ÜberdosierungAnzeichen und Symptome
Akute systemische Toxizität
Systemische toxische Reaktionen können das zentrale Nervensystem und das kardiovaskuläre System betreffen.
Die Reaktionen sind auf eine erhöhte Konzentration des Lokalanästhetikums zurückzuführen, die ihrerseits verschiedene Ursachen haben kann:
·Versehentliche intravasale Verabreichung oder Überdosierung
·Anomal schnelle Resorption in stark vaskularisierten Regionen (siehe Abschnitt «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»)
Die ZNS-Reaktionen sind bei allen Lokalanästhetika vom Amid-Typ ähnlich, während die kardialen Reaktionen qualitativ und quantitativ stärker vom einzelnen Arzneimittel abhängig sind.
Versehentlich intravasal verabreichte Lokalanästhetika können sofortige (im Zeitraum von wenigen Sekunden bis Minuten auftretende) systemische toxische Reaktionen hervorrufen. Nach einer Überdosierung setzen solche Reaktionen langsamer ein, da der Blutspiegel des Lokalanästhetikums langsamer ansteigt (15–60 Minuten nach der Injektion).
ZNS-Toxizität
Toxische Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem entwickeln sich etappenweise, wobei die Schwere der Symptome zunimmt. Zunächst treten folgende Symptome auf: Photosensibilität, zirkumorale Parästhesie, Sensibilitätsverlust der Zunge, Hyperakusis, Ohrgeräusche und Sehstörungen. Dysarthrie, Muskelzuckungen und Zittern sind schon schwerwiegender und können allgemeinen Krampfanfällen vorausgehen. Symptome dieser Art dürfen nicht mit neurotischem Verhalten verwechselt werden. In der Folge können Bewusstlosigkeit und epileptische Anfälle (Grand Mal) von einigen Sekunden bis mehreren Minuten Dauer auftreten.
Die gesteigerte Muskelaktivität und die eingeschränkte Atemtätigkeit während der Spasmen führt rasch zu Hyperkapnie und Hypoxie. In schweren Fällen kann es zur Apnoe kommen. Die Azidose verstärkt die toxischen Effekte der Lokalanästhetika.
Nach der Umverteilung des Lokalanästhetikums aus dem ZNS und seiner anschliessenden Metabolisierung und Ausscheidung klingen die Symptome ab. Wenn die injizierte Anästhetikadosis nicht hoch war, tritt die Heilung sehr schnell ein.
Toxizität des kardiovaskulären Systems
In schweren Fällen sind auch Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System zu beobachten. Den kardiovaskulären toxischen Effekten gehen in der Regel Anzeichen für ZNS-Toxizität voraus. Bei Patienten unter starker Sedierung oder Allgemeinanästhesie ist es möglich, dass die ZNS-Vorzeichen fehlen oder dass die frühen Anzeichen einer Toxizität schwer zu erkennen sind. Hypotonie, Bradykardie, Arrhythmien und sogar Herzstillstand können als Resultat hoher systemischer Konzentrationen von Lokalanästhetika auftreten. In seltenen Fällen ist ein Herzstillstand ohne vorausgehende ZNS-Zeichen beobachtet worden.
Bei einem Kind sind die frühen Anzeichen einer systemischen Toxizität schwieriger zu erkennen, wenn das Kind sich noch nicht verbal ausdrücken kann oder unter Allgemeinanästhesie ist.
Behandlung
Behandlung der akuten Toxizität
Bei jeglichen Anzeichen akuter systemische Toxizität ist die Injektion des Lokalanästhetikums unverzüglich abzubrechen.
Bei ZNS-Symptomen (Krämpfe, ZNS-Depression) sind folgende Behandlungsziele anzustreben:
Sauerstoffzufuhr aufrechterhalten, Krämpfe beenden und Kreislauf stützen. Bei Bedarf werden Beatmungsgerät und Maske angewandt oder eine endotracheale Intubation eingeleitet.
Die intravenöse Gabe eines Spasmolytikums ist angezeigt, wenn die Krämpfe nicht innerhalb von 15–20 Sekunden spontan abklingen. Mit Thiopental-Natrium 1–3 mg/kg i. v. lassen sich die Krämpfe rasch beenden. Eine weitere Möglichkeit ist die Gabe von Diazepam (0,1 mg/kg i. v.), wobei hier die Wirkung weniger schnell eintritt. Anhaltende Krämpfe können die Atmungstätigkeit und somit die Sauerstoffversorgung des Patienten behindern. Durch Injektion eines Muskelrelaxans (z.B. Succinylcholin 1 mg/kg) werden die Krämpfe rasch gelöst, so dass die Atmung erleichtert und eine kontrollierte Sauerstoffzufuhr ermöglicht wird. In diesen Fällen muss eine endotracheale Intubation in Betracht gezogen werden. Wenn eine kardiovaskuläre Depression erkennbar wird (Hypotonie, Bradykardie), ist ein Sympathomimetikum zu verabreichen (zum Beispiel Ephedrin 5–10 mg i. v.; Gabe gegebenenfalls 2-3 Minuten später wiederholen).
Bei Bradykardie Atropin verabreichen (0,5–1 mg i. v.).
Bei Kindern ist die Ephedrindosis an Lebensalter und Körpergewicht anzupassen.
Bei Versagen des Kreislaufs muss sofort die pulmonale Wiederbelebung eingeleitet werden – es ist lebenswichtig, dass für optimale Sauerstoff- und Luftzufuhr gesorgt wird (Beatmung), der Kreislauf stimuliert und die Azidose behandelt wird.
Bei Herzstillstand lassen sich die Erfolgschancen der Reanimation steigern, indem die Massnahmen länger fortgeführt werden.
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