Warnhinweise und VorsichtsmassnahmenJeder Hormonsubstitutionstherapie (HRT) sollte eine Untersuchung des klinischen Allgemeinzustandes und eine gründliche gynäkologische Untersuchung vorangehen, die mindestens jährlich zu wiederholen sind. Die Eigen- und Familienanamnese sollten ebenfalls berücksichtigt werden. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis muss vor jeder Therapie und für jede Patientin individuell und sorgfältig abgewogen werden. Es sollte immer die niedrigste wirksame Dosis und die kürzest mögliche Behandlungsdauer gewählt werden.
Bei nicht-hysterektomierten Frauen muss die Östrogensubstitution immer durch die zyklische Verabreichung eines Gestagens ergänzt werden (Siehe «Dosierung/Anwendung»).
Prophylaxe der postmenopausalen Osteoporose: HRT-Präparate sollten nur dann zur Prävention der Osteoporose eingesetzt werden, wenn alternative Therapien nicht in Frage kommen oder die Patientin gleichzeitig an behandlungsbedürftigen postmenopausalen Symptomen leidet. In jedem Fall muss das Nutzen-Risiko-Verhältnis vor jeder Behandlung und regelmässig während der Behandlung evaluiert werden.
Gründe für einen sofortigen Abbruch der Behandlung
Bei Auftreten einer Kontraindikation sowie bei Eintreten einer der folgenden Situationen muss die Behandlung sofort abgesetzt werden:
·Symptome eines venösen oder arteriellen thromboembolischen Ereignisses bzw. bei Verdacht hierauf; hierzu gehören auch:
·erstmaliges Auftreten migräneartiger oder häufigeres Auftreten ungewohnt starker Kopfschmerzen
·plötzlicher partieller oder vollständiger Visusverlust
·plötzliche Hörstörungen
·klinisch relevanter Blutdruckanstieg,
·Ikterus oder Verschlechterung der Leberfunktion,
·erkennbares Wachstum von Myomen,
·Schwangerschaft.
Situationen, die eine besondere Überwachung erfordern
Falls einer der folgenden Befunde besteht, in der Vergangenheit bestand und/oder in einer Schwangerschaft oder während einer früheren Hormonbehandlung vorlag, muss die Patientin engmaschig überwacht werden. Die folgenden Erkrankungen können während einer Östrogenbehandlung wiederauftreten oder sich verschlimmern:
·gutartige Veränderungen der Brust,
·Risikofaktoren für östrogenabhängige Tumoren, z.B. Verwandte ersten Grades mit Brustkrebs,
·Endometriumhyperplasie in der Anamnese,
·Leiomyom des Uterus oder Endometriose,
·Risikofaktoren für thromboembolische Ereignisse (s. unten),
·Hypertonie,
·Migräne oder schwere Kopfschmerzen,
·Diabetes mellitus mit oder ohne Gefässbeteiligung,
·Erkrankungen der Leber oder der Gallenblase,
·systemischer Lupus erythematodes (SLE),
·Epilepsie,
·Asthma,
·Otosklerose.
Tumorerkrankungen
Brustkrebs
Randomisierte, kontrollierte Studien und epidemiologische Studien ergaben bei Frauen, die eine HRT über mehrere Jahre anwandten, ein erhöhtes Brustkrebsrisiko. Das Risiko ist insbesondere bei einer Anwendungsdauer von mehr als 5 Jahren erhöht. In einer Metaanalyse von epidemiologischen Studien lag das relative Risiko (RR) bei Frauen, welche eine HRT während 5 oder mehr Jahren anwandten, bei 1.35 (95% CI 1.21-1.49). In einzelnen Studien wurde eine Risikoerhöhung aber auch bereits nach kürzerer Therapiedauer (1-4 Jahre) beobachtet. Dabei war im Allgemeinen die Risikoerhöhung unter einer kombinierten Östrogen-Gestagen-Therapie höher als unter einer Östrogen-Monotherapie.
Bei allen Frauen sollten deshalb vor Beginn einer HRT sowie danach jährlich Brustuntersuchungen durch den Arzt und monatliche Selbstuntersuchungen der Brust durchgeführt werden. Die Anwenderinnen sollten darüber aufgeklärt werden, welche Veränderungen der Brust sie ihrem Arzt/ihrer Ärztin mitteilen müssen. Abhängig vom Alter und den jeweiligen Risikofaktoren kann zusätzlich eine Mammographie indiziert sein.
Zwei grosse Metaanalysen epidemiologischer Studien zeigten, dass das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, mit der Dauer der HRT zunimmt und nach Absetzen der HRT abnimmt. Die Zeit bis zur Rückkehr auf das altersentsprechende Grundrisiko ist dabei von der Dauer der vorherigen Anwendung der HRT abhängig. Bei einer Anwendungsdauer von mehr als 5 Jahren kann das Risiko nach dem Absetzen noch für 10 oder mehr Jahre erhöht sein.
Die Women's Health Initiative (WHI) Studie, eine grosse, prospektive, placebokontrollierte, randomisierte Studie, zeigte im Vergleich zu Placebo unter kombinierter HRT mit konjugierten Östrogenen und Medroxyprogesteronacetat (MPA) nach einer durchschnittlichen Behandlungszeit von 5.6 Jahren eine Zunahme von invasiven Mammakarzinomen in der Östrogen/Gestagen-Gruppe (RR 1.24 [95% CI 1.02-1.50]). Für die Monotherapie war das Risiko hingegen nicht erhöht (RR 0.77 [95% CI 0.59-1.01]).
Die Million Women Study, eine nicht-randomisierte Kohorten-Studie, rekrutierte 1'084'110 Frauen. Das durchschnittliche Alter der Frauen bei Eintritt in die Studie war 55.9 Jahre. Die Hälfte der Frauen erhielt vor und/oder zum Zeitpunkt des Studieneintrittes eine HRT, die übrigen Frauen wurden nie mit HRT behandelt. Es wurden 9'364 Fälle von invasivem Brustkrebs und 637 Todesfälle in Folge von Brustkrebs registriert nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 2.6 bzw. 4.1 Jahren. Frauen, die bei Aufnahme in die Studie eine HRT anwandten, zeigten ein erhöhtes Risiko in Bezug auf Morbidität (RR 1.66 [95% CI 1.58-1.75]) und möglicherweise in geringerem Ausmasse auch auf die Mortalität in Folge eines Brustkrebs (RR 1.22 [95% CI 1.00-1.48]) verglichen mit Frauen, die nie eine solche Behandlung angewandt hatten. Das höchste Risiko wurde unter kombinierter Östrogen-Gestagen-Therapie gesehen (RR 2.00 [95% CI 1.88-2.12]). Für eine Östrogen-Monotherapie betrug das relative Risiko 1.30 [95% CI 1.21-1.40]. Die Resultate fielen für verschiedene Östrogene und Gestagene, für unterschiedliche Dosierungen und Verabreichungswege sowie für kontinuierliche und sequentielle Therapien ähnlich aus. Bei allen Arten der HRT stieg das Risiko mit zunehmender Dauer der Anwendung.
Eine HRT, insbesondere eine kombinierte Estrogen-Gestagen-Therapie, erhöht die Dichte der mammographischen Bilder, was den radiologischen Nachweis von Mammakarzinomen in manchen Fällen beeinträchtigen kann.
Endometriumkarzinom
Das Risiko eines Endometriumkarzinoms bei nicht-hysterektomierten Frauen ist unter einer Östrogen-Monotherapie höher als bei unbehandelten Frauen und scheint von der Behandlungsdauer und der Östrogen-Dosis abhängig zu sein. Das grösste Risiko scheint mit einer länger dauernden Anwendung einherzugehen. Nach Absetzen der Therapie könnte das Risiko für mindestens 10 Jahre erhöht bleiben.
Es konnte gezeigt werden, dass bei Zugabe eines Gestagens für mindestens 12 Tage pro Monat das Risiko einer Endometriumhyperplasie, welche als Vorstufe des Endometriumkarzinoms gilt, herabgesetzt werden kann.
Eine Exposition gegenüber einer Östrogen-Monotherapie kann in Restherden einer Endometriose zu prämalignen oder malignen Veränderungen führen. Bei Patientinnen, bei welchen eine Hysterektomie aufgrund einer Endometriose erfolgte und bei denen Restherde der Endometriose vermutet werden, sollte daher die Kombination der Östrogentherapie mit einem Gestagen erwogen werden.
Alle Fälle abnormer Blutungen (unregelmässige, starke oder persistierende Blutungen) einschliesslich Spotting müssen mittels geeigneter diagnostischer Massnahmen (ggf. einschliesslich einer Endometriumsbiopsie) abgeklärt werden, um eine organische Ursache auszuschliessen.
Ovarialkarzinom
Mehrere epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass eine HRT mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines epithelialen Ovarialkarzinomes verbunden sein könnte. Eine Risikoerhöhung wurde sowohl für eine Östrogen-Monotherapie als auch für eine kombinierte HRT gefunden. Während die meisten Studien eine Risikoerhöhung erst bei einer Langzeitanwendung (d.h. mindestens 5 Jahre) zeigten, fand sich in einer 2015 publizierten Metaanalyse (unter Berücksichtigung von insgesamt 17 prospektiven und 35 retrospektiven Studien) kein solcher Zusammenhang mit der Anwendungsdauer.
In der prospektiven, randomisierten, placebokontrollierten WHI-Studie fand sich eine statistisch nicht signifikante Risikoerhöhung (HR 1.41 [95% CI 0.75-2.66]).
Da Ovarialkarzinome sehr viel seltener sind als Brustkrebs, ist die absolute Risikoerhöhung bei Frauen, welche eine HRT anwenden oder bis vor kurzem angewendet haben, gering.
Lebertumoren
In seltenen Fällen wurden nach Anwendung von Sexualhormonen gutartige, noch seltener bösartige Veränderungen an der Leber beobachtet, die vereinzelt zu lebensgefährlichen intraabdominalen Blutungen geführt haben. Wenn starke Oberbauchbeschwerden, eine Lebervergrösserung oder Anzeichen einer intraabdominalen Blutung auftreten, sollte ein Lebertumor in die differentialdiagnostischen Überlegungen einbezogen und eine geeignete Therapie eingeleitet werden.
Thromboembolische Erkrankungen
Koronare Herzkrankheit und Schlaganfall
Eine HRT sollte nicht zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen eingesetzt werden. Grosse klinische Studien zeigten keinen günstigen Effekt in der Primärprophylaxe (WHI-Studie) oder Sekundärprophylaxe (HERS II-Studie) kardiovaskulärer Erkrankungen.
Die WHI-Studie zeigte bei mehr als 8'000 älteren, postmenopausalen Frauen (Alter bei Studieneinschluss 50-79 Jahre, mittleres Alter 63 Jahre), welche eine orale HRT mit konjugierten Östrogenen und MPA während durchschnittlich 5.2 Jahren erhielten, ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse gegenüber Placebo (RR 1.24 [95% CI 1.00-1.54], absolute Risikoerhöhung 6 Fälle pro 10'000 Frauenjahre). Das Risiko war am höchsten im ersten Jahr nach Beginn der HRT (RR 1.81 [95% CI 1.09-3.01]). Mit zunehmendem Abstand zur Menopause nahm das Risiko zu (Menopause seit <10 Jahren, RR 0.89; Menopause 10 bis 19 Jahre, RR 1.22; Menopause ≥20 Jahre, RR 1.71).
Ebenso war in der WHI-Studie das zerebrovaskuläre Risiko erhöht (RR 1.31 [95% CI 1.02-1.68]).
Im Östrogen-Monotherapie-Arm der WHI-Studie wurden hysterektomierte Frauen im Alter von 50-79 Jahren mit konjugierten equinen Östrogenen (0.625 mg pro Tag) oder mit Placebo behandelt (n=10'739). Die durchschnittliche Verlaufsbeobachtung betrug 6.8 Jahre. Unter Östrogen-Monotherapie war kein signifikanter Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko ersichtlich (RR 0.91 [95% CI 0.75-1.12]). Hingegen war das Risiko für zerebrovaskuläre Insulte erhöht (RR 1.39 [95% CI 1.10-1.77]).
Die Heart and Estrogen/Progestin Replacement Study (HERS und HERS II), eine prospektive, placebokontrollierte, randomisierte Studie, zeigte bei mehr als 1'300 postmenopausalen Frauen mit vorbestehender koronarer Herzkrankheit (mittleres Alter bei Studieneinschluss 67 Jahre, SD 7 Jahre), welche eine orale HRT mit konjugierten Östrogenen und MPA während durchschnittlich 4.1 Jahren (HERS) bzw. 2.7 Jahren (HERS II) erhielten, keine Reduktion des kardiovaskulären Risikos. Das relative Risiko war 0.99 (95% CI 0.84-1.17). Das Risiko war am höchsten im ersten Jahr nach Beginn der HRT (RR 1.52 [95% CI 1.01-2.29]).
Zu einer HRT mit Therapiebeginn in relativ frühem Lebensalter (beispielsweise vor dem 55. Lebensjahr) liegen nur limitierte Daten vor. Diese deuten darauf hin, dass die Erhöhung des kardiovaskulären Risikos unter einer HRT bei jüngeren Patientinnen mit kurzem Zeitabstand zur Menopause geringer sein könnte als in der in den o.g. Studien untersuchten (tendenziell älteren) Population. Dies gilt jedoch nicht für zerebrovaskuläre Ereignisse.
Obwohl heute noch unklar ist, inwieweit die Resultate dieser beiden Studien auf eine jüngere Population oder auf HRT-Präparate mit anderen Wirkstoffen und/oder Verabreichungswegen extrapoliert werden können, sollten sie vom Arzt vor der Verschreibung einer HRT berücksichtigt werden. Bei Frauen, welche bereits vorbestehende Risikofaktoren für das Auftreten von zerebro- oder kardiovaskulären Ereignissen aufweisen, sollten womöglich andere Therapien in Betracht gezogen werden.
Venöse thromboembolische Erkrankungen
Östrogen- oder kombinierte Östrogen-Gestagen-Substitutionstherapien sind mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) verbunden, z.B. tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie. Zwei kontrollierte, randomisierte Studien (WHI und HERS) und mehrere epidemiologische Studien ergaben ein 2 bis 3-fach erhöhtes Risiko bei Frauen, die eine HRT anwandten, verglichen mit Frauen, die nie eine solche Behandlung angewendet hatten.
Für Nicht-Anwenderinnen wird die Zahl der VTE-Fälle während eines Zeitraums von 5 Jahren auf ca. 3 pro 1000 Frauen in der Altersgruppe 50–59 Jahre und auf ca. 8 pro 1000 Frauen in der Altersgruppe 60–69 Jahre geschätzt. Bei gesunden Frauen, die während 5 Jahren eine HRT anwenden, treten ca. 2 bis 6 zusätzliche VTE-Fälle pro 1000 Frauen in der Altersgruppe 50–59 Jahre und ca. 5 bis 15 zusätzliche VTE-Fälle pro 1000 Frauen in der Altersgruppe 60–69 Jahre auf.
Die WHI-Studie zeigte eine erhöhte Inzidenz von Lungenembolien. Das absolute Zusatzrisiko bei den mit kombinierter Hormonsubstitution behandelten Frauen betrug 8 Fälle pro 10'000 Personenjahre (15 versus 7), das relative Risiko 2.13 (95% CI 1.39-3.25). Das erhöhte Risiko wurde nur bei Frauen unter HRT gefunden und bestand nicht bei früheren Anwenderinnen. Das Risiko scheint in den ersten Jahren der Anwendung am höchsten zu sein.
Auch im Östrogen-Monotherapie-Arm der WHI-Studie war das Risiko einer venösen Thromboembolie tendenziell erhöht. Das relative Risiko einer tiefen Venenthrombose war 1.47 (95% CI 0.87-2.47), jenes einer Lungenembolie 1.34 (95% CI 0.70-2.55).
Bei Auftreten entsprechender Symptome oder Verdacht einer thromboembolischen Erkrankung muss das Präparat sofort abgesetzt werden. Patientinnen mit Risikofaktoren für thromboembolische Ereignisse sollen sorgfältig überwacht werden. Wenn möglich sollten andere Therapien in Betracht gezogen werden. Die Risikofaktoren für venöse Thromboembolien umfassen eine entsprechende Eigen- oder Familienanamnese mit thromboembolischen Erkrankungen, Rauchen, Adipositas (BMI über 30 kg/m2), systemischer Lupus erythematodes und maligne Erkrankungen. Das Risiko für venöse Thromboembolien erhöht sich ausserdem mit zunehmendem Alter. Es gibt keinen Konsensus über die mögliche Rolle von Varizen bei der Entwicklung von venösen Thromboembolien.
Eine Anamnese mit wiederholten Spontanaborten sollte abgeklärt werden, um eine Thrombophilie-Prädisposition auszuschliessen. Bei Frauen mit dieser Diagnose ist die Anwendung einer HRT kontraindiziert.
Bei Frauen, welche eine Kombination von Risikofaktoren oder einen höheren Schweregrad eines einzelnen Risikofaktors aufweisen, sollte berücksichtigt werden, dass das Risiko überadditiv erhöht sein kann. Daraus kann sich unter Umständen eine Kontraindikation für eine HRT ergeben.
Das Risiko venöser Thromboembolien kann vorübergehend erhöht sein bei längerer Immobilisierung, grösseren operativen Eingriffen oder nach einem schweren Trauma. Bei Frauen unter Hormonsubstitution ist grösste Beachtung auf prophylaktische Massnahmen zu legen, um venöse Thromboembolien nach einem chirurgischen Eingriff zu vermeiden. Abhängig von der Art des Eingriffs und der Dauer der Immobilisierung sollte eine vorübergehende Unterbrechung der HRT in Betracht gezogen werden, falls möglich einige Wochen vor dem Eingriff. Die Behandlung soll erst dann wieder aufgenommen werden, wenn die Frau vollständig mobil ist.
Es gibt Daten, die darauf hindeuten, dass eine transdermale Östrogen-Applikation mit einem geringeren Risiko thromboembolischer Ereignisse assoziiert ist als eine orale Anwendung.
Demenz
In der Women's Health Initiative Memory Study (WHIMS), einer randomisierten,placebokontrollierten, der WHI untergeordneten Studie, wurden über 2'000 Frauen im Alter von >65 Jahren (Durchschnittsalter 71 Jahre) mit oralen konjugierten equinen Östrogenen und MPA behandelt und während durchschnittlich 4 Jahren überwacht. Zudem wurden 1'464 hysterektomierte Frauen im Alter von 65 bis 79 Jahren mit oralen konjugierten equinen Östrogenen allein behandelt und während durchschnittlich 5.2 Jahren überwacht.
Weder die Behandlung mit konjugierten Östrogenen und MPA noch die Östrogen-Monotherapie zeigte einen günstigen Effekt auf die kognitive Funktion. Das Risiko für das Auftreten einer wahrscheinlichen Demenz war für die kombinierte HRT sogar erhöht (RR 2.05 [95% CI 1.21-3.48]). Dies bedeutet in absoluten Zahlen pro Jahr 23 zusätzliche Fälle pro 10'000 behandelte Frauen.
Obschon noch unklar ist, wie weit diese Resultate auf eine jüngere Population oder auf HRT-Präparate mit anderen Wirkstoffen und/oder Verabreichungswegen extrapoliert werden können, sollten sie vom Arzt bei der Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses einer HRT berücksichtigt werden.
Weitere Vorsichtsmassnahmen
Östrogene können eine Flüssigkeitsretention verursachen, deshalb sollten Patientinnen mit Herz- oder Nierenfunktionsstörungen sorgfältig überwacht werden.
Ein definitiver Zusammenhang zwischen der Anwendung einer HRT und dem Entstehen einer klinischen Hypertonie wurde bisher nicht dokumentiert. Eine leichte Erhöhung des Blutdruckes wurde bei Frauen unter einer HRT beobachtet, eine klinisch relevante Erhöhung ist jedoch selten. Wenn es während der HRT zu dauerhaft erhöhten Blutdruckwerten kommt, sollte ein Abbruch der HRT in Erwägung gezogen werden. Bei Patientinnen, die zusätzlich zu Oestrogel Antihypertensiva anwenden, ist eine regelmässige Überwachung des Blutdrucks notwendig.
Klinische Studien zeigten einen Einfluss einer HRT auf die periphere Insulinresistenz und die Glukosetoleranz. Im Allgemeinen ist jedoch trotzdem keine Anpassung der antidiabetischen Therapie erforderlich. Bei Diabetikerinnen unter einer HRT sollte aber der Blutzuckerspiegel sorgfältig überwacht werden.
Frauen mit vorbestehender (insbesondere familiärer) Hypertriglyceridämie benötigen während einer HRT eine engmaschige Überwachung, da unter einer oralen Östrogentherapie in seltenen Fällen ein starker Anstieg der Triglyceridwerte beobachtet wurde, welcher zu einer Pankreatitis führte.
Östrogene können die Lithogenität der Galle erhöhen. Mehrere epidemiologische Studien fanden unter einer HRT eine geringe, aber statistisch signifikante Risikoerhöhung für Gallenblasenerkrankungen (v.a. Cholelithiasis) bzw. eine erhöhte Inzidenz von Cholezystektomien. Dies sollte insbesondere bei Patientinnen beachtet werden, welche zusätzlich weitere Risikofaktoren für eine Cholelithiasis aufweisen (wie z.B. Adipositas, Hyperlipidämie).
Bei Patientinnen mit vorbestehendem Prolaktinom ist eine engmaschige ärztliche Überwachung erforderlich (einschliesslich regelmässiger Bestimmung des Prolaktinspiegels), da in Einzelfällen unter einer Östrogentherapie über eine Grössenzunahme von Prolaktinomen berichtet wurde. Besteht der Verdacht auf ein Prolaktinom (z.B. bei Vorliegen von Galaktorrhoe, Kopfschmerzen, Sehstörungen oder auch bei vorzeitiger Menopause), sollte ein solches vor einer Behandlung mit Oestrogel ausgeschlossen werden.
Während einer HRT können bei einigen Patientinnen infolge der Östrogenstimulation unerwünschte Wirkungen auftreten, wie z.B. ungewöhnlich starke Blutungen. Häufige und anhaltende irreguläre Blutungen sind Zeichen einer endometrialen Aktivität und müssen durch geeignete diagnostische Massnahmen abgeklärt werden, um organische Erkrankungen auszuschliessen.
Uterusmyome können unter einer Östrogen-Therapie an Grösse zunehmen. Falls dies beobachtet wird, sollte die Therapie abgebrochen werden.
Sollte unter einer HRT eine Endometriose reaktiviert werden, wird empfohlen, die Therapie abzubrechen.
Eine exogene Östrogenzufuhr führt zu einem Anstieg der Serumkonzentrationen des Thyroxin-bindenden Globulins (TBG). Bei Frauen mit normaler Schilddrüsenfunktion ist dies ohne klinische Relevanz. Studien deuten jedoch darauf hin, dass bei Patientinnen unter einer Substitutionstherapie mit Schilddrüsenhormonen die zusätzliche Gabe eines Östrogenpräparates (wie Oestrogel) zu einem erhöhten Thyroxinbedarf führen könnte. Bei Patientinnen unter einer Substitutionsbehandlung mit Schilddrüsenhormonen sollte daher die Schilddrüsenfunktion regelmässig überwacht werden (mittels TSH-Bestimmung), insbesondere in den ersten Monaten einer HRT.
Bei Frauen mit hereditärem Angioödem können exogen zugeführte Östrogene die Symptome induzieren oder verschlimmern.
Gelegentlich kann ein Chloasma auftreten, v.a. bei Frauen mit Chloasma gravidarum in der Anamnese. Frauen mit Neigung zu Chloasmata sollten sich während einer HRT nicht der Sonne oder anderer ultravioletter Strahlung aussetzen.
Die oben angegebenen Risiken einer HRT wurden überwiegend bei der Behandlung von Frauen im Alter ≥50 Jahren beschrieben. Über die Übertragbarkeit dieser Erfahrungen auf Patientinnen mit vorzeitiger Menopause (d.h. Ausfall der Ovarialfunktion vor Vollendung des 40. Lebensjahres infolge endokriner/genetischer Erkrankungen, Ovarektomie, Malignomtherapie etc.) bis zum Erreichen des normalen Menopausenalters liegen keine Daten vor. In dieser Altersgruppe sollte eine spezielle Nutzen-Risiko-Bewertung durchgeführt werden, wobei auch die Ätiologie der vorzeitigen Menopause (chirurgisch versus andere Ursachen) berücksichtigt werden sollte. Diagnostik und Einleitung der Therapie sollten bei Patientinnen mit vorzeitiger Menopause möglichst in einem entsprechenden Zentrum erfolgen, welches Erfahrung in der Behandlung dieses Krankheitsbildes besitzt.
Es wird empfohlen, innerhalb einer Stunde nach der Anwendung von Oestrogel keine Sonnencreme aufzutragen, da dies die Resorption von Estradiol um 15-20% reduzieren kann (siehe «Pharmakokinetik»).
Oestrogel besitzt keine kontrazeptive Wirkung.
Mögliche Übertragung von Estradiol auf Kinder
Estradiol-Gel kann versehentlich von der Hautregion, auf die es aufgetragen wurde, auf Kinder übertragen werden. Nach Markteinführung wurden bei präpubertären Mädchen Brustentwicklung und Raumforderungen in der Brust, bei präpubertären Jungen frühzeitige Pubertät, Gynäkomastie und Raumforderungen in der Brust nach einer unabsichtlichen Sekundärexposition gegenüber Estradiol berichtet. In den meisten Fällen gingen diese Symptome nach dem Beenden der Estradiol-Exposition wieder zurück.
Die Patientinnen sollten angewiesen werden:
·anderen Personen, insbesondere Kindern, nicht zu erlauben, mit der exponierten Hautregion in Berührung zu kommen und die Anwendungsstelle gegebenenfalls mit Kleidung zu bedecken. Im Falle eines Kontakts sollte die Haut des Kindes umgehend mit Wasser und Seife gewaschen werden.
·bei Anzeichen und Symptomen (Brustentwicklung oder andere sexuelle Veränderungen) bei einem Kind, das möglicherweise versehentlich Estradiol-Gel ausgesetzt war, einen Arzt aufzusuchen.
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