Eigenschaften/WirkungenATC-Code
L01EX22
Wirkungsmechanismus
Selpercatinib aus der Gruppe der kleinen Moleküle ist ein Inhibitor der RET (Rearranged during transfection)-Rezeptor-Tyrosinkinase. Selpercatinib hemmt den RET-Wildtyp und mehrere mutierte RET-Isoformen, sowie VEGFR1 und VEGFR3 mit IC50-Werten im Bereich von 0.92 nM bis 67.8 nM. In anderen Enzymtests hemmte Selpercatinib ausserdem bei höheren, klinisch noch erreichbaren Konzentrationen FGFR 1, 2 und 3. Selpercatinib war 250-fach selektiver für RET als für 98% von ~300 Kinasen, einschiesslich VEGFR2, dies wurde in präklinischen Studien untersucht. In Zelltests hemmte Selpercatinib RET bei einer etwa 60-fach niedrigeren Konzentrationen als FGFR1 und 2 und bei etwa 8-fach niedrigeren Konzentrationen als VEGFR3.
Bestimmte Punktmutationen der RET oder chromosomale Neuanordnungen mit In-frame-Fusionen der RET mit verschiedenen Partnern können zu konstitutiv aktivierten, chimeren RET Fusionsproteinen führen, die als onkogene Treiber fungieren können, indem sie die Zellproliferation von Tumorzelllinien fördern. In Tumormodellen zeigte Selpercatinib in vitro und in vivo antitumorale Aktivität in Zellen, die infolge von Genfusionen und Genmutation einschliesslich CCDC6 RET, KIF5B RET, RET V804M und RET M918T eine konstitutive Aktivierung des RET-Protein erworben haben. Darüber hinaus zeigte Selpercatinib antitumorale Aktivität bei Mäusen mit intrakranialer Implantation eines von Patienten stammenden RET-fusionspositiven Tumors.
Pharmakodynamik
Kardiale Elektrophysiologie
In einer eingehenden QT-Studie mit positiver Kontrolle bei 32 gesunden Probanden zeigte eine Expositions-Response-Analyse, dass supra-therapeutische Konzentrationen zu einem Anstieg des QTc >20 ms führen könnten.
Verlängerungen des QT-Intervalls wurden bei Patienten unter Selpercatinib berichtet. Daher können bei Patienten Unterbrechungen der Behandlung oder Dosisanpassungen erforderlich sein (siehe «Dosierung/Anwendung» und «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen».
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von Retsevmo wurde bei erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem RET-fusionspositivem NSCLC sowie in Patienten mit RET-mutantem MTC und RET-fusionspositivem Schilddrüsenkarzinom untersucht, die in die multizentrische, offene, einarmige klinische Studie der Phase 1/2 mit der Bezeichnung LIBRETTO-001 aufgenommen worden waren. Patienten in Phase 1 und Phase 2 wiesen einen Progress unter Standardtherapie auf, vertrugen die Standardtherapie nicht oder es gab keine Standardtherapie.
Im Phase-2-Abschnitt der Studie erhielten die Patienten Retsevmo 160 mg oral zweimal täglich bis zum Auftreten einer nicht-akzeptablen Toxizität oder bis zur Progression. Das Vorhandensein einer RET-Gen-Veränderung wurde prospektiv in lokalen Laboratorien mithilfe von Next Generation Sequencing (NGS), Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder Fluorescence In Situ Hybridization (FISH) bestimmt. Die wichtigen Wirksamkeitsparameter waren die Gesamtansprechrate (objective response rate, ORR) und die Ansprechdauer (duration of response, DOR), die durch ein verblindetes unabhängiges Komitee (blinded, independent review committee, BIRC) unter Verwendung der Kriterien nach RECIST v1.1 bestimmt wurden.
RET-fusionspositives nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom – vorbehandelte Patienten
Von den Patienten mit RETfusionspositivem NSCLC und vorausgegangener Platin-basierter Chemotherapie, die in die LIBRETTO-001 Studie eingeschlossen wurden, konnten 218 Patienten über mindestens 6 Monate beobachtet werden und die Wirksamkeit wurde als auswertbar angesehen. Die primäre Auswertung der Wirksamkeit bei RETfusionspositivem NSCLC basierte auf den ersten 105 von 218 aufeinanderfolgend in die Studie eingeschlossenen Patienten. Die in die LIBRETTO-001 Studie eingeschlossenen Patienten wiesen ein fortgeschrittenes NSCLC mit RET-Genfusion auf. Die Mehrzahl der Patienten hatte ein nicht-plattenepitheliales NSCLC, ein Patient hatte ein plattenepitheliales NSCLC. In der primären Analysenpopulation betrug das mediane Alter 61 Jahre (Bereich 23 Jahre bis 81 Jahre). 41.0% der Patienten waren Männer. 52.4% der Patienten waren weisser, 38.1% asiatischer und 4.8% schwarzer Abstammung, und 3.8% gehörten der Gruppe der Hispanics/Latinos an. Der ECOG Performance Status betrug 0 bis 1 (98.1%) oder 2 (1.9%). 98.1% der Patienten hatten eine metastasierte Erkrankung. 100% (n = 105) der Patienten hatten zuvor eine systemische Therapie mit median 3 vorherigen systemischen Therapien erhalten, und 56.2% (n = 59) hatten 3 oder mehr vorherige systemische Therapien erhalten. Zu den vorausgegangenen Behandlungen gehörten Anti-PD1/PD-L1-Therapie (55.2%), Multikinaseinhibitoren (MKI) (47.6%) und Taxane (35.2%). 49.2% hatten andere systemische Behandlungen erhalten. Der häufigste Fusionspartner war KIF5B (56.2%), gefolgt von CCDC6 (22.9%) und NCOA4 (1.9%).
Im primären Analysensatz, welcher 105 zuvor behandelte Patienten mit RET-fusionspositivem NSCLC umfasste, betrug die objektive Ansprechrate (objective response rate, ORR) 63.8% (95% CI: 53.9-73) und die mediane Ansprechdauer 17.5 Monate (95% CI: 12-nicht bestimmbar (NB)) bei einer medianen Beobachtungszeit von 15.67 Monaten. In der Population von Patienten mit auswertbarer Wirksamkeit (n=218) betrug die ORR 56.9% (95% CI:50.0-63.6) und die mediane Ansprechdauer 17.5 Monate (95% CI:12.5-NB) bei einer medianen Beobachtungszeit von 11.9 Monaten.
RET-fusionspositives Schilddrüsenkarzinom – vorbehandelte Patienten
Von den Patienten mit RETfusionspositivem Schilddrüsenkarzinom, die in die LIBRETTO-001 Studie eingeschlossen wurden, konnten 22 Patienten über mindestens 6 Monate beobachtet werden und die Wirksamkeit wurde als auswertbar angesehen.
Es erhielten alle 22 Patienten eine vorgängige systemische Therapie und 18 Patienten erhielten zudem radioaktives Jod. Die primäre Auswertung der Wirksamkeit basierte auf den ersten 19 von 22 aufeinanderfolgend in die Studie eingeschlossenen Patienten. Bei den eingeschlossenen 19 vorbehandelten Patienten des primären Analysenset zeigten sich folgende Histologien: papillar (n=13), schwach differenziert (n=3), anaplastisch (n=2) und Hürthle-Zell (n=1). Das mediane Alter betrug 54 Jahre (Bereich 20 bis 88 Jahre). 51.9% der Patienten waren Männer. 74.1% der Patienten waren weisser, 7.4% asiatischer und 3.7% schwarzer Abstammung, und 11.1% gehörten der Gruppe der Hispanics/Latinos an. Der ECOG Performance Status betrug 0 bis 1 (88.9%) oder 2 (11%). 100% der Patienten hatten eine metastasierte Erkrankung.
Die Patienten hatten zuvor median 4 systemische Therapien erhalten (Bereich: 1-7). Zu den vorausgegangenen Therapien gehörten radioaktives Jod (84.2%), MKI (78.9%) und 42.1% hatten andere systemische Therapien erhalten.
Im primären Analysensatz, welcher 19 vorbehandelte Patienten mit RET-fusionspositivem Schilddrüsenkarzinom umfasste, betrug die objektive Ansprechrate (ORR) 78.9% (95% CI: 54.4, 93.9) und die mediane Ansprechdauer 18.4 Monate (95% CI: 7.6-NB) bei einer medianen Beobachtungszeit von 20.27 Monaten. In der Population von Patienten mit auswertbarer Wirksamkeit (n=22) betrug die ORR 77.3% und die mediane Ansprechdauer 18.4 Monate (95% CI:10.1-NB) bei einer medianen Beobachtungszeit von 20.27 Monaten.
RET-mutantes medulläres Schilddrüsenkarzinom – vorbehandelte Patienten
Von den Patienten mit RETmutantem MTC und vorausgegangener Behandlung mit Cabozantinib und/oder Vandetanib, die in die LIBRETTO-001 Studie eingeschlossen wurden, konnten 143 Patienten über mindestens 6 Monate beobachtet werden und die Wirksamkeit bei wurde als auswertbar angesehen. Die primäre Auswertung der Wirksamkeit RETmutantem MTC basierte auf den ersten 55 von 143 aufeinanderfolgend in die Studie eingeschlossenen Patienten. In der primären Analysenpopulation betrug das mediane Alter 57 Jahre (Bereich 17 Jahre bis 84 Jahre); 1 Patient (1.3%) hatte ein Alter von <18 Jahren. 65.6% der Patienten waren Männer. 89.1% der Patienten waren weisser, 0% asiatischer und 1.8% schwarzer Abstammung, und 7.3% gehörten der Gruppe der Hispanics/Latinos an. Der ECOG Performance Status betrug 0 bis 1 (95.0%) oder 2 (5%). 98.2% der Patienten hatten eine metastasierte Erkrankung. 100% (n = 55) der Patienten hatten zuvor eine systemische Therapie erhalten mit median 2 vorherigen systemischen Therapien, und 32.7% (n = 18) hatten 3 oder mehr vorherige systemische Therapien erhalten. Die häufigste Mutation war M918T (60%), gefolgt von extrazellulären Cystein-Mutationen (12.7%).
Im primären Analysensatz, welcher 55 zuvor behandelte Patienten mit RET-mutantem MTC umfasste, betrug die objektive Ansprechrate (ORR) 69.1% (95% CI: 55.2-80.9) und die mediane Ansprechdauer war nicht bestimmbar (95% CI: 19.1-NB) bei einer medianen Beobachtungszeit von 17.45 Monaten. In der Population von Patienten mit auswertbarer Wirksamkeit (n=143) betrug die ORR 69.2% (95% CI:61.0-76.7) und die mediane Ansprechdauer war nicht bestimmbar (95% CI:19.1-NB) bei einer medianen Beobachtungszeit von 10.05 Monaten.
Befristete Zulassung
Das Arzneimittel Retsevmo ist befristet zugelassen, da die klinischen Daten zum Zeitpunkt der Prüfung des Zulassungsantrags unvollständig waren (Art. 9a HMG). Die befristete Zulassung ist abhängig von der rechtzeitigen Erfüllung von Bedingungen. Nach deren Erfüllung kann die befristete Zulassung in eine ordentliche Zulassung umgewandelt werden.
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