Eigenschaften/WirkungenATC-Code
B02BD02
Wirkungsmechanismus
Der Faktor-VIII/von-Willebrand-Faktor-Komplex besteht aus zwei Molekülen (Faktor VIII und Von-Willebrand-Faktor) mit unterschiedlichen physiologischen Funktionen. Bei Aktivierung der Gerinnungskaskade wird Faktor VIII zu aktiviertem Faktor VIII umgewandelt und vom von-Willebrand-Faktor freigesetzt. Aktivierter Faktor VIII wirkt als Co-Faktor für den aktivierten Faktor IX, der auf Phospholipid-Oberflächen die Umwandlung von Faktor X in aktivierten Faktor X beschleunigt. Aktivierter Faktor X wandelt Prothrombin in Thrombin um, woraufhin Thrombin eine Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin bewirkt und ein Gerinnsel gebildet werden kann.
Bei Hämophilie A handelt es sich um eine X-chromosomal-gebundene erbliche Störung der Blutgerinnung, bedingt durch niedrige Spiegel des funktionellen Faktors VIII. Sie führt zu Blutungen in Gelenken, Muskeln oder inneren Organen, entweder spontan oder infolge eines unfallbedingten oder chirurgischen Traumas.
ELOCTA wird als Substitutionstherapie zur Anhebung der Faktor-VIII-Spiegel im Plasma angewendet, wodurch der Faktor-VIII-Mangel und die Blutungstendenz vorübergehend korrigiert werden können.
ELOCTA (Efmoroctocog alfa) ist ein vollständig rekombinantes Fusionsprotein mit verlängerter Halbwertszeit. ELOCTA besteht aus rekombinantem humanem Gerinnungsfaktor VIII ohne B-Domäne, der kovalent an die Fc-Domäne des humanen Immunglobulins G1 gebunden ist. Die Fc-Region des humanen Immunglobulins G1 bindet an den neonatalen Fc-Rezeptor. Dieser Rezeptor wird während des gesamten Lebens exprimiert und bildet Teil eines natürlichen Stoffwechselwegs, der Immunglobuline vor dem lysosomalen Abbau schützt, indem er diese Proteine in den Kreislauf zurückführt, was zu einer langen Halbwertszeit im Plasma führt. Efmoroctocog alfa bindet an den neonatalen Fc-Rezeptor und greift damit auf den gleichen natürlichen Stoffwechselweg zurück, wodurch der lysosomale Abbau verzögert und die Halbwertszeit im Plasma gegenüber endogenem Faktor VIII verlängert wird.
Pharmakodynamik
Der Mangel an funktionellem Faktor VIII führt zu einer verlängerten Gerinnungszeit im aPTT-Assay (aktivierte partielle Thromboplastinzeit). Die Behandlung mit ELOCTA bewirkt während der effektiven Dosierungsperiode eine Normalisierung der Gerinnungszeit.
Klinische Wirksamkeit
Die Sicherheit, Wirksamkeit und Pharmakokinetik von ELOCTA bei vorbehandelten Patienten (PTPs) wurden in zwei multinationalen, offenen Zulassungsstudien – einer Phase-3-Studie (Studie I) und einer pädiatrischen Phase-3-Studie (Studie II) beurteilt (siehe „Kinder und Jugendliche“), sowie in einer Erweiterungsstudie (Studie III) mit einer Dauer von bis zu vier Jahren untersucht. Insgesamt wurden 276 PTPs über insgesamt 80.848 Expositionstage hinweg beobachtet, mit einem Medianwert von 294 (Intervall 1-735) Expositionstagen pro Patient. Zusätzlich wurde eine Phase-3-Studie (Studie IV) durchgeführt, in der die Sicherheit und Wirksamkeit von ELOCTA bei zuvor unbehandelten Patienten (PUPs) untersucht wurden (siehe „Kinder und Jugendliche“).
In Studie I wurden 165 vorbehandelte männliche Patienten (12 bis 65 Jahre alt) mit schwerer Hämophilie A eingeschlossen. Patienten, die vor dem Einschluss in die Studie ein Prophylaxe-Schema erhalten hatten, wurden dem individualisierten Prophylaxe-Arm zugeordnet. Patienten, die vor dem Studieneinschluss eine Bedarfsbehandlung erhalten hatten, konnten entweder dem individualisierten Prophylaxe-Arm zugeteilt werden oder wurden per Randomisierung der wöchentlichen Prophylaxe bzw. der Bedarfsbehandlung zugeteilt.
Prophylaxe-Schema:
Individualisierte Prophylaxe: 25 bis 65 I.E./kg alle 3 bis 5 Tage
Wöchentliche Prophylaxe: 65 I.E./kg
Von 153 Patienten, die Studie I abgeschlossen hatten, wurden 150 in Studie III (Erweiterungsstudie) eingeschlossen. Die mediane Gesamtzeit in Studie I+III betrug 4.2 Jahre und die mediane Anzahl der Expositionstage betrug 309.
Individualisierte Prophylaxe: Der mediane jährliche Faktorverbrauch lag bei 4212 I.E./kg (Min. 2877, Max. 7943) in Studie I und bei 4223 I.E./kg (Min. 2668, Max. 8317) in Studie III. Die entsprechende mediane annualisierte Blutungsrate (ABR) betrug 1.60 (Min. 0, Max. 18.2) bzw. 0.74 (Min. 0, Max. 15.6).
Wöchentliche Prophylaxe: Der mediane jährliche Faktorverbrauch lag bei 3805 I.E./kg (Min. 3353, Max. 6196) in Studie I und bei 3510 I.E./kg (Min. 2758, Max. 3984) in Studie III. Die entsprechende ABR betrug 3.59 (Min. 0, Max. 58.0) bzw. 2.24 (Min. 0, Max. 17.2).
Bedarfsbehandlung: Der mediane jährliche Faktorverbrauch lag bei 1039 I.E./kg (Min. 280, Max. 3571) für die 23 Patienten, die in Studie I auf die Bedarfsbehandlung randomisiert wurden, und bei 671 I.E./kg (Min. 286, Max. 913) für die 6 Patienten, die in Studie III mindestens ein Jahr lang die Bedarfsbehandlung weiterführten.
Patienten, die von der Bedarfsbehandlung zur wöchentlichen Prophylaxe in Studie III wechselten, hatten eine mediane ABR von 1.67.
Es gilt zu beachten, dass die ABR zwischen verschiedenen Faktorkonzentraten und zwischen den verschiedenen klinischen Studien nicht vergleichbar ist.
Behandlung von Blutungen: In Studie I und III wurden 2490 Blutungsereignisse mit einer medianen Dosis von 43.8 I.E./kg (Min 13.0, Max. 172.8) je Blutung kontrolliert. 79.2 % der ersten Injektionen wurden von den Patienten mit „ausgezeichnet“ oder „gut“ bewertet.
Perioperative Behandlung (chirurgische Prophylaxe): In Studie I und Studie III wurden an 34 Patienten insgesamt 48 grosse chirurgische Eingriffe durchgeführt und beurteilt. Das hämostatische Ansprechen wurde von den Ärzten mit „ausgezeichnet“ bei 41 und mit „gut“ bei 3 von 44 grossen chirurgischen Eingriffen bewertet. Die mediane Dosis zur Aufrechterhaltung der Hämostase während des chirurgischen Eingriffs betrug 60.6 I.E./kg (Min. 38, Max. 158).
Kinder und Jugendliche
In Studie II wurden insgesamt 71 vorbehandelte männliche pädiatrische Patienten < 12 Jahren mit schwerer Hämophilie A aufgenommen. Von den 71 Patienten erhielten 69 mindestens 1 Dosis ELOCTA und waren im Hinblick auf die Wirksamkeit auswertbar (35 waren <6 Jahre alt und 34 waren 6 bis <12 Jahre alt). Das prophylaktische Regime bestand initial aus 25 I.E./kg am ersten Tag, gefolgt von 50 I.E./kg am vierten Tag. Das Behandlungsregime wurde auf Grundlage des Ansprechens der Patienten angepasst, wobei Dosen zwischen 25 I.E./kg und 80 I.E./kg möglich waren. Angesichts der schnelleren Clearance von rekombinanten FVIII-Präparaten bei Kindern unter 12 Jahren war ein Dosierungsintervall von nur 2 Tagen erlaubt. Von 67 Patienten, die Studie II abgeschlossen hatten, wurden 61 in Studie III (Erweiterungsstudie) eingeschlossen. Die mediane Gesamtzeit in Studie II+III betrug 3.4 Jahre und die mediane Anzahl der Expositionstage betrug 332.
Prophylaxe, Alter < 6 Jahre: Das mediane Dosierungsintervall betrug 3.50 Tage in Studie II und Studie III. Der mediane jährliche Faktorverbrauch lag bei 5146 I.E./kg (Min. 3695, Max. 8474) in Studie II und bei 5418 I.E./kg (Min. 3435, Max. 9564) in Studie III. Die entsprechende mediane annualisierte Blutungsrate (ABR) betrug 0.00 (Min. 0, Max. 10.5) bzw. 1.18 (Min. 0, Max. 9.2).
Prophylaxe, Alter 6 bis < 12 Jahre: Das mediane Dosierungsintervall betrug 3.49 Tage in Studie II und 3.50 Tage in Studie III. Der mediane jährliche Faktorverbrauch lag bei 4700 I.E./kg (Min. 3819, Max. 8230 I.E./kg) in Studie II und bei 4990 I.E./kg (Min. 3856, Max. 9527) in Studie III. Die entsprechende mediane ABR betrug 2.01 (Min. 0, Max. 27.2) bzw. 1.59 (Min. 0, Max. 8.0).
12 jugendliche Patienten im Alter von 12 bis < 18 Jahren wurden in die prophylaktisch behandelte erwachsene Studienpopulation eingeschlossen. Der mediane jährliche Faktorverbrauch lag bei 5572 I.E./kg (Min. 3849, Max. 7035) in Studie I und bei 4456 I.E./kg (Min. 3563, Max. 8011) in Studie III. Die entsprechende mediane ABR betrug 1.92 (Min. 0, Max. 7.1) bzw. 1.25 (Min. 0, Max. 9.5).
Behandlung von Blutungen: In Studie II und III wurden 447 Blutungsereignisse mit einer medianen Dosis von 63 I.E./kg (Min. 28, Max. 186) je Blutung kontrolliert. 90.2 % der ersten Injektionen wurden von den Patienten und ihren Betreuern mit „ausgezeichnet“ oder „gut“ bewertet.
In Studie IV wurden 103 zuvor unbehandelte männliche Patienten (PUPs) < 6 Jahren mit schwerer Hämophilie A untersucht. Die Patienten wurden über insgesamt 11.255 Expositionstage hinweg beobachtet, mit einem Medianwert von 100 (Intervall: 0–649) Expositionstagen pro Patient. Die meisten Patienten begannen mit einer episodenbezogenen Behandlung (n = 81) mit anschliessendem Wechsel zur Prophylaxe (n = 69). 89 PUPs erhielten zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Studie eine Prophylaxe. Die empfohlene Anfangsdosis zur Prophylaxe betrug 25–80 I.E./kg in Intervallen von 3–5 Tagen. Bei Teilnehmern unter Prophylaxe betrug die mediane durchschnittliche Wochendosis 101.4 I.E./kg (Intervall 28.5–776.3 I.E./kg), und das mediane Dosierungsintervall betrug 3.87 Tage (Intervall 1.1–7 Tage). Der mediane jährliche Faktorverbrauch lag bei 3971.4 I.E./kg. Die mediane annualisierte Blutungsrate betrug 1.49 (Min. 0.0, Max. 18.7).
Perioperatives Management (chirurgische Prophylaxe): Bei pädiatrischen Patienten wurden insgesamt 7 kleinere chirurgische Eingriffe vorgenommen, und die Hämostase wurde als hervorragend oder gut bewertet.
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