Eigenschaften/WirkungenATC-Code
A06AX05
Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Laxantien
Wirkungsmechanismus
Prucaloprid ist ein Dihydrobenzofurancarboxamid-Derivat mit enterokinetischen Eigenschaften. Prucaloprid ist ein selektiver, hoch-affiner Serotonin-(5-HT4) Rezeptor-Agonist, was wahrscheinlich den enterokinetischen Effekt erklärt. Nur bei Konzentrationen, welche seine 5-HT4-Rezeptor-Affinität um mindestens das 150-fache übersteigen, findet man auch eine Affinität zu anderen Rezeptoren.
In Hunden verändert Prucaloprid die Kolon-Motilität durch Stimulation der Serotonin 5-HT4-Rezeptoren: die Substanz stimuliert die proximale Kolon-Motilität, erhöht die gastro-duodenale Motilität und beschleunigt die verzögerte Magenentleerung. Ausserdem induziert Prucaloprid Giant Migrating Contractions. Diese sind äquivalent zu den Kolonbewegungen im Menschen und regen die Defäkation an. Die beobachteten Wirkungen im Gastrointestinaltrakt des Hundes werden durch Blockade mit selektiven 5-HT4-Rezeptorantagonisten antagonisiert, was beweist, dass die beobachtete Wirkung durch Beeinflussung des 5-HT4-Rezeptors entsteht.
In einer offenen, randomisierten Crossover-Studie mit verblindeter Auswertung zur Untersuchung der Wirkung von Prucaloprid 2 mg und eines osmotischen Laxativums sind diese pharmakodynamischen Wirkungen von Prucaloprid bei menschlichen Probanden mit chronischer Obstipation bestätigt worden. Mit Hilfe der Manometrie wurde in dieser Studie anhand der Anzahl hochamplitudiger propagierender Kontraktionen des Kolons (HAPCs, auch als grosse migrierende Kontraktionen bezeichnet) die Wirkung auf die Kolonmotilität bestimmt. Die Messungen der Anzahl von HAPCs während der ersten 12 Stunden nach Einnahme des Prüfpräparates haben gezeigt, dass im Vergleich zu einer Obstipationstherapie durch osmotische Wirkung die Darmmotilität durch die prokinetische Stimulation mit Prucaloprid erhöht wurde.
Pharmakodynamik
In einer QT-Studie (gemäss ICH Richtlinie E14) wurde der Einfluss von Prucaloprid auf das QTc-Intervall in therapeutischen (2 mg) und supratherapeutischen Dosen (10 mg) untersucht und mit der Wirkung von Placebo und einer Positiv-Kontrolle (400 mg Moxifloxacin oral) verglichen. Die Studie ergab keinen Anhalt für eine klinisch relevante QT-verlängernde Wirkung von Prucaloprid.
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit und Sicherheit von oralem Prucaloprid in der Indikation der idiopathischen chronischen Obstipation wurde in insgesamt 17 doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien der Phase II-IV an insgesamt 5318 Patienten untersucht (davon 2 Studien bei älteren Patienten). Untersucht wurden Dosen von 0,5, 1,0, 2,0 und 4,0 mg. Dabei wies eine Dosis von 1 mg täglich das günstigste Nutzen-Risiko-Verhältnis auf.
Bei sechs dieser Studien handelt es sich um Multicenter-Studien mit einer Behandlungsdauer von 12 Wochen, in welchen insgesamt 1875 Patienten mit Dosen von 2 oder 4 mg täglich behandelt wurden. Ausgeschlossen waren bei diesen Studien alle Formen der sekundären Obstipation (d.h. als Folge endokriner, metabolischer oder neurologischer Erkrankungen sowie Arzneimittel-induzierte Obstipation), bekannte oder vermutete organische Dickdarmveränderungen (z.B. entzündliche Darmerkrankungen) sowie vorausgegangene grössere abdominal-chirurgische Eingriffe. Etwa zwei Drittel der Patienten nahmen während der Studien zusätzlich Laxantien (v.a. Bisacodyl) ein. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, welche eine Normalisierung der Stuhlfrequenz erreichten. Dies war definiert als eine durchschnittliche Zahl von 3 oder mehr spontanen, vollständigen Stuhlentleerungen (SCBM = spontaneous, complete bowel movement) pro Woche während der 12wöchigen Studiendauer. Beide Dosierungen zeigten im Primärendpunkt eine statistisch signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo (p<0,001), wobei die 4 mg–Dosis gegenüber der 2 mg-Dosis keine Vorteile aufwies.
Der Anteil der mit 2 mg Prucaloprid behandelten Patienten, welche durchschnittlich ≥3 SCBM's pro Woche erreichten, betrug (in Woche 12) 27.8% gegenüber 13.2% unter Placebo. Eine klinisch relevante Verbesserung von >1 SCBM pro Woche wurde in Woche 12 bei 47.0% der Patienten unter 2 mg Prucaloprid erreicht gegenüber 29.9% unter Placebo.
Auch im PAC-SYM, einem validierten, krankheitsspezifischen Symptom-Score, welcher unter anderem Stuhlfrequenz, Stuhlkonsistenz, abdominelle Beschwerden und rektale Symptome berücksichtigt, führte Prucaloprid zu einer signifikanten Verbesserung. Eine signifikante Steigerung der Lebensqualität wurde im PAC-QOL beobachtet, einem krankheitsspezifischen Fragebogen, welcher beispielsweise Stuhlgewohnheiten, physisches und psychosoziales Unbehagen, Ängste und Sorgen sowie die Zufriedenheit mit der Behandlung erfasst.
In den weiteren doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studien mit Dosen von 0,5-4 mg/Tag zeigte die Dosierung von 0,5 mg keine ausreichende Wirksamkeit (Responserate ca. 24% gegenüber 10-25% unter Placebo), während die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen 1 und 4 mg/Tag sehr flach verlief und zwischen 1 und 2 mg keine klinisch relevanten Wirksamkeitsunterschiede erkennbar waren (Responseraten unter 1 mg 23-44%, unter 2 mg 20-42%). Hingegen war die Inzidenz unerwünschter Wirkungen unter den höheren Dosierungen von 2 und 4 mg mit ca. 71% klar höher als unter Placebo (60%), während sie unter der Dosierung von 1 mg (57%) jener unter Placebo vergleichbar war.
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Prucaloprid bei Patienten (im Alter von ≥18 Jahren oder älter) mit chronischer Obstipation wurde in einer 24-wöchigen multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie beurteilt (N=361). Hinsichtlich des Anteils der Patienten, die über die 24- wöchige doppelblinde Therapiephase im Durchschnitt ≥3 spontane vollständige Stuhlentleerungen (SVSE) pro Woche aufwiesen (d.h. Responder), gab es zwischen dem Prucaloprid- (25,1%) und dem Placebo- (20,7%) Therapiearm statistisch keinen Unterschied (p=0,367). Zwischen den Therapiearmen war der Unterschied in der durchschnittlichen Häufigkeit von ≥3 SVSE pro Woche über die Wochen 1-12 statistisch nicht signifikant. Dieses Ergebnis stimmt nicht mit den 5 anderen multizentrischen, randomisierten, doppelblinden 12-wöchigen placebokontrollierten Studien überein, die für diesen Zeitpunkt eine Wirksamkeit bei erwachsenen Patienten gezeigt hatten. Hinsichtlich der Wirksamkeit wird die Studie daher als nicht eindeutig betrachtet. Durch die Gesamtheit der Daten, einschliesslich der anderen doppelblinden, placebokontrollierten 12-wöchigen Studien, wird die Wirksamkeit von Prucaloprid jedoch gestützt. Das Sicherheitsprofil von Prucaloprid entsprach in dieser 24-wöchigen Studie dem in den früheren 12-wöchigen Studien beobachteten Profil. Prucaloprid zeigte weder einen Rebound-Effekt noch (in Langzeitstudien) einen Gewöhnungseffekt.
|