Warnhinweise und VorsichtsmassnahmenBei gleichzeitiger Anwendung von Ritonavir und anderen Proteaseinhibitoren müssen die besonderen Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen der jeweiligen Fachinformation dieser Arzneimittel beachtet werden.
Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C, die mit einer antiretroviralen Kombinationstherapie behandelt werden, haben ein erhöhtes Risiko für schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf die Leber mit möglicherweise letalem Ausgang. Im Falle einer antiviralen Begleittherapie gegen Hepatitis B oder C beachten Sie bitte auch die Fachinformation dieser Arzneimittel.
Bei Patienten mit vorbestehenden Leberfunktionsstörungen sollten die Leberwerte sorgfältig überwacht werden. Bei Hinweisen auf eine Verschlechterung der Lebererkrankung sollte eine Unterbrechung oder ein Abbruch der Therapie erwogen werden.
Hämophilie: Über eine Zunahme von Blutungen, einschliesslich spontaner kutaner Hämatome und Hämarthrosen, wurde bei hämophilen Patienten (Typ A und B), die mit Proteasehemmern behandelt wurden, berichtet.
Einige Patienten erhielten zusätzlich Faktor VIII. Bei mehr als der Hälfte der berichteten Fälle wurde die Behandlung mit Proteasehemmern fortgesetzt bzw. nach Unterbrechung der Therapie wieder aufgenommen. Ein kausaler Zusammenhang wird vermutet, der Wirkmechanismus ist nicht geklärt. Hämophile Patienten müssen daher auf die Möglichkeit einer Zunahme von Blutungen aufmerksam gemacht werden.
Auswirkungen auf das Elektrokardiogramm
QTcF-Intervall: Das QTcF-Intervall wurde in einer kontrollierten, randomisierten cross-over Studie bei 45 gesunden Probanden mit 10 Messungen innerhalb von 12 Stunden am Tag 3, im Vergleich zu Placebo und Moxifloxacin (400 mg einmal täglich) untersucht.
Die maximale mittlere Differenz (obere 95%-Vertrauensintervallgrenze) des QTcF-Intervall von 400 mg Ritonavir zweimal täglich verglichen mit Placebo betrug 5,5 (7,6) msec. Die Ritonavir Exposition am Tag 3 war durchschnittlich 1,5fach höher wie bei 600 mg zweimal täglich im Steady-State.
Es wurde weder eine QTcF-Zeit Verlängerung von ≥60 msec zur Baseline festgestellt noch die möglicherweise klinisch relevante Grenze von 500 msec überschritten.
Verlängerung des PR-Intervalls: In der selben Studie wurde auch eine mässige asymptomatische PR-Intervall Verlängerung bei einigen Patienten festgestellt. Das maximale PR-Intervall betrug 252 msec. Es wurden keine Herzblockaden zweiten oder dritten Grades beobachtet.
Es gibt wenige Berichte über eine atrioventrikuläre Blockade zweiten oder dritten Grades bei Patienten mit Herzerkrankungen und einer bereits existierenden Störung des Erregungsleitungssystems oder bei Patienten, die Medikamente mit bekannter PR-Intervall-verlängernder Wirkung erhielten (z.B. Verapamil oder Atazanavir) und mit Ritonavir behandelt wurden. Ritonavir sollte bei solchen Patienten mit Vorsicht angewendet werden.
Bei Patienten mit Überempfindlichkeitsreaktionen gegenüber Azofarbstoffen, Acetylsalicylsäure und anderen Prostaglandinhemmern soll Norvir Sirup mit Vorsicht angewendet werden.
Beim Auftreten von Durchfall wird eine zusätzliche Überwachung empfohlen. Das relativ häufige Auftreten von Durchfall während der Behandlung mit Ritonavir kann die Absorption und Wirksamkeit (aufgrund der verminderten Compliance) von Norvir oder anderen gleichzeitig verabreichten Arzneimitteln beeinträchtigen. Während der Ritonavir-Behandlung auftretendes starkes anhaltendes Erbrechen und/oder starker anhaltender Durchfall kann auch die Nierenfunktion beeinträchtigen.
Es ist bei Patienten mit bestehender Nierenfunktionsstörung ratsam, die Nierenfunktion zu kontrollieren.
Norvir Weichkapseln (12 Gew.-% ) und Norvir Sirup (43,2 Vol.-%) enthalten Alkohol. Daher sollte die gleichzeitige Verabreichung von Norvir und Disulfiram oder Arzneimittel mit ähnlichen Wirkungen wie Disulfiram (z.B. Metronidazol) vermieden werden.
Norvir Sirup enthält Propylenglykol. Fälle von Hyperosmolarität, Laktazidose, Hämolyse und Krampfanfällen bei i.v. Applikation und bei topischer Applikation von Propylenglykol bei höhergradigen Verbrennungen wurden berichtet. Die Eliminationshalbwertszeit von Propylenglykol ist beim Neugeborenen mehr als 3mal länger als beim Erwachsenen (16,9 vs. 5 Stunden). Insbesondere bei sehr kleinen Kindern sollte daher der Sirup mit Vorsicht und entsprechenden Kontrollen der Osmolarität und Laktatspiegel angewendet werden.
Ein Auftreten von Diabetes mellitus oder Hyperglykämie sowie eine Verschlechterung eines bereits bestehenden Diabetes mellitus wurde bei Patienten, die mit Proteasehemmern behandelt wurden, beobachtet. Bei einigen Patienten war die Hyperglykämie schwerwiegend, und in einigen Fällen trat auch eine Ketoazidose auf.
Die antiretrovirale Kombinationstherapie wurde bei HIV-Patienten mit einer Umverteilung ihres Körperfetts (Lipodystrophie) in Verbindung gebracht. Die Langzeitauswirkungen dieser Ereignisse sind derzeit nicht bekannt. Das Wissen über den Mechanismus ist unvollständig. Ein Zusammenhang zwischen viszeraler Lipomatose und PIs sowie Lipoatrophie und nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Hemmern (NRTIs) wird vermutet. Ein höheres Lipodystrophie-Risiko wird mit individuellen Faktoren wie fortgeschrittenes Alter und mit Arzneimittel-assozierten Faktoren wie längere Dauer der antiretroviralen Behandlung und damit zusammenhängenden metabolischen Störungen in Verbindung gebracht. Im Rahmen der klinischen Untersuchung sollte auf körperliche Anzeichen einer Fettumverteilung geachtet werden. Die Messung der Nüchtern-Serumlipide und -Blutglukose sollte erwogen werden. Eine Abweichung der Lipidwerte sollte entsprechend den klinischen Befunden behandelt werden (siehe auch «Unerwünschte Wirkungen»).
Es wurde über ein Immunrekonstitutionssyndrom bei Patienten berichtet, die mit antiretroviraler Kombinationstherapie einschliesslich Norvir behandelt wurden. Während der Anfangsphase der antiretroviralen Kombinationstherapie, in der das Immunsystem reagiert, können diese Patienten eine inflammatorische Reaktion auf eine asymptomatische oder latent bestehende Infektion (wie zum Beispiel eine Infektion mit Mycobacterium avium, Cytomegalievirus, eine Pneumocystis jiroveci Pneumonie oder Tuberkulose) entwickeln, welche eine weitere Abklärung und Behandlung erfordern kann. Fatale Verläufe wurden berichtet.
PDE5-Hemmer: Besondere Vorsicht ist bei der Verschreibung von Sildenafil und Tadalafil zur Behandlung der erektilen Dysfunktion bei Patienten die Norvir erhalten geboten. Die gleichzeitige Einnahme von Ritonavir und Sildenafil lässt einen wesentlichen Anstieg der Sildenafil-Konzentration erwarten (11facher Anstieg der AUC) und könnte in Sildenafil-bedingten Nebenwirkungen, einschliesslich Hypotonie, Synkope, Sehstörungen und verlängerte Erektion, resultieren (siehe auch «Interaktionen»). Die gleichzeitige Einnahme von Sildenafil ist für Patienten mit pulmonaler arterieller Hypertonie (PAH) kontraindiziert (siehe auch «Kontraindikationen»). Die gleichzeitige Einnahme von Ritonavir und Tadalafil (single dose) führte zum Anstieg der AUC von Tadalafil um +124%. Zu beachten ist die lange Eliminations-Halbwertszeit von Tadalafil.
HMG-CoA-Reduktasehemmer: Wird Norvir zusammen mit Atorvastatin, das in geringerem Masse als Simvastatin und Lovastatin durch CYP3A metabolisiert wird, verabreicht, so ist Vorsicht geboten und reduzierte Dosen sollten in Erwägung gezogen werden. Obwohl die Elimination von Rosuvastatin nicht von CYP3A4 abhängig ist, wurde eine erhöhte Rosuvastatin Exposition bei gleichzeitiger Einnahme von Ritonavir beobachtet. Ist eine Behandlung mit HMG-CoA-Reduktasehemmern angezeigt, wird Pravastatin oder Fluvastatin empfohlen (siehe auch «Interaktionen»).
Ethinylöstradiol: Barriere- oder andere nicht-hormonelle Methoden zur Empfängnisverhütung sollten bei einer Verabreichung von Ritonavir in therapeutischen oder geringen Dosierung angewendet werden, da Ritonavir bei gleichzeitiger Einnahme von östrogenhaltigen Kontrazeptiva wahrscheinlich die Wirksamkeit verringert und das Blutungsverhalten verändert.
Glukokortikoide: Eine gleichzeitige Verabreichung von Ritonavir und Fluticason oder Budesonid kann die Plasmakonzentration von Fluticason oder Budesonid signifikant erhöhen und die Serumkonzentration von Cortisol senken.
Systemische Corticosteroideffekte einschliesslich Cushing Syndrom und adrenale Suppression wurden bei gleichzeitiger Verabreichung von Ritonavir und inhalativ oder intranasal verabreichtem Fluticason oder Budesonid gemeldet. Die Verabreichung von Ritonavir und Fluticason oder Budesonid sollte mit Vorsicht erfolgen (siehe auch «Interaktionen»).
Trazodon: Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Ritonavir Patienten verordnet wird, die Trazodon einnehmen. Trazodon ist ein Substrat für CYP3A4; bei gleichzeitiger Anwendung von Ritonavir ist mit einem Anstieg der Trazodon-Spiegel zu rechnen. Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel, Hypotonie und Synkope wurden in Interaktionsstudien bei gesunden Probanden nach einmaliger Anwendung beobachtet (siehe «Interaktionen»).
Tipranavir: Bei der gleichzeitigen Verabreichung von Ritonavir und Tipranavir müssen die therapeutischen Wirkungen und Nebenwirkungen dieser Arzneimittel sorgfältig überwacht werden (siehe «Interaktionen»).
Digoxin: Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Patienten, die Digoxin erhalten, Ritonavir verschrieben wird, da bei gleichzeitiger Anwendung von Ritonavir und Digoxin ein Anstieg der Digoxin-Spiegel zu erwarten ist. Möglicherweise nehmen diese erhöhten Digoxin-Spiegel mit der Zeit ab (siehe «Interaktionen»).
Bei Patienten, die bereits Digoxin einnehmen, wenn Ritonavir verordnet wird, sollte die Digoxin-Dosis auf die Hälfte der für die Patienten üblichen Dosis reduziert werden. Die Patienten müssen nach Beginn der gleichzeitigen Einnahme von Ritonavir und Digoxin über mehrere Wochen enger als üblich überwacht werden.
Bei Patienten, die bereits Ritonavir einnehmen, wenn Digoxin verordnet wird, sollte die Dosiseinstellung von Digoxin vorsichtiger (in mehr Stufen) erfolgen als üblich. Die Digoxin-Spiegel sollten in diesem Zeitraum intensiver als üblich kontrolliert werden; Dosisanpassungen sollten, soweit notwendig, basierend auf klinischen und elektrokardiographischen Befunden sowie anhand von Digoxin-Spiegel-Bestimmungen, vorgenommen werden.
Rifabutin: Bei gleichzeitiger Anwendung von Saquinavir 1000 mg mit Ritonavir 100 mg je zweimal täglich und Rifabutin sollten die Patienten auf eine Leukopenie, Arthralgie und Uveitis überwacht und die Leberenzyme kontrolliert werden (s. auch «Interaktionen»).
|