Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L01XX44
Wirkungsmechanismus
Die vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren A und B (vascular endothelial growth factor A, B [VEGF-A, VEGF-B]) und der Plazenta-Wachstumsfaktor (placental growth factor, PlGF) gehören zur VEGF-Familie angiogener Faktoren, die auf endothelialen Zellen eine ausgeprägte mitogene und chemotaktische Wirkung haben und die Gefässpermeabilität steigern können. VEGF-A entfaltet seine Wirkung über 2 Tyrosinkinase-Rezeptoren, VEGFR-1 und VEGFR-2, auf der Oberfläche von Endothelzellen. PlGF und VEGF-B binden ausschliesslich an VEGFR-1, der auch auf der Zelloberfläche von Leukozyten vorkommt. Die exzessive Aktivierung dieser Rezeptoren durch VEGF-A kann zu einer pathologischen Neovaskularisation und einer übermässigen Gefässpermeabilität führen. PlGF ist ebenfalls an einer pathologischen Neovaskularisation und an der Rekrutierung von Entzündungszellen in Tumoren beteiligt.
Aflibercept, in der wissenschaftlichen Literatur auch als VEGF TRAP bezeichnet, ist ein rekombinantes Fusionsprotein. Es besteht aus VEGF-bindenden Fragmenten der extrazellulär gelegenen Domänen der Rezeptoren 1 und 2 für humanes VEGF, die mit dem Fc-Fragment des humanen IgG1 fusioniert sind. Aflibercept fungiert als löslicher Rezeptor-Lockvogel, der mit höherer Affinität als die nativen Rezeptoren an VEGF-A und die verwandten Liganden PlGF und VEGF-B bindet. Aflibercept wirkt als Ligandenfalle und verhindert die Bindung der endogenen Liganden an ihre artverwandten Rezeptoren. Dadurch wird der durch die Rezeptoren vermittelte Signalweg unterbrochen.
Aflibercept blockiert die Aktivierung der VEGF-Rezeptoren und die Proliferation der Endothelzellen, wodurch das Wachstum neuer Gefässe unterbunden wird, welche Tumore mit Sauerstoff und Nähstoffen versorgen.
Aflibercept bindet humanen VEGF-A (Gleichgewichtsdissoziationskonstante KD 0,5 pM für VEGF-A165 und 0,36 pM für VEGF-A121), humanen PlGF (KD: 39 pM für PlGF-2) und humanen VEGF-B (KD: 1,92 pM) und bildet einen stabilen inerten Komplex ohne erkennbare biologische Aktivität.
Pharmakodynamik
Die Verabreichung von Aflibercept an Mäuse mit durch xenogene oder allogene Transplantation erwirkten Tumoren hat das Wachstum verschiedener Krebsarten gehemmt.
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit und die Sicherheit von Zaltrap wurden im Rahmen einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie bei Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom untersucht (VELOUR-Studie). Die Patienten waren zuvor mit einer Oxaliplatin-basierten Chemotherapie behandelt worden, mit oder ohne vorgängige Bevacizumab-Therapie. Insgesamt wurden 1226 Patienten randomisiert (1:1) und erhielten entweder Zaltrap (n = 612; 4 mg/kg als intravenöse Infusion über 1 Stunde am Tag 1) oder Placebo (n = 614) in Kombination mit 5-Fluorouracil plus Irinotecan [FOLFIRI: Irinotecan 180 mg/m2 als intravenöse Infusion über 90 Minuten und Folinsäure (racemisches Gemisch d–l) 400 mg/m2 als intravenöse Infusion über 2 Stunden, gleichzeitig verabreicht am ersten Tag über ein Y-Stück, gefolgt von 5-Fluorouracil 400 mg/m2 als intravenöser Bolus mit anschliessender intravenöser Dauerinfusion von 5-Fluorouracil 2400 mg/m2 während 46 Stunden]. Die Behandlungszyklen wurden in beiden Studienarmen alle 2 Wochen wiederholt. Die Patienten wurden bis zur Krankheitsprogression oder dem Auftreten einer inakzeptablen Toxizität behandelt. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war das Gesamtüberleben. Die Therapiezuweisung wurde entsprechend dem ECOG-Leistungsstatus (0 oder 1 oder 2) und einer Vorbehandlung mit Bevacizumab (ja oder nein) stratifiziert.
Die demografischen Charakteristika waren zwischen den beiden Behandlungsarmen ausgewogen (Alter, Ethnie, ECOG-Leistungsstatus und Vorbehandlung mit Bevacizumab). Bei den 1226 in der Studie randomisierten Patienten betrug das mittlere Alter 61 Jahre, 58,6 % waren männlich und 97,8 % wiesen einen initialen ECOG-Leistungsstatus von 0 oder 1 auf. Zudem hatten von den 1226 randomisierten Patienten 89,4 % und 90,2 % der mit Placebo/FOLFIRI bzw. Zaltrap/FOLFIRI behandelten Patienten zuvor in Kombination eine Oxaliplatin-basierte Chemotherapie aufgrund einer metastasierten oder fortgeschrittenen Krankheit erhalten. Ungefähr 10 % der Patienten (bzw. 10,4 % und 9,8 % der mit Placebo/FOLFIRI bzw. Zaltrap/FOLFIRI behandelten Patienten) hatten schon früher eine adjuvante Oxaliplatin-basierte Chemotherapie erhalten und höchstens 6 Monate nach Durchführung der adjuvanten Chemotherapie eine Progression gezeigt. Die Oxaliplatin-basierten Behandlungen wurden bei 373 Patienten (30,4 %) zusammen mit Bevacizumab verabreicht.
Die globalen Wirksamkeitsresultate der Behandlung mit Zaltrap/FOLFIRI im Vergleich zur Behandlung mit Placebo/FOLFIRI sind in der unten stehenden Tabelle zusammengefasst.
Hauptwirksamkeitsendpunkte – ITT-Population
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Placebo/FOLFIRI (n = 614)
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Zaltrap/FOLFIRI (n = 612)
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Medianes Gesamtüberleben (95 %-KI) (Monate)
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12,06
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13,5
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HR 0,817 (0,714 bis 0,935) p = 0,0032
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Medianes progressionsfreies Überleben (95 %-KI) (Monate)
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4,67
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6,90
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HR 0,758 (0,661 bis 0,869) p = 0,00007
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Gesamtansprechen (CR+PR) (95 %-KI) (%) p-Wert gemäss stratifiziertem Cochran-Mantel-Haenszel-Test
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11,1 (8,5 bis 13,8)
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19,8 (16,4 bis 23,2)
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0,0001
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Bei Patienten, die bereits Bevacizumab erhalten hatten, war der Behandlungseffekt auf das Gesamtüberleben mit dem Therapieschema Zaltrap/FOLFIRI numerisch kleiner [HR (95 %-KI): 0,862 (0,676 bis 1,1)] im Vergleich zu Patienten ohne vorgängige Bevacizumab-Behandlung [HR (95 %-KI): 0,788 (0,671 bis 0,925)], ohne dass der Unterschied zwischen den beiden Untergruppen statistisch signifikant war. Die HR (95 %-KI) für das Gesamtüberleben betrug 0,768 (0,637 bis 0,925) für den ECOG-Leistungsstatus 0 und 0,869 (0,712 bis 1,052) für den ECOG-Leistungsstatus 1.
Bei Patienten mit vorbestehender Hypertonie war der Behandlungseffekt des Therapieschemas Zaltrap/FOLFIRI auf das Gesamtüberleben grösser: 15,5 vs. 12,7 Monate [HR (95 %-KI) 0,714 (0,572 bis 0,884)] im Vergleich zu Patienten ohne vorbestehende Hypertonie: 12,8 vs. 11,7 Monate [HR (95 %-KI): 0,883 (0,74 bis 1,054)], ohne dass dieser Unterschied zwischen den beiden Untergruppen statistisch signifikant war.
Es wurden explorative Biomarker-Analysen durchgeführt, darunter auch Analysen des RAS-Mutationsstatus bei 482 Patienten von 1226 (n = 240 Aflibercept, 242 Placebo). Bei den Patienten mit RAS-Wildtyp-Tumoren lag die HR (95 %-KI) für das Gesamtüberleben (OS) bei 0,7 (0,5–1,0), bei einem medianen Gesamtüberleben von 16,0 Monaten bei mit Aflibercept behandelten Patienten und von 11,7 Monaten bei mit Placebo behandelten Patienten.
Die entsprechenden Daten für Patienten mit RAS-mutiertem Tumor zeigten eine HR für das OS von 0,9 (0,7–1,2) bei einem medianen Gesamtüberleben von 12,6 Monaten mit Aflibercept und 11,2 Monaten mit Placebo. Es handelt sich dabei um Forschungsdaten, und der statistische Interaktionstest war nicht signifikant (Mangel an Beweisen für einen Unterschied im Behandlungseffekt zwischen den RAS-Untergruppen RAS-Wildtyp-Tumor und RAS-mutierter Tumor).
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