Eigenschaften/WirkungenATC-Code L01XX27
Wirkungsmechanismus
Der Wirkmechanismus von TRISENOX ist nicht vollständig geklärt. Arsentrioxid induziert in vitro morphologische Veränderungen und eine Fragmentierung der Desoxyribonukleinsäure (DNS), wie sie für die Apoptose von NB4-Zellen der menschlichen Promyelozytenleukämie charakteristisch sind. Arsentrioxid verursacht darüber hinaus eine Schädigung bzw. den Abbau des Fusionsproteins PML/RAR-alpha.
Pharmakodynamik
Siehe Abschnitt Klinische Wirksamkeit.
Klinische Wirksamkeit
Patienten mit neu diagnostizierter APL und nicht-hohem Risiko:
TRISENOX wurde im Rahmen einer kontrollierten, randomisierten Nichtunterlegenheitsstudie der klinischen Phase 3 bei 77 Patienten mit neu diagnostizierter APL mit niedrigem bis intermediärem Risiko untersucht. Die Studie verglich die Wirksamkeit und Sicherheit von TRISENOX in Kombination mit Alltrans-Retinoinsäure (ATRA) mit der von ATRA+Chemotherapie (z.B. Idarubicin und Mitoxantron) (Studie APL0406). Berücksichtigt wurden Patienten mit vor Kurzem diagnostizierter akuter Promyelozytenleukämie (APL), die durch den Nachweis der t(15;17)-Translokation oder des Fusionsgens PML-RARα durch einen RT-PCR-Assay oder aufgrund der mikrogesprenkelten PML-Verteilung im Zellkern der leukämischen Zellen bestätigt wurde. Zu Patienten mit anderen Translokationen, etwa t(11;17) (PLZF-RARα), stehen keine Daten zur Verfügung. Von der Studie ausgeschlossen wurden Patienten mit signifikanten Rhythmusstörungen, EKG-Veränderungen (kongenitales Long-QT-Syndrom, in der Vergangenheit oder aktuell signifikante Ventrikel- oder Vorhoftachyarrhythmie, klinisch signifikante Bradykardie [<50 Schläge pro Minute], QTc >450 ms beim EKG-Screening, Rechtsschenkelblock mit linksanteriorem Hemiblock, bifaszikulärer Block) oder Neuropathien. Die Patienten der ATRA+TRISENOX-Behandlungsgruppe erhielten bis zum Erreichen einer Vollremission ATRA per os in einer Dosis von 45 mg/m2 pro Tag und TRISENOX intravenös in einer Dosis von 0,15 mg/kg pro Tag. Im Rahmen der Konsolidierungstherapie blieben die Dosen von ATRA und TRISENOX gleich, allerdings wurde ATRA über insgesamt 7 Zyklen aus jeweils 2 Wochen mit Behandlung und 2 Wochen ohne Behandlung und TRISENOX für insgesamt 4 Zyklen aus jeweils 4 Wochen mit Behandlung (an 5 Tagen pro Woche) und 4 Wochen ohne Behandlung verabreicht.
In der Arbeit von Lo-Coco et al. (2013) wurden die Ergebnisse dieser Studie nach 34 Monaten (Median) vorgestellt. Der primäre Endpunkt der Studie war das ereignisfreie Überleben (EFS) 2 Jahre nach Diagnose. Die 2-Jahres-EFS-Rate lag in der Gruppe ATRA + TRISENOX bei 97 % und in der Gruppe ATRA + Chemotherapie bei 86 % (P-Wert <0,001 für Nicht-Unterlegenheit). Post-hoc liessen die Ergebnisse auf eine Überlegenheit von ATRA + TRISENOX gegenüber ATRA + Chemotherapie schliessen. Sekundäre Endpunkte der Studie waren die hämatologische Vollremission (HCR; 100 % unter ATRA + TRISENOX vs. 95 % unter ATRA + Chemotherapie), Gesamtüberleben nach 2 Jahren (OS; 99 % unter ATRA + TRISENOX vs. 91 % unter ATRA + Chemotherapie), krankheitsfreies Überleben nach 2 Jahren (DSF; 97 % unter ATRA + TRISENOX und 90 % unter ATRA + Chemotherapie) sowie die kumulative Rezidivinzidenz nach 2 Jahren (CIR; 1 % unter ATRA + TRISENOX und 6 % unter ATRA + Chemotherapie).
Diese Studie wurde erweitert und die Ergebnisse der Kohorte in der Erweiterungsstudie (129 Patienten unter ATRA + TRISENOX) wurden veröffentlicht (Platzbecker et al. 2016). Nach 24 und 50 Monaten wiesen alle 4 Wirksamkeitsendpunkte (EFS, OS, DFS (krankheitsfreies Überleben) und CIR (kumulative Inzidenz von Rezidiven)) einen klinisch relevanten Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen zugunsten von ATRA + TRISENOX auf. Die Ergebnisse für das EFS nach 50 Monaten waren: 97 % unter ATRA + TRISENOX und 80 % unter ATRA + Chemotherapie. Für das OS: 99 % unter ATRA + TRISENOX vs. 93 % unter ATRA + Chemotherapie, für das DFS: 97 % unter ATRA + TRISENOX vs. 83 % unter ATRA + Chemotherapie und für die CIR: 1,9 % unter ATRA + TRISENOX vs. 14 % unter ATRA + Chemotherapie. Diese Daten belegten die nicht-Unterlegenheit in EFS der Behandlung mit ATRA + ATO gegenüber ATRA + Chemotherapie, und unterstützen ihren Nutzen nicht nur in Hinblick auf das EFS und OS, sondern auch für das DFS und die CIR.
Rezidivierte/refraktäre APL
TRISENOX wurde in zwei offenen Studien ohne Vergleichsgruppe an 52 APL-Patienten geprüft, die zuvor ein Anthrazyclin und ein Retinoid erhalten hatten. Eine Studie (n = 12) wurde monozentrisch, die andere multizentrisch an 9 Zentren (n = 40) durchgeführt. Die Patienten der ersten Studie erhielten eine mittlere Dosis von 0,16 mg/kg/Tag TRISENOX (Bereich 0,06 bis 0,20 mg/kg/Tag), den Patienten der multizentrischen Studie wurde eine fixe Dosis von 0,15 mg/kg/Tag gegeben. TRISENOX wurde über 1 bis 2 Stunden intravenös infundiert.
Die Therapie wurde fortgesetzt, bis das Knochenmark frei von Leukämiezellen war oder maximal 60 Behandlungstage abgeschlossen waren. Konnte eine Vollremission erreicht werden, schloss sich die Konsolidierungstherapie mit TRISENOX an, die 25 zusätzliche Dosen über einen fünfwöchigen Zeitraum umfasste. Die Konsolidierungstherapie wurde in der monozentrischen Studie 6 Wochen (Bereich: 3-8 Wochen) nach der Induktion und in der multizentrischen Studie 4 Wochen (Bereich 3-6 Wochen) nach der Induktion aufgenommen. Eine Vollremission (VR) wurde definiert als das Fehlen sichtbarer Leukämiezellen im Knochenmark und die periphere Regeneration von Thrombozyten und Leukozyten.
Bei Patienten der monozentrischen Studie trat ein Rezidiv nach 1-6 vorangegangenen Therapien, bei zweien nach Stammzelltransplantation auf. Bei Patienten in der multizentrischen Studie trat ein Rezidiv nach 1-4 Therapiezyklen auf; hier hatten 5 Patienten zuvor eine Stammzelltransplantation erhalten. Das Durchschnittsalter lag in der monozentrischen Studie bei 33 Jahren (Bereich 9–75 Jahre) und in der multizentrischen Studie bei 40 Jahren (Bereich 5-73 Jahre).
Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengefasst:
Tabelle 2
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Mono-Center-Studie n=12
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Multi-Center-Studie n=40
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TRISENOX Dosis (mg/kg/Tag)
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0,16 (0,06–0,20)
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0,15
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Vollremission (VR)
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11 (92%)
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34 (85%)
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Dauer bis zur Knochenmarksremission (Median)
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32 Tage
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35 Tage
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Dauer bis zur VR
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54 Tage
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59 Tage
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Überlebensrate nach 18 Monaten
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67%
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66%
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An der monozentrischen Studie nahmen 2 Kinder (< 18 Jahre) teil, die beide eine Vollremission erreichten. In die Multi-Center-Studie wurden 5 Kinder (< 18 Jahre) einbezogen, von denen 3 eine VR erreichten. Es wurden keine Kinder unter 5 Jahren behandelt.
Bei 7 Patienten der monozentrischen Studie und 18 Patienten der multizentrischen Studie wurde nach der Konsolidierung eine Erhaltungstherapie mit TRISENOX durchgeführt.
Nach Abschluss des TRISENOX-Programms erhielten 3 Patienten der monozentrischen und 15 der multizentrischen Studie eine Stammzelltransplantation. Die nach Kaplan-Meier berechnete mittlere Dauer der VR betrug für die monozentrische Studie 14 Monate; sie wurde bei den Patienten der multizentrischen Studie noch nicht erreicht. Bei der letzten Kontrolle nach einem mittleren Beobachtungszeitraum von 28 Monaten (25 bis 29 Monate) lebten noch 6 der 12 Patienten der monozentrischen Studie. In der multizentrischen Studie lebten nach einem mittleren Beobachtungszeitraum von 16 Monaten (9 bis 25 Monate) noch 27 der 40 Patienten. Die nachfolgende Darstellung gibt die Überlebensschätzwerte nach Kaplan-Meier über die Zeit von 18 Monaten für beide Studien wieder.

Tabelle 3 ist die zytogenetische Bestätigung einer Konversion zu einem normalen Genotypus und der Nachweis der PML/RAR-alpha-Konversion zum Normalzustand anhand des RTPCR Assays (Reverse-Transkriptase–Polymerase-Kettenreaktion) zu entnehmen.
Zytogenetische Ergebnisse nach Therapie mit TRISENOX:
Tabelle 3
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Mono-Center Pilotstudie Patientenzahl mit VR = 11
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Multi-Center Studie Patientenzahl mit VR = 34
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Konventionelle Zytogenetik [t(15;17)]
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Nicht vorhanden Vorhanden
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8 (73%) 1 (9%)
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31 (91%) 0 (0%)
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Nicht auswertbar
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2 (18%)
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3 (9%)
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RT-PCR für PML/RARα
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Negativ
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8 (73%)
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27 (79%)
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Positiv
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3 (27%)
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4 (12%)
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Nicht auswertbar
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-
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3 (9%)
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Ein Ansprechen war für alle Altersgruppen (Bereich 6-75 Jahre) der klinischen Prüfungen nachweisbar. Die Ansprechrate war für beide Geschlechter ähnlich. Zum Einfluss von TRISENOX auf den APL-Subtyp mit t(11;17) und t(5;17) Chromosomentranslokation liegen keine Erfahrungen vor.
Sicherheit und Wirksamkeit bei pädiatrischen Patienten
Die Erfahrung mit Kindern ist begrenzt. In einer Phase-1-Studie bei 13 Kindern mit rezidivierter/refraktärer APL (medianes Alter 17 Jahre, Spanne 4–21, Daten veröffentlicht von Fox et al. 2008) wurde ATO intravenös in einer Dosierung von 0,15 mg/kg in 2 Stunden, an 5 Tagen pro Woche (20 Dosen/Zyklus) verabreicht. 85 % der Patienten erreichten eine morphologische Vollremission. Zur Erzielung einer negativen RT-PCR bei 3 von 7 Patienten waren 70 Dosen erforderlich. In der empfohlenen Dosis von 0,15 mg/kg pro Gabe war ATO bei Kindern und Jugendlichen mit Leukämie verträglich und das Toxizitätsprofil vergleichbar mit veröffentlichten Daten bei erwachsenen Patienten.
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