Zusammensetzung
Wirkstoff
Oxazepam, INN.
Galenische Formen und Wirkstoffmengen pro Einheit
1 Tablette enthält 15 mg; 1 Retard-Kapsel enthält 30 mg.
Deklarationspflichtige Hilfsstoffe
Anxiolit Tabletten: keine. Anxiolit Retard-Kapseln: Color.: E 131, E 132.
Eigenschaften/Wirkungen
Oxazepam ist eine Substanz aus der Klasse der Benzodiazepine mit relativ kurzer Wirksamkeit. Durch die verzögerte Freisetzung von Oxazepam aus Anxiolit Retard wird eine Wirkungsverlängerung erreicht. Anxiolit und Anxiolit Retard wirken sedierend, schlafanstossend, angstlösend, beruhigend und antikonvulsiv. Experimentelle elektrophysiologische Untersuchungen haben ergeben, dass Benzodiazepine hauptsächlich GABA-erge Mechanismen verstärken, die zu den wichtigsten inhibitorischen Neurotransmittern im Gehirn gehören.
Pharmakokinetik
Absorption
Nach oraler Verabreichung von Anxiolit Tabletten liegt die Absorptionshalbwertszeit mit durchschnittlich 30 Min. im mittleren Bereich. Die Wirkstoff-Freigabe aus der Retard-Kapsel erfolgt kontinuierlich über 8-10 Std. Dadurch resultiert eine verlängerte Wirkungsdauer des an sich relativ kurz wirkenden Oxazepams.
Distribution
Nach Verabreichung einer Retard-Kapsel resultiert ein therapeutisch relevanter Blutspiegel bis zu 20 Std. Die orale Bioverfügbarkeit von Oxazepam liegt bei ungefähr 85%. Die Bindung an Plasmaproteine beträgt ca. 90%. Ein konstanter Plasmaspiegel (steady state) wird rasch innerhalb der ersten 2 Behandlungstage erreicht.
Metabolismus
Oxazepam wird einstufig durch direkte Konjugation an Glucuronsäure metabolisiert. Das Konjugat ist pharmakologisch inaktiv.
Elimination
Das mit Glucuronsäure konjugierte Oxazepam wird im Harn ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt im Mittel 8 Std. Bei wiederholter Gabe kommt es infolge der kurzen Eliminationshalbwertszeit zu keiner unerwünschten Kumulation.
Kinetik in besonderen klinischen Situationen
Ein reduzierter Leberenzymbesatz oder veränderte Plasmaproteinwerte, wie sie in höherem Lebensalter sowie bei Lebererkrankungen auftreten können, beeinflussen die Pharmakokinetik nicht. Nierenerkrankungen führen zu keiner Veränderung des therapeutisch relevanten Plasmaspiegels.
Indikationen/Anwendungsmöglichkeiten
Angstzustände und dadurch verursachte Unruhe, Spannungen, Erregung, neurovegetative und psychosomatische Störungen und Beschwerden. Bei psychogenen Ein- und Durchschlafstörungen besonders dann, wenn nach der abendlichen Verabreichung eine anxiolytische, psychisch-stabilisierende Nachwirkung in den folgenden Tag hinein erwünscht ist.
Dosierung/Anwendung
Übliche Einzel-/Tagesdosierung
Anxiolit Tabletten: Erwachsene im allgemeinen 1-3×1 Tablette täglich. Die Behandlung ist mit der kleinstmöglichen Dosierung zu beginnen. Sollte der beruhigende Effekt als zu stark empfunden werden, ist die Dosis entsprechend zu reduzieren. Bei Schlafstörungen genügt in der Regel 1 Tablette vor dem Schlafengehen.
Anxiolit Retard: Erwachsene im allgemeinen 1 Retard-Kapsel täglich. Einnahmezeit und Tagesdosis richten sich jedoch nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten. Häufig ist die abendliche Einnahme zweckmässig, insbesondere bei gleichzeitig bestehenden Schlafstörungen.
Spezielle Dosierungsanweisungen
Obwohl Anxiolit/Anxiolit Retard seine Wirkung unabhängig vom Alter des Patienten oder von Störungen seiner Leber- und Nierenfunktion entfaltet, soll - wie bei allen Benzodiazepinen - in höherem Alter, insbesondere bei hirnorganischen Veränderungen, vorsichtiger dosiert werden (erhöhte Medikamentenempfindlichkeit). Im Anschluss an eine länger dauernde Behandlung soll - insbesondere bei höheren Dosen - zur Vermeidung eines Entzugssyndroms die Medikation ausschleichend beendet werden (z.B. mit kleinen Dosen Anxiolit Tabletten).
Therapiedauer
Bei akuten Störungen: einige Tage. Bei chronischen Störungen: 2-4 Wochen. Danach sollte geklärt werden, ob eine weitere Behandlung angezeigt ist.
Korrekte Art der Einnahme
Die Tabletten oder Retard-Kapseln sollen mit reichlich Flüssigkeit unzerkaut eingenommen werden.
Anwendungseinschränkungen
Kontraindikationen
Überempfindlichkeit gegen Oxazepam, Myasthenia gravis. Schwere respiratorische Insuffizienz. Akutes Engwinkelglaukom. Kinder und Jugendliche (mit Ausnahmen).
Vorsichtsmassnahmen
Bei Patienten mit vorbestehender Medikamenten-, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit ist besondere Vorsicht geboten.
Abhängigkeit
Die Einnahme von Benzodiazepinen kann zu einer Abhängigkeit führen. Dieses Risiko ist erhöht bei längerer Einnahme, hoher Dosierung und bei prädisponierten Patienten. Die Entzugssymptomatik tritt vor allem nach abruptem Absetzen auf und beschränkt sich in leichteren Fällen auf Tremor, Ruhelosigkeit, Schlafstörungen, Angst, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche. Es können aber auch Symptome wie Schwitzen, Muskel- und Bauchkrämpfe, Wahrnehmungsstörungen sowie in seltenen Fällen Delirien und zerebrale Krampfanfälle auftreten.
Das Einsetzen von Entzugserscheinungen schwankt je nach Wirkungsdauer der Substanz zwischen ein paar Stunden und einer Woche oder mehr nach Absetzen der Therapie.
Um das Risiko der Abhängigkeit auf ein Minimum zu reduzieren, sollten Benzodiazepine nur nach sorgfältiger Prüfung der Indikation verschrieben und über möglichst kurze Dauer (als Hypnotikum zum Beispiel in der Regel nicht länger als 4 Wochen) eingenommen werden. Ob eine Weiterführung der Behandlung notwendig ist, muss periodisch überprüft werden. Eine längere Behandlung ist nur bei bestimmten Patienten (zum Beispiel Panikzustände) indiziert und der Nutzen im Vergleich zu Risiken weniger klar.
Zur Vermeidung von Entzugserscheinungen empfiehlt sich in jedem Falle ein ausschleichendes Absetzen, indem die Dosis stufenweise reduziert wird. Bei Auftreten von Entzugserscheinungen ist eine engmaschige ärztliche Überwachung und Unterstützung des Patienten erforderlich.
Bei bestehender kardio-respiratorischer Insuffizienz oder bei Schlaf-Apnoe-Syndrom sind Benzodiazepine mit Vorsicht einzusetzen. Ein Schlaf-Apnoe-Syndrom kann durch Benzodiazepine verschlechtert werden. Oxazepam wird unabhängig vom Alter oder von Störungen der Leber- oder Nierenfunktion ausgeschieden. Trotzdem empfiehlt sich im höheren Alter, insbesondere bei hirnorganischen Veränderungen, das Medikament vorsichtig zu dosieren. Eine Kombination mit Antidepressiva sollte nur in Ausnahmefällen erfolgen.
Schwangerschaft/Stillzeit
Schwangerschaftskategorie D. Es gibt positive Hinweise, dass die Einnahme von Benzodiazepinen während der Schwangerschaft zu Schädigungen bzw. unerwünschten Wirkungen beim Ungeborenen führen kann. Anxiolit/Anxiolit Retard soll deshalb während der Schwangerschaft (besonders im ersten Trimester) nicht verabreicht werden, ausser wenn keine therapeutische Alternative mit geringerem Risiko besteht. Der Einsatz von Anxiolit/Anxiolit Retard während der Spätphase der Schwangerschaft oder während der Geburt kann beim Neugeborenen zu Hypotonie, Hypothermie, Hypoaktivität und Atemdepression führen. Entzugssymptome können auch später erscheinen.
Da Oxazepam in die Muttermilch übergeht, kann eine Anwendung während der Stillzeit zu unerwünschten Wirkungen beim Säugling führen (z.B. Schläfrigkeit, Trinkfaulheit). In der Stillzeit soll Anxiolit/Anxiolit Retard nicht eingenommen werden.
Unerwünschte Wirkungen
Häufig: Verminderung der Aufmerksamkeit, Verlängerung der Reaktionszeit, Störung der motorischen Koordination, Muskelschwäche, Schwindel. Bei alten Patienten treten paradoxe Reaktionen (Agitiertheit, Agressivität, Angst, Halluzinationen), Verwirrtheitszustände und ataktische Gangstörungen gehäuft auf.
Selten: Mundtrockenheit oder Hypersalivation, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe oder Obstipation, Verwirrtheit, Dysarthrie, anterograde Amnesie. Paradoxe Reaktionen wie Erregung, Agressivität, Angst und Halluzinationen, Gewichtsabnahme oder -zunahme, Hautaffektionen, gestörte Libido, Menstruationsstörungen, Gynäkomastie, Galaktorrhoe, Abhängigkeit, Gewöhnung.
Nach längerdauernder Therapie kann abruptes Absetzen zu Übelkeit, Erbrechen, Schlaflosigkeit, Erregung, Angstzuständen, Tremor, Kopfschmerzen, Schweissausbrüchen, Halluzinationen (v.a. Epileptiker) führen.
Das Medikament kann die Reaktionsfähigkeit im Strassenverkehr und beim Bedienen von Maschinen herabsetzen. Sehr selten sind Allergien gegen Oxazepam.
Interaktionen
Anxiolit/Anxiolit Retard kann die Wirkung anderer beruhigender und auf das Zentralnervensystem wirkender Arzneimittel wie Neuroleptika, Antidepressiva, Hypnotika, Narkotika, Analgetika und Muskelrelaxantien verstärken. Auch bei Einnahme von Alkohol muss mit einer gegenseitigen Wirkungsverstärkung gerechnet werden. Die Neigung zu metabolischen Interaktionen mit anderen gleichzeitig verabreichten Substanzen ist gering. Für Äthanol, Disulfiram und Cimetidin ist das Fehlen metabolischer Wechselwirkungen hinreichend nachgewiesen.
Überdosierung
Die Symptome bestehen in einer verstärkten Wirkung, Muskelschwäche, Sedierung, tiefer Schlaf. Paradoxe Erregung ist ebenfalls möglich. Meist genügt eine abwartende Haltung mit Überwachung der Vitalfunktionen. Bei schweren Formen (meist in Kombination mit anderen zentral wirkenden Medikamenten) kann es zu Koma, Apnoe, Areflexie kommen, welche entsprechende Gegenmassnahmen wie Beatmung, Kreislaufstütze, Magenentleerung, erfordern. Als spezifische Therapie kommt zur möglichen Vermeidung einer künstlichen Beatmung die Verabreichung eines Benzodiazepin-Antagonisten (Flumazenil) in Frage.
Sonstige Hinweise
Haltbarkeit
Das Medikament darf nur bis zu dem auf der Packung mit «Exp.» bezeichneten Datum verwendet werden.
Stand der Information
März 1995.
RL88