Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L01XK02
Wirkungsmechanismus
Niraparib ist ein Inhibitor der Enzyme poly(ADP-Ribose)-Polymerase (PARP), PARP-1 und PARP-2, die bei der DNA-Reparatur eine Rolle spielen. In-vitro-Studien zeigten, dass die von Niraparib induzierte Zytotoxizität eine Hemmung der enzymatischen Aktivität von PARP und vermehrte Bildung von DNA-PARP-Komplexen verursachen kann, was zu DNA-Schäden, Apoptose und Zelltod führt.
Pharmakodynamik
Eine Zunahme der von Niraparib induzierten Zytotoxizität beobachtete man in Tumorzelllinien mit oder ohne BRCA1/2-Defizit. Es wurde nachgewiesen, dass Niraparib das Tumorwachstum in experimentellen Modellen vermindert: Xenotransplantate menschlicher Tumoren mit oder ohne BRCA1/2-Defizit oder Defizit anderer an der DNA-Reparatur beteiligter Gene auf Mäuse und Xenotransplantate menschlicher Tumorzellen (PDx), abgeleitet von high-grade (hochgradig entdifferenzierten) serösen Ovarialtumoren mit oder ohne BRCA1/2-Mutationen oder Defizit an homologer Rekombination.
Klinische Wirksamkeit
First line-Erhaltungstherapie bei Ovarialkarzinom
Bei der PRIMA-Studie handelte es sich um eine doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie, in der Patientinnen (n=733) mit vollständigem oder partiellem Ansprechen auf eine Platin-basierte First line-Chemotherapie randomisiert im Verhältnis 2:1 der Behandlung mit Zejula oder einem entsprechenden Placebo zugeteilt wurden. Die Studie beinhaltete eine Anfangsdosis von 200 mg oder 300 mg, die vom Gewicht oder von der Thrombozytenzahl bei Studienbeginn abhängig war. Darüber hinaus umfasste die Studie Patientinnen, die eine Anfangsdosis von 300 mg einmal täglich unabhängig von ihrem Gewicht oder ihrer Thrombozytenzahl erhielten.
Nach Abschluss der Platin-basierten First line-Chemotherapie mit oder ohne Operation wurden die Patientinnen randomisiert. Bevacizumab war zusammen mit der Chemotherapie zulässig.
Patientinnen mit einer neoadjuvanten Chemotherapie, gefolgt von einer Debulking-Operation, konnten sowohl mit sichtbarem als auch ohne sichtbaren Tumorrest eingeschlossen werden. Patientinnen mit Erkrankungsstadium III und einer vollständigen Zytoreduktion (d.h. kein sichtbarer Tumorrest) nach einer primären Debulking-Operation waren ausgeschlossen.
Die Randomisierung wurde nach bestem Ansprechen während des Frontlinien-Platinregimes (vollständiges vs. partielles Ansprechen), neoadjuvanter Chemotherapie (NACT; ja vs. nein) und Status der homologen Rekombinationsdefizienz (HRD; positiv vs. negativ oder nicht ermittelt) stratifiziert. Die Prüfung auf HRD wurde mittels eines HRD-Tests an Tumorgewebe vorgenommen, das bei der Erstdiagnose entnommen wurde. Der HRD-Status wurde mit dem Myriad myChoice® Test ermittelt und war positiv bei einer tBRCAm und/oder bei einem genomischen Instabilitäts-Score (GIS) ≥42.
Die PRIMA-Studie wurde mit einer Anfangsdosis von 300 mg einmal täglich in durchgehenden 28-Tage-Zyklen begonnen (im Folgenden als feste Anfangsdosis oder FAD bezeichnet). Auf Grundlage der retrospektiven Analysen der NOVA-Studie wurde die Anfangsdosis in der PRIMA-Studie durch Änderung 2 des Protokolls abgeändert. Ab diesem Punkt wurde Patientinnen mit einem Körpergewicht ≥77 kg und einer Thrombozytenzahl ≥150'000/µL bei Studienbeginn täglich Zejula 300 mg oder Placebo verabreicht. Patientinnen mit einem Körpergewicht <77 kg oder Thrombozytenzahl <150'000/µL bei Studienbeginn erhielten täglich Zejula 200 mg oder Placebo (im Folgenden als individuell angepasste Anfangsdosis oder IAD bezeichnet).
Insgesamt betrug die mittlere Dosisintensität bei Probandinnen, die Zejula erhielten, 181,3 mg/Tag; die mittlere relative Dosisintensität betrug bei diesen Probandinnen 63 %. Bei Patientinnen, die die individuell angepasste Anfangsdosis erhielten, lag die mittlere Dosisintensität bei 178,6 mg/Tag und die mittlere relative Dosisintensität bei 66 %. Bei Patientinnen, die die feste Anfangsdosis erhielten, lag die mittlere Dosisintensität bei 181,8 mg/Tag, die mittlere relative Dosisintensität bei 61 %.
Der entscheidende Parameter für das Wirksamkeitsergebnis – PFS (progressionsfreies Überleben) – wurde anhand der RECIST-Kriterien (Version 1.1.) durch verblindete, unabhängige, zentrale Überprüfung (BICR; blinded independent central review) bestimmt. Das Gesamtüberleben (OS; overall survival) war ein wichtiges sekundäres Ziel. PFS-Tests fanden in hierarchischer Form statt: zuerst an der HR-defizienten Population und anschliessend an der Gesamtpopulation. Das mittlere Alter von 62 Jahren ergab sich aus einem Altersspektrum von 32 bis 85 Jahren bei Patientinnen, die auf Zejula randomisiert wurden, und einem Altersspektrum von 33 bis 88 Jahren bei Patientinnen, die auf Placebo randomisiert wurden. 89 % aller Patientinnen waren kaukasisch. 69 % der auf Zejula randomisierten Patientinnen und 71 % der auf Placebo randomisierten wiesen bei Studienbeginn ein ECOG von 0 auf. In der Gesamtpopulation hatten 65 % der Patientinnen eine Erkrankung im Stadium III und 35 % eine Erkrankung im Stadium IV. 67 % der Patientinnen erhielten eine neoadjuvante Chemotherapie. 69 % der Patientinnen zeigten vollständiges Ansprechen auf die Platin-basierte First line-Chemotherapie.
Die PRIMA-Studie zeigte eine statistisch signifikante Verbesserung des PFS bei auf Zejula randomisierten Patientinnen gegenüber Placebo in der HR-defizienten Population (Tabelle 4).
Tabelle 4: Ergebnisse zur Wirksamkeit – PRIMA-Studie (ermittelt durch BICR)
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HR-defiziente Population
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Zejula (N=247)
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Placebo (N=126)
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Mittleres PFS (95% KI)b
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21,9 (19,3; NE)
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10,4 (8,1; 12,1)
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Hazard Ratio (95%-KI)
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0,43 (0,31; 0,59)
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p-Wert
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<0,0001
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Bei Patientinnen, denen aufgrund ihres Gewichts oder ihrer Thrombozytenzahl bei Studienbeginn eine Dosis von 200 oder 300 mg Zejula verabreicht wurde, liess sich eine vergleichbare Wirksamkeit feststellen, mit einer Hazard Ratio von 0,39 (95%-KI [0,22; 0,72]) in der HR defizienten Population.
Innerhalb der HR-defizienten Population wurde in der Subgruppe der Patientinnen mit BRCAmut-Ovarialkarzinom (N = 223) eine Hazard Ratio von 0,40 (95%-KI [0,27; 0,62]) festgestellt. In der Subgruppe der Patientinnen ohne BRCA-Mutation (N = 150) betrug die Hazard Ratio 0,50 (95%-KI [0,31; 0,83]).
Zum Zeitpunkt der primären PFS-Analyse ergab die Zwischenanalyse des Gesamtüberlebens bei der HR-defizienten Population eine Hazard Ratio von 0,61 (95%-KI [0,265; 1,388]).
Erhaltungstherapie bei rezidivierendem Ovarialkarzinom mit Keimbahn-BRCA-Mutation
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Niraparib als Erhaltungstherapie wurde in einer internationalen randomisierten doppelblinden und Placebo-kontrollierten Phase-3-Studie (NOVA) untersucht bei Patientinnen mit einem primären, hauptsächlich high-grade, rezidivierenden, epithelialen serösen Ovarial-, Tuben- oder Peritonealkarzinom, die zuvor in einem Platin-basierten therapeutischen Schema Platin-sensitiv gewesen waren. Alle Patientinnen hatten zuvor mindestens zwei Platin-basierte Therapieschemata erhalten und ein (vollständiges oder teilweises) Ansprechen auf ihr neuestes Platin-basiertes therapeutisches Schema gezeigt. Nach ihrer letzten Behandlung waren die CA-125-Konzentrationen normal (oder im Vergleich zur Ausgangskonzentration um > 90 % vermindert) und während mindestens 7 Tagen stabil. Die Patientinnen durften zuvor keine Behandlung mit einem PARP-Inhibitor (PARPi) einschliesslich Niraparib erhalten haben.
Die für die Studie in Frage kommenden Patientinnen wurden einer von zwei Kohorten zugeteilt in Abhängigkeit von den Ergebnissen eines Mutationstests der BRCA-Keimbahn (Kohorte gBRCAmut und Kohorte non-gBRCAmut). In jeder Kohorte teilte man die Patientinnen randomisiert im Verhältnis 2:1 der Behandlung mit Niraparib oder Placebo zu.
Innerhalb jeder Kohorte wurde die Randomisierung in Abhängigkeit von drei Kriterien stratifiziert: Zeit bis zur Progression nach der vorletzten Platin-basierten Behandlung vor Aufnahme in die Studie (6 bis < 12 Monate oder ≥12 Monate); Verwendung von Bevacizumab zusammen mit dem vorletzten oder letzten Platin-basierten therapeutischen Schema (ja/nein); bestes Ansprechen während des neuesten Platin-basierten therapeutischen Schemas (vollständiges oder teilweises Ansprechen).
Die Patientinnen begannen die Behandlung im Zyklus 1/Tag 1 mit 300 mg Niraparib oder dem entsprechenden Placebo, mit täglicher Verabreichung in kontinuierlichen Zyklen zu 28 Tagen. Visiten in der Klinik fanden in jedem Zyklus (4 Wochen ± 3 Tage) statt.
Während der NOVA-Studie benötigten 48 % der Patientinnen eine Unterbrechung der Behandlung im Zyklus 1. Ungefähr 47 % der Patientinnen nahmen die Behandlung wieder auf mit einer reduzierten Dosis im Zyklus 2.
Die am häufigsten verwendete Dosis bei den mit Niraparib in der Studie NOVA behandelten Patientinnen war 200 mg.
Das progressionsfreie Überleben als primäres Beurteilungskriterium wurde durch eine zentrale, unabhängige, verblindete Evaluation bestimmt gemäss den RECIST-Kriterien (Response Evaluation Criteria in Solid Tumors, Version 1.1) oder gemäss den klinischen Befunden, den Symptomen und der Zunahme des Antigens CA-125. Das progressionsfreie Überleben mass man zwischen dem Zeitpunkt der Randomisierung (bis zu 8 Wochen nach dem Ende des Chemotherapie-Schemas) und der Krankheitsprogression oder dem Tod.
Die primäre Wirksamkeitsanalyse für das progressionsfreie Überleben wurde prospektiv und getrennt für die Kohorte gBRCAmut und die Kohorte non-gBRCAmut definiert und beurteilt. Die primäre Wirksamkeitsanalyse des progressionsfreien Überlebens definierte man für die non-gBRCAmut-Kohorte mit einem hierarchischen Kontrollschema. Im Verlauf der ersten Etappe erfolgte die Beurteilung des progressionsfreien Überlebens in der Gruppe der Patientinnen mit HRDpos-Tumoren; wenn das Überleben signifikant war, erfolgte die Beurteilung des progressionsfreien Überlebens in der gesamten non-gBRCAmut-Kohorte.
Sekundäre Wirksamkeitsendpunkte waren Chemotherapie-freies Intervall (CFI), Zeit bis zur ersten nachfolgenden Behandlung (TFST), progressionsfreies Überleben nach erster nachfolgender Behandlung (PFS2) und Gesamtüberleben (OS).
Die demographischen Angaben, Krankheitsmerkmale bei Aufnahme in die Studie und die Behandlungsanamnese waren im Allgemeinen gut ausgeglichen zwischen dem Niraparib- und dem Placebo-Arm in der Kohorte gBRCAmut (n = 203). Das mittlere Lebensalter war 57 Jahre bei Patientinnen unter Niraparib und 58 Jahre bei Patientinnen unter Placebo. Der Sitz des Primärtumors war bei den meisten Patientinnen (> 86 %) das Ovar; bei den meisten Patientinnen (89 %) zeigte die Tumorhistologie seröse Histologie. Ein hoher Anteil der Patientinnen hatte 3 oder mehr vorhergehende Chemotherapie-Behandlungslinien erhalten, davon 49 % der Patientinnen unter Niraparib in der Kohorte gBRCAmut. Die meisten Patientinnen waren zwischen 18 und 64 Jahre alt (78 %), weiss (88 %) und hatten einen ECOG-Leistungsstatus 0 (68 %).
Die Studie entsprach ihrem primären Ziel einer statistisch signifikanten Verbesserung des progressionsfreien Überlebens mit Niraparib als Erhaltungsmonotherapie im Vergleich zu Placebo in der Kohorte gBRCAmut (HR 0,27; 95%-KI 0,173 - 0,410; p < 0,0001). Die Beurteilung des progressionsfreien Überlebens durch den Prüfarzt stimmte überein mit der Beurteilung durch das unabhängige Revisionskomitee, das die verblindete zentrale radiologische und klinisch-onkologische Beurteilung durchführte.
Sekundäre Wirksamkeitsendpunkte in NOVA
Analysen des Gesamtüberlebens in NOVA
Analysen des Gesamtüberlebens waren in der NOVA-Studie sekundäre Endpunkte. Bei der finalen Analyse des Gesamtüberlebens betrug das mediane OS in der gBRCAmut-Kohorte (n = 203) 40.9 Monate für die mit Niraparib behandelten Patienten im Vergleich zu 38.1 Monaten für die Patienten unter Placebo (HR=0,85; 95% CI: 0,61, 1,20). Die Kohortenreife in der gBRCAmut-Kohorte betrug 76%.
Chemotherapie-freies Intervall, definiert als die Zeitspanne zwischen dem Ende der letzten Platin-basierten Behandlung und dem Beginn der folgenden antineoplastischen Behandlung (mit Ausnahme einer Erhaltungstherapie): In der Kohorte gBRCAmut war der Mittelwert 20 Monate für Niraparib und 9,4 Monate für Placebo (HR 0.39, 95%-KI 0.27, 0.56).
Dauer bis zur ersten nachfolgenden Behandlung, definiert als Zeitraum zwischen dem Datum der Randomisierung und dem Datum der ersten nachfolgenden antineoplastischen Behandlung oder dem Tod: In der Kohorte gBRCAmut war der Mittelwert 19.1 Monate für Niraparib und 8.6 Monate für Placebo (HR 0.57; 95% CI 0.41, 0.78).
Progressionsfreies Überleben 2, definiert als Zeitraum zwischen dem Datum der Randomisierung in dieser Studie und dem ersten Datum der Beurteilung der Progression im Rahmen der nächsten antineoplastischen Behandlung nach der Studie oder dem Datum des Todes, unabhängig von dessen Ursache: In der Kohorte gBRCAmut war der Mittelwert 29.9 Monate für Niraparib und 22.7 Monate für Placebo (HR 0.70; 95% CI 0.50, 0.97).
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