Stunden
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-44,8
|
-23,5
|
Unterschied zwischen den Behandlungen (95 % CI, p-Wert)
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-27,8 (-39,4, -16,2) p < 0,001
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Unterschied zwischen den Behandlungen (95 % CI, p-Wert)
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-23,3 (-37,1, -9,4) p = 0,002
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Änderung zwischen Basis-Wert und 12 Stunden
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-54,0
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-30,3
|
Änderung zwischen Basis-Wert und 12 Stunden
|
-54,2
|
-42,4
|
Unterschied zwischen den Behandlungen (95 % CI, p-Wert)
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-24,1 (-33,6, -14,6) p < 0,001
|
Unterschied zwischen den Behandlungen (95 % CI, p-Wert)
|
-15,2 (-28,6, -1,7) p = 0,028
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Mittlere Zeit bis zum Einsetzen der Symptomlinderung (Stunden)
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Mittlere Zeit bis zum Einsetzen der Symptomlinde-rung (Stunden)
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Alle Episoden (N = 74)
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2,0
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12,0
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Alle Episoden (N = 56)
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2,5
|
4,6
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Ansprechrate (%, VI) 4 Stunden nach Beginn der Behandlung
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|
|
Ansprechrate (%, VI) 4 Stunden nach Beginn der Behandlung
|
|
|
Alle Episoden (N = 74)
|
80,0 (63,1, 91,6)
|
30,6 (16,3, 48,1)
|
Alle Episoden (N = 56)
|
66,7 (46,0, 83,5)
|
46,4 (27,5, 66,1)
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Mittlere Zeit bis zum Einsetzen der Symptomlinderung: alle Symptome (Std.):
|
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|
Mittlere Zeit bis zum Einsetzen der Symptomlinderung: alle Symptome (Std.):
|
|
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Bauchschmerzen Hautschwellung Hautschmerzen
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1,6 2,6 1,5
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3,5 18,1 12,0
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Bauchschmerzen Hautschwellung Hautschmerzen
|
2,0 3,1 1,6
|
3,3 10,2 9,0
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Mittlere Zeit bis zum fast vollständigen Abklingen der Symptome (Std.)
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|
|
Mittlere Zeit bis zum fast vollständigen Abklingen der Symptome (Std.)
|
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Alle Episoden (N = 74)
|
10,0
|
51,0
|
Alle Episoden (N = 56)
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8,5
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19,4
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Mittlere Zeit bis zur Regression der Symptome, nach Patient (Std.)
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|
|
Mittlere Zeit bis zur Regression der Symptome, nach Patient (Std.)
|
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Alle Episoden (N = 74)
|
0,8
|
7,9
|
Alle Episoden (N = 56)
|
0,8
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16,9
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Mittlere Zeit bis zur Verbesserung der Gesamtverfassung des Patienten, nach Arzt (Std.)
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|
|
Mittlere Zeit bis zur Verbesserung der Gesamtverfassung des Patienten, nach Arzt (Std.)
|
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|
Alle Episoden (N = 74)
|
1,5
|
6,9
|
Alle Episoden (N = 56)
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1,0
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5,7
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Tabelle 3 Wirksamkeitsergebnisse für FAST-3
Wirksamkeitsergebnisse: FAST-3, kontrollierte Phase – ITT-Population
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Endpunkt
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Statistische Masszahl
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Firazyr
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Placebo
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p-Werte
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(n = 43)
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(n = 45)
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Primärer Endpunkt
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Zeit bis zum Einsetzen der Symptomlinderung – mehrteilige VAS (Stunden)
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Medianwert
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2,0
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19,8
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<0,001
|
Andere Endpunkte
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Zeit bis zum Einsetzen der Linderung des Primärsymptoms (Stunden)
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Medianwert
|
1,5
|
18,5
|
<0,001
|
Veränderung des zusammengesetzten VAS-Wertes 2 Std. nach der Behandlung
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Mittelwert
|
-19,74
|
-7,49
|
<0,001
|
Veränderung des zusammengesetzten Probanden-Eigenbewertungswerts nach 2 Stunden
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Mittelwert
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-0,53
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-0,22
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<0,001
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Veränderung des zusammengesetzten Prüfarzt-Bewertungswerts nach 2 Stunden
|
Mittelwert
|
-0,44
|
-0,19
|
<0,001
|
Zeit bis zur nahezu vollständigen Symptomlinderung (Stunden)
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Medianwert
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8,0
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36,0
|
0,012
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Zeit bis zur ersten Symptomverbesserung gemäss Probanden-Eigenbewertung (Stunden)
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Medianwert
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0,8
|
3,5
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<0,001
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Zeit bis zur ersten visuellen Symptomverbesserung gemäss Prüfarztbewertung (Stunden)
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Medianwert
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0,8
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3,4
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<0,001
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Insgesamt 66 Patienten wurden in diesen kontrollierten klinischen Studien der Phase III wegen HAE-Attacken behandelt, die den Kehlkopf betrafen. Die Ergebnisse waren in Bezug auf die Zeit bis zum Einsetzen der Symptomlinderung ähnlich wie bei Patienten mit nicht den Kehlkopf betreffenden HAE-Attacken.
Sicherheit und Wirksamkeit bei pädiatrischen Patienten
Mit insgesamt 32 Patienten wurde eine offene, nicht randomisierte einarmige Studie (HGT-FIR-086) durchgeführt. Mit einer Ausnahme erhielten alle Patienten einmalig subkutan eine Dosis Icatibant (0,4 mg/kg Körpergewicht, bis zu einer Maximaldosis von 30 mg). Die Mehrzahl der Patienten wurde mindestens 6 Monate lang nachbeobachtet. Elf Patienten waren im präpubertären Alter und 21 Patienten entweder im pubertären oder postpubertären Alter.
Die für die Beurteilung der Wirksamkeit relevante Population bestand aus 22 Patienten (11 prä-pubertäre und 11 pubertäre/postpubertäre), die wegen einer akuten HAE-Attacke mit Icatibant behandelt worden waren.
Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die Zeit bis zum Einsetzen einer Symptomlinderung (time to onset of symptom relief, TOSR). Die Beurteilung des Schweregrads der Symptome erfolgte durch den Prüfarzt gemäss einer vordefinierten zusammengesetzten Symptom-Bewertungsskala (0 bis 5). Die Zeit bis zum Einsetzen einer Symptomlinderung war definiert als die Zeitdauer (in Stunden) bis zum Eintreten einer Verbesserung der Symptome in einer Größenordnung von 20 %.
Insgesamt betrug die mediane Zeit bis zum Einsetzen einer Symptomlinderung 1,0 Stunden (95 % Konfidenzintervall, 1,0 1,1 Stunden). An den Zeitpunkten 1 bzw. 2 Stunden nach der Behandlung hatte bei etwa 50 % bzw. 90 % der Patienten eine Symptomlinderung eingesetzt.
Insgesamt betrug die mediane Zeit bis zu einer grösstmöglichen Symptomlinderung (frühester posttherapeutischer Zeitpunkt, zu dem alle Symptome entweder leicht ausgeprägt oder abgeklungen waren) 1,1 Stunden (95 % Konfidenzintervall, 1,0 2,0 Stunden).
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