Eigenschaften/WirkungenATC-Code: B01AD10
Xigris ist eine rekombinante Form des natürlicherweise im Plasma vorkommenden aktivierten Protein C, von dem es sich nur durch einzelne Oligosaccharide im Kohlenhydratteil des Moleküls unterscheidet. Aktiviertes Protein C ist ein wichtiger Regulator der Blutgerinnung. Es begrenzt die Thrombinbildung durch Inaktivierung der Faktoren Va und VIIIa, was zu einer negativen Rückkopplung auf die Blutgerinnung führt. In der Pathophysiologie der schweren Sepsis spielt eine exzessive Aktivierung der Blutgerinnung in der Mikrozirkulation eine wichtige Rolle. Ausserdem ist aktiviertes Protein C ein wichtiger Modulator der systemischen Infektantwort und besitzt antithrombotische und pro-fibrinolytische Eigenschaften. Die Eigenschaften von Xigris sind mit denen des endogenen humanen aktivierten Protein C vergleichbar.
Pharmakodynamik
In placebokontrollierten klinischen Untersuchungen an Patienten mit schwerer Sepsis übte Xigris eine antithrombotische Wirkung durch Limitierung der Thrombinbildung und Verbesserung der sepsis-bedingten Gerinnungsstörung aus, was sich durch eine raschere Verbesserung des Gerinnungs- und Fibrinolysesystems zeigte. Xigris bewirkte eine raschere Abnahme der Gerinnungsmarker, wie z.B. D-Dimer-, Prothrombin F1,2- und Thrombin-Antithrombin-Spiegel sowie einen rascheren Anstieg der Protein C- und Antithrombin-Spiegel. Ebenso stellte Xigris die körpereigene Fähigkeit zur Fibrinolyse wieder her, was durch eine raschere Tendenz zur Normalisierung der Plasminogen-Spiegel und einen rascheren Abfall der Plasminogen Aktivator Inhibitor-1 (PAI-1) Spiegel zum Ausdruck kam. Ausserdem trat bei mit Xigris behandelten Patienten mit schwerer Sepsis ein rascherer Abfall der Interleukin-6-Spiegel auf, dies weist auf eine Verminderung der Entzündungsreaktion hin.
Klinische Wirksamkeit
Xigris wurde in einer internationalen, multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und plazebokontrollierten Phase III Studie (PROWESS) untersucht, in der 1690 Patienten mit einer schweren Sepsis entweder Xigris (n= 850) oder Placebo (n= 840) erhielten. Die Einschlusskriterien beinhalteten das Vorliegen einer systemischen entzündlichen response (SIRS) bedingt durch eine Infektion oder vermutete Infektion in Verbindung mit einer akuten Funktionsstörung von mindestens einem Organ. Akute Organfunktionsstörung war definiert als kardiovaskuläre Dysfunktion (Schock, Hypotonie oder der Notwendigkeit der Gabe von Vasopressoren trotz Gabe einer angemessenen Volumensubstitution), respiratorische Dysfunktion (relative Hypoxämie), renale Dysfunktion (Oligurie trotz Gabe einer ausreichenden Volumensubstitution), einer verminderten Thrombozytenzahl (<80’000/mm³ oder 50% Abfall während der 3 letzten Tage) und/oder einer metabolischen Azidose mit erhöhter Lactatkonzentration.
Ausschlusskriterien umfassten Patienten mit hohem Blutungsrisiko (siehe «Kontraindikationen» und «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»), Patienten, von welchen nicht erwartet wurde, dass sie 28 Tage überleben würden wegen vorbestehendem nicht Sepsis-bedingtem medizinischem Zustand, HIV-positive Patienten, deren letzter CD-Wert ≤50/mm³ betrug, Patienten an chronischer Dialyse und Patienten, welche einer Transplantation von Knochenmark, Lunge, Leber, Pankreas oder Dünndarm unterzogen worden waren.
Die Behandlung wurde innerhalb von 48 Stunden nach Beginn der ersten durch eine Sepsis bedingten Organfunktionsstörung eingeleitet. Die mediane Dauer der Organdysfunktion vor Behandlungsbeginn betrug 18 Stunden.
Die Patienten erhielten Xigris über 96 Stunden mit einer konstanten Infusionsrate von 24 µg/kg/Stunde (n= 850) oder Placebo (n= 840). Xigris wurde zusätzlich zur Standardtherapie verabreicht. Die Standardtherapie umfasst angemessene Antibiotikatherapie, Herdsanierung und unterstützende Massnahmen (je nach Bedarf Flüssigkeitsersatz, inotrope Arzneimittel, Vasopressoren sowie organunterstützende Massnahmen).
Patienten, die mit Xigris behandelt wurden, zeigten im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Patienten eine erhöhte 28-Tage Überlebensrate. Die Sterblichkeit lag für die mit Xigris behandelte Gruppe bei 24,7% und für die mit Placebo behandelte Gruppe bei 30,8% (p= 0,005) (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: 28-Tage-Mortalität alle Ursachen für alle Patienten und für die durch APACHE-II-Score definierten Untergruppen¹
Xigris Placebo
Total Total
N² N³ (%) N N (%)
------------------------------------------------------
Insgesamt 850 210 (25) 840 259 (31)
------------------------------------------------------
APACHE II Quartile (Scores)
------------------------------------------------------
1. + 2. (3–24) 436 82 (19) 437 83 (19)
3. + 4. (25–53) 414 128 (31) 403 176 (44)
Absoluter Relatives 95% KI
Mortalitäts- Risiko (RR) für RR
Unterschied
(%)
------------------------------------------------------
Insgesamt –6 0,81 0,70
0,93
------------------------------------------------------
APACHE II Quartile (Scores)
------------------------------------------------------
1. + 2. (3–24) 0 0,99 0,75
1,30
3. + 4. (25–53) –13 0,71 0,59
0,85
¹ Weitere Informationen zur Berechnung des APACHE-II-Scores: siehe: http.//www.sfar.org/scores2/scores2.html
² Total N = Gesamtzahl Patienten in der Gruppe.
³ N = Anzahl Todesfälle in der Gruppe.
Die signifikante absolute Reduktion der Sterblichkeit beschränkte sich auf die Subgruppe von Patienten mit höherem Schweregrad der Erkrankung, d.h. mit einem APACHE II Ausgangswert von ≥25 oder mindestens zwei Organdysfunktionen zu Beginn. (Der APACHE II Score dient der Beurteilung des Sterblichkeitsrisikos, basierend auf dem akuten Gesundheitszustand und dem allgemeinen Gesundheitszustand.) In der Subgruppe der Patienten mit einem APACHE II Score ≥25 zu Beginn betrug die Sterblichkeit in der Xigris-Gruppe 31% (128 von 414) und 44% in der Placebo-Gruppe (176 von 403). In der Subgruppe der Patienten mit niedrigerem Schweregrad der Erkrankung wurde keine niedrigere Sterblichkeit beobachtet (siehe Tabelle 1). In der Subgruppe von Patienten mit initial mindestens zwei akuten Organdysfunktionen betrug die Sterblichkeit in der Xigris-Gruppe 26,5% (168 von 634) und 33,9% in der Placebo-Gruppe (216 von 637). In der Subgruppe der Patienten mit initial weniger als zwei Organdysfunktionen wurde keine Reduktion der Sterblichkeit beobachtet. In der kleinen Untergruppe von Patienten mit Einorgandysfunktion und kürzlich zurückliegendem chirurgischem Eingriff wurde eine numerisch höhere Mortalität unter Xigris (nach 28 Tagen: 10/49; während der Hospitalisation: 14/48) im Vergleich zur Placebo-Gruppe (nach 28 Tagen: 8/49; während der Hospitalisation: 8/47) beobachtet.
Die durch Xigris erzielte Reduktion der Sterblichkeit war unabhängig von Alter, Geschlecht und Infektionstyp über die Patientengruppen hinweg konsistent nachweisbar.
Folgestudie zu PROWESS
Der Überlebensstatus der Patienten der PROWESS Studie wurde in einer Folgestudie untersucht. Der Überlebensstatus im Krankenhaus und nach 3 Monaten wurde für 98% bzw. 94% der 1690 PROWESS Patienten berichtet. Die Sterblichkeit im Krankenhaus war bei mit Xigris behandelten Patienten signifikant niedriger als unter Placebo (29,4% gegenüber 34,6%; p= 0,023). Auch nach 3 Monaten war die Überlebensrate in der Xigris-Gruppe signifikant besser als unter Placebo (log rank p= 0,048). Nach den ersten 3 Monaten waren die hauptsächlichen Risikofaktoren für das Versterben ein höheres Lebensalter und zahlreiche vorbestehende Grunderkrankungen.
Bei Patienten mit Multiorganversagen war die Sterblichkeit im Krankenhaus bei mit Xigris behandelten Patienten niedriger als unter Placebo (32,0% gegenüber 36,6%; p= 0,08). Auch in dieser Subgruppe war die Überlebensrate nach 3 Monaten in der Xigris-Gruppe besser als unter Placebo (log rank p= 0,073).
Weitere klinische Erfahrung
In einer internationalen, einarmigen, offenen, klinischen Phase-IIIb-Studie (ENHANCE) erhielten 2378 erwachsene Patienten mit schwerer Sepsis Drotrecogin alfa (aktiviert). Die Aufnahmekriterien waren ähnlich wie in der PROWESS-Studie. Die Patienten erhielten Drotrecogin alfa (aktiviert) innerhalb von 48 Stunden nach Einsetzen der ersten sepsisbedingten Organfunktionsstörung. Die mediane Dauer der Organdysfunktion vor der Behandlung betrug 25 Stunden.
Nach 28 Tagen betrug die Sterberate in der Phase-IIIb-Studie 25,3%. Selbst bei Berücksichtigung der Unterschiede hinsichtlich der Schweregrade der Erkrankung war die Sterberate bei den innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der Organfunktionsstörung behandelten Patienten niedriger als bei den nach 24 und mehr Stunden behandelten Patienten.
ADDRESS-Studie
In die randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte ADDRESS-Studie wurden 2640 erwachsene Patienten mit schwerer Sepsis und geringem Mortalitätsrisiko (z.B. Patienten mit APACHE II <25 oder mit nur einem sepsisinduzierten Organversagen) zwischen Drotrecogin alfa und Placebo randomisiert. Die Studie wurde nach einer Interimsanalyse wegen der geringen Wahrscheinlichkeit, bei Studienende einen signifikanten Unterschied der 28-Tage-Gesamtsterblichkeit zugunsten von Xigris zu zeigen, vorzeitig beendet. In dieser Studie wurde bezüglich der gesamten Population von eingeschlossenen Patienten nach 28 Tagen eine Mortalität von 18,5% (243/1333) unter Drotrecogin alfa und von 17,0% (221/1307) unter Placebo beobachtet.
In der Untergruppe von Patienten mit Einorgandysfunktion und kurz zurückliegendem chirurgischem Eingriff wurde ein grösserer Mortalitätsunterschied festgestellt, mit 67/323 Todesfällen unter Drotrecogin alfa und 44/313 unter Placebo nach 28 Tagen.
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